Alois Leuninger


1873 - 1973
Hundert Jahre
Mengerskirchen


Dokumente - Gespräche - Erfahrungen

Inhalt - Mengerskirchen - - Anmerkungen

KIRCHLICHE GEMEINSCHAFT

Hinsichtlich Besitz und Bedeutung nahm Mengerskirchen schon früh eine bevorzugte Stellung innerhalb der Beilsteinischen Kirchen ein.

Zehntrechte hatte die Kirche in den Gemarkungen Arborn und Winkels. Zinsen in Löhnberg und ein Blutzehnt in Gaudernbach vervollständigen das Bild.

Hörpel, Mengerskircher Chronik (52 )

Die besondere kirchliche Stellung vom Mittelalter her

Im Hinblick auf die von Hörpel getroffene Feststellung erscheint einleitend ein kurzer Rückblick in die weiter zurückliegende Vergangenheit auf den kirchlichen Raum geboten. In diesem hat Mengerskirchen im Mittelalter eine herausragende Rolle gespielt. Es sei sich aber in diesem Zusammenhang auf ein Teilgebiet kirchlichen Lebens beschränkt, und zwar auf den Send oder das Sendgericht, das als geistliches Sittengericht durch die Diözese zog und in den Pfarreien über Zucht und Sitte wachte. ( 53 ) Sendherr (Richter) war der Bischof oder ein hoher geistlicher Beamter als dessen Vertreter. Ihm standen Sendzeugen zur Verfügung, angesehene Laien aus den Orten, für die das Sendgericht zuständig war. Die persönliche Zuständigkeit erstreckte sich auf alle Gläubigen. Sachlich zog der Send alle noch nicht gebüßten äußeren Übertretungen der Gebote Gottes und der Kirche vor seinen Richterstuhl. Die Sendzeugen waren eidlich verpflichtet, alle ihnen bekannten Vergehen dem Send vorzutragen. Es war üblich, den Send jährlich in der Pfarrkirche oder Mutterpfarrkirche abzuhalten, wozu alle Pfarrgenossen zu erscheinen hatten. Alle Anwesenden durften und sollten Vergehen, die ihnen bekannt geworden waren, vor dem Send anklagen. Im Laufe der Zeit änderten sich Verfahren und Zuständigkeit der Sendgerichte.

Grundsätzlich bildete die Pfarrei den Sendsprengel, mitunter wurden aber mehrere Pfarreien zu einem Sendsprengel vereinigt. So auch bei Mengerskirchen, das Standort nicht nur für die eigene, sondern auch für die alte Pfarrei Nenderoth war. Dieser Umstand schließt nicht aus, daß früher ein alter Zusammenhang der beiden Pfarreien bestand. "Daraus, daß sämtliche Orte der Pfarrei Nenderoth zum Sendsprengel Mengerskirchen zählten, möchte man auf Abhängigkeit dieser Pfarrei von Mengerskirchen schließen. " ( 54) Insgesamt gehörten zu dessen Sendsprengel 10 Orte bzw. Gehöfte, und zwar Arborn, Hof Helsdorf, Ködingen, Maienberg, Münchhausen, Nenderoth, Odersberg, Rodenroth und Winkels, worunter sich drei untergegangene Wohnstätten, nämlich Hof Helsdorf, Ködingen und Maienberg befinden. "Da Rodenroth und Hof Helsdorf den Send in Mengerskirchen suchen, haben beide vielleicht ursprünglich zur Pfarrei Mengerskirchen gehört. " ( 55 )

In diesem Zusammenhang ist eine landesherrliche Anordnung interessant, von der es beißt: ". . . so verfügten die Grafen Johann und Heinrich von Nassau-Beilstein, 1468, daß alljährlich am St. Agnetentag (21. Januar) die gesamte Priesterschaft in der Kalenberger Zehnt und zu Westerwald nach Mengerskirchen kommen und dort Vigilie (Vorabend eines hohen Festes) und Messe lesen und singen sollten. Das Hochamt sollte zu Ehren der Gottesmutter Maria gesungen werden. " (56 )

Mit diesem kurzen Rückblick in einen Teil der Geschichte von Mengerskirchen sollte die herausragende Stellung des Ortes in mittelalterlicher Zeit angedeutet werden. Schwerwiegende Vorgänge in der darauf folgenden Zeit brachten Veränderungen mit sich, die auch die Struktur des Fleckens in vielen Bereichen umgestalteten. Ein Überbleibsel waren die Sendschöffen in der Pfarrei, für die in der 1957 abgebrochenen Kirche noch Plätze reserviert waren, was seinen Grund darin hatte, daß ihnen neben anderem die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Kirche übertragen war. Im übrigen hatte ihr Amt nichts mehr gemein mit den Funktionen, die ihnen in alter Zeit aufgetragen waren.

Der Kulturkampf

Mit dem Bericht aus einer Zeit, in der über die katholische Kirche in Preussen ein schwerer Sturm hinwegfegte, wird dieser Abschnitt nun fortgesetzt. Zwar wurde der Pfarrort Mengerskirchen nicht unmittelbar betroffen, aber die Gläubigen erfuhren auf vielerlei Weise von den schwerwiegenden Ereignissen, die sich damals allenthalben und auch im Bistum Limburg abspielten. Es war die Zeit des Kulturkampfes, der nach 1871 einsetzte. Bischof Peter Josef Blum von Limburg umschreibt in seinem Hirtenbrief zur Fastenzeit 1873 die Situation so: ". . . die unbegründeten Beschuldigungen, rechtswidrigen Freiheitsbeschränkungen, rücksichtslosen Gewaltmaßregeln, welche dermalen unsere heilige katholische Kirche unter der Herrschaft des Pseudoliberalismus in allen Ländern Europas mehr oder weniger zu erdulden hat, können uns gewiß mit einem tiefen Schmerz erfüllen. " (57) Diesen Worten lag im Bereich des Bistums zugrunde die Auflösung kirchlicher Orden, die Verdrängung der Kirche aus den Schulen und der Kanzelparagraph (58 ), der jeden Geistlichen mit hohen Strafen bedrohte, der in Ausübung seines Amtes in Rede oder Schrift "Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlich-rechtlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand der Erörterung machte". Dieser Paragraph wurde erst 1953 aufgehoben und nur während des Kulturkampfes und im "3. Reich" angewandt. Laufend unterrichtete der Bischof seine Diözesanen über alle Vorgänge im Bistum. Es folgten Maßnahmen gegen Bischof und Priester, z. B. die Sperrung der Bezüge bei Nichtbefolgung staatlicher Anordnung. Kein Bischof und nur 24 von 4. 000 Geistlichen fügten sich dem Staat. Der Bischof bedauerte in dem schon zitierten Hirtenbrief, daß wegen dieser Haltung die Katholiken einer mangelnden patriotischen und staatsbürgerlichen Gesinnung verdächtigt würden.

Ein besonders trauriges Geschehen bringt der Bischof dem Klerus und den Gläubigen in einem Hirtenbrief vom 18. 10. 1873 zur Kenntnis, nämlich die Ausweisung von Ordenspriestern aus der Rettungsanstalt und der Pfarrei Marienstatt. ( 59 ) Da in der Anstalt 80 sozial gefährdete Kinder untergebracht waren, forderte er die Gläubigen zu Spenden für den Erwerb der Anstalt durch das Bistum auf; die Klostergebäude gingen dann auch für 147. 000, -- Mark an das Bistum über.

Harte Maßnahmen richteten sich auch gegen die Kongregation der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Dernbach, jener jungen klösterlichen Gemeinschaft, der damals schon drei Frauen aus Mengerskirchen angehörten. Ihre Schulen wurden geschlossen, die Waisenhäuser aufgelöst. ( 60 ) Diese Vorgänge beruhten auf einem damals erlassenen Gesetz, wonach in Preussen die klösterlichen Niederlassungen, welche sich mit der Erziehung und dem Unterricht der Jugend befassten, aufzuheben waren.

Bei allen gegebenen Anlässen gab der Bischof seine Genugtuung und Freude über die Treue der Gläubigen Ausdruck. Diese Treue zeigte sich in Stadt und Land auf verschiedene Weise und fand ihren Ausdruck vor allem in öffentlichen Kundgebungen. Bauern aus den entfernten Orten fuhren mit Fahnen und geschmückten Leiterwagen in die bischöfliche Residenz. In dem kleinen Westerwalddorf Dernbach brachte man dem Bischof gelegentlich eines Besuches stürmische Ovationen dar, und an einer Treuekundgebung am gleichen Tage nahmen 8 -10. 000 Menschen teil. ( 61 )

Indessen verschärfte sich die Lage weiter. Der Bischof hatte bei der Neubesetzung von Pfarrstellen gegen staatliche Anordnungen verstoßen und wurde deswegen bestraft. Die Situation zwischen ihm und den Staatsorganen spitzte sich immer mehr zu, und um einer Verhaftung zu entgehen, entschloß sich der Bischof zur Flucht in die Verbannung, aus der er erst 1884 zurückkehrte. Die Pfarrei Mengerskirchen stand während des Kulturkampfes sicherlich in gleicher Treue zu ihrem Bischof wie die übrigen Diözesanen. Sie wird über die rein kirchlichen Informationen hinaus, die vorwiegend aus dem Inhalt der Hirtenbriefe bestanden, von den betrüblichen Ereignissen jener Zeit erfahren haben. So berichtet damals das Weilburger Tageblatt von den Geschehnissen um einen katholischen Pfarrer, der in Ausübung seiner priesterlichen Pflichten mit dem Staat in Konflikt geraten war und des Landes verwiesen wurde. Es wird dazu u. a. folgendes gesagt: "Der Pfarrer Egenolf, 'Opfer des Kulturkampfes' zwischen dem preussischen Staat und der katholischen Kirche, der gerade in dem früheren Herzogtum (gemeint ist das Herzogtum Nassau, d. V. ) mit großer Erbitterung ausgetragen wurde, war nämlich nicht als folgsamer Untertan außer Landes gegangen, sondern hatte sich im Hause seiner Mutter in Hadamar versteckt und sogar die Kühnheit besessen, am folgenden Morgen in der Pfarrkirche zu Hadamar die Messe zu lesen. Danach waren die Gendarmen gekommen, hatten ihn verhaftet und mit der Bahn nach Koblenz gebracht. " ( 62 )

Eine unmittelbare Auswirkung des Kulturkampfes gab es für die damaligen Filialorte der Pfarrei Dillhausen-Probbach, die von einem Kaplan betreut wurden. Die Stelle war aber über Jahre hinaus als Folge des Kulturkampfes nicht besetzt. Der damalige Pfarrer von Mengerskirchen, Johannes Noll, war daher genötigt, die Filiale mit zu betreuen. Über ihn wird in diesem Zusammenhang geschrieben: "Er war sehr eifrig und tüchtig in seinem Amt und hat während des Kulturkampfes mit größter Pflichttreue die Filiale mit versehen. Er steht deshalb in gutem Gedenken bei Gläubigen und Priestern. Vierzehn Jahre lang mußte er in Dillhausen-Probbach um B. 00 Uhr Gottesdienst mit Predigt halten und dann, wie er auch gekommen war, zu Fuß nach Mengerskirchen zurück, um dort um 10. 00 Uhr den Hauptgottesdienst wahrzunehmen. Somit hatte er allsonntags fast drei Stunden Fußweg in jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung zurückzulegen. Hinzu kamen noch die Versehgänge, Taufen und Beerdigungen im Laufe der Woche. Wie mündlich berichtet wird, legte Pfarrer Noll bei Wintertagen den Weg nach Dillhausen in der Dunkelheit und bei Regen und Schnee mit einer Handlaterne, die ihm mitunter ein Begleiter trug, zurück. Er wird als ein seeleneifriger, hilfreicher und wohltätiger Mann bezeichnet, der mit 55 Jahren starb. " ( 63 ) Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Mengerskirchen.

Das Verhältnis zu den Filialen

Die heutige Pfarrei Dillhausen-Probbach war schon in früherer Zeit ein selbständiges Kirchspiel. Im Verlauf der Reformation und politischer Vorgänge büßte es diese Selbständigkeit ein und wurde mit dem Kirchspiel Mengerskirchen vereinigt. Diese Entwicklung hat viel Unzufriedenheit und Unruhe in die genannten Orte hineingetragen, denn nachweislich hatte Dillhausen die älteste Kirche in dem betreffenden Bereich, die bereits im Jahre 1030 beurkundet ist. Die Bevölkerung der beiden Orte konnte sich nicht damit abfinden, daß ihre seelsorgerische Betreuung von Mengerskirchen aus erfolgte, und zwar durch einen von der Pfarrei beauftragten Kaplan, der in Probbach seinen Wohnsitz hatte. Diese Unzufriedenheit führte schon in 1684 zu Streitigkeiten zwischen Mengerskirchen und den Filialorten Dillhausen und Probbach, die ihre Ursachen in der Verpflichtung der letztgenannten hatte, zur Unterhaltung der Kirchen- und Schulbauten im Pfarrort beizutragen. Sie setzten sich bis weit in das 19. Jahrhundert fort und erreichten einen ihrer Höhepunkte in den Jahren 1845/48, als es um den Neubau einer Kirche in Mengerskirchen ging, zu dessen Kosten die Filialorte hätten beitragen müssen. Hierzu waren diese nicht willens und einige Filialisten scheuten keine Mittel, den Kirchenneubau zu hintertreiben. Sie sahen den damaligen Pfarrer von Mengerskirchen als den Urheber des Bauvorhabens an und erstrebten dessen Versetzung. Dabei war man in der Wahl der Mittel nicht zimperlich; sie führten in einem Falle zu einem Strafverfahren und zu einem Verweis des Bischofs wegen Verleumdung (64) des Pfarrers. Der Schatten, der auf das damalige kirchliche Leben der Filialorte fällt, wird aber erhellt durch das Tun der Anna Elisabeth Diel aus Probbach, die durch ihren persönlichen Einsatz den Bau einer neuen Kapelle in ihrem Heimatort ermöglichte. Hierüber wird berichtet: "Sie zog von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, im ganzen deutschen Reich, und sogar noch außerhalb der Grenzen und sammelte Gaben für die Kapelle. Harte Worte, Spott und Hohn, ja selbst Gefängnisstrafen waren nicht imstande, ihren Eifer für diese Sache zu bremsen. " Papst Benedikt XIV. belohnte diesen Einsatz mit einem vollkommen Ablaß, der durch den Besuch der neuen Kapelle erlangt werden konnte. ( 65 )

Für das Bestreben der Filialorte, wieder zu einem selbständigen Kirchspiel zu kommen, wird man Verständnis haben müssen, zumal Dillhausen bis 1630 selbständige Pfarrei war. Vielleicht hätte man dem Begehren der beiden Orte schon früher Rechnung tragen sollen, womit vielen Gläubigen und auch ihren Geistlichen gewiß manche Unbill erspart geblieben wäre. Die unliebsamen Vorgänge, die sich während der Zugehörigkeit von Dillhausen-Probbach zur Pfarrei Mengerskirchen - es waren immerhin 250 Jahre - ereigneten, wird man als mehr oder weniger angemessene Formen einer nach Selbständigkeit drängenden armen und geplagten Bevölkerung ansehen müssen. Vielleicht hat es auch seitens des einen oder anderen zuständigen Geistlichen an sachlichem Bemühen gefehlt, das zu einem ausgewogenen Verhältnis innerhalb der Bevölkerung geführt hätte. So ist auch zu verstehen, daß nach der Trennung der beiden Filialorte von Mengerskirchen im Jahre 1890 zunächst noch nicht die Ruhe und Ausgeglichenheit in der wiedererrichteten Pfarrei Dillhausen-Probbach eintrat, wie sie in späteren Jahren selbstverständlich war.

