Herbert Leuninger
Europareferent von PRO ASYL, März 1997

Rückführung bosnischer Flüchtlinge

Deutschlands Sonderweg im Vergleich zum UNHCR-Plan und zu anderen europäischen Ländern

(mit Folien) Folienreihe 1
Rückkehr bosnischer Flüchtlinge (Titel)
DAYTON führende Rolle von UNHCR (1)
DAYTON führende Rolle von UNHCR (2)
UNHCR-Plan: Rückkehr in 1997
UNHCR-Plan: (noch) keine Rückkehr in 1997
DAYTON: Karte des Friedensabkommens
Folienreihe 2


Deutschland hat sich entschieden, bei der Rückführung der bosnischen Flüchtlinge einen Sonderweg einzuschlagen. Gemäß dem Friedensabkommen von Dayton hat der Generalsekretär der VEREINTEN NATIONEN das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) mit der Aufgabe betraut, die führende Rolle bei der Koordinierung aller Stellen zu übernehmen, die an der Rückführung und Unterstützung von Flüchtlingen und Vertriebenen beteiligt sind. (Folie) Die Vertragsparteien haben in Anhang 7 des Vertrags UNHCR aufgefordert, "in enger Abstimmung mit den Asylländern und den Vertragsparteien einen Rückführungsplan zu entwickeln".(Folie) Er liegt mittlerweile vor. Während sich die anderen europäischen Länder an diesem Plan orientieren, glaubt die Bundesrepublik eine eigene Rückführungspolitik betreiben zu müssen.

Der deutsche Sonderweg

Am 26. Januar 1996 hat die Innenministerkonferenz ihren Stufenplank für bosnische Flüchtlinge beschlossen. Danach sollten zuerst Alleinstehende und kinderlose Ehepaare bereits ab dem 1. Juli 1996 in ihre Heimat zurückkehren müssen. Allerdings konnten in dieser Phase Härtefälle wie traumatisierte Personen, ältere Menschen ohne Familie in der Heimat, Zeugen vor dem Internationalen Gerichtshof und Schüler und Auszubildende, die ihre Ausbildung begonnen haben, ausgenommen werden. In einer 2. Phase würden dann alle anderen ab Mitte 1997 gezwungen sein in ihre Heimat zu gehen. Basis dieses Beschlusses war das Ausländerrecht, wonach der Grund für einen weiteren Aufenthalt entfällt, seit der Krieg in Bosnien-Herzegowina beendet ist .

Die Staffelung der Rückkehr wird damit begründet, den Friedensprozeß zu stützen und auf die schwierige wirtschaftliche und innenpolitische Lage in Bosnien-Herzegowina Rücksicht nehmen zu wollen. Dabei wird wenigstens verbal - auf die möglichst enge Konsultation mit UNHCR, der EU und den anderen Aufnahmeländern in Rückkehrfragen hingewiesen.

Das Konzept unterscheidet sich in fundamentaler Weise von den international geltenden Vorstellungen. Bei diesen steht die Frage im Vordergrund, für wen und ab wann die Bedingungen vorliegen, die eine Rückkehr zumutbar machen. Bei den deutschen Innenministern hat entgegen aller humanitären Bekundungen das Ausländerrecht und die darin angelegten Ausweisungs- und Abschiebungsmöglichkeiten Vorrang. Was sich in der Heimat abspielt, gilt zwar nicht als ganz unerheblich, fällt aber nicht unter die Bewertung der Ausländerbehörden. Für sie gilt, möglichst schnell und möglichst viele Menschen auf möglichst unspektakuläre Weise in ihre wie auch immer verstandene Heimat zurückzuschicken. Den Anfang sollen die als besonders mobil eingestuften Flüchtlingskategorien machen.

