Festlegung der europäischen Asyl-Agenda:
UNHCR-Empfehlungen zum Tampere-Gipfel (Oktober 1999)
Mit 9 PRO ASYL-Folien für Vortragszwecke
1. Einleitung
- Die Vertretung des Hohen
Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) misst dem
Europäischen Rat in Tampere große Bedeutung zu, da dieser dem Aufbau
einer Region der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gemäß der
neuen Vorschriften des Vertrages über die Europäische Union, die im
Vertrag von Amsterdam beschlossen wurden, Antrieb gibt. Der Gipfel
sollte der Asylpolitik besondere Bedeutung beimessen. Diese ist ein
wichtiger Teil der Innenpolitik, der nach den Vorschriften des
Amsterdamer Vertrages der "Vergemeinschaftung" bzw. der wachsenden
Zusammenarbeit unterliegt.
- UNHCR würde es begrüßen, wenn der
Tampere-Gipfel den politischen Rahmen festlegen würde, innerhalb dessen
eine am Schutzgedanken orientierte Asylpolitik verankert werden kann
und somit die grundlegenden Rechte der Flüchtlinge und Asylsuchenden
gesichert werden können. Angesichts der gegenwärtigen Trends erfordert
dies politischen Entscheidungswillen. Durch die Bestärkung einer am
Schutzgedanken orientierten Asylpolitik würden die europäischen
Staaten, die traditionell eine Vorreiterrolle in der Entwicklung des
Asylrechts spielten, ein positives Beispiel für die gesamte
internationale Gemeinschaft bleiben. Die Bedeutung der zukünftigen
EU-Asylstandards und politischen Orientierungen geht weit über den
europäischen Kontext hinaus - sie werden mit Sicherheit die Politik der
Asylstaaten, die nicht zur EU gehören, beeinflussen.
- UNHCR hofft gemäß der Erklärung
Nr. 17 des Amsterdamer Vertrages in die Vorbereitung und nachfolgende
Durchführung der Migrations- und Asylstrategie der EU, die beim Gipfel
verabschiedet wird, voll eingebunden zu werden.
II. Durchführung des Amsterdamer Vertrages
- UNHCR hofft, dass der Tampere-Gipfel den
Beginn eines Prozesses darstellt, der zu einer umfassenden und
progressiven gemeinschaftlichen Asyl- und Migrationsstrategie für die
zukünftige - vergrößerte - Europäische Union führen wird. Die
verschiedenen Rechtsinstrumente und Maßnahmen der EU, die in den
nächsten fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages
verabschiedet werden, müssen innerhalb eines strategischen Rahmens
entwickelt werden, der die Wechselbeziehungen und die Bedeutung der
Themenbereiche im Verhältnis zueinander berücksichtigt und daraufhin
die Reihenfolge festlegt, in der die Instrumente am besten
ausgearbeitet werden können. Aus Sicht von UNHCR erfordert ein
stimmiger Ansatz, dass zunächst gemeinsame Standards für das materielle
Asylrecht entwickelt werden müssen, und anschließend Maßnahmen zur
Harmonisierung des Asylverfahrens, komplementäre Schutzmechanismen und
ein System des vorübergehenden Schutzes.
- Ein integrativer Politikansatz im Bereich
Migration und Asyl muss in der Asylpolitik und dem damit verbundenen
Schutzgesichtspunkt einen Schwerpunkt behalten. Es muss sichergestellt
sein, dass Asyl als rechtliches Konzept erhalten bleibt und nicht den
politischen, sicherheitsrelevanten und sozio-ökonomischen Dimensionen
der Migrationspolitik untergeordnet wird. Asyl ist ein Recht, das in
internationalen Menschenrechtsstandards verankert ist, und kein
politisches Angebot, das vom behördlichen Ermessen abhängt, wie dies
z.B. bei der Einführung von Zulassungsquoten der Fall wäre.
- Die Umsetzung der Vorschriften des
Amsterdamer Vertrages im Asylbereich sollte letztlich die volle
Harmonisierung des verfahrensrechtlichen und des materiellen
Asylrechtes zum Ziel haben. UNHCR ruft die Mitgliedstaaten dazu auf,
sicherzustellen, dass künftige bindende EU-Asylinstrumente - wie dies
in Art. 6 und 63 des Amsterdamer Vertrags niedergelegt ist - in
Übereinstimmung mit dem internationalen Flüchtlingsrecht und den
Menschenrechtsstandards stehen, wie sie in der Genfer
Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Zusatzprotokoll von 1967 sowie
in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt sind.
