Gottesdienst - oder Dienst am Menschen?
Gottesdienst - und Dienst am Menschen!
Gottesdienst - als Dienst am Menschen!? .
Gottesdienst - ohne Dienst am Menschen?

Presseinformation der Veranstalter
vom 9. Juni 1971
:

Der Versuch eines Jugendgottesdienstes in neuer Gestalt stellt das Meß-Festival dar, das am kommenden Sonntag auf dem Wiesengelände an der Bonifatiuskapelle Kriftel am Taunus für den Bezirk Main-Taunus stattfindet. Die Messe soll den Jugendlichen dadurch näher gebracht werden, daß sie in der Form eines Festivals gefeiert wird. Neben Partys sind Festivals die Gelegenheiten, bei denen sich die jungen Leute in ihrem Lebensgefühl angesprochen sehen. Hinzu kommt, daß wir in der heutigen Zeit eine Wiederentdeckung der Festlichkeit erleben...

Bonifatiuskapelle in Kriftel mit Festwiese
Foto: H.Leuninger - Foto (.png 480x360px 94KB)

(Auszug aus dem verhinderten Buch "Das Hofheimer Mess-Festival")

Bericht über das Meß-Festival

BISCHÖFLICHES JUGENDAMT LIMBURG (LAHN)
ROSSMARKT 4

Jugendveranstaltung Hofheim am 13. 6. 1971

Meß-Festival, in,der St. Bonifatiuskirche Hofheim, am
13. Juni 1971, 14.00-21.00 Uhr.

Die Herren Dr. Böckenförde, Pfarrer Latzel und Jugendpfarrer Lutter, die an der Veranstaltung teilgenommen hatten, erstellten am 18. 6. 1971 im Auftrag des Herrn Bischofs den nachfolgenden Bericht.

Bischof Dr. Wilhelm Kempf führte am 23. 6. 1971 in Hofheim ein Gespräch, zu dem alle Seelsorger, die an dem Jugendtreffen teilgenommen hatten, eingeladen waren.

Der Bericht, der als Gesprächsgrundlage vorgelegt wurde, erfuhr einige Korrekturen und Ergänzungen und wurde in der nachfolgenden Fassung verabschiedet.

 

Vorbereitung des "Meß-Festivals"

1. In den Pfarreien

Das Jugendtreffen in Hofheim entsprang keiner Augenblicksidee oder Improvisation. Die Veranstalter, die Bezirksleitung des BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) und das Katholische Jugendamt Main-Taunus, hatten eine breit angelegte und gründliche Vorbereitung geplant.

Allen Pfarreien des Bezirks war ein Diskussionsabend angeboten worden. In über 20 Gemeinden haben Diskussionen über Sinn und Form der geplanten Veranstaltung stattgefunden. Es haben mehr als 300 junge Leute teilgenommen.

2. Vorbereitungsteam

Die gesamte Vorbereitungsarbeit wurde von einem Team von Jugendlichen mit dem Bezirksjugendpfarrer geleistet.

Die Veranstalter luden zu noch intensiverer Vorbereitung als es bei den Diskussionsabenden in den Gemeinden möglich war, zu einem Wochenende (5./6. Juni) in das Exerzitienhaus Hofheim ein. Die Themenankündigung:

Gottesdienst - oder Dienst am Menschen?
Gottesdienst - und Dienst am Menschen!
Gottesdienst - als Dienst am Menschen!? .
Gottesdienst - ohne Dienst am Menschen?

Mangels Beteiligung konnte jedoch dieses Wochenende nicht durchgeführt werden.

3. Intention der Veranstaltung

Aus einer Presseinformation der Veranstalter vom 9. 6. 71:

"Der Versuch eines Jugendgottesdienstes in neuer Gestalt stellt das Meß-Festival dar, das am kommenden Sonntag auf dem Wiesengelände an der Bonifatiuskapelle Kriftel am Taunus für den Bezirk Main-Taunus stattfindet. Die Messe soll den jugendlichen dadurch näher gebracht werden, daß sie in der Form eines Festivals gefeiert wird. Neben Partys sind Festivals die Gelegenheiten, bei denen sich die jungen Leute in ihrem Lebensgefühl angesprochen sehen. Hinzu kommt, daß wir in der heutigen Zeit eine Wiederentdeckung der Festlichkeit erleben. Der amerikanische Theologe Harvey Cox weist in seinem Buch "Das Fest der Narren" nach, daß mit der Wiederentdeckung des Festes eine Wiederentdeckung des Religiösen einhergeht. Nicht von ungefähr hat Jesus Christus die von ihm angesagte neue Zeit mit einer Hochzeit, dem damaligen Inbegriff eines Festes, verglichen. - Bei dem Meß-Festival kommt naturgemäß der Musik eine große Bedeutung zu."

