Alois Leuninger | |
Die Nagelschmiede
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Das alte Gewerbe der Nagelschmiede ist in Mengerskirchen über
viele Generationen hinaus ausgeübt worden. Soweit sich feststellen
läßt, hatte es in der Zeit von etwa 1380 bis kurz
In dem genannten Zeitraum war für den überwiegenden
Teil der Nagelschmiede das Gewerbe nicht Hauptberuf, sondern es
stellte für sie nur noch eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit
dar. Schon um das Jahr 1900 war die Zahl derjenigen, die ganzjährig
als Nagelschmiede arbeiteten, gering. Seit jeher besaßen
die meisten Nagelschmiede eine kleine Landwirtschaft, die von
Frühjahr bis Herbst ihre Arbeitskraft überwiegend in
Anspruch nahm. Trotzdem war für ihre Existenz die Nagelherstellung
von höchster Bedeutung, brachte sie doch Bargeld ins Haus,
das durch die Kleinlandwirtschaft nur in geringem Umfang zu erzielen
war. Die erzeugten landwirtschaftlichen Produkte deckten nämlich
kaum den Bedarf der eigenen zumeist großen Familie.
Diese Kleinbauern arbeiteten in der Schmiede jedoch nicht nur
während der Wintermonate, sondern auch in den Zeiten, in
denen der Arbeitsanfall in der Landwirtschaft geringer war und
an Regentagen. Bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts
war die Zahl der Nagelschmiede, gemessen an der Zahl in den späteren
Jahrzehnten, gering. Eine amtliche Erhebung aus dem Jahre 1861
zeigt an, daß es damals 28 Personen gab, die das Gewerbe
selbständig ausübten, wozu noch 10 Gesellen und Lehrlinge
Es muß dabei auch berücksichtigt werden, daß,
wie die Statistik ausweist, zu jener Zeit in Mengerskirchen noch
andere Gewerbe in beachtlicher Zahl ausgeübt wurden. Es gab
damals 5 Bäcker, 3 Fleischer, 1 Barbier, 1 Gerber, 2 Maurer,
1 Zimmermann, 1 Schornsteinfeger, 2 Wagner, 1 Färber, 2 Grobschmiede
bzw. Schlosser, 6 Schuhmacher und 4 umherziehende Musikanten.
Das früher einmal ausgeübte Gewerbe eines Hutmachers,
nach dem heute noch eine Familie benannt wird, ist allerdings nicht
mehr aufgeführt. Diese Gewerbetreibenden beschäftigten
vereinzelt auch Lehrlinge und Gehilfen und betrieben daneben ebenfalls
teilweise noch eine Landwirtschaft. Mit dem industriellen Aufschwung
insbesondere nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71
änderte sich auch die gewerbliche Struktur von Mengerskirchen.
Ein Teil der bis dahin vorhandenen Handwerksbetriebe erlag der
Entwicklung. Dagegen nahm das Nagelschmiedegewerbe einen erheblichen
Aufschwung. Das dürfte vor allem auf den großen Bedarf
an Schuhnägeln zurückzuführen sein, der sich durch
die Verwendung von schweren Schuhwerk für Bergleute und andere
Arbeiterkategorien ergab. Auch für das Militär wurden
erhebliche Mengen Schuhnägel benötigt. Die Fabriken
waren zunächst keine große Konkurrenz für die
Nagelschmiede, da sie sich der Herstellung von Schuhnägeln
wohl noch nicht in vollem Umfang bemächtigt hatten. Viele
Verbraucher gaben damals auch noch dem handgeschmiedeten Schuhnagel
den Vorzug.
Das Industriegebiet lockte
Allerdings bahnte sich für die arbeitende Bevölkerung
von Mengerskirchen noch eine andere Entwicklung an. Der Bedarf
an Arbeitskräften in den Industriegebieten veranlaßte
viele, dort nach Arbeitsmöglichkeiten zu suchen. Dabei schien
die Beschäftigung im Baugewerbe der Situation am besten angemessen.
So kam es, daß in jedem Frühjahr mehr und mehr männliche
Arbeitskräfte vor allem in das rheinisch-westfälische
Industriegebiet wanderten und dort im Baugewerbe Arbeit und Verdienst
fanden. Hierunter befanden sich aber nicht nur Arbeitskräfte,
die sich bis dahin ausschließlich als gewerbliche Arbeit,
er in Mengerskirchen betätigt, sondern auch Kleinbauern,
welche das Nagelschmiedegewerbe noch nebenberuflich ausgeübt
hatten. Diese gaben indessen ihre Landwirtschaft in der Regel
nicht auf, sondern ließen sie von der Frau führen,
die mit den Kindern die anfallenden Arbeiten verrichtete. Allenfalls
kamen die in der Fremde arbeitenden Kleinbauern zur Heuernte oder
anderen wichtigen Arbeiten für einige Tage zur Mithilfe nach
Hause. Sonst blieben die Bauarbeiter in der Regel etwa von Ostern
bis Allerheiligen an ihrem Arbeitsort. Das war für alle,
die von diesen Verhältnissen betroffen wurden, sehr hart.
Aber die Wintermonate brachten in etwa den Ausgleich. Da war man
zu Hause und arbeitete als Nagelschmied im eigenen Haus oder in
einer benachbarten Schmiede.