Ein weiteres sehr ernstes Problem stellte die Zugehörigkeit von Winkels zur Pfarrei Mengerskirchen dar. Winkels hatte kein eigenes Gotteshaus, so daß seine Gläubigen gezwungen waren, an Sonn- und Feiertagen den Gottesdienst in Mengerskirchen zu besuchen. Zwar wurde der Ort 1899 selbständige Kapellengemeinde, was aber an den vorgenannten Tatsachen nichts änderte. Es war nicht nur der weite Kirchweg von 3 Kilometern, den die Kirchenbesucher bei jeder Witterung zurücklegen mußten, sondern mehr noch der Platzmangel in der Pfarrkirche in Mengerskirchen, der sie erboste. Immerhin waren in dem in Rede stehenden Zeitraum rund gerechnet annähernd 1.000 Gläubige der beiden Orte zum Kirchenbesuch an Sonn- und Feiertagen verpflichtet, die Kirche hatte aber nur etwa 500 Plätze einschließlich der Stehplätze, wobei allerdings die Kniebänkchen im Chor für die Kinder nicht mitgezählt sind. Den Platzmangel zeigte die Kirche schon bei ihrer Fertigstellung im Jahre 1851, weshalb auch der damalige Pfarrer eine ausführliche schriftliche Regelung traf, bei der es um die Verteilung der Plätze zwischen Winkels und Mengerskirchen ging. ( 66 ) Trotzdem kam es zu erheblichen Differenzen unter den Kirchenbesuchern aus den beiden Orten, die auch zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Pfarrer führten. Im Winter wurde der Platzmangel besonders drückend, weil dann viele männliche Kirchenbesucher zu verzeichnen waren, die in der übrigen Jahreszeit auswärts arbeiteten. Mit diesem Problem befaßte sich auch die bischöfliche Behörde, bis dann schließlich im Jahre 1910 Winkels eine selbständige Gemeinde wurde. Eine kleine Anekdote mag veranschaulichen, wie in Winkels dieser Vorgang aufgenommen wurde: Eine Frau von dort, die mit Töpferwaren handelte, erklärte in einem Gespräch in Mengerskirchen, die Winkelser wollten den Pfarrer, in dessen Amtszeit ihre kirchliche Selbständigkeit gefallen war, auf den Händen in den Himmel tragen, wogegen dessen Vorgänger, der nach ihrer Ansicht in dieser Beziehung nicht genügend für Winkels getan hatte, auf einem Esel in den Himmel reiten möge.

Der Vollständigkeit halber sei hier vermerkt, daß zur Pfarrei Mengerskirchen neben Winkels noch 17 Orte des Dillkreises gehörten. Lediglich Driedorf wies im Jahre 1902 sechs Katholiken auf. Die seelsorgerische Betreuung all dieser Orte beschränkte sich auf Taufen und Beerdigungen. Ein Mehr wäre wohl nicht möglich gewesen, wenn man bedenkt, daß diese Orte, wie z. B. Driedorf und Heiligenborn, bis zu 10 km von Mengerskirchen entfernt verstreut gelegen waren. Im Jahre 1946 trat jedoch eine Änderung ein, die durch den Zuzug heimatvertriebener Bürger bedingt war. Bei diesen handelte es sich vorwiegend um Katholiken, die eine große zusätzliche Aufgabe für die Pfarrei darstellten. Es fanden daher in diesem Raum, und zwar vorwiegend in Driedorf, Arborn und Nenderoth, regelmäßig Gottesdienste statt. Diese wurden in der Hauptsache von einem Kaplan aus Mengerskirchen wahrgenommen, welcher der Ordensgemeinschaft der Pallottiner angehörte. Im Jahre 1953 wurde Driedorf eine selbständige Pfarrei, der auch die Orte des Dillkreises zugeordnet wurden, die bis dahin zur Pfarrei Mengerskirchen gehörten.

Nachweislich konnte sich das kirchliche Leben in der Pfarrei durch die Zugehörigkeit der Orte Dillhausen, Probbach und Winkels nicht so entwickeln, wie es wünschenswert gewesen wäre. So schreibt ein Pfarrer im Jahre 1851, "daß ihm in Mengerskirchen niemand auch nur im geringsten hemmend in den Weg getreten ist und er überall die schönste Bereitwilligkeit fand. Auch in Dillhausen, Probbach und Winkels fand er herrliches Entgegenkommen, solange er dorthin gehen konnte. Als er aber durch Kirchenbau und Krankheit hieran gehindert war, wurde das Verhalten der Filialisten kühler gegen ihn, obwohl sein Gehilfe in ihren Orten mehr tat, als er gedurft hätte. In diesem Zusammenhang weist der Schreiber darauf hin, daß Mengerskirchen nicht eher eine angenehme Stelle für einen Geistlichen sein wird, bis dieser Zankapfel entfernt und Dillhausen-Probbach von Mengerskirchen getrennt sind." ( 67 ) Übrigens hatte sich dieser Pfarrer diesbezüglich sehr bemüht, wenn auch ohne Erfolg.

Neue Aktivitäten und die Schwesternstation

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es dann in der Pfarrei Mengerskirchen zu größeren Aktivitäten, und zwar schon in einem Zeitraum, in welchem Winkels noch zu Mengerskirchen gehörte. Durch die Bemühungen des Pfarrers wurde bereits in 1905 die staatliche Genehmigung zur Errichtung einer Ordensniederlassung für Schwestern erteilt, die aber erst einige Jahre später Wirklichkeit wurde. Es erfolgte im gleichen Jahr der Bau der Herz-Jesu-Kapelle, für die eine Familie aus Mengerskirchen kostenlos Baugelände zur Verfügung stellte, nebst einem Barbetrag von 300, - Mark. Hinzu kamen noch weitere Spenden anderer

Bürger in Höhe von 600, - Mark; den Restbetrag der Baukosten stellte der Pfarrer zur Verfügung. Wie üblich, erfolgte die Anfuhr des Baumaterials unentgeltlich durch die Bauern mit ihren Kuhgespannen. Ebenfalls im Jahre 1905 wurde in der Pfarrei der Volksverein für das katholische Deutschland gegründet, dem in Mengerskirchen 92 und in Winkels, das damals noch zur Pfarrei gehörte, 52 Mitglieder beitraten. Dieses Jahr brachte wohl den Beginn der christlich-sozialen Bewegung in der Pfarrei. Die christlichen Gewerkschaften hatten damals in Mengerskirchen 46 und in Winkels 26 Mitglieder zu verzeichnen, während der sozialistischen Richtung niemand angehörte.

Ein bedeutendes Ereignis für Mengerskirchen war die Einrichtung der Schwesternstation im Jahre 1910. Die Schwestern, der Kongregation der "Armen Dienstmägde Jesu Christi" zugehörig, wurden bei ihrer Ankunft mit Aufmerksamkeit und Freude begrüßt. Ihr Wirken war segensreich. Sie richteten eine "Kinderbewahranstalt" (Kindergarten) ein, ebenso eine Krankenpflegestation. In den Wintermonaten unterrichteten die Schwestern die weibliche Jugend im Nähen. Man nannte diese Einrichtung "Nähschule". Diese ersten Sozialhilfen waren einmalig in der näheren und weiteren Umgebung. Sie kamen auch den Nachbarorten zugute. Die Schwestern widmeten sich neben dem Ausschmücken von Altar und Kirche auch der Pflege der Kirchenwäsche. Bei einem bescheidenen Lebenswandel und im Geiste christlicher Nächstenliebe verrichteten sie ihr nicht immer leichtes Werk. So versahen sie den Dienst an den Kranken in den Nachbarorten, wobei sie bei jeder Witterung die Wege dorthin zu Fuß zurücklegten.

Bis zum Jahre 1926 war die Schwesternniederlassung im alten Pfarrhaus untergebracht, das der im Jahre 1909 neu nach Mengerskirchen gekommene Pfarrer wegen seines unzulänglichen Zustandes nicht bezogen hatte. Der Kindergarten befand sich in den Räumen des Schlosses.

Alle Verantwortlichen waren sich von Anfang an darüber klar, daß die Unterbringung der Schwesternstation im alten Pfarrhaus eine Notlösung darstellte und somit die ausreichende Durchführung der Aufgaben, welche sich die Schwesternstation gestellt hatte, nicht gewährleistet war. Deshalb befaßte man sich schon vor dem ersten Weltkrieg mit dem Neubau eines Schwesternhauses, zumal damals für diesen Zweck mehr als 14.000,-- Mark zur Verfügung standen. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem Nachlaß einer aus Mengerskirchen stammenden Ordensschwester in Höhe von 12.000,-- Mark und einem Zuschuß des Dernbacher Mutterhauses von 2.000,-- Mark. Die Zivilgemeinde hätte den Bauplatz kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Kriegsereignisse 191418, die nachfolgende Inflation und der damit verbundene wirtschaftliche Zusammenbruch verhinderte das Vorhaben, insbesondere infolge der völligen Geldentwertung. Jedoch bereits im Jahre 1925, als sich die Verhältnisse wieder stabilisiert hatten, entschloß sich die Zivilgemeinde im Einvernehmen mit der Pfarrei zum Neubau eines Schwesternhauses, das die Schwestern im Jahre 1927 beziehen konnten. Bei der Errichtung des Gebäudes leisteten Bauarbeiter und Bauern von Mengerskirchen freiwillig und unentgeltlich Hilfe; die Bauern durch Anfuhr von Baumaterial mit eigenen Gespannen. Das Haus war geräumig geplant. Neben der Kapelle und dem Kindergarten enthielt es ein kleines Sprechzimmer für Besucher und Patienten, Wohnräume für Schwestern und Personal und noch mehrere Zimmer für die Unterbringung von alten und gebrechlichen Personen. Letztere bedeuteten für die Schwestern ein zusätzliches Aufgabengebiet. Zum Zeitpunkt des 50jährigen Jubiläums waren es 15 Personen; 75 Kinder besuchten den Kindergarten. Sehr zu schätzen waren auch die im Schwesternhaus geschaffenen öffentlichen Bademöglichkeiten im Hinblick darauf, daß nur wenige Wohnhäuser in Mengerskirchen zur damaligen Zeit eine Badeeinrichtung besaßen.

Es ist den Angehörigen der Schwesternniederlassung für ihre aufopfernde Tätigkeit in Mengerskirchen kein. Denkmal gesetzt worden, und doch wird für lange Zeit das Gedenken an diese edlen Frauengestalten bewahrt bleiben. Unvergessen wird das Wirken der Krankenschwester Simonis sein, die von 1917 bis 1935 in Mengerskirchen lebte. Als einzige dieser Schwestern hat sie auf dem Friedhof dort ihre letzte Ruhestelle. Sie war unermüdlich in der Krankenpflege und aufopfernd in der Wahrnehmung von Nachtwachen bei Schwerkranken. Neben all dem hatte sie überdurchschnittliche medizinische Kenntnisse, was zu jener Zeit von besonderer Bedeutung für große Teile der Bevölkerung war, die noch nicht den Krankenversicherungsschutz genossen. Ihre Zeitgenossen erinnern sich noch an die große, hagere und Zuversicht und Vertrauen bei den Kranken auslösende Frau. Auch arme und notleidende Familien wußten von ihren Guttaten zu erzählen. Schwester Simonis, in der Welt Anna Wüst, war ein Kind des Westerwaldes, in Thalheim 1879 geboren. Im Jahre 1903 trat sie in die Kongregation der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Dernbach ein. Die überwiegende Zeit ihres Lebens als Ordensfrau, nämlich 18 Jahre, wirkte sie in Mengerskirchen. Nicht nur bei der Bevölkerung stand Schwester Simonis in hohem Ansehen, sondern auch ihre fünf Mitschwestern in der Niederlassung, denen sie in ihren letzten fünf Lebensjahren als Oberin vorstand, haben sie hoch geschätzt und verehrt. Die Anteilnahme an ihrem Tod am 11. 7.1935, dem eine lange schmerzhafte Krankheit vorausging, war außerordentlich, was sich insbesondere in der Zahl und der Zusammensetzung derjenigen ausdrückte, die sie auf ihrem letzten Weg begleiteten. Die Jugendvereine legten Kränze an ihrem Grab nieder und die Vertreter der Behörden ehrten sie durch ihre Grabreden, in denen sie das Tun der Schwester Simonis würdigten. (68)

Eine Volksmission

Besondere Ereignisse im religiösen Leben der Pfarrgemeinde waren die sogenannten Volksmissionen, Veranstaltungen, die der Glaubenserneuerung und Glaubensvertiefung der Gemeinde dienen sollten. Sie dauerten in der Regel eine Woche und wurden jeweils von Ordensgeistlichen durchgeführt. Entsprechend den kirchlichen Bestimmungen sollten sie etwa alle 10 Jahre veranstaltet werden. Ihre Form bestand im wesentlichen aus Predigten, die teilweise als Standespredigten, getrennt für Männer, Frauen und Jugend gehalten wurden, außerdem in religiösen Übungen und Feiern. Eine besonders eindrucksvolle Mission dieser Art erlebte Mengerskirchen im März 1918. Sie fiel in eine Zeit größter Kriegsnot. Die Teilnahme der Bevölkerung war ungemein gut. Viele Veranstaltungen fanden bei überfüllter Kirche statt. Zahlreiche Besucher aus den Nachbarorten kamen zu einzelnen Predigten und Feiern. Der damalige, mitunter recht kritische Pfarrer von Mengerskirchen war voll des Lobes über den Verlauf der Mission und das Wirken der Missionare. Landwirte und Nagelschmiede hätten die Arbeit liegen lassen, um die Predigten zu hören und an den Gottesdiensten teilzunehmen. Soweit bekannt sei, habe nur ein Gemeindemitglied an diesen Tagen die Sakramente nicht empfangen, "was noch psychologisch bedingt gewesen sein dürfte". ( 69 ) Der Chronist hat in seiner Eigenschaft als Küster an der Mission teilgenommen und vieles aus der Nähe miterlebt. Er steht noch heute unter dem Eindruck von Frömmigkeit, insbesondere vieler Mütter und Frauen in den Missionstagen, die um Söhne und Männer bangten, die Kriegsdienst leisteten und um deren Heimkehr sie mit ihren Gebeten den Himmel bestürmten. Er weiß auch um Feindschaften und Familienzwistigkeiten in Mengerskirchen, die durch innere Einkehr beigelegt wurden.

Bemerkenswert erscheint noch, daß die Bevölkerung, obwohl selbst nicht im Überfluß lebend, die Missionare mit Lebensmitteln, die damals sehr knapp waren, in großzügiger Weise versorgte. Im Zusammenhang mit der Mission steht auch die Bildung einer Jungfrauenkongregation in der Pfarrei, der unverheiratete Frauen und Mädchen in großer Zahl beitraten. Die feierliche Aufnahme der 130 Mitglieder fand im Rahmen eines Gottesdienstes statt. Bereits zu Ostern führte die Vereinigung das Laienspiel "Elisabeth von Thüringen" in der Festhalle auf. Diese Veranstaltung war ein schöner Erfolg und brachte einen Reinerlös von 400, -- Mark für kirchliche Zwecke.

