HESSISCHER
RUNDFUNK – 1.PROGRAMM a) Statement von Herbert Leuninger
Thema: HR Leuninger Wir sind entsetzt über die Tatsache, daß
überhaupt Zelte aufgebaut worden sind und erst
recht darüber, wie wenig professionell und ausreichend
diese Zelte für die Situation von Flüchtlingen
sind. Besonders betroffen sind wir, daß von
der Belegung dieser Zelte eigentlich nur schwangere
Frauen ausgenommen sind, und nicht auch Mütter
mit kleinen Kindern. Es ist für uns unvorstellbar,
wie Frauen mit kleinen Kindern, vielleicht sogar mit
Säuglingen, dort die einfachsten Vorkehrungen
treffen können, um ihre Kinder angemessen zu
versorgen. Ganz abgesehen davon, daß am Freitag
- außer zwei Toilettenhäuschen - nichts
an hygienischen Einrichtungen vorhanden war. HR Im weiteren Verlauf unserer Sendung bringen wir ein
ausführliches Gespräch mit Pfr. Leuninger,
in dem er Schuldige nennt und Vorschläge macht,
wie man die derzeitige Situation entschärfen
könnte.
HR (Ankündigung) Es soll nun noch einmal um die 6emeinschaftsunterkunft
für Flüchtlinge gehen, die in Schwalbach
ihren Sitz hat. Seit vergangenem Freitag leben dort
180 Menschen in 18 Zelten. Und diese Art der Unterbringung
bezeichnet der Arbeitskreis "ASYL" in Eschborn als
absolut ungeeignet und unwürdig. Im Gespräch
mit Ange Gerlach erläutert Pfr. Herbert Leuninger,
warum seine Organisation über die Einrichtung
dieser Zelte so empört ist.
Leuninger (Interview) Die Tatsache, daß Zelte aufgebaut wurden, ist
für uns bereits das Eingeständnis einer
gescheiterten politischen Vorsorge. Die Zelte, die
dort aufgestellt worden sind, haben bei uns den Eindruck
erweckt, daß sie von der Art sind, wie sie bei
Naturkatastrophen, bei Bränden oder Überschwemmungen
eingesetzt werden, wie sie vielleicht auch von Pfadfindern
bei Jugendlagern verwendet werden könnten, nicht
aber für die Unterbringung von Flüchtlingsfamilien,
von Frauen mit Kindern.
HR Leuninger Nein, es war vorhersehbar, aus den bisherigen Erfahrungen,
daß in den Sommermonaten die Zahl der Flüchtlinge
ansteigt. Wenn ich das hinzunehme, was das Bundesinnenministerium
vor Monaten schon in einer Analyse festgestellt hat,
daß nämlich die Flüchtlingsströme
in der Welt größer werden, dann mußte
sich ein Land wie Hessen besser darauf vorbereiten,
als es das getan hat. Wir haben den Eindruck, daß
man aus politischen Gründen "von der Hand
in den Mund" lebt und jetzt zu einer solchen
eigentlich dramatisch-katastrophalen Maßnahme
greifen muß.
HR Der Verantwortliche dafür ist das Sozialministerium
in Wiesbaden. Werden Sie dahin Kontakt aufnehmen und
Ihre Eindrücke schildern?
Leuninger Ich habe heute Morgen bereits telefonisch dem zuständigen
Abteilungsleiter die Information weitergegeben, daß
wir eine Pressekonferenz gehalten haben und welchen
Inhalt diese Pressekonferenz hatte. Morgen Abend werden
wir uns mit den Pfarrerinnen und Pfarrern und den
Mitarbeitern aus Gemeinden treffen, die den gemeinsamen
Gottesdienst im Lager Schwalbach bisher verantwortet
haben. Ich werde sie bitten, sich dieser Kritik anzuschließen
und sich im Rahmen einer Resolution an den Hessischen
Sozialminister zu wenden.
HR Wie kann der einzelne Bürger helfen? Denn
angesprochen sind wir ja alle durch diese Situation.
Leuninger Der einzelne Bürger, der mit der Aufstellung
der Zelte nicht einverstanden ist, kann das die Hessische
Landesregierung wissen lassen. Wir selbst haben am
Freitag dazu aufgerufen, und ich möchte diesen
Aufruf wiederholen, Bürger und Kirchengemeinden
mögen sich bereit halten, Mütter mit kleinen
Kindern aufzunehmen. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit
sie in eigenen Wohnungen oder in freien Räume
für eine begrenzte Zeit unterzubringen
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