BISCHÖFLICHES ORDINARIAT LIMBURG
Dezernat Kirchliche Dienste
Referent für kirchliche Ausländerarbeit
An
die
Dokumentationszentrale UDEP
6000 Frankfurt 60
Ketteler Allee 49 Limburg ,
2. Februar 1977
Betr.:
Abschlußdokument der 21. Jahrestagung
der italienischen Seelsorger in Deutschland
und Skandinavien
Das Abschlußdokument
der 21. Jahrestagung (Mai 1976) der italienischen
Seelsorger in Deutschland und Skandinavien
übt zu Recht harte Kritik an der bisherigen
Schulpolitik gegenüber Kindern nichtdeutscher
Eltern. Sie bringt diene Politik in Verbindung
mit strukturellen und politischen Ungerechtigkeiten,
Die Schulpolitik wird sich
so lange nicht ändern, wie in der
Bundesrepublik Deutschland eine bedenkliche
Ausländerpolitik betrieben wird. Die
jüngsten Vorstellungen aus Regierungskreisen
über eine künftige Konzeption
der Ausländerbeschäftigungspolitik
lassen erkennen, daß die verantwortlichen
politischen Kräfte die nichtdeutsche
Bevölkerung weiterhin als Manipulationsmasse
ansehen, die vorwiegend nationalen und
wirtschaftlichen Interessen unterworfen
wird, Man sagt, die Bundesrepublik sei
kein Einwanderungsland. Dabei sind 70%
der Ausländer 4 und mehr Jahre in
Deutschland, Trotzdem soll die Anwesenheit
von Ausländern als eine vorübergehende
und provisorische gelten. Integration wird
zeitlich und inhaltlich begrenzt, die Rückkehrbereitschaft
und Rückkehrfähigheit soll gefördert
werden; EG-Angehörige sind davon nicht
ausgeschlossen. Die Bundesrepublik will
Arbeitslosigkeit, soziale und schulische
Probleme exportieren,
Auf diesem Hintergrund kann
keine vernünftige Schulpolitik betrieben
werden, da sich Integration und Desintegration
gegenseitig ausschließen, Die Forderung
nach Zweisprachigkeit wird neuerdings von
vielen Seiten unterstützt, nicht so
sehr zum Wohle der Kinder, sondern im Rahmen
einer Entwurzelungsstrategien. Die Kirche
muß sich entschieden dafür einsetzen,
daß vor allem der zweiten und dritten
Einwanderergeneration das Angebot einer
vollen gleichberechtigten Integration in
die hiesige Gesellschaft und Schule gemacht
wird mit der Perspektive eines Daueraufenthalts.
Direkten Einfluß auf
die Verbesserung der schulischen Situation
von Kindern nichtdeutscher Eltern hat die
Kirche mit ihren Kindergärten. Sie
muß und kann dafür sorgen, daß
möglichst alle diese Kinder einen
Kindergarten besuchen, in dem vorwiegend
deutsch gesprochen wird. Das verbessert
die Chancen für einen Schulabschluß
ganz erheblich. Daher ist die Frage zu
stellen, ob es nicht an der Zeit wäre,
die nationalen Kindergärten aufzulösen
und die nichtdeutschen Erzieherinnen. auf
andere Kindergärten zu verteilen.
Zumindest international - und dies nicht
nur dem Scheine nach - müßte
jede Kindertagesstätte sein. Wer dieses
Ziel nicht unterstützt, muß
sich ernsthaft prüfen, ob ihm seine
Identität und die der ersten Generation
nicht wichtiger ist als die Identität
der zweiten und dritten Generation, die
hier Deutschland lebt und leben muß.
Mit freundlichen Grüßen!
Herbert Leuninger
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