- Bei der Kodifizierung des existierenden
"soft-law" sollten die gegenwärtigen Schwächen dieser Instrumente, die
bei der Anwendung zu Problemen geführt haben, überarbeitet werden. Es
sollten Verbesserungen und zusätzliche Schutzvorrichtungen
eingearbeitet werden, um die in Zukunft bindenden Instrumente
schutzorientiert auszugestalten. Weiterhin sollten die verschiedenen
Instrumente, die auf der Grundlage des Kapitels IV entwickelt werden,
aufeinander abgestimmt werden, um zu vermeiden, dass gemeinsame
Maßnahmen auf dem Gebiet der Einwanderungs- und Grenzkontrolle einen
negativen Einfluss auf das Recht, Asyl zu suchen und zu genießen, haben.
- UNHCR ruft den Gipfel dazu auf, den
Vorschriften des Amsterdamer Vertrages zur Asylpolitik das nötige
Gewicht zu verleihen. Bei der Ausarbeitung der Rechtsinstrumente auf
der Grundlage dieser Vorschriften sollte eine Harmonisierung auf dem
kleinsten gemeinsamen Nenner vermieden werden (Folie 1).
Es besteht die Gefahr, dass das Erfordernis einstimmig zu entscheiden,
zu einem Beschluss auf den kleinsten gemeinsamen Nenner führt, wenn es
keine starke Verpflichtung gibt, im Konsens zu arbeiten und Standards
zu verabschieden, die in Übereinstimmung mit den relevanten
internationalen Standards des Flüchtlingsrechts stehen.
- Darüber hinaus könnten Schwierigkeiten, ein
einstimmiges Ergebnis zu erreichen, die Mitgliedstaaten dazu bringen,
die Asylvorschriften des Amsterdamer Vertrages jeglicher Substanz zu
entleeren und sich auf Kosten der grundlegenden bedeutenden
Schutzthemen und der Rechte von Flüchtlingen auf eine Harmonisierung
von Verfahrensstandards zu beschränken, die für die Staaten von
Interesse sind. Die Gefahr des Substanzverlusts hat sich zum Beispiel
neulich in den Diskussionen zum Vorschlag der Europäischen Kommission
zum vorübergehenden Schutz gezeigt.
III. Auf dem Weg zu einer harmonisierten Asylpolitik
- EU-Mitgliedstaaten haben bereits bedeutende
Anstrengungen unternommen, um Asylpolitik und Asylverfahren zu
harmonisieren. Vieles bleibt jedoch noch zu tun. Eine harmonisierte
europäische Asylpolitik sollte aus Sicht von UNHCR die folgenden fünf
Schlüsselelemente enthalten:
(i) Eine gemeinsame, angemessene Interpretation der
internationalen Definition darüber, wer ein Flüchtling im Sinne der
Genfer Flüchtlingskonvention ist
(ii) zugängliche, gerechte und zügige Asylverfahren,
ergänzt durch neue Verfahren zu besonderen Flüchtlingssituationen (wie
z.B. den vorübergehenden Schutz in Fällen von plötzlicher Massenflucht)
(iii) eine zweckmäßige Verteilung der Verantwortung
für die Aufnahme von Asylsuchenden ohne dass die Last auf diejenigen
gewälzt wird, die diese Verantwortung am wenigsten tragen können
(iv) geeignete Systeme und Verfahren, um die Rückkehr von Personen, die keines Schutzes mehr bedürfen, effektiv zu gestalten
(v) eine präventive Politik, um Menschenrechtsverletzungen und andere Ursachen für Flucht und Vertreibung anzugehen.
Aus Sicht von UNHCR sollte eine zukünftige EU-Asylpolitik mit der vollständigen und umfassenden Anwendung der Flüchtlingsdefinition nach der Genfer Flüchtlingskonvention beginnen (Folie 2).
Ein künftiges EU-Instrument zur Harmonisierung der
Flüchtlingsdefinition sollte anerkennen, dass Asylbegehren, die
Verfolgung durch nichtstaatliche Organisationen geltend machen, in den
Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Das
wesentliche Kriterium für den internationalen Schutz ist das Risiko,
Opfer schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen zu werden - das
Vorliegen einer begründeten Furcht vor Verfolgung - ungeachtet dessen,
wer der Urheber der Verfolgung ist. Personen, die die Kriterien der
Flüchtlingsdefinition der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen,
sollten in den Genuss der gesamten Rechte der Konvention kommen und
nicht eine zweitklassige Form des Schutzes als Ersatz erhalten.