Die Pfarrhäuser

Das alte Pfarrhaus stand in unmittelbarer Nähe der Kirche und war von dieser nur durch einen kleinen Garten und einen Zugang zum Gotteshaus getrennt. An das Pfarrhaus schloß sich die Pfarrscheune mit den sonstigen Wirtschaftsgebäuden an. Bis in das letzte Jahrhundert betrieb der Pfarrer eine eigene Landwirtschaft, die mit zu seinem Unterhalt diente. Sie wurde vorwiegend von einem Knecht versehen.

Das Pfarrhaus wurde nicht als Neubau errichtet. Es wurde vielmehr das Material des leerstehenden Pfarrhauses von Holbach verwendet, das man 1764 gekauft, abgerissen, nach Mengerskirchen transportiert und dort wieder 1765 aufgebaut hat. "Das Kirchspiel Beilstein und Nenderoth unterstützten den Bau durch Holzlieferungen" ( 70 ), was dafür spricht, daß zwischen diesen und der Pfarrei Mengerskirchen trotz verschiedener Konfession ein gutes Einvernehmen bestand. Die Wohnfläche des Pfarrhauses dürfte ausreichend gewesen sein. Aber sein baulicher Zustand und seine Einrichtungen waren im Laufe der Zeit höchst unzulänglich geworden. Deshalb erscheint es verständlich, daß es der im Jahre 1909 nach Mengerskirchen versetzte Pfarrer nicht mehr bezog, sondern in einem anderen Haus zur Miete wohnte. Dieser Zustand konnte nicht von Dauer sein, denn die Mietwohnungen wurden nicht in jedem Falle den Ansprüchen gerecht. Deshalb bemühte sich der Pfarrer bereits etwa um 1910 um einen Bauplatz in der Nähe der Kirche. Jedoch verzögerte sich die diesbezügliche Entwicklung, nicht zuletzt aus Gründen, die in der Person des Pfarrers lagen.

Mittlerweile brach der Krieg aus, was wiederum zu einer Verzögerung führte. Die bereits 1916 getroffenen Planungen konnten erst 1921 der Verwirklichung näher gebracht werden. Der Baubeginn stand unter schlechten Vorzeichen, wie Teuerung und Materialmangel. Trotzdem ging man mit Elan an die Arbeit. Junge Arbeiter führten ohne Lohn die Erdarbeiten aus. Auf die gleiche Weise arbeiteten die ortsanwesenden Maurer. Sie erstellten den Sockel. Jeder arbeitete einen oder auch mehrere Tage unentgeltlich. Die Bauern fuhren mit ihren Gespannen das Holz und die Bruchsteine herbei; das Holz stellte die Zivilgemeinde kostenlos. Trotz der allseitigen Unterstützung, die das Unternehmen erfuhr, kam das Bauwerk durch die inflatorische Entwicklung zum Erliegen. Bei Beginn der Arbeit kostete ein Ziegelstein 50 Pfennige, bald 2 - 3 Mark und später 10 - 12 Mark. Es traten aber auch noch andere Schwierigkeiten auf, so daß sich die Pfarrgemeinde außerstande sah, den Bau zu vollenden. Die Fertigstellung des Hauses wurde erst ermöglicht, als die Zivilgemeinde die Kosten hierfür übernahm. Im Frühjahr 1923 konnte es dann bezogen werden. ( 71 )

Das neue Pfarrhaus, das in einer Zeit errichtet wurde, da die moderne Bauweise noch nicht bekannt war und Materialmangel bestand, mag in der späteren Zeit hinsichtlich seiner Architektur und Ausführung als mit Mängeln behaftet angesehen werden können. Ob diese Mängel schwergewichtig waren und wenigstens nicht teilweise zu beheben gewesen wären, soll dahingestellt bleiben. Jedenfalls schloß sich an den Bau der neuen Kirche, die 1958 vollendet wurde, 1960 der Bau eines anderen Pfarrhauses an. Es wurde auf dem gleichen Grundstück errichtet, auf dem das im Jahre 1923 fertiggestellte Pfarrhaus stand. Es ist im Bungalowstil gebaut und weist auch eine zeitgemäße Inneneinrichtung auf.

Der Kirchenneubau

Die in den Jahren 184849 erbaute Kirche war in ihrem Fassungsvermögen von Anbeginn völlig unzureichend trotz einer doppelten Empore. Dieser Mangel wurde bei ihrer ersten Benutzung eindeutig offenkundig und führte insbesondere zu großen Mißhelligkeiten zwischen Kirchenbesuchern aus Mengerskirchen und Winkels, wie an anderer Stelle bereits ausführlich dargetan ist. Aber auch nach der Trennung von Winkels und Mengerskirchen in 1910 trat keine nachhaltige Besserung ein, obwohl sich die Besucherzahl stark verminderte. Es setzten deshalb schon damals Bemühungen ein, die auf einen Kirchenneubau hinzielten. In diesem Rahmen wurden bereits vor dem ersten Weltkrieg bis in die Kriegsjahre hinein jeden Sonntag Hauskollekten veranstaltet, die ältere Schülerinnen durchführten. Die Ergebnisse entsprachen der dürftigen wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung. Indessen ging das auf diese Weise gesammelte Geld durch Krieg und Inflation verloren. Erst nach dem zweiten Weltkrieg machte sich das Anliegen, eine neue Kirche zu bauen, wieder stärker bemerkbar. Das ist nicht zuletzt auf den starken Zuwachs der Bevölkerung, den Mengerskirchen zu jener Zeit zu verzeichnen hatte, zurückzuführen. Jedoch ließen sich die Neubauabsichten erst nach der Inflation, die im Jahre 1948 ihr Ende fand, konkretisieren. Ein Spendenaufruf in der Silvesterpredigt des Jahres 1954 für den Neubau einer Kirche fand großen Widerhall. Das Jahresergebnis der Spenden und Sammlungen in 1955 überstieg den Betrag von 20.000, -- Mark.

Der Platzmangel in der alten Kirche steigerte sich in diesen Jahren ins Unerträgliche. Dieser Umstand wird erhärtet durch die Tatsache, daß es 1958 in Mengerskirchen 1. 384 Katholiken gab und an Sonn- und Feiertagen durchschnittlich 950 Kirchenbesucher zu verzeichnen waren. Die Zahl der Kirchenbesucher reichte damit fast an die Gesamtbevölkerung früherer Jahrzehnte heran. In diesem Zusammenhang erscheint von lnteresse, daß die Statistik für 1965 1. 503 Katholiken bei 1. 193 Kirchenbesuchern und 139 Nichtkatholiken ausweist.

Bereits im Jahre 1957 begannen die Abbrucharbeiten an dem alten und baufälligen Pfarrhaus und der Pfarrscheune, die Bürger von Mengerskirchen unentgeltlich ausführten. Daran schloß sich der Abbruch der alten Kirche an, der zum Teil durch Sprengung erfolgte. Am 22. September wurde der Grundstein der neuen Kirche gelegt und bereits am 30. Dezember konnte das Richtfest gefeiert werden. Während der Bauzeit fanden die Gottesdienste in der Kapelle des Schwesternhauses statt, mit Ausnahme der Hauptgottesdienste an Sonn- und Feiertagen, die in der Festhalle gefeiert wurden. Zu Ende des Jahres 1958 konnte dann die neue Kirche bereits benutzt werden. Der erste feierliche Gottesdienst war das Primizamt des Neupriesters Herbert Leuninger am 14. Dezember 1958. Am 20. Juni 1959 erfolgte die feierliche Konsekration der Kirche durch Weihbischof Walther Kampe.

Glocken und Orgel

Mit dem Kirchenneubau verbunden war die Anschaffung einer neuen Orgel. Die alte Orgel, aus dem Jahre 1850 stammend, konnte nach dem Abbruch der alten Kirche nicht mehr verwendet werden, so daß eine neue Orgel benötigt wurde, deren Einbau in 1960 erfolgte.

Ein beachtliches Kapitel stellen die Kirchenglocken von Mengerskirchen dar, was schon dadurch gekennzeichnet ist, daß solche innerhalb von 38 Jahren dreimal angeschafft wurden. Im Jahre 1917 mußten von den drei vorhandenen Glocken, die ein Gesamtgewicht von 395 kg hatten, zwei abgeliefert werden. Das Material wurde für Kriegszwecke verwendet. Die Ablieferung der Glocken führte zu einer erheblichen Mißstimmung unter der Bevölkerung. Bereits im Jahre 1921 wurden die abgelieferten Glocken durch neue ersetzt, ein Geschenk der Zivilgemeinde an die Kirchengemeinde. Zur Erinnerung an die Kriegsjahre 191418 trug eine derselben die Inschrift: "St. Michael bin ich geweiht, gib Frieden Herr nach Kriegesleid. " ( 72) Noch im gleichen Jahr mußte auch die dritte der alten Glocken ersetzt werden, weil sie einen Sprung bekommen hatte. Die neue Glocke war ebenfalls ein Geschenk der Zivilgemeinde. Diese großzügige Haltung soll wesentlich durch Johannes Gotthardt bestimmt worden sein, der auch die Glocken kostenlos mit seinem Pferdefuhrwerk an der Bahnstation in Löhnberg abholte.

Nur 25 Jahre dauerte es, bis die Glocken wiederum, und zwar 1942, ein Opfer des Krieges wurden. Zwei Glocken wurden abgeholt, die kleinste verblieb, um den Tag, den Mittag und den Abend einzuläuten, die Gläubigen zum Gottesdienst zu rufen und den Toten den letzten Gruß zu übermitteln. Erst in 1950 kam ein neues Geläut, dessen Aufhängung die Erneuerung des Glockenstuhles erforderte. Die Kosten hierfür, wie auch für die Anschaffung der Glocken, wurden durch Spenden der Gläubigen getragen.

In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß es vor der Anschaffung des Geläutes zu einer Diskussion innerhalb der Gemeinde kam, bei der es um die Frage ging, ob Bronzeglocken oder solche aus "Sonderbronze", d. h. aus einem weniger guten und billigeren Material beschafft werden sollten. Das Hauptargument für die Sonderbronze war, daß die Glocken bei einem neuerlichen Krieg wegen des geringwertigeren Materials nicht wieder weggeholt werden würden. Für viele war diese Frage weniger wichtig. Sie forderten daher aus Gründen der Qualität Bronzeglocken. Das neue Geläut war aber aus Sonderbronze.

Die Inschriften an den beiden größten Glocken entsprechen der damaligen Situation. Die erste gilt dem Gedenken der heimatvertriebenen Mitbürger und lautet: "St. Maria, Du warst zur Flucht nach Ägypten erkoren, o segne alle, die die Heimat verloren." Die zweite Inschrift ist dem Gedächtnis der Gefallenen beider Weltkriege gewidmet und hat folgenden Wortlaut: "St. Josef, wenn ich ertöne, gedenkt auch der Söhne, die Blut und Leben für Euch gegeben."

Nach dem Bau der neuen Kirche tauchte die Glockenfrage erneut auf und man beschloß, das Geläute aus Sonderbronze nicht mehr anzubringen, es wurde 1959 für nur 2.700, -- DM an die Pfarrgemeinde Westerburg verkauft. An seine Stelle trat ein Bronzegeläut von vier Glocken, das rund 43. 000, -- DM kostete. Die Mittel hierfür wurden im wesentlichen von den Katholiken der Gemeinde durch Spenden aufgebracht. Das Geläute hat ein Gesamtgewicht von 4. 010 kg. ( 73 )

Das ungewöhnliche Spendenaufkommen

Die Spendenergebnisse für soziale und caritative Zwecke in der Pfarrgemeinde Mengerskirchen übertrafen bei den einzelnen Sammlungen, insbesondere in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, jeweils die Erwartungen. Gemessen an den Ergebnissen in anderen Gemeinden und Gegenden darf man von Spitzenergebnissen sprechen. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß Mengerskirchen in den letzten Jahrzehnten fast zu einer reinen Arbeiterwohngemeinde geworden ist. Die Antwort auf die Frage, worauf die Spendenfreudigkeit zurückzuführen ist, ist vielseitig. Ganz sicher spielt der kirchliche Einfluß eine Rolle, denn es handelt sich bei den Pfarrangehörigen ganz überwiegend um praktizierende Katholiken. Das wäre, so weit es sich um Spenden für rein kirchliche Zwecke handelt, eine zureichende Erklärung, nicht aber für die Spenden mit sozialem Charakter, wozu u. a. die Spenden für die Missionen und die notleidenden Völker in der Welt gehören. Hier ist ganz sicher die soziale Haltung entscheidend, die auch den notleidenden Mitmenschen sieht und sich ihm verpflichtet fühlt. Schon Hörpel weiß aus alter Zeit von der Gebefreudigkeit der Mengerskirchener Bürger zu berichten, und zwar gerade bei dem "Mann aus dem Volke". Indessen wird auch eine zeitgemäße gläubige Haltung und das Ideengut der christlich-sozialen Bewegung Einfluß gehabt haben. Es sei hier nur auf den "Volksverein für das katholische Deutschland" und die christlichen Gewerkschaften verwiesen. Es soll jedoch nicht verkannt werden, daß in dem hier in Rede stehenden Zeitraum ein gewisser Wohlstand unter der Bevölkerung eingetreten ist, der sich vor allem im Wohnungsbau ausdrückt. Andererseits ist das Brot, das die Pendler des Baugewerbes essen, sauer verdient.

Hervorstechend für die Gebefreudigkeit sind insbesondere die Ergebnisse für die kirchlichen Hilfswerke "Misereor" und "Adveniat". Die Misereor-Kollekte, die sich jährlich wiederholt, begann im Jahre 1959. Während im ersten Jahr hierfür 1. 403, --DM gesammelt wurden, waren es im nächsten Jahr schon 4. 090, -- DM. In 1966 stieg dann das Ergebnis auf 6. 310, -- DM; im Jahre 1973 waren es 6.173, -- DM. Die Gesamtsumme der vergangenen 15 Jahre betrug 70. 755, -- DM. Die Adveniat-Kollekte erbrachte in 1962, im ersten Jahr, 1. 259, --DM und zwei Jahre später 5. 623, -- DM. In 1969 war es ein Betrag von 5. 218,--DM, der sich von da ab jedes Jahr steigerte und in 1973 die Rekordsumme von 9. 681, -- DM erreichte. In den vergangenen 12 Jahren ging für "Adveniat" die Gesamtsumme von 64.661, -- DM in der Gemeinde ein. Neben diesen großen Kollekten wurden zwischen 1969 und 1973 noch Sonderkollekten für Notgebiete wie Ostpakistan und Nicaragua durchgeführt, die ein Gesamtergebnis von 9. 988, -- DM hatten. Zu all diesen Beträgen kommt noch das Ergebnis der allgemeiner. und der Missionskollekten in den Jahren 1959 bis 1973 in Höhe von 56. 174, -- DM. Dieses Geld dient in der Regel auch sozialen und caritativen Zwecken.

Das Kollektenaufkommen in der Pfarrgemeinde für soziale und caritative Zwecke in den Jahren von 1959 bis 1973 betrug insgesamt 257.752,--DM. In diesem Betrag ist aber das Ergebnis der übrigen Kollekten, die internen kirchlichen Zwecken dienen, nicht enthalten. Die Gottesdienstkollekten betrugen in den 50er Jahren jeweils 20, -- bis 25, -- DM und in 1973 zwischen 130, -- und 150, -- DM. Türkollekten, welche in der Zeit von etwa 1960 bis 1970 durchgeführt wurden, erbrachten jeweils zwischen 200, -- und 300, -- DM. Es sei in diesem Zusammenhang auch auf das Krippenopfer der Kinder in der Weihnachtszeit und das Sammelergebnis der Sternsinger, das sich beispielsweise 1973 auf 1. 510, -- DM belief und auch Missionszwecken diente, verwiesen.