Werkstatt im Hausflur
In jener Zeit gab es in Mengerskirchen etwa 65 Nagelschmiedewerkstätten,
in denen in der Regel 1~ Mann arbeiteten. Mehr als die Hälfte
der Werkstätten waren in Hausfluren untergebracht, die meist
auch gleichzeitig als Küche dienten. Das bedeutete erhebliche
Raumnot in den an sich kleinen Häusern mit in der Regel zwei
Stuben oder sogar nur einer, wie beispielsweise in den sogenannten
,,Freiheitshäuschen" auf dem Damm, welche in der Zeit
der 1848er Revolution erbaut worden waren und zu denen der Landesfürst
das Bauholz kostenlos gestellt haben soll. Ein kleiner Teil der
Werkstätten befand sich im Kellergeschoß und hatte
wohl einen direkten Ausgang ins Freie. Nur in wenigen Fällen
waren Werkstätten außerhalb des Hauses eingerichtet.
Manche Schmieden mit mehreren Arbeitsplätzen dienten nur
den Angehörigen einer Familie; mitunter waren es die Söhne,
der Vater und der Großvater. Kinderarbeit gab es, wenn man
von geringfügigen Nebenarbeiten absieht, bei den Nagelschmieden
im allgemeinen nicht. Allerdings wurde der Verfasser während
des ersten Weltkrieges im letzten Volksschuljahr das letzte Halbjahr
von der Schulpflicht befreit, um seine Brüder, die beim Militär
waren, in der Schmiede zu ersetzen und zum Unterhalt der Familie
beizutragen. Es mag auch vereinzelt vorgekommen sein, daß
Volksschüler des letzten Schuljahres in ihrer Freizeit Nägel
anfertigten. Während des ersten Weltkrieges stellte auch
eine Frau Nägel her. Sie gab diese Tätigkeit jedoch
bald wieder auf. Der Nagel und die Nagler
Der Nagel in seinen vielfältigen Formen und Arten ist in
vielen Bereichen des menschlichen Lebens seit jeher von großer
Bedeutung gewesen. Er diente vor allem der Verbindung harten und
festen Materials und der Befestigung von einem Gegenstand an einen
anderen. So wird es schon vor 2500 v. Chr. gewesen sein, als die
Sumerer die Bronze entdeckten und damit Waffen, Geräte und
Schmuck herstellten. Weit größere Bedeutung dürfte
der Nage] gefunden haben mit der Erzeugung von Eisen. Hierbei
ist festzustellen, daß bereits im 4. Jahrhundert v. Chr.
eine Eisenverhüttung an der mittleren Lahn und im Vogelsberg
erfolgte.
Eine eingehende Kenntnis über die vielseitige Verwendung
des Eisens im Altertum vermittelt in anschaulicher Weise das Museum
auf der Saalburg im Taunus. Unter den dort noch im Original befindlichen
Gegenständen aus der römischen Zeit finden sich nicht
nur eine Vielfalt von Eisenerzeugnissen, wie Beschläge für
Wagen, Fenster, Eimer usw., Waffen und Geräte für Garten
und Landwirtschaft, sondern auch große Eisennägel.
Vielleicht wurden solche Nägel aus Rom bei der Kreuzigung
Christi vor 2000 Jahren verwandt. Nach christlicher Überlieferung
ist Jesus nämlich mit Nägeln ans Kreuz geschlagen worden.
In dem Museum ist auch ein Gerät, als Nagelzieher bezeichnet,
das offensichtlich zur Herstellung von Nägeln benutzt wurde
und Merkmale des sogenannten Nageleisens besitzt, das die Nagelschmiede
in unserer Zeit bis zum Erlöschen des Handwerks verwendeten.
Der eisenverarbeitende Fachmann würde es als Gesenk bezeichnen,
also eine Vorrichtung, mit Hilfe derer einem erhitzten Eisenteil
die gewünschte Form gegeben wird.
Besonders interessant erscheint die Tatsache, daß im alten
Rom bereits Schuhnägel hergestellt wurden, die dem Schutz
der Schuhsohlen vor vorzeitigem Verschleiß dienten. Zwar
gab es zu jener Zeit noch keine Schuhe, wie sie später benutzt
wurden und auch noch in der Gegenwart getragen werden. Vielmehr
waren es mit einer Laufsohle versehene Sandalen. Diese Laufsohlen
waren mit Nägeln beschlagen, ähnlich wie später
die Schuhe solcher Personen, die schweres Schuhwerk benötigten.
Auf der Saalburg befinden sich Ziegelplatten mit dem Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß es im Rom jener Zeit schon Handwerker gab, die sich speziell der Herstellung von Nägeln widmeten, also ausgesprochene Nagelschmiede waren. Indessen kann man daraus nicht eine direkte Verbindung zu den Nagelschmieden unseres Zeitalters herleiten. Vielmehr wird am Anfang der handwerklichen Eisenverarbeitung zunächst derjenige die Nägel angefertigt haben, der auch sonstige Gegenstände aus Eisen erzeugte. Eine Spezialisierung dürfte erst dann eingetreten sein, als Herstellung und Bedarf von Geräten und sonstigen Gegenständen so vielseitig und umfangreich waren, dass der einzelne Hersteller sich nicht mehr so viel Fachkenntnisse aneignen konnte, um der Art nach jeglichen Bedarf zu decken.