Während UNHCR die für die einzelnen Menschen konkreten Umstände in den Vordergrund stellt, bleibt Deutschland auf der Rechtsfiktion bestehen, daß die Verteilung der zurückkehrenden Flüchtlinge in Bosnien-Herzegowina und ihre Wiedereingliederung Sache der örtlichen Behörden sowie der im Friedensabkommen hierfür vorgesehenen Hilfsorganisationen ist. Man könnte es so formulieren: Deutschland gibt seine Verantwortung für die Flüchtlinge an der Grenze wie den Hut am Kleiderständer ab, und ist höchstens bereit, mit der EU zusammen Wiederaufbaumaßnahmen in den Herkunftsregionen zu finanzieren. Es wird aber kein ausländerrechtlicher Zusammenhang zwischen der Ausweisung und dem Vorliegen konkreter Rückkehrmöglichkeiten gesehen. Diese Vorstellung ist mit der von UNHCR nicht vereinbar. Sie hat für Deutschland offenbar aber eine große Bedeutung; behördliche Rücksichtnahme auf die persönlichen Belange abzuschiebender Menschen könnte das derzeitige Abschiebungskonzept auch für andere Länder gehörig durcheinanderbringen.. Bund und Länder beharren hier in einhelliger Hartnäckigkeit auf einem Prinzip des Internationalen Rechts, wonach der Herkunftsstaat nicht nur unerwünschte Staatsangehörige zurücknehmen muß, sondern nach deren Rückkehr auch für deren menschenwürdige Lebensbedingungen verantwortlich ist.

Für die anderen Aufnahmeländer von Flüchtlingen ist dagegen maßgebend, daß UNHCR den Auftrag hat, das Rückkehrkonzept nicht nur in der nötigen Abstimmung mit allen Beteiligten zu erstellen, sondern auch Art, Form und Tempo der Rückführung festzulegen.

Der IMK-Beschluß vom 19. September 1996, mit der eine zeitliche, aber nicht inhaltliche Änderung des Rückführungsprogrammes beschlossen wurde, gibt sich zwar flexibler; dennoch wird die notwendige Anpassung an das Grundmuster einer Rückkehr in Sicherheit und Würde für jeden einzelnen Flüchtling nicht vollzogen. Ein gewisses Entgegenkommen ist darin zu sehen, daß in der ersten Phase einer (zwangsweisen) Rückführung "zunächst jedenfalls" nur die Bürgerkriegsflüchtlinge erfaßt werden sollen, die aus den für eine Rückkehr geeigneten Gebieten stammen.

Der UNHCR-Plan

Die Hochkommissarin für Flüchtlinge Sadako Ogate leitet die auf Regierungsebene gebildete Humanitäre Arbeitsgruppe der Internationalen Konferenz für das ehemalige Jugoslawien. Bei deren Treffen am 8. März 1996 in Oslo hat sie den geforderten Aktionsplan vorgelegt. Dieser Plan macht in seiner aktualisierten Fassung vom 16. Dezember 1996 folgende wesentlichen Aussagen:

Es wird eingeräumt, daß ein Großteil der bosnischen Flüchtlinge derzeit immer noch nicht, wie mit Dayton feierlich zugestanden, in ihre eigenen Häuser bzw. Wohnungen zurückkehren kann. Dennoch gäbe es bestimmte Personengruppen aus Bosnien-Herzegowina, die generell gesehen bereits jetzt zurückgehen könnten. Dieser Rückkehr während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase (d.h. 1997) will UNHCR in enger Zusammenarbeit mit den Bosnischen Behörden und den Ländern, die Flüchtlinge aufgenommen haben, Vorrang einräumen. Die Rückkehrmöglichkeit für andere Personengruppen hänge von dem Fortschritt bei der Beseitigung politischer Rückkehrhindernisse ab. Sie werden allerdings als noch beträchtlich eingestuft.

UNHCR rechnet damit, daß in 1997 etwa 200.000 Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zurückgehen und daß die Rückkehrerzahlen der Tendenz steigen werden.

Richtlinien für die Rückführung nach Bosnien-Herzegowina

Für die Rückkehr gibt UNHCR Richtlinien vor:

Freiwillige Rückkehr

Während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase wird UNHCR weiterhin eine freiwillige Rückkehr in alle Gebiete von Bosnien-Herzegowina unterstützen. Das gilt naturgemäß vor allem für die spontane Rückkehr. Auf diese Rückkehr haben drei Faktoren einen bestimmenden Einfluß:

  1. Die Sicherheit zuhause
  2. Die Klärung der Eigentumsfragen, der Staatsbürgerschaft und einer Amnestie.
  3. Vertrauensbildende Maßnahmen für ein besseres Verhältnis unter den Ethnien.