Neben den genannten Beträgen hat die Pfarrgemeinde weiter erhebliche Mittel aufgebracht. So erfolgte die Finanzierung der im Jahre 1950 erworbenen Glocken für die Kirche durch Spenden der Gemeinde, welche die runde Summe von DM 10. 000, -- ausmachten. Von der für den Kirchenneubau 195758 erforderlichen Bausumme von 400. 000, -- DM stellte das Bischöfliche Ordinariat 275. 000, -- DM zur Verfügung. Den Rest brachte im Laufe der Jahre die Gemeinde auf. Bereits bei Baubeginn standen aus Sammlungen und Spenden 55. 000, -- DM zur Verfügung. Die neuen, 1959 erworbenen Glocken erforderten 42. 842, -- DM und die in 1960 aufgestellte Orgel 36. 861, -- DM. Im Jahre 1967 wurde die neue Kapelle an der Straße nach Elsoff mit einem Kostenaufwand von rund 10. 000, -- DM errichtet. Alle diese Maßnahmen wurden finanziell von den Angehörigen der Pfarrei getragen. Das letzte große Projekt war der neue, in 1963 eröffnete Kindergarten, dessen Kosten einschließlich des Aufwandes für zwei Jugendräume insgesamt 192. 000, -- DM betrugen, die vorwiegend Land, Kreis und Zivilgemeinde übernahmen. Aber immerhin spendeten die Pfarrangehörigen von Mengerskirchen insgesamt 32. 686, -- DM für diese allseits als gelungen und modern angesehene Einrichtung. Bis zu 90 Kinder fanden zeitweilig in dem Kindergarten Aufnahme, die von einer Leiterin nebst zwei bis drei Kindergärtnerinnen bzw. Kindergartenhelferinnen betreut wurden. Inzwischen ist die Zahl der Kinder auf 75 zurückgegangen, zu der noch 15 Kinder aus Winkels gehören.

Die Gelder, welche die Pfarrgemeinde in dem angeführten Zeitraum für die eigenen Aufgaben in der Pfarrei spendeten, ergeben ebenfalls einen Betrag von über 1/4 Millionen, sodaß in 15 Jahren mehr als eine halbe Million DM von den Pfarrangehörigen über die allgemeinen Kollekten hinaus an Spenden aufgebracht wurden.

Bei dieser Feststellung ist auch zu berücksichtigen, daß die Einkommensverhältnisse zu Beginn dieses Zeitraumes bis in die erste Hälfte hinein weitaus ungünstiger waren als in späterer Zeit. Ins Gewicht fallend ist auch die Tatsache, daß in Mengerskirchen in dieser Zeit viele Häuser gebaut wurden und dadurch manche Pfarrangehörige finanziell stark beansprucht waren. ( 74 )

Die Pfarrer von Mengerskirchen

Von 1869 bis 1973 wirkten in Mengerskirchen neun Pfarrer. Es waren dies:

Johannes Jakob Noll

1869 - 1888

Franz Hannappel

1889 - 1909

Friedrich Hörter

1909 - 1912

Bernhard Eufinger

1912 - 1915

Jakob Menges

1915 - 1932

Johannes Spitzhorn

1932 - 1950

Oswald Graulich

1950 - 1958

Leo Knoll

1958 - 1964

Oswald Graulich

1964 - 1973

Hans Jörg

ab 2. September 1973

Oswald Graulich übte dieses Amt in zwei voneinander getrennten Zeitabschnitten aus. In dem dazwischen liegenden Zeitraum war er Pfarrer in einer Frankfurter Gemeinde. Pfarrer Knoll entstammte dem Ordenspriesterstande. Im Jahre 1941 erfolgte seine Ausweisung aus dem Kloster durch die Gestapo; er wurde dann Priester der Diözese Limburg. Nach 1933 lebte noch ein Pfarrer aus Nordamerika im Schwesternhaus im Ruhestand, der ursprünglich seinen Lebensabend in einem Heim in Oberbayern verbringen wollte, das aber durch die Hitlerherrschaft aufgelöst wurde. Pfarrer Dr. Hörten schied aus schwerwiegenden Gegensätzen zwischen ihm und der bischöflichen Behörde aus dem kirchlichen Dienst aus. Bernhard Eufinger war in Mengerskirchen nicht Pfarrer, sondern Pfarrverwalter.

Es sind keine Geschehnisse zu verzeichnen, die das religiös-kirchliche Verhältnis zwischen Pfarrer und Pfarrgemeinde ernsthaft gestört hätten. Die in sich gefügte Pfarrgemeinde erfuhr selbst durch die Vorgänge um Pfarrer Dr. Hörten, die mit Bedauern zur Kenntnis genommen wurden, keine Beeinträchtigung. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, daß auch in einer Pfarrgemeinde Spannungen auftreten. Das schlägt sich dann in der Pfarrchronik aus der Sicht von Pfarrer Hannappel folgendermaßen nieder: "Ich kann sagen, hier sind recht brave Leute, die Pfarrkinder gehen gern in die Kirche. Es sind mir aber auch einige recht grob und unverschämt vorgekommen, Eine Zeitlang hatte ich großen Verdruß durch die Streitigkeiten zwischen Winkelsern und Mengerskirchern in der Kirche. "

Evangelische Christen

Der Bevölkerungszuwachs während und nach dem zweiten Weltkrieg löst Mengerskirchen als in konfessioneller Hinsicht geschlossene Gemeinde früherer Zeit auf. Zwar ist der Prozentsatz der nichtkatholischen Bürger an der Gesamtbevölkerung gering, aber immerhin so groß, daß sich das Pfarramt in Nenderoth veranlaßt sah, in Mengerskirchen Gottesdienste für die evangelischen Christen zu veranstalten. Diese fanden schon zu einer Zeit im Schwesternhaus statt, als dort noch eine Niederlassung der Dernbacher Schwestern war. Sie stellten für die Gottesdienste ihre Hauskapelle zur Verfügung. Der konfessionelle Unterschied unter den Bürgern tritt, außer durch den Gottesdienst und etwaige andere religiöse Verrichtungen, in keiner Weise in Erscheinung und schon gar nicht sind gegenseitige Behinderungen oder Vorgänge zu verzeichnen, die als Disharmonie zu bewerten wären.

Kirchliche Persönlichkeiten aus Mengerskirchen

Die vergangenen hundert Jahre weisen eine verhältnismäßig hohe Zahl von Priestern und Ordensgeistlichen aus Mengerskirchen auf. Insgesamt sind es 13, von denen allein in der Zeit von 1909 bis 1959 sieben die Priesterweihe erhielten und anschließend ihre Primiz, die erste Messe, in der Heimatkirche feierten. Unter den bereits verstorbenen Priestern befinden sich hervorragende Persönlichkeiten. So Pfarrer Dr. Josef Schermuly, der 1877 geweiht wurde. Ein Teil seines Wirkens fiel in die Zeit des Kulturkampfes, wodurch er in seinem beruflichen Wirken behindert wurde. Schließlich wurde er Direktor eines Lehrerseminars in Oberglogau in Oberschlesien, nachdem er eine Berufung in das preussische Kultusministerium aus Gründen, die im Zusammenhang mit dem Kulturkampf standen, abgelehnt hatte. Er wurde Schulrat und erhielt den Titel eines geistlichen Rates. Im Jahre 1925 verstarb er in der oberschlesischen Stadt Ratibor. ( 75 )

Ordensfrauen

Doppelt so groß wie die Zahl der Männer aus Mengerskirchen, die sich einem geistlichen Beruf widmeten, ist die der weiblichen Ordensberufe. Allein in den Jahren von 1905 bis 1955 legten 19 Frauen ihre Profess (Ordensgelübde) ab. Hier hinzukommen noch 7 Frauen aus den vorhergehenden Jahrzehnten. Von diesen insgesamt 26 Ordensfrauen aus Mengerskirchen gehörten 11 der Kongregation der Armen Dienstmägde Jesu Christi, im Volksmund Dernbacher Schwestern genannt, an; die übrigen verschiedenen anderen Orden. Den Eintritt so vieler Frauen aus Mengerskirchen in das Kloster wird man als Phänomen ansehen können, das eine vielseitige Deutung erfahren kann. Entscheidend dabei war eine tiefe Frömmigkeit, die in der Familie und der Gemeinde geprägt war. Es sind aber auch soziale Gesichtspunkte nicht außer acht zu lassen. Die Berufsmöglichkeiten für das weibliche Geschlecht in dem in Rede stehenden Zeitraum waren in Mengerskirchen gering. Für viele schulentlassene Mädchen blieb, wenn sie nicht gerade im elterlichen Betrieb, der meist in einer kleinen Landwirtschaft bestand, benötigt wurden, keine andere Wahl, als sich in einem fremden Haushalt, meist in der Stadt, zu verdingen. Diejenigen, die hierauf nicht angewiesen waren und nach einem echten Frauenberuf suchten, fanden bei entsprechender religiöser Einstellung den Weg in das Kloster.

Es stellt sich die Frage, warum die Frauen von Mengerskirchen sich in so großer Zahl der Kongregation der "Armen Dienstmägde Jesu Christi" in Dernbach zuwandten, obwohl es sich dabei doch um eine verhältnismäßig junge Gemeinschaft handelte. Zweifellos hat die örtliche Lage von Dernbach im Westerwald eine Rolle gespielt, mehr aber wahrscheinlich der gute Ruf der Gründerin der Gemeinschaft, des "Dernbacher Kathrinchens", der sich sehr schnell verbreitete und dann auch bis Mengerskirchen gedrungen ist; der Ruf jenes schlichten Mädchens aus dem Westerwald, das mit der Armut und der Not der Westerwälder aufgewachsen war und diese nun durch ihr Werk zu steuern suchte, Hilfe für die kranken und notleidenden Mitmenschen und dazu die Pflege der Gottesliebe und des Gebets.

Eine Frau aus Mengerskirchen gehörte zu den Gründerinnen der Gemeinschaft. Es war Elisabeth Meuser, die als Tochter des Jakob Meuser und dessen Ehefrau Christine geb. Beck im Jahre 1823 geboren wurde. Sie war eine der fünf ersten Schwestern der Kongregation, die zusammen mit der Gründerin Mutter Maria Kasper am 15. August 1851 eingekleidet wurden und in die Hände von Bischof Peter Josef Blum in der Pfarrkirche von Wirges die ersten Gelübde ablegten. "Ihr Ordensname war Klara. Ihre Zeitgenossinnen bezeichneten sie u. a. als eine begabte und gewandte Jungfrau, die in vornehmen Häusern und zuletzt bei Bischof Peter Josef Blum Köchin war. Hier lernte sie auch Katharina Kasper aus Dernbach kennen. Bei ihrem Eintritt in die Kongregation brachte sie ihre Ersparnisse von 600, -- Mark mit, die der armen Gemeinschaft sehr zustatten kamen. " ( 76 )

Kirchliche Gruppen

Im kirchlichen Bereich entwickelten sich verhältnismäßig spät Gemeinschaften, die sich spezifische Aufgaben stellten. Eine Ausnahme bildete der Kirchenchor, der sich bereits in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts dem Chorgesang widmete. Es handelte sich dabei ursprünglich aber nicht um eine straff organisierte Gemeinschaft, sondern um Männer, die sich zu Chorproben versammelten, um die Festtagsgottesdienste in der Kirche durch ihren mehrstimmigen Gesang feierlich zu gestalten. Der erste Dirigent war "Spielmanns Wellem", der einer Mengerskirchener Musikantenfamilie entstammte, die später nach Amerika auswanderte. Dann übernahm der örtliche Schulleiter Johannes Wengel den Dirigentenstab, der wiederum von seinem Nachfolger im Schuldienst, Johannes Hilger, abgelöst wurde. Der Chor brachte es vor dem ersten Weltkrieg zu beachtlichen Leistungen, trotz der kleinen Schar von etwa 25 Sängern. Höhepunkte waren die Aufführungen von Passionen, schon lange vor 1914. Der in diesem Jahr ausbrechende Weltkrieg beendete die Tätigkeit des Chores, da viele seiner Mitglieder Kriegsdienst leisten mußten.

Nach dem Krieg setzte der Chor im Jahre 1919 seine Tätigkeit fort und führte im darauf folgenden Jahr mit großem Erfolg die Matthäuspassion auf, bei der erstmals auch Frauen mitwirkten. Bei diesen handelte es sich vorwiegend um Mitglieder des Marienvereins. Allerdings kam es in dieser Zeit zu Mißhelligkeiten im kirchlich-schulischen Bereich, die sich auch auf den Kirchenchor auswirkten und zu seiner Auflösung führten. In den Jahren nach 1933 ist es noch einmal zu einem gemischten Chor gekommen, der sich wohl aus einer Gesangsabteilung des Marienvereins entwickelt hat und den mehrstimmigen Kirchengesang pflegte. Nach 1910 kam es zur Bildung weiterer kirchlicher Vereinigungen. So entstand ein katholischer Arbeiterverein, der sich vorwiegend die Aufgabe stellte, seinen Mitgliedern christlich-soziales Gedankengut zu vermitteln. Damit verbunden war auch das Bestreben, durch kulturelle Veranstaltungen der gesellschaftlichen Situation des Arbeiters zu dienen. Der Arbeiterverein hatte keine lange Lebensdauer. Entscheidend wird für diese Tatsache der erste Weltkrieg gewesen sein, da durch den Kriegsdienst vieler Mitglieder die Vereinsarbeit gelähmt wurde, und wohl auch eine Reihe aktiver Mitglieder aus dem Krieg nicht zurückkehrten. Jedenfalls hat der Verein nach dem Krieg seine Arbeit nicht wieder aufgenommen.

Der Marienverein, im Jahre 1918 gegründet, bewegte sich hinsichtlich seiner Aufgabenstellung mehr im kirchlichen Bereich. Hierzu gehörte vor allem die Pflege des religiösen Lebens durch Vorträge und die gemeinsame monatliche Kommunion. Der Verein übernahm aber auch ganz konkrete Pflichten, wie beispielsweise über Jahre hinweg die Reinigung und das Ausschmücken der Kirche. Der Marienverein erfuhr nach Beginn der 30er Jahre eine Belebung. Verdienstvoll ist sein Bemühen um die Pflege des Kirchengesangs gewesen. Es wird auch von Ausflugsfahrten zu Wallfahrtsorten und von einer ganzen Anzahl von Laienspielaufführungen berichtet. Im Laufe der Jahre verlor aber diese einstmals aktive Vereinigung mehr und mehr an Bedeutung und hörte mit Beginn der 50er Jahre zu bestehen auf.

Erwähnt sei auch das Bestehen anderer kleinerer kirchlicher Gruppen, die sich indessen ausschließlich auf die Pflege religiöser Übungen beschränkten.