Aus Sicht von UNHCR ist Ziel einer Entwicklung und Harmonisierung komplementärer Schutzformen,
Schutzbedürfnissen, die auch durch eine ordnungsgemäße Anwendung der
Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgedeckt werden, Rechnung zu
tragen. Personen, deren Schutzbedürftigkeit festgestellt wurde, sollten
einen angemessenen Grad von rechtlicher Sicherheit und
sozio-ökonomischen Rechten genießen. Diese sollten auf einem Status
beruhen, der nach objektiven Kriterien und nicht nach behördlichem
Ermessen gewährt wird. EU-Mitgliedstaaten, die festlegen, welchen
Personengruppen komplementärer Schutz gewährt wird, sind eingeladen,
darüber nachzudenken, wie sie die Expertise von UNHCR am besten nützen
können. Hierbei sollte die Überwachungsfunktion von UNHCR sowohl in
Bezug auf die Genfer Flüchtlingskonvention als auch auf die Aufgaben
von UNHCR unter dem der Organisation übertragenen Mandat mit in
Betracht gezogen werden.
UNHCR befürwortet generell die
Verabschiedung von zwischenstaatlichen Abkommen, die die
Verantwortlichkeit eines Staates für die Untersuchung des Asylbegehrens
festlegen, da solche Abkommen helfen können, das Problem des
Flüchtlings "in orbit" zu vermeiden und die Garantie enthalten, dass
ein Asylbegehren inhaltlich durch einen der Vertragsstaaten untersucht
wird. UNHCR hat daher das Inkrafttreten des Dubliner Übereinkommen
befürwortet. Voraussetzung ist allerdings, dass das Übereinkommen in
einem fairen und transparenten Verfahren und unter Achtung von
Schutzprinzipien, wie z.B. dem Schutz der Familieneinheit, angewendet
wird.
Bei einer Übertragung des Dublin-Mechanismus
in ein rechtliches EU-Instrument - wie im Amsterdamer Vertrag
vorgesehen - ist es erforderlich, die vereinbarten Kriterien zur
Festlegung der Verantwortlichkeit für die Untersuchung des
Asylbegehrens beizubehalten, um den Zugang zum Asylverfahren in einem
der EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Solch ein neuer Mechanismus
sollte aber auch eine humanitäre Klausel enthalten, um zu vermeiden,
dass eine strikte Anwendung der Zuordnungskriterien zu einer Trennung
von Familienmitgliedern bzw. anderen Situationen führt, die sich
negativ auf die Schutzbedürfnisse von Asylsuchenden auswirken.
Eine Harmonisierung der Kriterien und
Verfahren für die Bestimmung des Flüchtlingsstatus kann zu einer
gerechten und gleichmäßigen Anwendung des "Dublin"-Mechanismus
beitragen und eine Gleichbehandlung aller Asylbegehren sicherstellen,
unabhängig von dem Land, das für die Behandlung des Asylbegehrens
zuständig ist.
UNHCR erwartet, dass faire und zufriedenstellende Asylverfahren
- auf der Grundlage der internationalen Standards - einen
entscheidenden Teil des Asylsystems der Mitgliedstaaten darstellen.
Solche Verfahren dienen einem zweifachen Zweck: Zum einen werden
hierdurch die Personen bestimmt, die des internationalen Schutzes
bedürfen, zum anderen wird festgestellt, wer dieses Schutzes nicht
bedarf und grundsätzlich in Sicherheit nach Hause zurückgebracht werden
kann. UNHCR empfiehlt, dass jeder Mitgliedstaat ein Verfahren einführt,
in dem im Zusammenhang über alle Schutzbedürfnisse entschieden wird.
UNHCR schlägt vor, mittelfristig ein
einheitliches Asylverfahren in der EU zu verabschieden. Hiermit wäre
eine effektive Harmonisierung der Asylverfahren in den Mitgliedstaaten
garantiert und die bestehenden weit reichenden Unterschiede und
Ausnahmen beseitigt, die zu einer diskriminierenden Behandlung führen
können und daher Weiterwanderungen begünstigen.
Ein künftiges gemeinsames Asylsystem
in der EU sollte die Verfahren vereinheitlichen und vereinfachen. Dies
liegt gleichermaßen im Interesse der Asylsuchenden und der Behörden.
Die Beschleunigung der Asylverfahren kann unter anderem durch eine
Straffung der Rechtsmittelverfahren erreicht werden. Ein faires und
effizientes erstinstanzliches Verfahren, mit ausreichender personeller
Besetzung, die über genügend Ressourcen verfügt, kann möglicherweise
schneller zu Ergebnissen führen und schafft daher Rechtssicherheit und
materielle Sicherheit für berechtigte Antragsteller. Dadurch, dass
unnötige Verzögerungen vermieden werden, kann dem Missbrauch vorgebeugt
werden und das Risiko verringert werden, dass in die Länge gezogenen
Verfahren zu einem Anreiz für Migranten werden.