Beabsichtigt war außerdem die Erfahrung einer guten Kommunikation, die Voraussetzung und vertiefendes Ergebnis jeder Messe sein sollte. Nicht Zuschauer, sondern Mitwirkende! - So wurden bewußt Stil- und Programmelemente eingeplant, die die Voraussetzung für eine möglichst hohe Kommunikation schaffen sollten.

Sowohl die Dimension des Festes wie auch die der Kommunikation kommen mit der - notwendigen - rationalen Ebene nicht aus, sondern bedürfen der Mobilisierung der emontionalen Ebene.

4. Programm

Das Jugendtreffen war im Freien geplant: Wiese an der Bonifatiuskapelle, Kriftel.

- Eröffnung durch Herrn Jugendpfarrer H. Leuninger

- Musikalische Vorstellung der vier Musik-Gruppen:

LES OISEAUX, Bad Homburg
EXODUS, Kelkheim
ST. GEORGE GOSPEL GROUP, Rüsselsheim
JUGENDCHOR KELKHEIM


- Hearing mit anschließender Gruppen- und Plenumsdiskussion

Musiksachverständige:
Rosalinde Krams-Haas, Kirchenmusikdirektorin
Alois Ickstadt, Leiter des Jugendchores beim Hessischen Rundfunk
Wolfgang Biersack, Studienassessor, Leiter des Jugendchores Kelkheim-Münster.

Das Thema: Pop-Musik in der Kirche - eine billige Anpassung?

- Musik und Ansichten

Zum Thema "Fest" und "Festival"
Zum Thema "Gemeinschaft"
Zum Thema "Messe als Fest"

- Schrifttext: Brotvermehrung

- Bitten - Aufrufe - Provokationen

- Dank - Erinnerung - Mahl

- Agape als Abendpicknick

- Folklore und Tanz

Wegen der ungünstigen Wettervoraussage mußten die Veranstalter sich kurzfristig entscheiden, das Programm in der für diesen Fall vorgesehenen Bonifatiuskirche, Hofheim, durchzuführen. Man hatte auf die Bonifatiuskirche zurückgreifen müssen, nachdem das Bemühen um die Kreissporthalle in Kriftel und dann um die Turnhalle Kriftel als Veranstaltungsraum leider gescheitert war.

 

Verlauf der Veranstaltung

1. Ablauf des Programms

a) Vor Beginn der Veranstaltung hatte Pfarrer Latzel das Allerheiligste in den benachbarten Raum der Sakramentskapelle übertragen (ebenso das Ewige Licht).

b) Gegen 14.00 Uhr füllte sich die Bonifatiuskirche mit überwiegend 15- bis 20-jährigen Jugendlichen. Die Zählung ergab 650 jugendliche Teilnehmer. Sie blieben so gut wie vollzählig bis nach der Agape (gegen 19.00 Uhr).

Es war ständig eine Reihe von Erwachsenen da, die zum größten Teil in der umlaufenden letzten Bank Platz genommen hatten.

c) Das Programm lief bis zur Agape wie vorgeplant und oben bereits beschrieben ab. Danach glitt es Pfarrer Leuninger vorübergehend aus der Hand. Dazu sind im einzelnen folgende Anmerkungen zu machen:

von Anfang an herrschte eine Atmosphäre der Lebendigkeit und Ungezwungenheit; es wurde applaudiert, herzlich gelacht, geraucht; viele wechselten öfters den Platz. - Dadurch machte das Ganze häufig einen zerrissenen und unruhigen Eindruck. Die Teilnehmer boten insgesamt keineswegs das Bild einer homogenen Versammlung.

Die Musikgruppen waren über den Kirchenraum verteilt placiert: Zwei Gruppen hinten in der Kirche, eine Gruppe in einer Ecke vorn, der Jugendchor im Altarraum.

Die Texte der Lieder und Gesänge waren nicht von der Art eines billigen "linken" Protestes, sondern drückten die Problematik der heutigen Glaubensnot aus, die sich insbesondere in der jungen Generation zeigt. Sie regten zum Nachdenken an.

Die Namen der Musikfachleute sprechen für deren Qualifikation. Ihre Beiträge bestimmten das (zu) hohe Anspruchsniveau der Diskussion.

Man vernahm keine Gesprächsbeiträge, die platt, unernsthaft oder intolerant gewesen wären. Dagegen zeugte eine Reihe von Wortmeldungen Jugendlicher von Engagement für den Gottesdienst und Gläubigkeit (sinngemäß etwa: die Musik soll nach unserer Auffassung eine dienende Funktion haben, damit sie uns hilft, den heutigen Jugendlichen oft verborgenen Sinn der Eucharistiefeier zu erfassen, nämlich die Identifikation mit Christus).

