Weilburger Tagblatt
vom 27. Dezember 1972
Alois Leuninger feierte seinen 70. Geburtstag

Ein Westerwälder von Schrot und Korn

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Mengerskirchen (hrn). Am 1. Weihnachtsfeiertag konnte in Mengerskirchen Arbeitsrichter i. R. Alois Leuninger seinen 70. Geburtstag begehen. Der Jubilar ist ein Westerwälder von echtem Schrot und Korn, der mit Zähigkeit und Beharrlichkeit, mit offenem Sinn für Gerechtigkeit und einem tiefen religiösen Bewusstsein die oft steinigen Strecken seines Lebensweges überwunden hat.

In Mengerskirchen als Sohn eines Nagelschmieds geboren, wuchs der Jubilar hier mit acht Geschwistern heran. Vom Vater lernte er die Kunst des Nägelschmiedens, zog dann aber als 19jähriger nach dem ersten Weltkrieg mit den Bauarbeitern des Dorfes ins Rheinland, wo er einige Jahre arbeitete. Hier kam er in Verbindung zu den christlichen Gewerkschaften, wurde Mitglied und Vertrauensmann und wechselte schließlich für ein Jahr in die Staatliche Schule für Wirtschaft und Verwaltung in Düsseldorf über, um sich sicheres Fundament für wirtschafts- und sozialpolitische Fragen zu erwerben. Seine enge Verbindung zur Arbeitswelt kam ihm zugute, als er im Dienste des Landesarbeitsamtes Düsseldorf in der Arbeitsverwaltung tätig wurde. Bald entschloss er sich, sich völlig den Aufgaben der Gewerkschaftsarbeit zu widmen und wurde 1927 Jugendsekretär des Christlichen Bauarbeiterverbandes für das ganze Reich, bis er 1932 als Geschäftsführer des Bezirkskartells nach Köln berufen wurde.

Nach der "Machtübernahme" spürte er mehr und mehr Schwierigkeiten wegen seiner politischen Haltung. Er habe die Entwicklung damals sehr ernst genommen und erkannt, dass sie zu keinem guten Ende führen könne, bekennt Leuninger. Er habe dann Mitte 1933 seine Entlassung aus der Gewerkschaftsarbeit selbst herbeigeführt und in Köln, um unabhängig zu sein, mit seiner Frau zusammen ein Lebensmittelgeschäft unter schwierigen Umständen geführt. Im 2. Weltkrieg musste er den grauen Rock für einige Zeit anziehen, wurde zeitweise an der Ostfront eingesetzt und geriet am Ende in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

In Mengerskirchen traf er schließlich Frau und Kinder wieder. In Weilburg berief ihn die Militärregierung als Leiter des Wirtschaftsamtes für den Oberlahnkreis, bis er als Vorsitzender eines Arbeitsgerichtes in Hessen im Jahr 1948 nach Fulda, dann nach Gießen und von 1950 bis zu seiner Pensionierung Ende 1964 nach Limburg bestellt wurde. Neben der Tätigkeit als Jugendsekretär habe ihn diese richterliche Tätigkeit besonders befriedigt, da er hier seine reiche Erfahrung wie seine soziale Gesinnung habe bezeugen können. Im Oberlahnkreis gehört der Jubilar zu den Mitbegründern der CDU.

1964 wurde er für zwei Legislaturperioden in den Kreistag gewählt, wo er sich als ein sehr aktiver Abgeordneter erwies. Seine Haltung brachte ihm die Freundschaft nicht nur in den eigenen Reihen ein.

Landschaftsprobleme und solche der alten Menschen beschäftigen den Jubilar heute vornehmlich. Er liest viel über den Widerstand des 20. Juli 1944 und pflegt Kontakt mit den Freunden und Bekannten aus der gemeinsamen Arbeit für die christlichen Gewerkschaften. In einer Schrift hat er das Gedenken an seinen Bruder Franz Leuninger festgehalten, der im März 1945 als Widerstandskämpfer in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. In einer mit viel Fleiß zusammengestellten Broschüre hat er auch die Geschichte des ausgestorbenen Gewerbes der Nagelschmiede von Mengerskirchen für die Nachwelt niedergeschrieben.

60 Jahre