Dieser Zustand änderte sich mit der Bildung von Städten
und Märkten. Hier trat nicht nur ein größerer
Bedarf für die begehrten Erzeugnisse zutage, sondern das
Angebot war auch der Art nach vielfältiger. Eine Statistik
über das Schmiedegewerbe in Frankfurt/Main aus dem Jahre
1387 zeigt auf, daß es dort in jener Zeit 23 Berufszweige
der Schmiede mit insgesamt 46 Schmiedehandwerkern gegeben hat,
unter denen sich u. a. 3 Grobschmiede, 2 Hufschmiede, 2 N a g
e l s c h m i e d e, 2 Messerschmiede, 1 Messerbereiter, je ein
Scheren- und Nadelschmied, 2 Weberkämmeschmiede, 5 Schwertfeger
und 8 Hersteller von eisenbeschlagenen Holzschuhen befanden. In
diesem Zusammenhang ist die Feststellung von Interesse, daß
die damaligen Nagelschmiede noch keine Schuhnägel angefertigt
haben, und zwar aus dem einfachen Grunde, daß es keine mit
Nägeln beschlagene Schuhe in jener Zeit gab. Der Teil der
Bevölkerung, der für seine Arbeit
Die Nagelschmiede dürften indessen im Laufe der technischen
und wirtschaftlichen Entwicklung immer mehr an Bedeutung gewonnen
haben. Vielfältige Arten von Nägeln sind sicherlich
von den Naglern hergestellt worden. Gewiß hat sie Hans Sachs
in seinem Text zu dem Holzschnitt von Jost Amann "Der Nagler"
im Ständebuch von 1568 nicht alle aufgezählt. Immerhin
kommt in dem Vers zum Ausdruck, daß es vielerlei Sorten
waren. Die ,,Bühnnegel" benötigte man zum Befestigen
von Bretterbühnen, für Holzdielen und Holzdecken, ,,Pfenningnegel"
waren solche mit flachen Köpfen. Ganz sicher haben die Nagler
damals Hufnägel, Decknägel, d. n. Nägel für
die Befestigung des Dachschiefers und viele andere Sorten angefertigt,
wohl aber noch keine Schuhnägel, die in späterer Zeit
und so auch in Mengerskirchen dem Nagelschmiedegewerbe das Gepräge
gaben. Hierfür spricht schon das Gerät der Nagelschmiede,
wie wir es auf dem Holzschnitt sehen, ganz abgesehen davon, daß
die abgebildeten Nagler ein Schuhwerk trugen, das offenbar keine
Benagelung aufwies.
Die wirtschaftliche und technische Entwicklung im 17. und 18.
Jahrhundert und damit gleichzeitig eine starke Bevölkerungsvermehrung
gab wohl auch dem Nagelschmiedegewerbe erheblich Auftrieb. Gesamtstatistiken
über den Umfang dieses Gewerbes liegen indessen aus dieser
Zeit nicht vor. Die Berufszählung vom 14. Juni 1895 vermittelt
jedoch einen Überblick über die Zahl derjenigen Personen,
die zu jener Zeit das Gewerbe eines Nagelschmiedes ausübten.
Sie waren über das ganze deutsche Reichsgebiet verteilt,
und zwar in einer Gesamtzahl von 5239 Personen. Die stärkste
Verbreitung hatte das Gewerbe in Hessen-Nassau. Dort gab es 1086
Nagelschmiede. Die meisten Nagelschmiede innerhalb Hessen-Nassau
wurden 1895 im Kreis Schmalkalden gezählt. Zu den 720 Personen,
die dort als Nagelschmiede arbeiteten, gehörten wahrscheinlich
118, die in einem Betrieb der Nagelherstellung, der bereits mit
zwei Maschinen arbeitete, beschäftigt waren. Auch in anderen
Gegenden gab es damals schon Betriebe der Nagelherstellung mit
einer größeren Anzahl Beschäftigter. Dagegen war
vorwiegend in den westdeutschen Gebieten, beispielsweise im Kreis
Usingen und im Landkreis Trier, noch ausschließlich eine
Fertigung von Nägeln in kleinen Werkstätten von Hand
zu verzeichnen. Diese Herstellungsart wurde auch in Mengerskirchen
bis zum endgültigen Erlöschen des Gewerbes im Jahre
1948 angewandt.
Die Berufszählung von 1895 weist für den Oberlahnkreis
43 Personen als Nagelschmiede aus. Dabei wird man davon ausgehen
dürfen, daß es sich ausschließlich um Bürger
von Mengerskirchen handelt. Aber die genannte Zahl zeigt keinesfalls
die Zahlengröße auf, die auf das Nagelschmiedegewerbe
in jener Zeit anzuwenden ist. Ganz gewiß gab es damals in
Mengerskirchen mehr Nagelschmiede. Mit ziemlicher Sicherheit ist
davon auszugehen, daß von der Statistik nur jene erfaßt
worden sind, die das Gewerbe ganzjährig ausübten, und
wieder jene unberücksichtigt blieben, die neben dem Nagelschmiedegewerbe
noch eine Landwirtschaft betrieben oder nur während der Wintermonate
Nägel fertigten und die übrige Zeit im Baugewerbe arbeiteten.
Möglicherweise scheute sich auch mancher, bei den Erhebungen
für die Berufszählung sich als Nagelschmied auszugeben,
um nicht als Haupterwerbszweig diesen karg bezahlten Beruf anzugeben.
Mengerskirchen war offensichtlich von dem allgemeinen Rückgang
des Gewerbes vor der Jahrhundertwende nicht betroffen.
Wann und woher kam das Gewerbe?