Als Überleitung zum eigentlichen Gottesdienst wurden als Sprechmotetten "Ansichten" vorgetragen. - Leider waren die Texte akustisch sehr schlecht verständlich, so daß dieser thematische Beitrag praktisch verlorenging.

Hier ein Textbeispiel (vollständiger Abdruck eines Unterthemas):

Wann würden Sie ein Fest für gelungen betrachten?

Wenn der Anfang glückt und Stimmung aufkommt. Wenn neue Kontakte geknüpft werden.

Wenn es keine Außenseiter und Mauerblümchen gibt.

Wenn jeder zum Fest beiträgt und nicht nur einige Verantwortliche.

Wenn die Gemeinschaft zusammenbleiben will.

Wenn man sich gerne an das Fest erinnert und Tage danach noch darüber berichtet wird.

Wenn das Fest nicht langweilig ist und alle beteiligt sind.

Wenn die Leute fragen, wann das nächste Fest sei.

Beim Fest gehört Stimmung dazu, die durch gemeinsames Essen, Trinken und Tanzen erreicht wird.

Wenn psychische Barrieren abgebaut werden.

Wenn alle mit möglichst vielen Kontakt bekommen haben.

Wenn eine gemeinsame Gesinnung entsteht.

Wenn man möglichst spät nach Hause geht.

Wenn alle die Möglichkeit haben mitzumachen.

Das Evangelium von der Brotvermehrung wurde in synoptischem Vortrag von vier Sprechern gleichzeitig gelesen. Da das völlig unverständlich war, wiederholte - auf Bitten eines Teilnehmers - der Zelebrant die Lesung alleine.

Es wurde zu einer Kollekte für die gemeinsame Agape am Abend aufgerufen. Sie erbrachte etwa 750,- DM, knapp 150,- DM- mehr als benötigt wurde. Aufgrund von Vorschlägen aus der Gemeinde entschied man sich in gemeinsamer Abstimmung für eine zweite Kollekte und die Aufteilung des Ergebnisses von weiteren 450,- DM (!) zu gleichen Teilen für ein Heim körperbehinderter Kinder im Taunus und für die Katastrophenhilfe in Ostpakistan.

Zur Bereitung der Gaben wurden (so wie mancherorts das eingesammelte Geld auf den Altar niedergelegt wird) die inzwischen von der Kollekte gekauften Getränke und (eckigen) Brote für die Agape am Abend in Kästen neben dem Altar aufgestellt. Für das eucharistische Brot wurden runde, in Scheiben geschnittene Weißbrote in Körben, die mit Tüchern ausgeschlagen waren, zum Altar gebracht. Auf dem Altar standen eine Schale mit diesem Brot und ein Meßkelch.

Als Hochgebet wurde ein eigens formulierter Text durch den Zelebranten vorgetragen. Der erste Teil des Einsetzungsberichtes schloß mit den Worten:

"Hier ist mein Leib".

Als Beispiel für die Textgestaltung dieses Gottesdienstes hier die Aufforderung vor der Austeilung des eucharistischen Brotes:

Das Brot, das nun verteilt wird, soll uns noch stärker untereinander verbinden. Christus hat für uns sein Leben aufs Spiel gesetzt.

Er erwartet jetzt von uns, daß wir bereit sind, für andere zu leben.

Wer dazu bereit ist,

wer bereit ist, Vorurteile zu überwinden,

Vorurteile des Geschlechtes, der Generationen, des Lebensalters, der politischen Einstellung, der Bildung und religiösen Herkunft,

der nehme von diesem Brot.

Wer alle Menschen in ihrer Verschiedenheit gelten läßt und überzeugt ist, daß alle Menschen eins sein können,

wer dem Frieden, den Christus in Aussicht gestellt hat, dienen will,

wer sich selbst mit Christus für die Gemeinschaft aller Menschen einsetzen will, für das Fest der Neuen Gesellschaft, ist herzlich eingeladen, mitzuessen."

- Eucharistie und die sich anschließende Agape waren nicht deutlich genug voneinander getrennt (vor allem für die hinteren Bankreihen, wo sich die Kommunionausteilung am längsten hinzog und dort bereits die Agape-Speisen - hereingebracht wurden). Es gab keinen, die Eucharistie abschließenden Text. Auch zeitlich war die Pause verhältnismäßig kurz. Zur Agape wurden Würstchen, Weißbrot (Toastbrotform) und ein Saftgetränk gereicht.

- Danach verlief die Veranstaltung etwas, konnte aber durch Jugendpfarrer Leuninger nochmals zur Sammlung geführt werden, und zwar zu einer letzten Darbietung der Musikgruppen.