UNHCR unterstützt ein System des vorübergehenden Schutzes
als praktische Möglichkeit für die Staaten in Fällen einer durch Krieg,
massenhafte Vertreibungsmaßnahmen oder allgemeine Gewalt bedingten
Fluchtbewegung eine grundsätzliche Antwort auf dringende
Schutzbedürfnisse zu finden (Folie 3).
In solchen Fällen können sich individuelle Anerkennungsverfahren als
nicht praktikabel erweisen. Nach den Vorstellungen von UNHCR sollte die
Organisation zwingend eine beratende Rolle bei allen Vereinbarungen
über die Anwendung, Revision oder Beendigung eines temporären
Schutzregimes haben.
Verfahren zum zeitweiligen Schutz von
Flüchtlingen sollten klar von ergänzenden Schutzsystemen unterschieden
werden Erstere sollten in Situationen von plötzlichen
Massenfluchtbewegungen angewendet werden, wohingegen letztere im
individuellen Anerkennungsverfahren überprüft werden sollten. Das
System des vorübergehenden Schutzes darf nicht als Ersatz für den
Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention betrachtet
werden, der vom behördlichem Ermessen abhängt (Folie 4).
Vielmehr ist vorübergehender Schutz eine besondere Form des Zugangs und
ein Schutz auf Zeit, der sich auf einer "prima-facie"-Anerkennung eines
internationalen Schutzbedürfnisses gründet.
Jeder künftige temporäre Schutzmechanismus,
der auf EU-Ebene eingeführt wird, sollte eine Vereinbarung über die mit
dem Status verbundenen Rechte der Begünstigten enthalten und nicht
allein auf die Verfahrens- und organisatorischen Aspekte beschränkt
bleiben. UNHCR ist überzeugt, dass die gewährten Rechte der Tatsache
Rechnung tragen sollten, dass viele der Begünstigten die
Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen.
Die europäische Asylpolitik sollte von den
Grundsätzen der internationalen Solidarität und der Lastenteilung
geleitet sein. Jeder künftige EU-Mechanismus zur Lastenteilung sollte
eine Ergänzung der globalen Bemühungen zur Lastenteilung, wie zum
Beispiel Beiträge zu UNHCR-Programmen und Aufnahmequoten für
UNHCR-Mandatsflüchtlinge enthalten und nicht auf deren Kosten gehen.
Auch in Rechnung gestellt werden sollte die Belastung, die die Länder
in der unmittelbaren Nachbarschaft der Krisenregion tragen müssen.
Obwohl eine Lastenteilung helfen kann, grundlegende Prinzipien des
Flüchtlingsschutzes zu gewährleisten, kann eine Vereinbarung zur
Lastenteilung jedoch nicht zur Vorbedingung für eine Bereitstellung von
Schutzmöglichkeiten gemacht werden. Ein Lastenteilungsmechanismus
sollte auch in angemessener Weise humanitären Faktoren Rechnung tragen,
wie z.B. dem Schutz der Familieneinheit oder kulturellen Bedingungen.
Solche Faktoren können Ausnahmen von den Verteilungskriterien erfordern.
Ein regionaler Mechanismus für die
Lastenverteilung sollte umfassend sein und die Phase vor einer Flucht
(Vorbeugung, Krisenvorsorge, politische und
militärische/friedenserhaltende Maßnahmen) ebenso einschließen wie die
Fluchtphase (Schutz und Hilfe für Flüchtlinge und Binnenvertriebene)
und die Zeit bis zu einer dauerhaften Lösung (freiwillige Rückkehr,
örtliche Integration oder Weiterwanderung).
Ebenso wie bereits zum Nachfolgeinstrument
des Dubliner Übereinkommens ausgeführt, würde eine Harmonisierung der
Zulassungsbedingungen und der Sozialstandards zu einem gerechten und
effektiven Lastenteilungsmechanismus beitragen. Damit würden auch
diskriminierende Behandlungen und Weiterwanderungsbewegungen vermieden.
Um die Effizienz der Asylsysteme in den
EU-Mitgliedstaaten zu erhalten, müssen angemessene Verfahren für eine
effiziente Rückkehr der Personen, die des internationalen Schutzes
nicht bedürfen, entwickelt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass
das Schutzbegehren dieser Personen in einem förmlichen
Anerkennungsverfahren unter Einhaltung der internationalen Bestimmungen
abgelehnt wurde. Solche Rückkehrprogramme können durch den Abschluss
von Rückübernahmeabkommen und die Aufnahme von entsprechenden Klauseln
in Vereinbarungen über die Zusammenarbeit gefördert werden. Soweit
diese Vereinbarungen die Rückkehr solcher Asylsuchenden einschließen,
bei denen keine materielle Überprüfung des Schutzbegehrens
stattgefunden hat, müssen diese Abkommen ausreichende Schutzgarantien
enthalten, die sicherstellen dass diese Personen in dem Drittstaat
effektiv die Möglichkeit erhalten, Asyl zu suchen.