In vielen Bereichen, die Gegenstand dieser Betrachtung sind,
ist das Nagelschmiedegewerbe in einer Häufung aufgetreten,
d. h. die Betriebe konzentrierten sich in einigen Gegenden auf
einen Ort oder auf mehrere zusammenhängende Orte. So war
es auch in der früheren Provinz Hessen-Nassau. Die Gründe
hierfür sind verschiedener Art. Im Raum Schmalkalden, Thüringen,
hat es schon sehr früh eine Eisenverarbeitung gegeben; sie
reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Dieser Umstand beruhte
auf dem Erzvorkommen der dortigen Gegend und anderen Voraussetzungen,
die eine umfangreiche Eisen- und Stahlgewinnung ermöglichten.
Indessen waren die Nagelschmiede in jener frühen Zeit des
eisenverarbeitenden Handwerks zahlenmäßig gering. Um
das Jahr 1500 herum gab es beispielsweise in Schmalkalden neben
41 Werkstätten der Messerund Klingenschmiede nur 9 Nagelschmiedewerkstätten.
Das lag wohl daran, daß damals noch keine Schuhnägel
hergestellt wurden, ebenso wie auch keine oder nur geringe Mengen
Decknägel zur Dachschieferbedeckung. Aber es darf doch im
Raum Schmalkalden der Ursprung des Nagelschmiedegewerbes in der
dortigen Eisengewinnung und Eisenverarbeitung gesehen werden.
Eine gleiche oder ähnliche Situation ist anderwärts
nicht zu verzeichnen. Allerdings steht nicht selten der Ursprung
des Nagelschmiedegewerbes mit Erzvorkommen und Eisengewinnung
in Verbindung. Dafür sprechen schon manche Ortsnamen. So
kommt der Name Schmitten im Taunus zweifellos von der Eisengewinnung
im dortigen Raum. Als Ausgang des Nagelschmiedehandwerks in Schmitten
wird ein Eisenhammer bezeichnet, der ein weiches Eisen lieferte,
das für die Herstellung von Nägeln besonders geeignet
war. Die Kirchenbücher weisen aus, daß es 1723 in Schmitten
ebenso wie in einigen umliegenden Orten schon Nagelschmiede gegeben
hat. Der Landesfürst soll das Gewerbe ins Leben gerufen haben,
und zwar unter Heranziehung von Nagelschmieden aus Schmalkalden.
Auch der Name Isenburg, im Sayntal ist auf die dortige Eisengewinnung
in früherer Zeit zurückzuführen. Über die
Entstehung des Nagelschmiedegewerbes in Isenburg gibt es eine
mündlich überlieferte Legende. Der Ritter der Burg soll
an den Kreuzzügen in das Heilige Land teilgenommen haben,
dort in Gefangenschaft geraten sein und in dieser das Nagelschmiedehandwerk
erlernt haben. Nach seiner Rückkehr habe er sich dann am
Fuße der Burg als Nagelschmied niedergelassen, da ihm seine
Frau während seiner Gefangenschaft untreu geworden sei. Aus
dieser Zeit soll das Isenburger Nagelschmiedegewerbe stammen.
Jedenfalls beweist diese Legende, daß man über Ursprung
und Alter des Gewerbes dort nichts Näheres weiß. Ganz
gewiß hatte das Nagelschmiedehandwerk allgemein eine große
Verbreitung im 17. und 18. Jahrhundert gefunden, und zwar vorwiegend
in Gegenden mit kargem Ackerboden und fehlenden anderen Verdienstmöglichkeiten.
Das gilt auch für Mengerskirchen. Vordem bot die weiträumige
Gemarkung mit meist geringwertigeren Ackerböden für
die verhältnismäßig geringe Bevölkerung bis
nach dem 30jährigen Krieg ausreichend Nahrung. Im Jahre 1566
gab es in Mengerskirchen 39 Gebäude und 43 steuerpflichtige
Bürger; Ende des Jahres 1636 zählte es nur noch 12 bewohnte
Häuser. Der Pest und den Kriegsereignissen waren in diesem
und dem vorhergehenden Jahr 246 Personen zum Opfer' gefallen.
Indessen setzte nach dem 30jährigen Krieg eine schnelle Bevölkerungsvermehrung
ein. Im Jahre 1825 hatte Mengerskirchen 930 Bewohner und sich
damit innerhalb von gut 150 Jahren um ein Vielfaches vermehrt.
Diese Bevölkerung konnte der Grund und Boden um die herbe
Knotenlandschaft nicht mehr ernähren Industrien und andere
Unternehmungen, die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten hätten
bieten können, fehlten in Mengerskirchen und seiner Umgebung.
Verkehrsmöglichkeiten, die einen weiter entfernten Arbeitsplatz
ermöglicht hätte gab es nicht. Vereinzelt soll man sich
jedoch als Tagelöhner an Orten verdingt haben, die nur durch
einen tagelangen Fußmarsch zu erreichen waren. So kehrte
Not und Armut unter der Bevölkerung ein. Seitens der landesherrlichen
Verwaltung versuchte man durch soziale Hilfsmaßnahmen diesem
Zustand zu steuern. Wie auch anderwärts errichtete man in
Mengerskirchen eine öffentliche Spinnerei. Die Regierung
stellte das notwendige Kapital zur Geräte- und Materialbeschaffung
zinslos zur Verfügung. Das Unternehmen hatte aber keinen
langen' Bestand.
Über den Ursprung des Nagelschmiedegewerbes in Mengerskirchen
ist nichts bekannt. Man weiß nicht, wo es hergekommen ist
und wann die ersten Nagler ihr Gewerbe hier ausübten. Die
Anregung dazu ist nicht wie in anderen Räumen von der Eisengewinnung
oder einer anderen bedeutenden Eisenverarbeitung ausgegangen.