Kirchliche Jugendarbeit

Es fällt auf, daß die kirchliche Jugendarbeit in Mengerskirchen sehr spät einsetzte, wenn man von dem "Marienverein" absieht. Das hat verschiedene Gründe. In früherer Zeit war die männliche Jugend des Ortes bis auf die Wintermonate meist außerhalb. Das erschwerte einen Zusammenschluß von Gruppen. Es gab aber informelle Gruppen, die sich ohne Anregung von außen im Rahmen der einzelnen Schuljahrgänge bildeten; sie bestanden so lange, bis die einzelnen Anschluß an das andere Geschlecht gefunden hatten. Darüberhinaus fehlte es bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts hinein an einer entsprechenden Aktivität von kirchlicher Seite her. Die Verhältnisse änderten sich erst, als die Pfarrei einen Kaplan erhielt, der sich auch der Jugendarbeit widmen konnte. 1932 gab es bereits eine Gliederung der DJK, d. h. "Deutsche Jugendkraft" der Sportbewegung der katholischen Jugend. Im Jahre 1934 wurde der katholische Jungmännerverein in Mengerskirchen gegründet. Am Christ-Königsfest des gleichen Jahres weihte der damalige Jugendpfarrer und spätere Bischof von Limburg, Ferdinand Dirichs, das Banner des Vereins. In 1939 erfolgte die Auflösung des Vereins als "staatsfeindliche" Organisation. Der Pfarrer und auch der Küster wurden damals wiederholt von den Kreisbehörden aufgefordert, das Vereinsbanner abzuliefern, dem die beiden aber nicht nachkamen. Am 13. Mai holte es die Polizei jedoch aus der Kirche und nahm es nebst anderen Gegenständen, die Eigentum des Vereins waren, mit. Außer dem Jungmännerverein gab es gleichzeitig noch Mädchengruppen, die ihre Zusammenkünfte im Raum der Nähschule im Schwesternhaus hatten.

Nach Änderung der politischen Verhältnisse in 1945 wurde die Jugend im kirchlichen Bereich wieder aktiv. Diese Entwicklung erfuhr nicht zuletzt eine Förderung durch den Pallottinerpater Zinndorf, der vor 1945 Kaplan in Mengerskirchen war und schon in dieser Zeit ein gutes Verhältnis zur Jugend pflegte. Sein Nachfolger, Pater Peretzki, ließ der jungen Bewegung eine nachhaltige Unterstützung zuteil werden. Die jungen Menschen kamen, ohne zunächst eine besondere Organisation zu haben, vor allem in den Wintermonaten zusammen. Als Unterkunft diente ihnen ein primitiver Schuppen, "es Budche", am Schwesternhaus, aus Holzfachwerk bestehend, von außen mit Brettern beschlagen und von der Jugend dann mit ungebrannten Lehmziegeln ausgemauert - andere gab es damals nicht -, die ein Mitbürger bei einer Weilburger Ziegelei "organisiert" hatte.

Eine bemerkenswerte Aktivität entwickelten die jungen Menschen zu Weihnachten 1946 durch die Veranstaltung einer Weihnachtsfeier in der Festhalle. Diese war vor allem für Kinder gedacht, die durch den Krieg und seine Folgen stark betroffen waren. Dazu zählten die Kinder der heimatvertriebenen Mitbürger und solche, deren Väter im Krieg starben oder auf deren Heimkehr sie noch warteten. Für die Kinder hatte die Jugend Spielzeug gebastelt.

Es bildete sich später ein Instrumentalkreis, der auch alte und verstaubte Musikinstrumente wieder zu Ehren brachte. Auch Fahrten in die nähere und weitere Umgebung wurden unternommen. Auf das kulturelle Leben nahm die Jugend bestimmenden Einfluß, sie wirkte bei Feiern im größeren Rahmen mit. Eine eigene Gruppe widmete sich dem Volkstanz und zeigte bei gegebenem Anlaß ihr Können. Neben kirchenmusikalischen Darbietungen kam es zu Theateraufführungen der verschiedensten Art. Der Höhepunkt in diesem Bereich war die Aufführung der romantischen Oper "Der Freischütz" im April 1947. Die verantwortliche Leitung dieser Veranstaltung lag in den Händen von Frau Müller-Gerhard und ihrem Ehemann. Die Darsteller waren zum Teil dem Jugendalter entwachsen. Die Darbietungen, eine Kindervorstellung und drei Hauptaufführungen, waren ein großer Erfolg. Die Kostüme wurden bei einem Theaterverleih in Frankfurt ausgeliehen. Das war nur gegen die Lieferung von Lebens- und Genußmitteln möglich, weil Geld in jener Zeit kaum Wert hatte.

In den 50er Jahren schlossen sich männliche Jugendliche zu einer St. Georgspfadfindergruppe zusammen, die indessen keinen langen Bestand hatte, weil sich kein Nachwuchs fand. Überhaupt ging das kirchliche Jugendleben, das sich so erfolgverheißend nach 1945 entwickelte, zurück. Ob dafür das mangelnde Interesse der Jugend oder der Pfarrer maßgeblich waren, kann hier nicht untersucht werden. Eine Belebung trat in der zweiten Hälfte des Jahres 1973 mit dem neuen Pfarrer ein.

VEREINE UND GRUPPEN

Die Bildung von Vereinen und ähnlichen Gruppierungen im Flecken begann verhältnismäßig spät, wenn man von der Feuerwehr absieht. Dieser Umstand beruhte nicht zuletzt auf der Tatsache, daß viele Männer und junge Frauen ihre Arbeitsplätze außerhalb hatten und einen großen Teil des Jahres nicht zu Hause sein konnten. Die bis in das 3. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entstandenen Vereine und Gruppen hatten einen ausgeprägt kirchlichen und weltanschaulichen Charakter. Von diesem Zeitpunkt an kam es außerhalb des kirchlichen Raumes zu Zusammenschlüssen mit Vereins- und Gruppencharakter. Durch die politischen Geschehnisse im Jahre 1933 erfuhr die Vereinsarbeit im Flecken eine erhebliche Beeinträchtigung. Eine freie Entfaltung war erst nach 1945 wieder möglich. Hier setzte zunächst die kirchliche Gruppenarbeit ein, die vorwiegend die Jugend erfaßte. Aber auch die Vereine aus der Zeit vor 1933 wurden wieder aktiv. ( 77 )

Die Freiwillige Feuerwehr

Nach Weilburg und neben Audenschmiede ist die Freiwillige Feuerwehr Mengerskirchen die älteste Feuerwehr im Oberlahnkreis. Etwa 50 Männer aus dem Flecken schlossen sich im Jahre 1898 in dieser Vereinigung zusammen, um das folgende zu verwirklichen: "Die Freiwillige Feuerwehr ist ein Verein zur Rettung des Lebens und Eigentums der Mitmenschen aus Feuersgefahr und zur Hilfeleistung bei anderen Unfällen und Notständen. " Übrigens ist auch hervorzuheben, daß zu den "gesetzlichen Gründungsmitgliedern" ein Sal. Rosenthal gehörte, also dem Namen nach ein jüdischer Mitbürger, von denen es damals im Flecken nur wenige gab.

Schon wenige Jahre nach ihrer Gründung, nämlich im Jahre 1904 kam es zum ersten Großeinsatz, "als am 'Tanzplatz' am Brückenweg fünf Scheunen ausbrannten und das Wohnhaus von Johann Schermuly mit in die Flammen rissen . . . der Rest dieses Scheunenkomplexes, 11 Gebäude, brannte 1930 nieder; abermals konnte ein Umsichgreifen des Brandes vermieden werden". 1949 wurde in der Büromöbelfabrik ein Entstehungsbrand rechtzeitig niedergeschlagen. 1954 brach in der Apotheke ein Kellerbrand aus, der bei den Löscharbeiten zur Entwicklung von Gasen führte und eine Explosion verursachte, die zu schweren Verletzungen der Apothekerin und von drei Feuerwehrmännern führte. "Ein Waldbrand am Knoten und ein Brand in der Schreinerei Schüßler ergänzen die Brandchronik. In einer Sturmnacht im Juli 1946 gerieten infolge Funkenfluges 12 Scheunen vor dem ehemaligen Nordtor in Brand. Der ganze Ort war durch diesen Brand, insbesondere durch den Funkenflug, gefährdet. Die Feuerwehren der gesamten Umgebung wurden alarmiert, um größeren Schaden für den Flecken zu verhüten. Ein Jahr später brannten vier Scheunen unterhalb des Friedhofs ab. Auch hier galt es in erster Linie, die Gefahr für den eng bebauten Ortskern zu bannen.

Die Wehr kam auch außerhalb des Fleckens mehrmals zum Einsatz, so zweimal in Winkels, je einmal in Waldernbach, Arborn und Reichenborn.

Im Jahre 1972 gründete die Feuerwehr einen Jugendfanfarenzug und förderte damit unter den jungen Bürgern das Interesse an ihrer sozialen Aufgabe.

Der Männergesangverein "Freude"

Die Bürger von Mengerskirchen waren von jeher sangesfreudig. So war an den langen Winterabenden oft aus den Nagelschmieden während der Arbeit fröhlicher Gesang zu hören. Schon kurz nach 1880 bildete sich eine Gruppe von Männern zur Pflege das Gesangs, meist für kirchliche Zwecke. Praktisch ging aus dieser Gruppierung der Männergesangverein "Freude" Mengerskirchen hervor, der in 1921 gegründet wurde. Bei der Gründung waren neben dem Dirigenten noch zwei musikalisch begabte jüngere Lehrer Mitglieder des Vereins, so daß für die Einstudierung der Lieder und Chöre drei Männer zur Verfügung standen. Dies befähigte die Sänger zu beachtlichen Leistungen.

Ein besonderes Ereignis war das Fahnenweihfest in 1926. "Ein Festzug mit über 30 Vereinen, darunter alle Vereine des Sängerkreises Oberlahn, bildete den Auftakt. Einhundert weißgekleidete Mädchen mit Girlanden und Blumen führten den Festzug an, der jedem, der ihn erlebte, unvergessen bleiben wird. Ein Feuerwerk am Abend war für die meisten Festteilnehmer etwas, was sie noch nie gesehen hatten. "

Doch der Verein beschränkte sich in seinen kulturellen Bestrebungen nicht nur auf die Pflege des Gesangs, sondern widmete sich auch anderen Aufgaben. So führte er unter großem persönlichen Einsatz seiner Mitglieder auf einer Freilichtbühne hinter dem Galgenkopf das Theaterstück "Andreas Hofer" auf. Eintausendzweihundert Zuschauer, darunter viele Auswärtige, ließen sich von den Darbietungen begeistern. In dieser Zeit zählte der Verein 80 aktive Sänger.

Ebenso wie alle anderen Vereine litt auch der Gesangverein "Freude" unter den politischen Geschehnissen von 1933 und den Folgen, die besonders der in 1939 ausbrechende Krieg mit sich brachte. Die Kriegsgeschehnisse brachten das Vereinsleben völlig zum Erliegen. Erst im Herbst 1948 entschloß man sich, den Verein unter dem alten Namen fortzuführen. In diesem Zusammenhang sei Werner Bär erwähnt, der als Bauhandwerker ohne spezielle Vorbildung seit dieser Zeit uneigennützig die Stelle des Dirigenten innehat. Anläßlich seiner 25jährigen Dirigententätigkeit erhielt er eine öffentliche Ehrung.

Der Verein hat jede Möglichkeit wahrgenommen, bei örtlichen und überörtlichen Festveranstaltungen, gelegentlich auch bei besonderen kirchlichen Feiern, mitzuwirken. Bei einer Vielzahl von Wertungssingen stellte er seine Leistungsfähigkeit und sein Können unter Beweis.

Der Sportverein "Blau-Weiß"

Noch ehe der Verein, der sich vorwiegend dem Fußballsport widmet, im Jahre 1925 gegründet wurde, übte man in Mengerskirchen diese Sportart schon aus. Es bildeten sich zunächst zwei Gruppen, die Fußball spielten, ohne ein Vereinsleben zu entwickeln. Bald schloß man sich aber zu einem Verein zusammen. Als Spielfeld diente ein Gelände am Knoten, das zwar höchst unzulänglich war, aber einen geregelten Spielbetrieb ermöglichte. Zu Auswärtsspielen mußten die Mannschaftsangehörigen zunächst auf Fahrräder zurückgreifen, denen als Verkehrsmittel später der Lastwagen eines ortsansässigen Fuhrunternehmens folgte.

Die Vereinsurkunden weisen aus, daß der Verein bereits in 1926 in Mengerskirchen ein Fußballturnier mit 14 Mannschaften durchführte. Der Verein spielte dabei in der A-Klasse, besiegte die Mannschaft aus Beilstein mit 2 : 1 Toren und wurde damit Turniersieger.

Im Jahre 1928 bildete sich in Mengerskirchen die DJK (Deutsche Jugendkraft), wodurch sich im Flecken eine Verlagerung der sportlichen Schwerpunkte vollzog. Indessen beendeten die politischen Geschehnisse im Jahre 1933 das sportliche Leben in Mengerskirchen fast gänzlich. Die Zeit nach 1945 brachte aber schnell wieder Leben in den Verein und führte bald zu einem geregelten Spielbetrieb. Bereits in 1948 nahm die erste Mannschaft wieder an den Verbandsspielen in der B-Klasse Oberlahn teil. Im Spieljahr 195152 stieg der Verein in die A-Klasse auf, der er mit Ausnahme des Spieljahres 195354 ununterbrochen angehörte.

Das große Ereignis für den Verein brachte das Jahr 1952 mit der Einweihung des Sportplatzes im Buchwald. Der Weg hierzu war schwer, denn es galt, ungünstiges Waldgelände in ein Spielfeld umzuwandeln. Diese Aufgabe meisterte der Verein durch die vorbildliche Haltung vieler Mitglieder, die ihre Arbeitskraft in beachtlichem Umfang für die Herrichtung des Sportplatzes unentgeltlich zur Verfügung stellten.

Bemerkenswert sind noch die sportlichen Erfolge der A-Jugend in den Spieljahren 196264. Sie errang jeweils überlegen die Kreismeisterschaft und konnte im zweiten Jahr sogar den zweiten Platz in der Bezirksmeisterschaft belegen, was umso höher zu bewerten ist, als sie dabei spielstarken Mannschaften aus Gießen und Wetzlar gegenüberstand. 1964 wurde auch die Kreis-Pokalmeisterschaft errungen, 1963 64 rückte die erste Mannschaft an die Spitze der A-Klasse Oberlahn und war somit Kreismeister.

Die Leistungen der aktiven Vereinssportler müssen hoch bewertet werden, und zwar im Hinblick darauf, daß die Trainingsmöglichkeiten höchst unzulänglich waren.

Eine besondere sportliche Begebenheit war das Gastspiel der Traditionsmannschaft der Frankfurter Eintracht in 1969. In ihm unterlag die sogenannte "Altherrenmannschaft" von "Blau -Weiß" erst nach harter Gegenwehr mit 0: 3.

Im Laufe der Jahre bemühte sich der Verein in Eigenhilfe um eine Verbesserung der Trainingsmöglichkeiten. Wichtiges Ergebnis war die Einweihung der Flutlichtanlage in 1971.

Rückschläge im sportlichen Geschehen des Vereins blieben nicht aus. Aber immer wieder stießen einzelne Mannschaften in die jeweilige Spitze ihrer Gruppe vor. 1973 unterlag die erste Mannschaft im Endspiel um den Kreispokal mit 1 : 0 den Weilburger Fußballern.

Weiterhin ist in der Vereinsgeschichte eine Auslandsfahrt der Jungfußballer im Jahre 1972 nach Dänemark hervorzuheben, die neben der Leitung 18 Teilnehmer zu verzeichnen hatte. Hieraus entwickelten sich freundschaftliche Beziehungen zu dänischen Fußballern, die einen alljährlichen gegenseitigen Besuch mit sich brachten.