- Es blieb die Gruppe "EXODUS", zu deren Musik man dann ab etwa 19.50 Uhr zu tanzen begann. Der Bitte um Beendigung durch den Küster mußte gegen 20.30 Uhr durch Unterbrechung der elektrischen Stromzufuhr nachgeholfen werden.

- Danach wurde durch eine Gruppe von Jugendlichen aufgeräumt und gereinigt. Die Arbeiten waren nach einer Stunde beendet. Pfarrer Latzel bestätigt, daß man die Kirche in gutem Zustand verlassen habe. Pfarrer Latzel bestätigte weiterhin, daß beim Saubermachen ein Stück einer Weißbrotschnitte aufgefunden wurde. Da das für die Eucharistie verwendete Brot aus kleinen runden Scheiben bestand, ist es wahrscheinlich, daß das aufgefundene Stück vom Agape-Brot herrührt; jedoch ließ sich das nicht mehr eindeutig feststellen.

2. Verhalten der Anwesenden

a) Der Zelebrant

Er trug dezente Zivilkleidung ohne jedes Amtszeichen. Er machte einen überzeugenden Eindruck, stand hinter dem, was er sagte und tat. Sein Auftreten war bestimmt, aber bescheiden; er erlag nicht der Versuchung, bei dieser Veranstaltung in die Attitüde eines Showmasters zu verfallen.

Als Leiter der Versammlung gelang es ihm sehr bald, eine natürliche Autorität zu entfalten, die ihn in die Lage setzte, die große Menge in dieser bewegten Veranstaltung immer wieder zu sammeln.

b) Die Musikgruppen

Sie gaben sich durchweg engagiert. Ihre Haltung während der jeweiligen Pausen war unterschiedlich; z.T. war das dadurch bedingt, daß sie Gruppen von "Schaulustigen" anzogen, wodurch das Gesamt der Teilnehmer öfters zerrissen wurde und durch das Hin und Her beträchtliche Unruhe und Störung entstand.

c) Die jugendlichen Teilnehmer

- Die Jugendlichen zeigten sich in einer Haltung, die ihnen selbstverständlich erschien; sie gaben sich ungezwungen aber nicht bewußt unflätig, zeigten kein provokatives Benehmen, fühlten sich vielmehr wohl und unter sich.

- Eine größere Anzahl, verteilt über den ganzen Raum, rauchte; jedoch fehlte dem Rauchen der Charakter der Demonstration. Der Hinweis, der über den Lautsprecher gegeben wurde, man möchte die glühenden Stummel auf dem robusten Boden ausdrücken, wurde mit Selbstverständlichkeit befolgt. Nach der Veranstaltung hat man an den Holzteilen des Gestühls keinen Brandfleck finden können.

- Im Blickfeld der Jugendlichen gab es praktisch keine Erwachsenen. Diejenigen, die dort waren, gaben sich als interessierte Teilnehmer oder zumindest Zuschauer. Von Beginn bis nach der abendlichen Agape gab es im Kirchenraum keinen Fall der Empörung durch Erwachsene oder Auseinandersetzung mit ihnen. Daher lag die Forderung einer Rücksichtnahme auf Ehrfurchtsvorstellungen der anwesenden Erwachsenen nicht im Blickfeld der Jugendlichen.

- Die Jugendlichen zeigten sicher nicht das gewohnte Kirchenverhalten, aber sie waren ebenso sicher disziplinierter als auf anderen Festivals. Es war keine Beat-Keller-Atmosphäre.

- Vom Einsetzungsbericht bis zur Kommunion war eine deutliche Konzentration zu vermerken, wobei offen zu lassen ist, ob aus Toleranz oder innerer glaubender Teilnahme.

- Bei der Kollekte bewiesen die Jugendlichen finanzielle Opferbereitschaft. Neben der Finanzierung der Agape für jedermann wurden für das Kinderheim der Körperbehinderten und für Ostpakistan etwa jeweils DM 300,- gespendet.

- Die Speisen und Getränke bei der Agape wurden im Altarraum ausgeteilt. Das erwies sich als schlechte Organisation am ungünstigen Platz. Es entstand Gedränge, wobei die Jugendlichen - gemessen an den Umständen - sich relativ diszipliniert verhielten (etwa die Beobachtung, daß die Speisen zu den hinteren Reihen der Anstehenden weitergereicht wurden).

- Man sah einzelne umschlungene Pärchen. Dieses Verhalten wirkte nicht als Provokation mit sexuellem Akzent.

 

Anmerkung:

Der vorstehende Bericht enthält naturgemäß bereits viele wertende Aussagen. Eine ausdrückliche Beurteilung ist damit selbstverständlich noch nicht gegeben; sie ist in Bearbeitung und bedarf in diesem konkreten Fall besonderer Gründlichkeit.

Limburg/Lahn, den 29. 6. 1971