Es wird auch sicherlich keine Beziehung zu der Tatsache bestehen,
daß es um das 15. Jahrhundert herum in Mengerskirchen Waffenschmiede
gegeben hat, die den zur Verteidigung der Feste verpflichteten
Bauern von Mengerskirchen und den benachbarten Dörfern Fausthämmer
und Bogen lieferten und ,,daneben den trefflichen Stahl der Waldschmiede
im Calenberg zu Beilen und spitzen Lothämmern ausschmiedeten."
Zwar fand das Nagelschmiedegewerbe im Lahngebiet im Laufe des
15. Jahrhunderts eine stärkere Verbreitung. Davon dürfte
aber Mengerskirchen nicht betroffen worden sein, denn die Hofhaltung
auf dem Schloß Weilburg bezog noch im ersten Viertel des
Jahrhunderts die für Bauzwecke nötigen Nägel aus
Herborn. Im übrigen befindet sich in der dem Verfasser bekannten
Literatur kein Anhaltspunkt für den Ursprung des Gewerbes
in so früher Zeit. Selbst Hörpel erwähnte es in
seiner Mengerskirchener Chronik nicht, obwohl diese weit in die
Zeit hinein reicht, da in Mengerskirchen schon Nägel hergestellt
wurden. Das läßt darauf schließen, daß
das Gewerbe im 17. Jahrhundert oder gar noch früher keine
Rolle dort gespielt hat Auch das Zunftwesen in jener Zeit in Mengerskirchen
rechtfertigt keine andere Auffassung.
Mit ziemlicher Sicherheit wird anzunehmen sein, daß das
Gewerbe in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Mengerskirchen
gekommen ist. Anhaltspunkte hierfür sind Eintragungen in
den Kirchenbüchern. Leider wurden in diese bis Ende 1817
keine Berufe eingetragen. Das änderte sich mit der Einführung
der Zivilstandsregister ab dieser Zeit insoweit, als den Personalien
der aufgeführen Personen auch der Beruf beizufügen war.
So zeigt eine Eintragung aus dem Jahre 1818 an, daß dem
Nagelschmied Johann Haim ein Kind gestorben ist. Die Eintragung
ab jener Zeit verzeichnen den Beruf des Nagelschmiedes oder auch
Naglers sehr oft. Damit ist aber die Existenz des Gewerbes, und
zwar schon in einem größeren Umfang vor der Jahrhundertwende
nachgewiesen. Der Vater des Verfassers, der einer alten Nagelschmiedefamilie
entstammte, hat erzählt, daß es aus Schmalkalden gekommen
sei. Es ist vorstellbar, daß das Gewerbe von Schmalkalden
über Schmitten nach Mengerskirchen gekommen ist Hierfür
spricht insbesondere die Gleichartigkeit der Arbeitsweise bei
der Nagelanfertigung in Schmitten und Mengerskirchen und der Arbeitsgeräte
und ihrer Bezeichnung. Vielleicht besteht aber auch eine Verbindung
zwischen dem ausgedehnten Eisenhandel der Löhnberger Hütte
in damaliger Zeit, der weit über die Landesgrenzen hinausging
1712 verkaufte die Hütte sogar Stabeisen nach Italien und
der Einführung des Naglergewerbes in Mengerskirchen. Die
Eisenhändler gaben womöglich auf Grund ihrer Kenntnisse
über die Eisenverarbeitung die Anregung dazu. Die Zahl der
Bevölkerung sowohl als auch ihre Struktur bot für das
Gewerbe gute Voraussetzungen in dem Westerwaldort.
Eine weitere Voraussetzung war der steigende Bedarf an Nägeln,
wobei die Verwendung von Nägeln als Schutz für die Schuhsohlen
eine besondere Rolle spielte. Sie erfolgte aber erst mit der Entwicklung
von Technik und Wirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert. Bis dahin
dürfte die große Zahl der werktätigen Bevölkerung
noch kein Schuhwerk aus Leder getragen haben, das einen Sohlenschutz
durch Nägel ermöglichte. Eine Benagelung setzte nämlich
einen festen Schuhrahmen mit einer kräftigen Laufsohle voraus.
Der Erwerb solcher Schuhe, die handwerklich hergestellt wurden,
war aber den kleinen Leuten wie Bauern, Tagelöhnern usw.
nicht möglich. Derartiges Schuhwerk war damals ein Vorrecht
der Begüterten und galt als Zeichen gesellschaftlicher Gehobenheit.
Andere Volksschichten dagegen werden einfache Lederschuhe, Holzschuhe
und Pantoffeln getragen haben. So dürfte auf die Entwicklung
des Nagelschmiedegewerbes die Herstellung von Schuhnägeln
einen großen Einfluß gehabt haben.
Die berufliche Ordnung und Ausbildung zum NagelschmiedUrsprünglich wurde das Nagelschmiedegewerbe nach handwerklichen Grundsätzen ausgeübt. Das gilt zumindest für die Zeit der Zünfte. Hierüber gibt es aus dem Raum Schmalkalden exakte Unterlagen. Die Nagelschmiede dort hatten nicht nur ihre eigenen Zünfte, sondern es gab auch Regelungen, welche die Ausbildung zum Nagelschmied betrafen. So besagte im 16. Jahrhundert die Vorschrift, daß der Nagelschmied als Meisterstück innerhalb von zwei Tagen 100 große Bandnägel mit hohlen Köpfen, 300 Hellebardennägel und 300 gestampfte Nägel anfertigen mußte ,,alles fein nette war und kaufmannsgut"; auch mußte der Prüfling vorher sein ,,Gezeug" machen. Jeder Meister durfte bis zu drei Gesellen beschäftigen.