"Blau - Weiß" war im Laufe der Jahre mit 148 Mitgliedern zeitweilig der stärkste Verein in Mengerskirchen.

Der Westerwaldverein

Etwa um 1950 bildete sich auch ein "Westerwaldverein". Die Anregung hierzu gab der damals recht beachtliche Fremdenverkehr, den der Verein zu fördern suchte. In den Sommermonaten jener Jahre gab es zeitweilig 50 bis 60 Feriengäste in verschiedenen Pensionen. Bedauerlicherweise ist dieser Erwerbszweig, trotz bester Voraussetzungen, wie beispielsweise die Knotenlandschaft, später bedeutungslos geworden.

Dennoch entwickelte der Verein in den wenigen Jahren seines Bestehens eine beachtliche Aktivität. Er gab eine kleine Wanderkarte über das "Ferienland am Knoten" heraus und ließ einen, wenn auch bescheidenen Werbeprospekt für den Fremdenverkehr erstellen. Für die in den Sommermonaten anwesenden Feriengäste veranstaltete der Verein gesellige Zusammenkünfte und trug zur Unterhaltung der Bürger des Ortes bei. Zwei bedeutsame Veranstaltungen waren das "Quiz" mit Arborn und die Aufführung des modernen Passionsspieles "Pontius Pilatus - Prokurator". Das "Quiz" begann mit einer Veranstaltung in Arborn und endete mit dem Rückspiel in Mengerskirchen. Es wurde in dem großen Saal der Festhalle durchgeführt und verzeichnete einen ungewöhnlich guten Besuch. In beiden Spielen siegte die Mannschaft von Mengerskirchen. Einen anderen Charakter hatte die Aufführung des Passionsspieles, die bei überfüllter Festhalle einen eindrucksvollen Verlauf nahm. Eine Volkstanzgruppe, die im Rahmen des Vereins entstand, trat in alten Westerwälder Trachten bei vielen Gelegenheiten mit Erfolg auf. Des weiteren wurden ein Koch- und Servierkurs im Hildegardishof Waldernbach und ein Lehrgang in erster Hilfe mit Unterstützung des Malteser-Hilfsdienstes organisiert.

Der Verein existiert zwar noch, aber er tritt nicht mehr in Erscheinung. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, daß bereits vor dem ersten Weltkrieg in Mengerskirchen ein "Zweigverein" des "Westerwaldvereins" bestand, über dessen Geschichte aber nichts bekannt ist. Die Bezeichnung "Zweigverein" gibt an, daß der Verein der überörtlichen Organisation "Westerwaldverein", die sich die Aufgabe der Heimatpflege und des Wanderns gestellt hatte, angehörte, wie auch der um 1950 gebildete "Westerwaldverein" einige Jahre Mitglied dieses Verbandes war.

Der Schützenverein "St. Hubertus"

Die Gründung des Vereins im Jahre 1956 beruhte auf der Initiative einer Stammtischgesellschaft. Bislang gab es keinen Schießsport und auch keinen Besitz von Schußwaffen bei Mengerskirchener Bürgern.

Der Verein entwickelte sich mitgliedermäßig gut und zählte bald zu einem der stärksten Vereine in Mengerskirchen und im Bereich des Schützenkreises. In 1973 gehörten ihm 131 Mitglieder an, darunter annähernd 20% weibliche.

Schon wenige Jahre nach seiner Gründung nahmen Vereinsmitglieder mit Erfolg an Meisterschaftsschießen im Gau und im Kreis teil. Andere übten wichtige Funktionen in den letztgenannten Institutionen aus. Diese Tatsachen sind umso höher zu bewerten, als daß das Sporttraining in den ersten Jahren unter höchst unzulänglichen Umständen durchgeführt werden mußte. Die Schießübungen fanden ursprünglich in einem Privatraum statt. Später wurde auf dem Hausgrundstück des Vereinswirtes Heß von den Vereinsmitgliedern ein Schützenzimmer eingerichtet. Es mußten in dieser Zeit für bestimmte Schießübungen Schußanlagen des Vereins eines Nachbarortes in Anspruch genommen werden.

Aber dann begannen Mitglieder des Vereins, auf dem von der Gemeinde bei großzügigen Bedingungen überlassenen Gelände im Winnauer Berg alle Anlagen zu errichten, die auf die Dauer einen geregelten Schießsport ermöglichten. Es entstand mit den Jahren auch ein großzügig gestaltetes Vereinsheim, das nicht nur von dem Verein selbst, sondern auch von anderen Vereinen und Gruppen - auch kirchlichen gern in Anspruch genommen wird.

Höhepunkt im Vereinsleben ist das alljährliche Schützenfest, das jeweils am z. Sonntag nach Pfingsten gefeiert wird, zwei Tage dauert und sich einer ungewöhnlich großen Beteiligung aus Nah und Fern erfreut. Es wird von den Mitgliedern in eigener Regie durchgeführt und begünstigt dadurch die finanzielle Situation des Vereins erheblich.

Im Jahre 1975 konnte auch eine Kleinkaliber-Schießsportanlage in Betrieb genommen werden.' Hiermit verband man die offizielle Einweihung des Schützenhauses, das schon Jahre früher errichtet worden war. Eine große Zahl prominenter Gäste aus Verwaltung, Politik und Kirche, darunter der Finanzminister des Landes Hessen, Reitz, nahm an der Veranstaltung teil. Die religiöse Struktur der Bevölkerung des Fleckens hat auch ihren Einfluß auf den Verein. So erhielt die bereits in 1962 beschaffte Vereinsfahne eine kirchliche Weihe. An der alljährlichen Fronleichnamsprozession beteiligt er sich mit einer in Schützentracht gekleideten Abordnung und zu jedem Schützenfest gehört auch ein Festgottesdienst in der Pfarrkirche.

Der Leichtathletik-Club Mengerskirchen

Die Anfänge der Leichtathletik in Mengerskirchen gehen auf das Jahr 1956 zurück. Ursprünglich wurde diese Sportart im Rahmendes Sportvereins "Blau - Weiß" betrieben. Es war jedoch zweckmäßig, eine eigene Organisation für diese Sportdisziplin zu bilden. Diese Entwicklung wurde durch die Erfolge, welche die Leichtathleten bereits in den ersten Jahren erzielten, - es wurden schon Kreismeistertitel nach Mengerskirchen geholt - gefördert. Immer mehr Sportler, vor allem Jugendliche fanden zu dieser Sportart. Man konnte es sogar wagen, an Bezirksmeisterschaften teilzunehmen. Über die Laufdisziplin hinaus versuchte man sich in Diskus, Speer und Kugel, hierfür bestanden jedoch keine Trainingsmöglichkeiten.

Ein besonderes Ereignis für die Mengerskirchener Leichtathleten war eine Reise nach Berlin in 1968, die durch die Ersparnisse der Sportler und öffentliche Unterstützung ermöglicht wurde. Das Programm enthielt u. a. eine Stadtbesichtigung, den Besuch des Olympiastadions, die Besteigung des Funkturmes, einen Gang zu den Gedenkstätten der Verfolgten des Hitlerregimes und die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen.

Im Jahr 1971, als die Leichtathletikabteilung im Sportverein "Blau-Weiß" auf gut 50 Mitglieder angestiegen war, trennte man sich von dem Sportverein und gründete den "Leichtathletik-Club Mengerskirchen" (LCM). Dieser mit Skepsis aufgenommene Schritt brachte jedoch der Leichtathletik viele Impulse. Er löste geradezu eine Begeisterung aus und führte zu einer kaum erwarteten Trainingsbeteiligung. Die Erfolge blieben nicht aus. Es wurden im Laufe der Jahre weit über 100 Bezirksmeistertitel und mehr als 20 Titel eines Hessenmeisters erworben. Dreimal konnten Feiern für das Erringen einer Deutschen Meisterschaft, der höchste Titel in der Bundesrepublik, angesetzt werden.

Mit dem Sieg von Reinhold Strieder bei den Deutschen Crossmeisterschaften am z. März 1974 in Leimsfeld in der Jugendklasse auf der Langstrecke hatte der LCM seinen ersten Deutschen Meister. Ebenso war Strieder Erster über 5000 m bei den Deutschen Jugendmeisterschaften am 20. Juli 1974 in Gelsenkirchen. Bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Berlin am 1. März 1975 konnten drei Junioren des LCM ebenfalls die Urkunden zur Deutschen Meisterschaft im Langstreckenlauf in der Mannschaftswertung überreicht werden. Athleten starteten auch in der deutschen Nationalmannschaft, so in Marokko und England.

Eine wirkungsvolle Förderung erfuhr die Leichtathletik durch die Errichtung einer Turnhalle in der Franz-Leuninger-Schule, deren Benutzung das Wintertraining erleichterte, und durch das Sportzentrum mit einer vorzüglichen Leichtathletikanlage. Die Mitgliederzahl ist im Laufe der Jahre auf 200 gestiegen, von denen 120 aktive Sportler sind.

Die Finanzierung der Teilnahme von Mitgliedern an Sportveranstaltungen und sonstiger außergewöhnlicher Ausgaben erfolgt durch Mitgliederbeiträge, Zuschüsse von Land, Kreis und Gemeinde und durch unerwartet großzügige Spenden der Bevölkerung.

Der LCM ist ein Verein, der sich mitgliedermäßig nicht nur auf den Ortskern der Großgemeinde Mengerskirchen beschränkt, sondern sich aus allen Ortsteilen zusammensetzt. Sein Bereich geht sogar über die Landesgrenze hinaus, was sich darin zeigt, daß ein maßgebliches Mitglied des Vereins aus Elsoff, also aus Rheinland-Pfalz, stammt. Der LCM ist eine Einrichtung, die ohne Ortsteildenken den Namen Mengerskirchen im gesamten Bundesgebiet bekannt gemacht hat.

Kriegerverein und Reichsbanner "Schwarz - Rot - Gold"

In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg bildete sich in Mengerskirchen ein Kriegerverein, der sich aus gedienten Soldaten zusammensetzte und von dem Apotheker Nivelle, einem Reserveoffizier, geführt wurde. Dieser Verein suchte den Kameradschaftsgeist und das nationale Denken zu pflegen. Einige seiner Mitglieder traten nach dem Kriege, insbesondere aber zu Ende der 20er Jahre, als der Kampf um den demokratischen Staat verstärkt einsetzte, in deutlichen Gegensatz zu dieser Staatsform. Vorwiegend dieser Umstand führte dann zur Bildung des Reichsbanners "Schwarz - Rot - Gold", jener Organisation, die sich zur Verteidigung der Demokratie berufen fühlte. Diese Gruppe führte in Mengerskirchen Ende der 20er Jahre eine großangelegte Veranstaltung als Demonstration für den demokratischen Staat durch, die weit über die Grenzen des Fleckens hinaus Beachtung fand. Beide Gruppierungen erlebten nicht mehr den "Aufbruch des 3. Reiches".

Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinderten und Sozialrentner Deutschlands

Der Name des Verbandes, abgekürzt VdK genannt, zeigt den Personenkreis an, dem er dienen will. Bereits nach dem ersten Weltkrieg kam es zur Bildung von Organisationen, die sich die Aufgabe gestellt hatten, den unmittelbar vom Krieg Betroffenen, wie Witwen, Waisen und Körpergeschädigten, Hilfe bei der Wahrung ihrer Rechte und Ansprüche gegenüber dem Staat zu leisten. So gab es schon in jener Zeit in Mengerskirchen neben Mitgliedern anderer Verbände solche des Reichsbundes der Kriegs- und Zivilgeschädigten, Sozialrentner und Hinterbliebenen, der bereits 1918 gegründet wurde. Derartige Vereinigungen unterlagen aber auch der politischen Entwicklung nach 1933. Erst nach 1948 bildeten sich neue Organisationen auf der gleichen Basis wie ihre Vorgänger nach dem ersten Weltkrieg.

In 1950 wurde in Mengerskirchen eine Ortsgruppe des VdK ins Leben gerufen, die alsbald 50 Mitglieder zählte. Diese erfuhren eine intensive Betreuung über den Vorstand der Ortsgruppe hinaus beider Kreisgeschäftsstelle in Weilburg, die regelmäßig Sprechstundenveranstaltete. Hier wurde Rat und Hilfe in allen Angelegenheiten des Kriegsopfer- und Rentenrechts erteilt. Auch bemühte sich der Vorstand der Ortsgruppe über die Kreisgeschäftsstelle, vor allem den Kriegerwitwen und Schwerbeschädigten bei der Durchführung von Ferien- und Kuraufenthalten behilflich zu sein. Wie segensreich das Wirken des VdK für seine Mitglieder war, zeigt sich allein schon in der Tatsache, daß es im Laufe der Jahre gelungen ist, die Versorgungsrente für Kriegerwitwen von ursprünglich 27, -- Mark monatlich wesentlich zu erhöhen.

DIE NAGELSCHMIEDE

(s. auch Monographie des Verfassers)

Bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde die wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung von Mengerskirchen in erheblichem Umfang von dem Gewerbe der Nagelschmiede geprägt. Seine Anfänge gehen, so weit feststellbar, bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Bereits 1786 erschien ein Johann Longer aus Mengerskirchen auf dem Markt in Seck und bot dort Nägel an. ( 78 ) 1789 gab es unter den 52 Gewerbetreibenden des Fleckens 11 Nagelschmiede ( 79 ), im Jahre 1861 waren es 28, wozu noch 10 Gesellen und Lehrlinge kamen.

Das Gewerbe der Nagelschmiede hatte handwerklichen Charakter, wenngleich es zuletzt nicht mehr als "zünftiges" Handwerk bezeichnet werden kann. Nur in seltenen Fällen gab es den beruflichen Werdegang vom Lehrling über den Gesellen zum Meister. So lernten einzelne jugendliche Bürger bei einem erfahrenen Nagelschmied beispielsweise zwei Winterhalbjahre; Gesellen im "zünftigen" Sinne gab es nur wenige. Die Werkstätten waren meist Familienbetriebe, in denen die "Kunst des Nagelschmiedens" von einer zur anderen Generation weitergegeben wurde. Diese Feststellung schließt allerdings nicht aus, daß in manchen Werkstätten nicht zur Familie gehörige Nagelschmiede auf eigene Rechnung arbeiteten.

Offenbar hat die industrielle und militärische Entwicklung nach dem Krieg 1870/71 in Deutschland auch das Nagelschmiedegewerbe in Mengerskirchen erheblich gefördert. Schuhe und Stiefel der Soldaten waren mit Nägeln beschlagen, ebenso wie die der immer größer werdenden Zahl der Arbeiter in Gewerbe und Industrie. Die Nagelschmiede haben ursprünglich jede Art von Nägeln hergestellt. Indessen kam es mit der sich entwickelnden Technik auch zu einer industriellen Fertigung von Nägeln, die natürlich nicht ohne Einfluß auf das Gewerbe der Nagelschmiede blieb. Zunächst dürften sich die Industriebetriebe auf die Fertigung von Eisen- und Stahlstiften beschränkt haben, während die Produktion von Schuhnägeln noch durch die Nagelschmiede erfolgte. Immerhin produzierte um 1900 eine Fabrik am Mittelrhein auch Schuhnägel (80 ), mit denen sie bis zum Ende des ersten Weltkrieges das Militär belieferte. Trotzdem hatte das Gewerbe der Nagelschmiede von Mengerskirchen rein von der Zahl der Beschäftigten und der Menge der gefertigten Nägel her seine Blütezeit etwa von 1880 bis in die Jahre nach dem ersten Weltkrieg hinein, wie bereits erwähnt. Das Gewerbe wurde ganzjährig nur von einer kleinen Anzahl von Nagelschmieden betrieben. Für die Kleinbauern und die Bauarbeiter war es ein Nebenerwerb. In den Wintermonaten werden in etwa 65 Werkstätten, die sich in Hausfluren oder im Kellergeschoß befanden, 120 bis 150 Nagelschmiede tätig gewesen sein. Sie stellten wöchentlich schätzungsweise wenigstens 1,2 Millionen Schuhnägel her. Die Tagesleistung eines Nagelschmiedes lag zwischen 1. 000 und z. 000 Stück, wobei nicht nur Fleiß und Geschicklichkeit, sondern auch die Form und das Gewicht der Nägel eine Rolle spielten.