Für alle drei Faktoren sind die Behörden und die politische Führung verantwortlich.

In 1997 geht es in erster Linie um eine Rückkehr in die sogenannten Mehrheitsgebiete, d.h. an Orte, in denen die Heimkehrer zur ethnischen Mehrheit gehören. Das Amt will aber weiterhin auch die Rückkehr von Einzelnen und von Gruppen erleichtern, die in ihre früheren Häuser bzw. Wohnungen in Gebieten und Gebietseinheiten zurückkehren möchten, in denen sie nicht Teil der Mehrheitsbevölkerung sind. Die Erfahrungen von 1996 haben die Schwierigkeit gezeigt, eine derartige Rückkehr zu bewerkstelligen, wenn bei den Behörden der politische Wille fehlt.

Gruppen, für die eine Rückkehr zumutbar ist

Bei der Festlegung der Gruppen, für die eine Rückkehr 1997 zumutbar ist, spielt die Frage der Behördenstruktur im Zielgebiet die entscheidende Rolle. So kommen drei Gruppen möglicher Rückkehrer in Frage: (Folie)

  • Bosnische Muslime aus derzeit bosniakisch verwalteten Gebieten der Föderation Bosnien-Herzegowina;
  • Bosnische Kroaten aus derzeit kroatisch verwalteten Gebieten der Föderation;
    • Bosnische Serben aus der Republika Srpska ( mit Ausnahme von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren, solange sie nicht unter eine ausreichende Amnestie fallen).

Die Rückkehr dieses Personenkreises sollte aber an die Bedingung geknüpft sein, daß vorher vom Aufnahmestaat überprüft worden ist, ob nicht doch individuelle Umstände einer sicheren Rückkehr entgegenstehen. Auch sei nicht auszuschließen, daß einzelne, die sich politisch profiliert hätten, derzeit begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention haben müßten. Schließlich könnte es humanitäre Notfälle geben. Diesen Personen sollte ein dauerhafter Schutz gewährt oder die Weiterwanderung in ein Drittland ermöglicht werden.

Zu vermeiden sei auch jede zwangsweise Rückkehr besonders schutzbedürftiger Gruppen wie behinderter Menschen, älterer Personen ohne Verwandte in Bosnien-Herzegowina. Es sei ebenfalls zu hoffen, daß bei Studenten, die ihr Studium oder das Studienjahr zu beenden trachten, flexibel vorgegangen würde.

Bei der Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina sollte es bis zum Frühjahr 1997 im strikten Sinne freiwillig zugehen. Danach - und jetzt kommt ein wichtiger Punkt, der als einschränkende Interpretation von Dayton einzuschätzen ist - "muß eine Rückkehr von Personen, die unter die genannten Kategorien fallen, nicht mehr notwendigerweise freiwillig sein. Allerdings wird dabei vorausgesetzt, daß die betroffenen Personen über bestehende Widerspruchsmöglichkeiten informiert sind und diese auch wahrnehmen können. Hierbei müßten sie persönliche Umstände geltend machen können, die einer sicheren Rückkehr entgegenstehen. Auch was die von Dayton geforderte Freiwilligkeit angeht, ist bei UNHCR eine Aufweichung der Position zu vermerken. Wirkliche Freiwilligkeit wird den Aufnahmeländer nur noch empfohlen. Sie sollten alles unternehmen, daß die Rückführung weiterhin auf freiwilliger Basis, human und stufenweise erfolgt.

Fortdauer des Schutzes (Folie)

Das Amt nennt aber auch über das vorhin Gesagte hinaus Personen , die derzeit noch nicht zurückgehen könnten. Sie sollten - aus jetziger Sicht - weiterhin internationalen Schutz genießen:

  • Personen, die aus Gebieten stammen, in denen sie nach der Rückkehr nicht mehr zur Mehrheit gehören, bis zu einem Zeitpunkt, wo die politischen und sicherheitsbezogenen Hindernisse für eine Rückkehr ausgeräumt sind. UNHCR ist dagegen, daß diese Personen genötigt werden, in andere als ihre Herkunftsgebiete, zurückzugehen.(Ein sehr wichtiges Moment für die Bungdesrepublik, insofern sie das gesamte (sichere) Staatsgebiet als Zielgebiet für Rückkehrer betrachtet).
  • (Ethnisch) gemischte Ehepaare, besonders diejenigen, deren Familienvorstand nach der Rückkehr zur Minderheit gehören würde. Auch Personen, die aus ethnische gemischten Ehen stammen, könnten Gründe dafür haben, nicht zur Rückkehr genötigt zu werden.
  • Besondere humanitäre Fälle mit zwingenden Gründen, die sich aus früherer Verfolgung in der Analogie zu Artikel 1 C der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben. Unter diese Gruppe würden u.a. ehemalige Lagerinsassen und Opfer extremer Gewalt und mit traumatischen Erfahrungen gehören.

(Weiterer internationaler Schutz könnte ausnahmsweise auch solchen Bürgern der Republiken der früheren sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien zustehen, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist.)

Ausreichende Aufnahmekapazität

Das Genfer Amt betont immer wieder, daß es eine stärkere Verbindung zwischen den Planungen und Bemühungen um die wirtschaftliche Erholung auf der einen und der Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen auf der anderen Seite geben müßte.

Jede organisierte Rückführung sollte der Idee nach die Aufnahmekapazität in Betracht ziehen und mit dem Tempo Schritt halten, in der sich diese verbessert. Positiv beurteilt UNHCR die Bemühungen einer Reihe von Staaten, sich im Rahmen von Rückkehrprogrammen an Projekten für die Verbesserung der Aufnahmekapazität zu beteiligen. Ebenfalls wird es begrüßt, daß einige Staaten direkte finanzielle Mittel oder andere Anreize zur Rückkehr zur Verfügung stellen.

Die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen in größerem Umfang erfordert umfassende Wiederauf- und Neubaumaßnahmen. Nicht minder wichtig ist auch die Schaffung von Arbeitsplätzen, der Aufbau und die Finanzierung einer sozialen Infrastruktur und nicht zuletzt die Minenräumung.

Faßt man die Voraussetzungen und Bedingungen zusammen, die an eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde geknüpft werden, so ist zuallererst festzustellen, daß UNHCR den sogenannten "Schutz auf Zeit" mit dem Frühjahr 1997 für beendet erklärt. Diese Entscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung. Von diesem Zeitpunkt an ist auch für UNHCR die zwangsweise Rückkehr möglich. UNHCR gibt hiermit ein Signal, daß als politische und moralische, vielleicht sogar als operationelle Unterstützung gewertet werden kann. Es ist die noch genau zu reflektierende Konsequenz daraus, daß an der Genfer Flüchtlingskonvention vorbei der "Schutz auf Zeit" als neue Form des Flüchtlingsschutzes eingeführt wurde. Dies könnte zu einer weiteren Umgehung und Aushöhlung der Genfer Konvention führen.

Allerdings knüpft UNHCR auch eine solche als "zumutbar" bezeichnete Rückkehr an Bedingungen, die, werden sie von den Regierungen wirklich ernst genommen, derzeit nur auf den kleineren Teil der Flüchtlinge zutreffen. An erster Stelle steht der Minderheiten-Vorbehalt, der Menschen davor schützt, wieder oder überhaupt in eine bedrohliche Minderheitensituation zu geraten. Auch die weiteren zu klärenden Fragen der Sicherheit vor Ort sind für den Einzelfall von entscheidender Bedeutung. Wichtig ist vor allem, daß trotz einer generellen Aufhebung des "Schutzes auf Zeit" (temporary protection) die persönlichen Umstände jedes einzelnen Rückkehrers zu berücksichtigen wären.

Im Konzept selbst nicht ausdrücklich angesprochen, aber aus dem von UNHCR herausgegebenen "Handbuch zur freiwilligen Rückkehr und zum internationalen Schutz" zu entnehmen sind die Umstände, nach denen eine Rückkehr als eine "in Würde" bezeichnet werden kann. Auf sie weist der Europäische Flüchtlingsrat in einer neuen Stellungnahme zum "Schutz auf Zeit" zustimmend und eigentlich auch mahnend hin.