Aus dieser Regelung ergibt sich der handwerkliche Charakter des
Nagelschmiedegewerbes zur damaligen Zeit, wie auch die Prüfungsarbeiten
ein beachtliches handwerkliches Können voraussetzten. Gerade
durch den letztgenannten Umstand ist das Gewerbe in der Zeit der
Zünfte nicht mehr vergleichbar mit dem der späteren
Zeit, da ihm die Massenherstellung von Nägeln das Gepräge
gab. Für die Meisterprüfung damals waren in zwei Tagen
insgesamt 700 Nägel anzufertigen, während die Nagelschmiede
es in späterer Zeit bei Schuhnägeln bis auf 2000 und
mehr täglich brachten. Etwa um das Jahr 1700 herum gab es
im Schmalkaldener Eisenhandwerk etwa 500 zunftmäßig
erfaßte Betriebe. Dazu gehörten nur vier Nagelschmiedemeister.
Diese vier Meister dürften mit ihren Betrieben nicht für
den Markt, sondern nur für feste Kunden und auf Bestellung
gearbeitet haben, so daß sie auch von daher als echte Handwerker
anzusehen sind.
Indessen wird sich die straffe handwerkliche Ordnung im Nagelschmiedegewerbe
schon vor der Auflösung der Zünfte gelockert haben.
Im Herzogtum Nassau wurde das Ende der Zünfte durch ein Herzogliches
Edikt aus dem Jahre 1819 herbeigeführt. Das Nagelschmiedegewerbe
hat seinen ursprünglich reinen Charakter als Handwerk durch
die Entwicklung mehr und mehr verloren. Zwar änderte sich
die Arbeitstechnik nicht. Sie war bis zum Erlöschen des Gewerbes
reine Handarbeit, die mit Hilfe von einfachen Werkzeugen und Geräten
ausgeführt wurde. Das Werkstück, der Nagel, wurde in
der Regel in einem Arbeitsgang nur von einer Arbeitskraft hergestellt,
die allerdings über bestimmte handwerkliche Fähigkeiten
verfügen mußte. Im Laufe der Zeit kam es jedoch zu
einer Massenherstellung insbesondere bei der Fertigung von Schuhnägeln,
die den handwerklichen Rahmen sprengte. Immer mehr Arbeitskräfte
wandten sich dem Gewerbe zu; der einzelne Nagelschmied arbeitete
nicht mehr für feste Kunden und auf Bestellung, sondern für
den Markt.
Soweit erkennbar galt für das Nagelschmiedegewerbe in Mengerskirchen
nicht die allgemein im Handwerk gültige berufliche Ordnung.
Vom Zunftwesen wurde es nicht erfaßt. Das mag daran liegen,
daß das Gewerbe sich hier in einer Zeit entwickelte, da
die Zünfte nicht mehr die Bedeutung und den Einfluß
früherer Zeiten hatten, ganz abgesehen davon, daß die
mit der Verleihung der Zunftbriefe im 17. Jahrhundert in Mengerskirchen
erstandenen Zünfte der Maurer und Zimmerleute, Schneider,
Schreiner und andere eine nicht ins Gewicht fallende Bedeutung
gehabt haben dürften. In den siebziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts soll es aber in Mengerskirchen zur Bildung einer
Nagelschmiedeinnung gekommen sein, welcher ein Nagelschmied Reiferth,
der in der wärmeren Jahreszeit auch den Posten des Kuhhirten
versah, vorstand. Diese Organisation hatte sich allerdings weniger
die handwerkliche Ordnung des Gewerbes zur Aufgabe gemacht, sondern
in erster Linie die wirtschaftliche Anhebung der Nagelschmiede.
Zur Vervollständigung des Bildes sei gesagt, daß der
Verfasser in seinen Kinderjahren Urkunden und andere Schriftstücke
der Handwerkskammer Wiesbaden, die seinen Vater betrafen bzw.
an diesen gerichtet waren, gelesen hat, welche das Nagelschmiedegewerbe
in Mengerskirchen zum Gegenstand hatten. Es kann vermutet werden,
daß in jener Zeit wenigstens auf dem Papier eine Nagelschmiedeinnung
in Mengerskirchen bestanden hat und der Vater des Verfassers mit
Funktionen in derselben betraut war. Leider sind diesbezügliche
Unterlagen nicht mehr vorhanden bzw. nicht erreichbar. Bei der
Handwerkskammer gingen sie durch die Kriegsereignisse verloren
und bei der Kreishandwerkerschaft in Weilburg sind sie, wenn überhaupt
vorhanden, nicht zugänglich.
In das amtliche Schrifttum ist das Nagelschmiedegewerbe in der
neueren Zeit eingegangen, und zwar in der Ersten Verordnung des
Reichswirtschaftsministers vom 15. Juni 1934 über den vorläufigen
Aufbau des deutschen Handwerks. Auf Grund des Paragraphen 1 derselben
erschien am 18. Dezember 1934 ein Verzeichnis der Gewerbe, die
handwerksmäßig betrieben werden können. Unter
Ziffer 54 dieses Verzeichnisses ist das Handwerk der Schmiede
aufgeführt, wobei auch die Nagelschmiede genannt sind. Von
praktischer Bedeutung war diese Tatsache kaum, da das Gewerbe
in jener Zeit schon weitgehend der technischen Entwicklung erlegen
war.