Die Herausforderung, der Europa in Bezug auf
das Asyl gegenübersteht, kann nicht von Europa allein bewältigt werden.
Es liegt eindeutig im Interesse der europäischen Staaten ihre Asyl- und
Migrationspolitik in einen größeren Zusammenhang zu stellen, der
politische Rechte, Menschenrechte und Entwicklungsthemen in den
einzelnen Staaten und in den Herkunftsländern behandelt (Folie 5).
Ein solch übergreifender Ansatz der Asyl- und Migrationsproblematik
muss die gesamte Problematik gewaltsamer Fluchtbewegungen von ihren
Ursachen bis hin zu Lösungsansätzen umfassen. Vorbeugende Maßnahmen zur
Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und anderer Ursachen von
Fluchtbewegungen und Vertreibungen ist ein entscheidendes Element für
einen solchen Ansatz.
UNHCR unterstützt Anstrengungen, die
Asyldebatte aus dem Gefüge der Einschränkung und Abschreckung
herauszuführen hin zu einem System, das sich konstruktiveren
außenpolitischen Initiativen verpflichtet fühlt (Folie 6).
Aus Sicht von UNHCR liegen gewichtige Gründe dafür vor, die
Zusammenarbeit zwischen den beiden Säulen Asyl und Migration zu
institutionalisieren, so wie dies bereits in der Hochrangigen Arbeitsgruppe Asyl und Migration erprobt wurde.
UNHCR hofft, dass den Schutzaspekten der
Länderpläne, die von der Hochrangigen Arbeitsgruppe bisher entwickelt
wurden, ausreichend Beachtung geschenkt wird. Dies gilt ebenso für
Pläne, die in Zukunft unterzeichnet und angewendet werden. Programme
für die Aufnahme in der Region und/oder die Rückkehr in die
Herkunftsländer müssen von Schutzprinzipien geprägt sein, wie z.B.
physischer Sicherheit, Rechtssicherheit und sozio-ökonomischem
Wohlergehen (Folie 7).
Maßnahmen zur Stärkung der Schutzkapazitäten
für die Länder in der Herkunftsregion befreien die Mitgliedstaaten
nicht von ihrer Verantwortung, die Schutzverpflichtungen den Personen
gegenüber zu erfüllen, die in ihrem Staatsgebiet um Schutz nachsuchen (Folie 8).
IV. Schlussfolgerungen
- UNHCR ist der Überzeugung, dass eine künftig
harmonisierte europäische Asylpolitik auf einer ordnungsgemäßen und
liberalen Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention beruht. Das Recht,
Asyl zu suchen und zu genießen, muss als ein Menschenrecht erhalten
bleiben (Folie 9). Dessen weitere Durchsetzung und Stärkung in Europa sollte durch den Harmonisierungsprozess vorangetrieben werden.
- Eine umfassende und auf die Zukunft
gerichtete Asylpolitik in Europa, die die internationalen Standards für
den Flüchtlingsschutz respektiert, ist für Flüchtlinge und Asylsuchende
ebenso von Nutzen wie für Staaten. Vorschriften des Amsterdamer
Vertrages stellen eine wichtige Möglichkeit dar, dieses Ziel zu
erreichen.
- Ein wichtiger Faktor der Harmonisierung der
Asylpolitik und -praxis in der Europäischen Union ist die künftige
Erweiterung der Union durch die zentraleuropäischen
Beitrittskandidaten. Diese Staaten benötigen weiterhin Hilfe zur
Entwicklung solider und umfassender Asylsysteme, die die Anforderungen
einer EU-Mitgliedschaft ebenso erfüllen, wie die internationalen
Standards im Flüchtlingsschutz. Die Vorbereitungen für eine künftige
EU-Mitgliedschaft sind eine einmalige Chance, diese Länder zu
unterstützen, die notwendigen gesetzlichen und administrativen
Vorkehrungen zu treffen und die notwendigen institutionellen
Kapazitäten zu entwickeln. Damit würden diese Staaten von
Transitländern für Asylsuchende zu Ziellländer für Flüchtlinge werden.
UNHCR Brüssel, Juli 1999
deutsche Fassung: UNHCR Berlin, August 1999
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