Herbert Leuninger ARCHIV MIGRATION
1978

14. Dezember 1978
Presseerklärung
Stellungnahme zu ausländerpolitischen Vorstellungen in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Holger Börner (Hessen)

Als bemerkenswert ausführlich und integrationsfreundlich wertet Pfr. Herbert Leuninger, Ausländerreferent im Bischöflichen Ordinariat Limburg, die ausländerpolitischen Vorstellungen der gestrigen Regierungserklärung von Ministerpräsident Holger Börner.

Die Regierungserklärung sehe zu Recht in der zweiten Generation der Ausländer und in ihrer Integration eine schwerwiegende Herausforderung der Politik. Bei der sonstigen Zurückhaltung des Ministerpräsidenten, Zusagen mit finanziellen Konsequenzen zu machen, sei es sehr zu begrüßen, daß die Regierung Kindergärten mit hohem Ausländeranteil durch zusätzliches Personal fördern wolle. Dies entspreche einer Konzeption der Konferenz der Caritasverbände in Hessen, die diese bereits im vergangenen Jahr verabschiedet hat.

Als politischen Durchbruch wertet Pfr. Leuninger die Bereitschaft der Landesregierung zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ausländischen Mitbürgern das aktive und passive Kommunalmahlrecht eingeräumt werden könne. Für eine solche Prüfung sei es ohnehin höchste Zeit, da der Rat der Europäischen Gemeinschaften den Regierungen der Mitgliedstaaten dringend nahegelegt habe, bis 1980 den auf ihrem Territorium beschäftigten ausländischen Arbeitnehmern die uneingeschränkte Beteiligung an den lokalen Wahlen zuzuerkennen.

Im übrigen werde die Kirche, wie es Ministerpräsident Börner begrüßt hat, ihre Anstrengungen weiterführen, das Bewußtsein der Bevölkerung für die Notwendigkeit einer ausländerfreundlichen Haltung zu schärfen.


Regierungserklärung
des Hessischen Ministerpräsidenten
Holger Börner
am 13. Dezember 1978

(Auszug)

Nicht nur aus humanitären Erwägungen, auch im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens in unserem Land haben wir für die in Hessen lebenden ausländischen Arbeitnehmer und ihre Angehörigen eine besondere Verantwortung. Einst haben wir unsere Grenzen für sie geöffnet und sie angeworben, weil unsere Wirtschaft und auch die öffentlichen Dienste ihre Arbeitskraft dringend benötigten. Auf sie können wir auch in absehbarer Zukunft nicht verzichten.

Unsere Aufgabe besteht darin, ihnen - falls sie das wünschen - die Eingliederung in unsere Gesellschaft zu erleichtern.

Unsere besondere Verpflichtung gilt der zweiten Generation, also den in der Bundesrepublik heranwachsenden Kindern der ausländischen Arbeitnehmer. Für ihre Entwicklung ist es wichtig, daß sie unsere Kindergärten besuchen. Wir werden Kindergärten mit hohem Ausländeranteil durch zusätzliche Hilfen bei der Errichtung und durch zusätzliches Personal fördern. Vor allem durch gezielte pädagogische Arbeit muß erreicht werden, daß ausländische Kinder nicht in einer sozialen und sprachlichen Randstellung aufwachsen.

Wir werden unsere Anstrengungen verstärken, damit ausländische Schulkinder einen besseren Unterricht bekommen. Deutsche und nichtdeutsche Lehrer müssen für diese Aufgabe vorbereitet werden.

Diese Bemühungen werden nur dann erfolgreich sein, wenn ihre Eltern zur Mitarbeit gewonnen werden. Deshalb werden wir uns bemühen, Zusammenschlüssen von Ausländern, so vor allem Elternvereinen, Hilfestellung zu geben.

Schließlich wird die Landesregierung prüfen, unter welchen Voraussetzungen ausländischen Mitbürgern das aktive und passive Kommunalwahlrecht eingeräumt werden kann.

Ich begrüße es, daß vor allem die Kirchen und die Gewerkschaften Anstrengungen unternehmen, das Bewußtsein unserer Bevölkerung für die Notwendigkeit einer ausländerfreundlichen Haltung zu schärfen.


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