Eine allgemein gültige Regelung über die Ausbildung
zum Nagelschmied gab es, soweit ersichtlich, in Mengerskirchen
nicht. Jedenfalls wurde die im sonstigen Handwerk übliche
Berufslaufbahn vom Lehrling über den Gesellen zum Meister
nicht praktiziert. Aber im Endstadium des Gewerbes kam es in Mengerskirchen,
und zwar am 17. Juli 1948 noch einmal zur Gesellenprüfung
des Nagelschmiedes Wilhelm Eckert vor einem ordnungsgemäß
besetzten Gesellenprüfungsausschuß der Schmiedeinnung
Weilburg. Als Lehrmeister fungierte dabei der Nagelschmied Theodor
Walter. Bei dieser Prüfung ging es aber ausschließlich
um die anerkannte Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes
und damit um die Zuteilung von Kohle und Eisen, die damals noch
kontingentiert waren.
Bis zum ersten Weltkrieg gab es noch vereinzelt Lehrverhältnisse.
Die Lehrherren waren aber keine Meister im handwerklichen Sinne;
sie hatten weder eine Gesellen noch eine Meisterprüfung abgelegt.
In der Regel gingen junge Männer ein Lehrverhältnis
ein, die keinen Verwandten oder Bekannten hatten, der ihnen die
Kenntnisse und Fertigkeiten eines Nagelschmiedes hätte beibringen
können. Bei dem Lehrherrn fanden sie einen Arbeitsplatz und
gleichzeitig Anleitung zum Erlernen des Berufes. Indessen ergaben
sich für die Beteiligten aus einem solchen Verhältnis
Rechte und Pflichten. Der Lehrling hatte sich den Weisungen des
Lehrherrn zu fügen und dieser mußte den Lehrling so
behandeln, daß er nach Ablauf der Lehrzeit den Beruf als
Nagelschmied ausüben konnte. Die Lehrzeit betrug in der Regel
dreimal fünf Wintermonate. Der Lehrherr stellte dem Lehrling
alles für den Beruf zur Verfügung, d. h. den Arbeitsplatz
mit den Gerätschaften, Eisen und Kohle. Im ersten Winter
zahlte der Lehrling ein geringes Lehrgeld. Der Aufwand des Lehrherrn
war damit jedoch selten abgegolten, denn es dauerte schon geraume
Zeit, bis der Lehrling verkäufliche Ware herstellte. Im zweiten
Winter entfiel das Lehrgeld und im dritten Winter erhielt der
Lehrling ein Taschengeld oder eine kleine Vergütung, deren
Höhe im Ermessen des Lehrherrn lag. Eine Lehrabschlußprüfung
gab es nicht.
In der Zeit, aus der hier berichtet wird, war der Nagelschmiedeberuf
kein echter Lehr-, sondern mehr ein Anlernberuf. In den Familien
wurde er meistens schon seit Generationen ausgeübt; die nachfolgende
Generation wuchs in ihn hinein. Der ältere Volksschüler
probierte schon manchmal am "Stock" und war dann beim
Eintritt in den Beruf mit den Grundbegriffen und Fertigkeiten,
die zu seiner Ausführung notwendig waren, weitgehend vertraut.
Die Beschäftigung von Gesellen erfolgte nur in vereinzelten
Fällen. Ihnen wurde vom Werkstattbesitzer ein Arbeitsplatz
mit den notwendigen Geräten und Werkzeugen zur Verfügung
gestellt nebst Kohle und Eisen. Der Gesellenlohn richtete sich
nach der Stückzahl der von den Gesellen hergestellten Nägel.
Dieser betrug je nach Art und Gewicht derselben für 1000
Stück 0,80 bis 1,20 Mark. Der Gewinn des Arbeitgebers dabei
war nicht groß; er dürfte zwischen 5 und 10 Pfennig
gelegen haben.
Etwa um 1890 herum haben für längere Zeit, und zwar
ganzjährig, drei unverheiratete junge Nagelschmiede aus Mengerskirchen
als Gesellen in Niederscheld gearbeitet, darunter Johannes Schüßler,
der als Vollwaise in fremden Familien leben mußte. Sie erhielten
für ihre Arbeit Essen und Unterkunft und für 1000 Stück
Nägel bis zu 0,50 Mark. Um unter diesen Bedingungen existieren
zu können, war die Anfertigung von mindestens 2000 Stück
täglich erforderlich.
Werkstatt, Gerät und Werkzeug
Die Mehrzahl der Werkstätten in Mengerskirchen war für
vier Arbeitsplätze eingerichtet Der Arbeitsplatz bestand
aus dem ,,Nagelstock". Mittelpunkt der Werkstatt war die
Esse oder, wie die Nagler sagten, das ,,Feuer". Dieses bestand
aus einer gußeisernen Platte von etwa 50 auf 60 cm, die
auf vier Stäben, meist aus Flacheisen bestehend, ruhte. In
der Mitte der Platte befand sich eine viereckige Öffnung,
in die eine konische Wanne, ebenfalls aus Gußeisen, von
etwa 8 cm Tiefe eingelassen wurde mit einer seitlichen Öffnung,
die der Einführung des Luftkanals aus dem Blasebalg diente.
Die Wanne war mit einem normalen Ofenrost von etwa 12 x 12 cm
in Höhe der oberen Seite der Platte abgedeckt. Auf zwei Seiten
des Rostes wurde in der Regel je ein gußeiserner Block in
Ziegelsteingröße gesetzt, um die Wandungen unmittelbar
an der Glut vor Beschädigungen zu schützen.