Die Nagelschmiede mußten hart arbeiten, wollten sie ein gutes Ergebnis in bezug auf Menge und Qualität der Nägel erzielen. Das sei an einem Beispiel erläutert: Ein Schuhnagel, der am häufigsten hergestellt wurde, war der Dreipfündersohlennagel, d. h. 1. 000 Stück wogen drei Pfund. Jeder Nagel benötigte 24 Schläge, so daß der Nagelschmied mit seinem etwa ein Pfund schweren Hammer bei einer Tagesdurchschnittsleistung von 1.500 Stück 36.000 Schläge auszuführen hatte. Hierzu benötigte man eine Arbeitszeit von 10 bis 12 Stunden.

Die Preise für die einzelnen Nagelsorten waren verschieden; sie richteten sich vor allem nach dem Gewicht. Vor dem ersten Weltkrieg zahlte der Händler beispielsweise für tausend Dreipfünder runde Sohlennägel 1, 45 Mark. Fünfpfünder der gleichen Sorte kosteten 2, -Mark und für tausend Siebenpfünder Absatznägel wurden 3, 20 Mark gezahlt. Von diesen Beträgen waren noch die Unkosten abzuziehen, denn Kohlen und Eisen mußte der Nagelschmied selbst bezahlen. So benötigte man für tausend Dreipfünder 1, 5 kg Eisen zuzüglich 0, 5 kg Verlust, der bei der Fertigung eintrat. Insgesamt betrugen die Abzüge 45 Pfennige, so daß ein Reingewinn von 1, -- Mark verblieb. Die Preise für die Nägel sind seit Menschengedenken, wenn man von der Entwicklung seit dem ersten Weltkrieg absieht, immer gleich geblieben, wobei geringfügige Schwankungen von vielleicht 5 Pfennigen für das Tausend nicht berücksichtigt sind. Die Einkommensentwicklung der Nagler hielt so nicht Schritt mit den stetig steigenden Einkommen in anderen Bereichen.

Ganz allgemein war die wirtschaftliche und soziale Situation der Nagelschmiede, zumal wenn sie ausschließlich oder vorwiegend von dem Gewerbe leben mußten, höchst unsicher und unzulänglich. Den Wechselfällen des Lebens waren sie schutzlos ausgesetzt. So erhielt z. B. in der Zeit nach der Jahrhundertwende die Witwe eines Nagelschmieds mit vier Kleinkindern eine öffentliche Unterstützung von 4, -- Mark monatlich und der Nagelschmied eines nervenkranken arbeitsunfähigen Bruders für diesen aus der Gemeindekasse eine Unterstützung von 10, -- Mark jährlich. Eine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Lage der "Nagler" trat mit dem wirtschaftlichen Aufschwung gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein, die es vielen ermöglichte, als Bauarbeiter in den Industriegebieten, vor allem in der wärmeren Jahreszeit, tätig zu sein und daneben in den Wintermonaten zusätzlich Nägel zu schmieden.

Während des ersten Weltkrieges kam es zu einer Erhöhung der Preise für Schuhnägel. Diese Tatsache ist auf den Umstand zurückzuführen, daß das Militär einen starken Bedarf, vor allem an Spezialnägeln für das Schuhwerk der Gebirgstruppe, hatte. Diese Nägel bezeichnete man als "Hundsohren", die auf Grund ihrer Form dem Schutz der Absatz- und Sohlenränder dienten. Ihre Fertigung setzte ein besonderes handwerkliches Geschick bei den Naglern voraus. Der Preis lag bei 4, 50 bzw. bei 5, 50 Mark bei den Fünf- und Sechspfündern für das Tausend und führte auch zu einer Erhöhung der Preise bei den anderen Nagelsorten. Als nach Kriegsende die sonstigen Arbeitsmöglichkeiten gering waren und es zu einem Überangebot an Schuhnägeln kam, entstand ein Preisdruck, dem sich die Nagelschmiede durch Bildung eines Nagelschmiedevereins widersetzten. Diese Bemühungen wurden bald wieder aufgegeben, da sie sich als wenig erfolgreich erwiesen. Dagegen ist es positiv zu werten, daß sich einige junge Händler erfolgreich um den Absatz von Nägeln bemühten.

Ursprünglich dürften die Nagelschmiede ihre Erzeugnisse selbst an den Verbraucher, wie Schuhmacher und bäuerlicher Haushalt, gebracht haben. Vereinzelt sind sie auf Jahrmärkte gegangen, wie der eingangs zitierte Fall des Johann Longer zeigt. Aber bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird der Absatz in großem Umfang über den Handel erfolgt sein, der die Nagelschmiede auch mit Eisen belieferte. So lieferte eine alte Siegener Eisen- und Eisenwarengroßhandlung an die Mengerskirchener Händler Nagelschmiedeeisen und war gleichzeitig Abnehmer von Schuhnägeln. Neben diesem Handel in größerem Stil gab es auch noch einen Handel von Nagelschmieden, die neben ihren selbstgefertigten Nägeln noch in kleinerem Umfang Nägel aufkauften und diese an Handwerker, Einzelhandelsgeschäfte und an Privatverbraucher lieferten. Sie brachten ihre Ware mit Hundefuhrwerken zu den Abnehmern, etwa in den Raum der Michelbacher Hütte (Aar) und in das Lahnerzbergbaugebiet im Braunfelser Raum. Vereinzelt sind auch Nagelschmiede mit ihren Nägeln hausieren gegangen. Im übrigen besorgten den Transport des Rohmaterials und der Nägel Pferdefuhrwerke, ehe die Kerkerbachbahn in Betrieb genommen wurde. In Mengerskirchen gab es damals drei bis vier solcher Gespanne.

Der Gewinn der Händler läßt sich heute nicht mehr feststellen. Er dürfte jedoch bei 30 Pfennigen je 1. 000 Stück gelegen haben, was gemessen an dem Verdienst der Nagelschmiede als recht beachtlich zu bezeichnen ist. Dasselbe trifft auch auf den Handel mit Rohstoffen zu. Eine Händlerin soll in einem einzigen Winter an einer größeren Sendung Eisen 3. 000, -- Mark verdient haben, was damals den Gegenwert von mehr als 10 Kühen darstellte. Allerdings war den Nagelschmieden an kapitalkräftigen Abnehmern gelegen, denn diese waren in der Lage, größere Mengen Nägel in absatzschwachen Zeiten auf Lager zu nehmen, so daß die Nagelschmiede nicht in Not gerieten, wie das anderwärts nachweislich der Fall war.

Mit der Stabilisierung der Verhältnisse in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg verlor das Nagelschmiedehandwerk in Mengerskirchen mehr und mehr an Bedeutung. Nach 1933 entstand jedoch infolge der militärischen Aufrüstung noch einmal ein größerer Bedarf an Nägeln für die Gebirgstruppe. Der Nagelschmied erhielt 8, 50 Mark für 1. 000 Stück dieser Spezialnägel. Während 1930 noch etwa 40 Personen mit der Herstellung von Schuhnägeln beschäftigt waren, von denen einige das Gewerbe ganzjährig ausübten, wurden es nach dieser Zeit immer weniger, und um 1937/38 verstummte das Hämmern der Nagelschmiede ganz. Nur nach dem Zusammenbruch Deutschlands in 1945 kam das Gewerbe noch einmal für kurze Zeit zu einer gewissen Blüte als Folge des allgemeinen Warenmangels. Die Nagelschmiede betrieben damals mit ihren Nägeln Kompensationsgeschäfte (Tauschhandel), da Geld keinen Wert mehr hatte. Für 1. 000 Schuhnägel erhielten sie zwei Pfund Speck oder zwei Zentner Zement. Auch viele andere Dinge wurden in Zahlung genommen, wie z. B. Mehl und Brot, ja selbst Ferkel wechselten auf diese Weise den Besitzer. Die Währungsreform 1948 machte diese Praktiken überflüssig und besiegelte wohl endgültig das Schicksal der Nageschmiede von Mengerskirchen.

MENGERSKIRCHENER BAUARBEITER

In der Fremde

Die geringen Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten im Bereich von Mengerskirchen machten mit dem Beginn der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts viele erwerbsfähige Männer und Jugendliche zu Wanderarbeitern im Baugewerbe. Um 1895 waren es bereits 80 Maurer (81 ), die im Frühjahr "ihre Sachen" packten, um in den westdeutschen Industriebereichen eine Arbeit im Baugewerbe aufzunehmen. Nach der Jahrhundertwende zählte man mehr als hundert. Zu ihnen gehörten damals auch die meisten der erst Schulentlassenen.

Fast alle übten den Beruf eines Maurers aus, obwohl sie keine entsprechende Ausbildung hatten. Als ungelernte Arbeiter traten sie in das Baugewerbe ein, um sofort Geld zu verdienen, auf das ihre Familien in der Regel angewiesen waren. Unmittelbar nach der Schulentlassung schloß sich der Jugendliche einer Kolonne von Bekannten an, deren Obhut er unterstand. Zunächst verrichtete er auf der Baustelle einfache Hilfsarbeiten, später mußte er Mörtel und Steine tragen. Bei dieser Arbeit war der junge Arbeiter sehr darauf bedacht, sich unter der Hand möglichst viele fachliche Kenntnisse anzueignen. War er nun auf Grund dieser in der Lage, einfache Maurerarbeiten auszuführen, versuchte er eine Quittungskarte der Rentenversicherung mit der Berufsbezeichnung "Maurer" zu erhalten, um sich als solcher bei der nächsten Arbeitssuche ausgeben zu können. Vorteilhaft war es immer, einen Arbeitsplatz in einer bekannten Kolonne zu bekommen, die ihn bei der Arbeit unterstützte. So wurde er im Laufe der Zeit ein echter Handwerker. Auf diese Weise sind in Mengerskirchen viele tüchtige Handwerker geworden. Manche schafften den beruflichen Aufstieg zum Polier oder Oberpolier, einzelne besuchten Fachschulen und wurden Techniker und Ingenieure.

Das Leben der Bauarbeiter in der Fremde war gekennzeichnet von persönlichen Entbehrungen und Einschränkungen. Die Unterkunft bestand zumeist aus einer dürftig möblierten Mansarde mit mehreren Betten. Oft mußten sich zwei Mann ein Bett teilen. Nicht immer gab es eine warme Mahlzeit an Wochentagen, abgesehen von der Kaffeebrühe, die auf der Baustelle gekocht wurde. Sparsamkeit in der persönlichen Lebensführung war erstes Gebot, kam es doch darauf an, von dem Arbeitslohn so viel wie möglich nach Hause zu schicken. Der Tageslohn eines Maurers lag in den 90er Jahren bei 3, 50 bis 5, -- Mark. Hiervon wurden monatlich 24, -- bis 30, -- und 50, -- Mark nach Hause geschickt. (82 Im Jahre 1908 lag der Stundenlohn eines 17-18jährigen Maurers bei 35 bis 40 Pfennigen. In den Jahren kurz vor dem ersten Weltkrieg arbeiteten z. B. zwei im jugendlichen Alter stehende Brüder in Remscheid auf dem Bau. Auf Grund ihres Fleißes und ihrer Geschicklichkeit hatten sie trotz ihrer Jugend den damals für Erwachsene geltenden Stundenlohn von 55 Pfennigen, von dem sie so viel erübrigten, daß sie alle zwei Wochen 50, -- bis 55, -- Mark nach Hause schicken konnten. Die Arbeitszeit lag damals bei 10 Stunden täglich; einen arbeitsfreien Samstag und die Bezahlung von Feiertagen und Urlaub gab es nicht.

Unter diesen Bedingungen verbrachten die Bauarbeiter in der Regel sieben bis acht Monate in der Fremde. Meist reisten sie schon vor Ostern ab und kamen nach Allerheiligen ( 1. November), also mit Beginn des Winters zurück. Viele unterbrachen ihre lange Abwesenheit gelegentlich durch einen kurzen Besuch in der Heimat, etwa zum Kirchweihfest (Kirmes) oder aus einem persönlichen bzw. familiären Anlaß. Die verheirateten Männer, deren Frauen die kleine Landwirtschaft weiterführten, kamen mitunter auch zu den Erntearbeiten nach Hause. Die sogenannten "Siegerländer" Bauarbeiter, die ihren Arbeitsplatz im Siegerland hatten, und das war der kleinere Teil, nahmen die Strapazen der Heimreise zu jedem Sonn- und Feiertag auf sich. Spät am Vorabend kamen sie zu Fuß von der Bahnstation Mademühlen aus (7 km) über den unwegsamen Knoten zu Hause an und machten sich in den frühen Morgenstunden des Montag wieder auf den Weg. Ihr Lohn lag niedriger als der ihrer Kollegen im rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Deshalb gab man einem Arbeitsplatz in diesem Raum vielfach den Vorzug, wenn auch die Entfernung von der Heimat wesentlich größer war.

Indessen brachte die Beschäftigung im Baugewerbe den Männern von Mengerskirchen nicht nur lohnenden Verdienst, sondern auch andere erhebliche Vorteile durch die Sozialversicherung, die sie vor Not bei Krankheit, Unfall, Invalidität und im Alter schützte.

Im Laufe der Jahrzehnte wechselten einzelne Maurer zum Feuerungsbau über. Montagearbeiter in diesem Berufszweig waren zeitweise im Ausland, so in Rußland und Afrika, tätig. Die krisenhaften Jahre nach dem ersten Weltkrieg veranlaßten eine kleine Anzahl von Bauarbeitern, Arbeit in Holland aufzunehmen. Einzelne von ihnen wurden dort seßhaft.

Arbeitslosigkeit

Einen Arbeitsmangel, worunter die Mengerskirchener Bauarbeiter gelitten hätten, gab es bis zum ersten Weltkrieg kaum. Zwar wurden damals manche Baustellen im Winter stillgelegt, was aber keine Auswirkung für die Bauarbeiter des Fleckens hatte. Sie gingen ohnedies in dieser Zeit nach Hause, um Nägel zu schmieden. Allerdings wurden sie in 1910 von der großen Aussperrung im Baugewerbe, die über zwei Monate dauerte, stark betroffen. Die meisten von ihnen kehrten für diese Zeit in die Heimat zurück und waren - soweit gewerkschaftlich organisiert - auf die karge Streikunterstützung, die zwischen 6, -- und 18, -- Mark wöchentlich betrug, angewiesen. Die Heimatgemeinde schaffte durch Wegebaumaßnahmen Arbeitsmöglichkeiten für diese ausgesperrten Bauarbeiter, um so die Not derselben zu lindern. Die Arbeit bestand hauptsächlich darin, Steine zu klopfen. Die zu zerkleinernden Steine mußten sich die Arbeiter selbst zusammentragen. Der Lohn für diese Arbeit, der nach Leistung bemessen wurde, war äußerst gering.