Rückkehr "in Sicherheit"

bedeutet rechtliche Sicherheit wie Amnestie, öffentliche und offizielle Zusicherungen, persönliche Integrität, Nicht-Diskriminierung und Freiheit von Furcht vor Verfolgung oder Bestrafung nach einer Rückkehr;

die physische Sicherheit beinhaltet neben dem Schutz vor bewaffneten Angriffen und minenfreien Straßen oder zumindest als minenfrei markierte Wohnbereiche; darüberhinaus materielle Sicherheit, d.h. Land oder sonstiger Lebensunterhalt.

Rückkehr "in Würde":

bedeutet, daß Flüchtlinge nicht hart oder brutal behandelt, geschweige denn mißhandelt werden, daß sie ohne Bedingungen zurückgehen können, und daß sie, wenn sie spontan zurückgehen, ihr Vorgehen selbst bestimmen, daß sie nicht willkürlich von anderen Familienmitgliedern getrennt werden, und daß sie von ihren Heimatbehörden respektvoll behandelt werden, wenn es um die volle Wiederherstellung ihrer Rechte geht.

Die Politik der europäischen Länder

Aufenthaltsstatus

Die Europa-Abteilung von UNHCR in Genf hat auf der Tuzla-Konferenz von ECRE/ICVA im Oktober eine Übersicht über die aufenthaltsrechtliche Situation in den europäischen Aufnahmeländern bosnischer Flüchtlinge gegeben. Dabei wird die Außenseiterrolle der Bundesrepublik sehr deutlich. Von den skandinavischen Ländern habe nur Norwegen die Regelung eines Schutzes auf Zeit in seiner reinen Form eingeführt. 4.500 Personen hätten aber von Anfang an wegen außergewöhnlicher Gründe einen Flüchtlingsstatus erhalten. Den andern sei automatisch nach drei Jahren Schutz auf Zeit ein Daueraufenthaltsrecht eingeräumt worden. Im übrigen bestehe die Möglichkeit eines Asylverfahrens, sobald der Schutz auf Zeit aufgehoben worden sei. Mittlerweile dürfen die 12.000 noch verbliebenen bosnischen Flüchtling auf Dauer in Norwegen bleiben. Das gab die Regierung im November 1996 bekannt. Kein Flüchtling soll zur Rückkehr gezwungen werden; das gilt auch dann, wenn sich die Verhältnisse in Bosnien-Herzegowina eines Tages normalisieren sollten (FR 9.11.1996).

Nach UNHCR haben Schweden und Dänemark die Möglichkeit eines Daueraufenthaltes geschaffen. Die Beneluxländer haben zwar auch Schutz auf Zeit gewährt, bis jetzt aber diesen Status nicht für beendet erklärt. Dasselbe gilt für Italien, wo die Frage, den Schutz auf Zeit zu beenden, nie anstand. Die Schweiz hat mit April 1997 ein Datum zur Beendigung des Schutzes auf Zeit festgesetzt, ebenso Österreich mit August 1996. Österreich, das dieses Datum als Reaktion auf die deutschen Entscheidungen gesetzt hat, ermöglicht es Flüchtlingen nach dem Ende des Schutzes auf Zeit ein Asylverfahren zu beantragen.

Die dänische Regierung hatte im September 96 erklärt, sie wolle in absehbarer Zeit keine Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zwangsweise in die Heimat schicken. Bis auf eine kleine Zahl von Flüchtlingen, bei denen Dänemark nicht das erste Asylland war, haben alle einen sicheren Aufenthaltstitel. (taz v. 22.9.1996).

Schweden

Das Parlament hat im Dezember 1996 einige Änderungen im Ausländergesetz beschlossen. Dabei wurde klarer umschrieben, daß Schutz auf Zeit im Rahmen einer Verordnung nur für Gruppen von Flüchtlingen bei einem Massenexodus möglich ist. Diese Verordnung gilt für höchstens zwei Jahre, bis ein Programm zur Vorbereitung der Rückkehr vor dem Ende dieses Zeitraums aufgelegt wurde. Andernfalls kann der Schutz auf Zeit auf zwei weitere Jahre ausgedehnt werden. Asylverfahren sind in dieser Zeit möglich.

Es wurde ebenfalls festgelegt, daß Personen mit einem Schutz auf Zeit möglichst wie Einwanderer behandelt werden, sobald der befristete Aufenthalt ein Jahr übersteigt.