Auf den gleichen Seiten mauerte man auf der Platte an deren Rand Wände aus Ziegelsteinen und Lehm in Höhe von 25 cm. Den Abschluß bildete wiederum eine gußeiserne Platte, die seitlich eine Öffnung für den Rauchabzug hatte. Die Platte diente vielfach noch dem Kochen von Viehfutter. An den an den anderen Seiten verbliebenen Öffnungen waren nach außen hin Eisenplatten von etwa 20 auf 40 cm angebracht, die am Ende durch eine Stütze mitgehalten wurden. Auf dieser Platte ruhten die zu erhitzenden Eisenstäbe. Beiderseits der offenen Stellen des ,,Feuers" standen die ,,Nagelstöcke".
Für das ,,Feuer" wurde normale Steinkohle, wie sie
das Schmiedehandwerk allgemein verwendet, benutzt. Die Entfachung
der Flamme erfolgte durch glühende Holzkohle, die man in
der Regel dem Küchenherd entnahm, oder durch andere Hilfsmittel
bei entsprechender Luftzufuhr durch Bedienung des Blasebalges.
Der Blasebalg entsprach den in allen eisenverarbeitenden Handwerksbetrieben
üblichen Modellen.
Die Bedienung des Blasebalges erfolgte durch die einzelnen Nagler
oder auch mit Hilfe eines Hundeantriebsrades. Bei der ersteren
Bedienungsart wechselten sich die Nagelschmiede ab, da diese Tätigkeit
gleichzeitig mit der Nagelanfertigung erfolgte. In diesem Falle
befand sich neben dem ,,Nagelstock" ein am hinteren Ende
mit dem Fußboden verankertes bewegliches Brett, das durch
ein Gestänge mit dem Blasebalg verbunden war. Das Brett stand
bei luftleerem Blasebalg nach vorne hoch. Beim Niedertreten des
Brettes wurde der Blasebalg hochgezogen und füllte sich dabei
mit Luft, die er dann zu Erzeugung der erforderlichen Glut an
das Feuer abgab. Der Nagelschmied trat das Brett mit dem linken
Fuß. Diese Tätigkeit mußte auf den Arbeitsvorgang
bei der Fertigung des einzelnen Nagels abgestimmt sein. Die gleichzeitige
Ausübung beider Tätigkeiten erforderte erhebliche körperliche
Anstrengung und Geschicklichkeit.
Das Hundeantriebsrad mit 1,50 Meter Durchmesser war nur in Werkstätten
möglich, die entsprechende räumliche Voraussetzungen
hierfür boten. Auch das ,,Hunderad" war durch ein Gestänge
mit dem Blasebalg verbunden, ähnlich wie bei der Fußbedienung.
Die Herstellung eines ,,Nagelstockes" erfolgte durch den
Wagner (Stellmacher) und den Grobschmied. Ersterer führte
die unmittelbaren Holzarbeiten aus, das heißt er verfertigte
von Hand mit Bohrern und Stemmeisen die Vertiefungen im Stirnholz
für die einzulassenden Teile, während der Grobschmied
alle übrigen Arbeiten vornahm. Diese Arbeiten werden nicht
allzu oft vorgekommen sein, denn ein ,,Nagelstock" überlebte
oft mehrere Generationen. Allerdings bedurfte es u. a. in bestimmten
Zeitabständen einer Überholung der Eisenteile, die bei
der Nagelfertigung besonders beansprucht waren. Dieser Umstand
brachte dann den anderen Handwerkern auch Arbeit und Verdienst,
der sich indessen dem geringen Einkommen der Nagelschmiede anpaßte.
Der Grobschmied richtete für je 15 Pfennig Schrot und Nageleisen
ab. Vier Mark waren allerdings für das Stählen des Amboß
zu zahlen. Hierbei ging es um die Bearbeitung eines sehr harten
Stahls, ,,Mühlstahl" genannt, weil die Müller mit
einem solchen Stahl die Mahlsteine schärften. Die Oberfläche
des Amboß war mit Stahl belegt, weil sie größter
Beanspruchung bei der Herstellung der Nagelspitze aus glühendem
Eisen ausgesetzt war. Täglich führte der Nagelschmied
dabei 10000 bis 20000 Schläge aus. Der Wagner erhielt für
einen Hammerstiel 5 Pfennig, den Weißdorn dazu mußte
er sich in den Hecken der Gemarkung schneiden. In den Zeiten,
da das Naglergewerbe blühte, brachten es die Grobschmiede
in ihrer Werkstatt auf einen Tagesverdienst bis zu 3 Mark. Zu
dem ,,Nagelstock" gehörte noch das Nageleisen, in der
Fachsprache Gesenk genannt, das mit einem Eisenkeil am "Stappe"
befestigt war und auf dem Amboß ruhte. Für jede Nagelsorte
war ein entsprechendes Nageleisen erforderlich. Das eigentliche
Gesenk bildete daran die sogenannte Warze. Bleiben noch das ,,Zängelche"
und der etwa 500 Gramm schwere Hammer zu nennen. Ersteres war
eine pinzetteähnliche kleine Zange zum Anfassen glühender
Nägel. Der Auswurf des fertigen Nagels aus dem Nageleisen
erfolgte durch einen kleinen Stift, der unterhalb des Nageleisens
auf einer gebogenen Stahlblattfeder saß. Das Stirnholz des
Stockes war an der hinteren Hälfte mit einem hochgestellten
Blech versehen, in welchem sich die gefertigten Nägel sammelten.
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