Eine empfindliche Arbeitslosigkeit unter den Mengerskirchener Bauarbeitern trat nach der Währungsreform 1923 ein. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es zu jener Zeit noch keine Arbeitslosenversicherung gab, wenn auch gesetzliche Vorschriften über die Unterstützung von Arbeitslosen bereits seit der "Verordnung über Erwerbslosenfürsorge" vom 1. November 1921 bestanden. Diese Verordnung, die in späteren Jahren oft ergänzt und geändert wurde, unterschied sich wesentlich von der späteren Arbeitslosenversicherung, und zwar vor allem dadurch, daß Arbeitslosen nur bei Bedürftigkeit Unterstützung gezahlt wurde. Die Aufbringung der Mittel erfolgte durch die öffentliche Hand. Daher waren die Gemeinden erheblich damit belastet. So berichtet der Bürgermeister von Mengerskirchen, der in 1924 sein Amt antrat, daß zu jener Zeit über 50 Arbeitslosenfürsorgeempfänger in der Gemeinde gewesen seien, die diese jährlich 30.000, -- Mark gekostet hätten.

Das Gesetz über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. 7.1927 brachte für Arbeitslose erhebliche Verbesserungen, denn mit ihm entfiel die Prüfung der Bedürftigkeit als Voraussetzung zum Bezug von Arbeitslosengeld.

Geradezu katastrophal war die Arbeitslosigkeit in Deutschland in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, zählte man doch damals zeitweilig 6 Millionen Arbeitslose. Besonders hart traf diese Situation die Bauarbeiter von Mengerskirchen. Bis zu 90 % von ihnen waren mitunter über einen längeren Zeitraum ohne Arbeit. Viele von ihnen waren von dem Bezug von Arbeitslosengeld ausgeschlossen, weil die Anwartschaft darauf infolge der langandauernden Arbeitslosigkeit erloschen war. An die Stelle des Arbeitslosengeldes trat dann die Arbeitslosenhilfe, deren Inanspruchnahme jedoch von der Bedürftigkeit des Arbeitslosen abhängig gemacht wurde. Die diesbezügliche Prüfung wurde streng gehandhabt und führte in Mengerskirchen nicht selten zu Härten. Insbesondere traf dies bei Ledigen zu, die noch im elterlichen Haushalt, dem eine Landwirtschaft angeschlossen war, lebten. Hier wurde die Bedürftigkeit vielfach verneint oder dem Arbeitslosen eine wöchentliche Unterstützung von 3, -- bis 4, -- Mark zugestanden. Es ist vorgekommen, daß einem verheirateten jungen Arbeiter mit selbständigem Hausstand die Unterstützung versagt wurde, weil Eltern oder Schwiegereltern eine Landwirtschaft betrieben. Diese Landwirtschaften reichten aber gerade für deren Haushalt.

Praktisch verloren in dieser Zeit alle arbeitslosen Bauarbeiter den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung, da nur in ganz seltenen Fällen eine ausreichende versicherungspflichtige Beschäftigung nachgewiesen werden konnte. Das Übel der Arbeitslosigkeit versuchte man mit der Durchführung von Notstandsarbeiten zu mildern. Diese wurden in der Gemeinde mit Unterstützung öffentlicher Gelder und der Arbeitsämter organisiert. Sie bestanden in Mengerskirchen vorwiegend in Meliorations-, Wegebau- und Rodungsmaßnahmen. Im Vordergrund stand dabei der Ausbau der Straße nach Mademühlen über den Knoten und die Verbesserung der Viehweide auf dem Knotengelände. Das Arbeitsentgelt der bei den Notstandsarbeiten Beschäftigten lag bei etwa 15, -- Mark wöchentlich.

Diese Verhältnisse führten vereinzelt auch zur Selbsthilfe. So schlossen sich einige junge arbeitslose Bauarbeiter zusammen und bildeten eine Musikkapelle. Mit Ziehharmonika, Geigen und Trompeten zogen sie in die Orte der näheren und weiteren Umgebung und musizierten dort auf den Straßen für wenige Pfennige, die ihnen die Zuhörer in die Hand gaben oder zuwarfen.

Die Bauarbeiter und ihre Gewerkschaft

Obwohl die Entwicklung zum abhängigen Lohnarbeiter in der kapitalistischen Gesellschaft unter der Bevölkerung Mengerskirchens verhältnismäßig spät einsetzte, faßte der Gewerkschaftsgedanke hier schon zeitig Fuß. Das zeigte sich in einer hohen Mitgliederzahl im Zentralverband christlicher Bauarbeiter Deutschlands im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts und in den aus Mengerskirchen hervorgegangenen Gewerkschaftssekretären. Allerdings kam es nach 1945 zu einer Einheitsgewerkschaft, der "Industriegewerkschaft Bau - Steine - Erden" (IG-Bau), der sich nun die Bauarbeiter des Fleckens anschlossen. Im Laufe der Jahre stieg die Zahl auf etwa 120.

Viele Jahrzehnte vor 1933 waren die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter weitgehend tariflich geregelt, wobei die Lohnfrage an erster Stelle stand. Ursprünglich stieß jedoch die Initiative der Gewerkschaften auf den starken Widerstand der Arbeitgeber und auch anderer Institutionen. Die Folge davon waren Streiks und harte Auseinandersetzungen. Doch schon um die Jahrhundertwende hatte sich der Gewerkschaftsgedanke weitgehend durchgesetzt. Die Statistik weist aus, daß es 1914 im Bereich von 80 Städten in Deutschland Tarifverträge gab, welche die Löhne der Bauarbeiter regelten. Danach betrug beispielsweise der Stundenlohn eines Maurers in Remscheid 64 und in Siegen 59 Pfennige. In 1928 waren es 1, 35 bzw. 1, 11 Mark (83 ). Die Löhne der Bauhilfsarbeiter lagen um etwa 15 - 20 % niedriger.

Die IG-Bau setzte nach ihrer Gründung die frühere gewerkschaftliche Tätigkeit fort. Tarifverträge führten zu 32 Lohnerhöhungen in der Zeit von 1950 bis 1974, die jeweils zwischen 0, 9 und 11, 6 % lagen. Der Bundesecklohn (Höhe des Lohnes eines Facharbeiters der Ortsklasse 1, an dem die Löhne der sonstigen Ortsklassen ausgerichtet werden) stieg in dieser Zeit von 1, 55 auf 8, 22 DM. Hierbei ist allerdings darauf hinzuweisen, daß dieser Lohnanstieg nur zum Teil eine Reallohnerhöhung darstellte, was durch den Kaufkraftschwund des Geldes bedingt war. Die Lohnerhöhungen erfahren auch eine beträchtliche Einbuße durch die damit verbundenen höheren Abzüge an Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung.

Neben der Regelung der Lohnverhältnisse stellte sich die IG-Bau noch andere spezifische Aufgaben. So erreichte sie neben der gesetzlichen Urlaubsregelung tarifvertragliche Abmachungen, die den besonderen Bedürfnissen der Beschäftigten im Baugewerbe entsprachen. Von größter Bedeutung ist die Schlechtwetterregelung im Baugewerbe, ist doch damit einem Umstand Rechnung getragen, der zu aller Zeit bei den Bauarbeitern schwere wirtschaftliche und soziale Bedrängnisse verursachte, was sich schon aus der Tatsache ergibt, daß im Winter durch Witterungseinflüsse bedingt im Baugewerbe 350 Millionen Arbeitsstunden ausfallen. Die diesbezüglichen Bestrebungen laufen im Grundsatz darauf hinaus, im Baugewerbe die Winterarbeit weitgehend durchzuführen. Im Falle von echter Arbeitslosigkeit erhalten die Bauarbeiter Arbeitslosengeld.

Das Problem der witterungsbedingten Lohnausfälle der Bauarbeiter und ihre wirtschaftliche und soziale Absicherung in dieser Situation hat schon bei der Schaffung der Arbeitslosenversicherung in 1927 eine bedeutende Rolle gespielt und führte u. a. in 1928 zu einer scharfen Kontroverse zwischen dem freigewerkschaftlichen Verbandsorgan "Der Grundstein" und der christlichen "Baugewerkschaft", die für letztere von Franz Leuninger aus Mengerskirchen, wohnhaft in Breslau, geführt wurde. Leuninger hatte sich scharf gegen eine von dem damaligen sozialdemokratischen Arbeitsminister geplante Regelung über die Stellung der Bauarbeiter in der Arbeitslosenversicherung gewandt, die nach seiner Auffassung höchst unsozial war. (84 )

Seit November 1960 gibt es auch einen "Tarifvertrag über eine zusätzliche Alters- und Invalidenhilfe im Baugewerbe". Die Höhe der Beihilfe richtet sich grundsätzlich nach der Dauer der Tätigkeit in einem baugewerblichen Betrieb. Zu allem kommen u. a. noch tarifvertraglich abgesicherte vermögenswirksame Leistungen an die Bauarbeiter, selbst finanzielle Leistungen an die Lehrlinge, die der beruflichen Aus- und Weiterbildung derselben dienen sollen.

Seit 1967 stellt das Gemeinnützige Erholungswerk der IG-Bau-Steine-Erden den Mitgliedern und ihren Familienangehörigen Einrichtungen im In- und Ausland zur Verfügung, in denen sie zu verhältnismäßig günstigen Bedingungen Urlaub machen können. (85 )

DIE ERWERBSTÄTIGE FRAU

Neben den von Männern geführten Gewerbebetrieben gab es in Mengerskirchen, besonders nach der Jahrhundertwende, zeitweilig mehr als fünf Frauen, die als Näherinnen und Büglerinnen tätig waren; letztere insbesondere in der Zeit, als die Männer noch gestärkte Oberwäsche, Manschetten und Kragen trugen. Während die Büglerinnen ihre Arbeit in der Regel neben der Haushaltsführung betrieben, gab es Näherinnen mit regelrechten Arbeitsstuben, in denen auch fremde Arbeitskräfte beschäftigt wurden, so etwa Mädchen, die das Nähen erlernten. In jener Zeit wurde noch vielfach handgearbeitete Kleidung getragen; Konfektionskleidung war schon wegen der ungünstigen Einkaufsmöglichkeiten noch nicht sehr gefragt.

Die meisten ledigen Frauen und Mädchen nahmen jedoch eine Arbeit im Haushalt, meist in der Stadt, an. Der Lohn war sehr gering und lag vor dem ersten Weltkrieg je nach Alter und Leistungsfähigkeit in der Regel zwischen 15, -- und 20, -- Mark monatlich bei freier Unterkunft und Verpflegung. Eine geregelte Arbeitszeit gab es nicht. Ein freier Sonntagnachmittag wurde mitunter in unterschiedlicher Reihenfolge gewährt. In manchen Fällen ließen auch Behandlung, Unterkunft und Verpflegung zu wünschen übrig. Vereinzelt kamen auch Mädchen, die sich in einem städtischen Haushalt verdingten, mit der großen Welt in Berührung. So stand ein Mädchen zwischen 1911 und 1914 in Wiesbaden in Diensten von nahen Verwandten der russischen Zarenfamilie in Petersburg.

Die Eltern waren auf das Geld angewiesen, das die Mädchen ersparten. Das ist auch noch in späterer Zeit der Fall gewesen, besonders während der Arbeitslosigkeit der Bauarbeiter in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Wie sehr das Geld der Mädchen eine Rolle spielte, geht aus dem Brief einer Mutter vom März 1929 hervor, deren Tochter auswärts in Stellung war und Geld nach Hause geschickt hatte. In diesem Brief heißt es u. a.: "Ich wollte gleich auf das Geld antworten . . . wir haben eine Klafter Holz gekauft und die haben wir gleich damit bezahlt. "

Während der Inflation nach dem ersten Weltkrieg gingen viele Mädchen in Haushaltungen nach Holland. Dabei war der wertbeständige holländische Gulden im Gegensatz zu der rapiden Geldentwertung in Deutschland entscheidend. Familien, die zu jener Zeit Gulden aus Holland erhielten, gehörten zu den "gemachten Leuten". Nach der Stabilisierung der deutschen Währung kehrten die meisten Mädchen in ihre Heimat zurück, obwohl sie sich in Holland eines guten Rufes erfreuten und auch für die damalige Zeit in sozialer Hinsicht eine beachtliche Behandlung erfuhren. Bei einem Heimaturlaub erhielten sie in der Regel das Fahrgeld, Lohn für die Urlaubszeit und Kostgeld für die Urlaubstage.

Vereinzelt kauften auch Frauen aus Mengerskirchen Butter auf, die sie in Körben auf dem Kopf nach dem 15 km entfernten Weilburg zu ihrer Kundschaft brachten.

Kennzeichnend für die soziale Situation der Frauen, die in fremden Haushaltungen beschäftigt waren, ist der Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen, die für solche Arbeitsverhältnisse galten. Es handelte sich dabei um sogenannte Gesindeordnungen, die allerdings alle im November 1918 aufgehoben wurden.

Einem 21jährigen Mädchen aus Mengerskirchen, das in 1916 eine Stelle als Hausmädchen antrat, stellte das "Königl. Polizei-Präsidium" in Frankfurt am 7. Oktober 1916 ein "Gesinde-Dienstbuch" (86) aus. Darin befindet sich die "Gesindeordnung für die Stadt Frankfurt und deren Gebiet vom 5. März 1822". Paragraph 10 lautet z. B. : "Die Befehle der Herrschaft und ihre Verweise muß das Gesinde mit Ehrerbietung und Bescheidenheit annehmen".  Die Gründe, die die "Herrschaft" zur fristlosen Entlassung des Gesindes berechtigen, sind in 72 Zeilen dargelegt. Dagegen genügen 19 Zeilen, um darzutun, wann das Gesinde das Dienstverhältnis ohne Aufkündigung lösen kann. Ein Gesetz vom 27. Juni 1886 sieht sogar noch Strafen für das Gesinde vor und beinhaltet u. a. folgendes: "Gesinde, welches hartnäckigen Ungehorsam oder Widerspenstigkeit gegen die Befehle der Herrschaft oder der zu seiner Aufsicht bestellten Personen sich zuschulden kommen läßt, oder ohne gesetzmäßige Ursache den Dienst versagt oder verläßt, hat auf den Antrag der Herrschaft, unbeschadet deren Rechte zu seiner Entlassung oder Beibehaltung, Geldstrafen bis zu 15, -- Mark oder Haft bis zu drei Tagen verwirkt".  Besonders auffällig bei diesem Gesetz ist, daß bei der "Herrschaft" nicht der gleiche Maßstab angelegt wird, wenn diese den Gesindevertrag in vergleichender Weise verletzt.

Am 3. Juli 1917 beendete das erwähnte Mädchen sein Dienstverhältnis. Dieser Vorgang mußte in dem Gesindedienstbuch polizeilich bestätigt werden, ebenso wie das Zeugnis und der Grund des Dienstaustrittes. Hierzu heißt es in dem Gesindedienstbuch: "Gretchen Reiferth war vom 7.X. 16 - 3. VII. 17 als Hausmädchen bei uns beschäftigt und hat sich meine Zufriedenheit erworben. Sie war ehrlich, fleißig und gewissenhaft und ich wünsche ihr für die Zukunft alles Gute. Sie verläßt uns, um nach Hause zurückzukehren. Frau E. Lessing."