Personen, die nach Dayton nach Schweden gekommen sind, wurde kein Asyl gewährt, wenn sie aus Gegenden stammten, wo ihre ethnische Gruppe die Mehrheit stellt, während Menschen, die aus Gebieten kommen, in denen sie zur Minderheit gehören, in Schweden bleiben dürfen.

Im Dezember hat die Regierung entschieden, daß kroatische Bosnier mit einem kroatischen Paß innerhalb von drei Monaten Schweden verlassen müssen. In der Sicht der Regierung können sie nach Kroatien gehen, ob sie dort vorher gelebt haben okder nicht.

Rückführungspolitik

Dänemark (Folie)

Regierung und Dänischer Flüchtlingsrat haben ein Konzept zur Förderung der freiwilligen Rückkehr entwickelt, das nicht nur für bosnische Flüchtlinge gilt. Danach soll es nicht nur eine gute Beratung geben, sondern vor allem auch eine Rückkehroption von drei bzw. sechs Monaten. Neben der finanziellen Hilfe für die Rückreise gibt es auch beachtliche finanzielle Mittel für die Wiedereingliederung. Sie beläuft sich auf bis zu DM 4.000 für Erwachsene und auf bis zu DM 1.300 für jedes Kind.

Der Dänische Flüchtlingsrat ist darüberhinaus auch in Bosnien-Herzegowina mit Projekten der Hilfe und Unterstützung der dortigen Bevölkerung und mit Maßnahmen zum Wiederaufbau befaßt. Damit ist eine wichtige Verbindung zwischen den Flüchtlingen in Dänemark und der Bevölkerung vor Ort herstellbar.

Norwegen (Folie)

Die Hilfsorganisation "Norwegische Volkshilfe" führt ein Minensensibilisierungsprogramm bei den Flüchtlingen in Norwegen und bei der bosnischen Bevölkerung durch. In Bosnien-Herzegowina liegen noch 3 Mio. Minen unter der Erde, außerdem geht von hunderten Tonnen von zurückgelassener Munition und anderen Explosivkörpern eine große Gefahr für die Bevölkerung aus. 30 - 40 Gemeinden haben für die Flüchtlinge entsprechende Kurse durchführen lassen. Dabei geht es darum die Menschen darauf vorzubereiten, besser und sicherer mit der Minengefahr zu leben; d.h. ihr Risiko-Verhalten zu verändern, und entspannter mit dem Streß zu leben. Letztlich soll die Zahl tödlicher Unfälle und schwerer Verwundungen deutlich vermindert werden. In Norwegen wird dieses Programm als eine wichtige Hilfe angesehen, eine freiwillige Rückkehr auf veranwortliche Weise zu unterstützen.

Schweden (Folie)

In Schweden haben sich die Einwanderungsbehörden, Hilfs- und Bildungsorganisationen mit dem "Bosnischen Bund für Einwanderung" zusammengetan, um die Rückkehr von Flüchtlingen und zwar "nicht nach deutscher Art" zu fördern.

Dabei handelt es sich um Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für bestimmte Berufe, u.a. um die Befähigung kleinere Unternehmen zu führen, das Rechnungswesen zu beherrschen oder auch am Aufbau demokratischer Strukturen mitzuwirken.

Darüberhinaus werden nach Absprache mit und nach den Vorgaben des UNHCR Wiederaufbauprogramme aufgelegt, deren Schwerpunkt die Vertriebenen sind.

Für dieses Jahr ist ein größeres Vorhaben in Sanski Most geplant. (Folie) Es geht um die Wiederherstelllung bzw. die Neuerrichtung von Wohnungen, des Fernmeldewesens, der Gesundheitsversorgung, von Handel und Industrie, von Bildungseinrichtungen und der Energieversorgung. Die Finanzierung erfolgt über die EU, die aus dem Interesse Deutschlands heraus hier vor allem an die Förderunge der Rückkehr aus Deutschland denkt. Aus schwedischer Sicht soll das Programm auch etwa 2.000 Rückkehrer aus Schweden zugute kommen.

Schweiz (Folie)

Die Schweiz, die in ihrer Rückführungspolitik Deutschland am nächsten kommt, will, daß Alleinstehende und Ehepaare ohne Kinder die Schweiz bis zum 30. April 1997 verlassen. Die Ausreisefrist für Familien mit Kindern und unbegleitete Minderjährige wird bis Ende 1998 verlängert. Deserteure und Kriegsdienstverweigerer müssen vorläufig nicht zurückkehren. Der Lage von ethnisch gemischten Familien oder Personen mit gesundheitlichen Problemen ist durch eine Verlängerung der Ausreisefrist Rechnung zu tragen. Niemand soll gezwungen werden, in Gebiete zurückzukehren, wo die entsprechende Ethnie in der Minderheit ist. Es wird aber als normalerweise zumutbar betrachtet, sich andernorts einen neuen Wohnsitz zu suchen.

Die Regierung hat zusätzliche 26 Mio SF bewilligt, um das als erfolgreich eingestufte Rückkehrhilfeprogramm von 1996 vorerst bis in den Sommer 1997 weiterzuführen. Im Rahmen dieses Programms sind bisher 1600 Flüchlinge, das sind etwa 9% der 18.000 rückkehrpflichtigen, in die Heimat gegangen. Weitere 900 hätten sich angemeldet.

Das Hilfsprogramm sah für den einzelnen einen Betrag von DM 4.800 bei Erwachsenen und DM 2.400 für Kinder als Hilfe zum Lebensunterhalt vor und sollte in zwei Tranchen erst in der Heimat ausgezahlt werden. Dazu kamen DM 1.200 für jede Familie und für alleinstehende Personen. Darüberhinaus konnten Gelder als wirtschaftliche Starthilfe gewährt werden. Voraussetzung hierfür war die Beteiligung schweizerischer Hilfswerke an solchen Projekten, bei denen es um die Wiederherstellung der Infrastruktur ging. Mit den Projekten für jene Regionen, die Rückkehrer aufnehmen, sollte einer ungleichen Behandlung von Rückkehrern und verbliebener Bevölkerung möglichst entgegengewirkt werden.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), die Dachorganisation der von der Regierung anerkannten Flüchtlingshilfswerke, hat darauf hingewiesen, daß einer auf freiwilliger Basis beruhende Rückkehr weit mehr Erfolg beschieden sei, als irgendwelchen ausländerpolizeilichen Maßnahmen. Sie sei erwiesenermaßen kostengünstiger und dauerhafter und gewährleiste, daß die Würde der Rückkehrer respektiert we rde.

Scharfe Kritik übt die Flüchtlingshilfe an dem Beschluß der Bundesregierung, daß das im Abkommen von Dayton verbriefte Recht auf Rückkehr an den Herkunftsort nicht mehr unbedingt zu berücksichtigen sei. Die Regierung hält es für zumutbar in das Herkunftsgebiet und nicht unbedingt an den Herkunftsort zurückzugehen. Dies sei eine Mißachtung von Dayton.

Der SFH hatte bereits anfangs des Jahres Kriterien aufgestellt, nach denen die Rückkehr tunlichst auf freiwilliger Basis erfolgen solle. Wenn es dennoch zu einer zwangsweisen Ausweisung kommen sollte, müßten zuerst die Fragen positiv beantwortet sein, ob eine Rückkehr in Sicherheit und Würde erfolgen könne, ob die Betroffenen an ihren Herkunftsort zurückgehen können, ob die Freizügigkeit garantiert sei, wie es um die Effektivität der Arbeit der Kommission für Eigentumsfragen bestellt sei, wie die Amnestiegesetze angewendet würden und wie es mit der Strafverfolgung angeklagter Kriegsverbrecher bestellt sei.

Die SFH möchte auch geklärt wissen, daß es eine Überwachung der Rückkehr durch OSZE oder UNHCR gibt und daß die Aufnahmekapazität gebührend berücksichtigt wird. Schließlich seien auch vorher in jedem Einzelfall die individuellen Fluchtgründe und die persönliche Situation zu bewerten.

Schlußbemerkung

Dieses hier grob umrissene schweizerische Raster basiert auf Dayton und auf dem von UNHCR bei all seinen Repatriierungsaktionen zugrunde liegenden Prinzips, daß jede Rückkehr freiwillig und in Sicherheit u n d Würde zu erfolgen hat. Es könnte auch für Deutschland Grundlage von Forderungen an Bund und Länder sein.


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