Herbert Leuninger

ARCHIV KIRCHE
1977

18. September 1977
DER SONNTAG
Kirchenzeitung für das Bistum Limburg

„Ausländer" oder „Anderssprachige"?

(Aus dem Bericht über die 2.Vollversammlung der Bistumssynode Limburg am 10.9.1977)

INHALT
Mehr als 100.000 katholische Ausländer, die über eigene Gemeinden verfügen, aber außerdem auch Mitglieder ihrer Wohnpfarrei sind, sollen besser in die lokalen und regionalen Strukturen des Bistums Limburg einbezogen werden.


Am ausführlichsten diskutiert wurden die Fragen, die die Kommission IV der Diözesansynode vorgelegt hatte. Hierbei ging es um die Vertretung der Anliegen von ausländischen Mitbürgern in den verschiedensten Gremien und um die Einführung einer neuen Sprachregelung. Don Vito Lupo, Italienersee1sorger in Limburg, begründete die Anträge der Kommission. Allgemein wies er darauf hin, daß in der Synodalordnung das Bewußtsein von der einen Kirche in verschiedenen Sprachen und Nationen deutlich werden müsse. Jegliche Ausländerpastoral habe kooperativ und integrativ zu sein, um die Belange der ausländischen Mitbürger wirklich treffen zu können. Unter diesem Aspekt seien die Vorschläge der Kommission zu sehen.

So hatte die Kommission beispielsweise vorgeschlagen, in der Synodalordnung festzulegen, daß im Diözesankirchensteuerrat die Interessen der ausländischen Mitbürger angemessen vertreten werden müßten, und bei der Aufstellung des diözesanen Haushaltsplanes die Situation der ausländischen Katholiken angemessen zu berücksichtigen sei. Gegen eine solche Hervorhebung der Interessen einer Gruppe gegenüber anderen Gruppen sprachen sich die meisten Redner aus. Es sei an sich nicht einzusehen, warum in der Synodalordnung die Belange der ausländischen Mitbürger doppelt abgesichert werden sollten.

Befürworter der Anträge wiesen darauf hin, daß diese doppelte Strukturierung der Ausländerseelsorge Absicht sei und auch - trotz großer Schwierigkeiten - in den Gemeinden praktiziert werden müsse, nachdem neben den Gemeinden auch die ausländischen Missionen für die Betreuung der ausländischen Mitbürger zuständig seien. Es handele sich hierbei, so der Ausländerreferent des Bistums, Herbert Leuninger, um einen in Deutschland kaum bekannten Minderheitenschutz. In der Abstimmung setzten sich mit einer deutlichen Mehrheit die Vertreter der Auffassung durch, daß es einer zusätzlichen Absicherung der Interessen der Ausländer im Diözesankirchensteuerrat nicht bedürfe.

Ob Vertreter der Ausländer dem Pfarrgemeinderat mit Antrags- und Mitspracherecht, jedoch ohne Stimmrecht angehören sollten, lautete eine andere Frage der Kommission. Während man hierbei zunächst an eine Aufschlüsselung nach der Zahl der Ausländer in der jeweiligen Pfarrei dachte, wurde dieses Verfahren als zu umständlich abgewiesen. Dennoch war man sich einig, dass die Ausländer über den Pfarrgemeinderat stärker in das Leben ihrer Pfarrei miteinbezogen werden sollten, soweit dies möglich sei. Eine entsprechende Beschlußvorlage wird für die dritte Lesung erarbeitet werden. Ähnlich soll auch auf Bezirksebene verfahren werden.

Sehr verschieden waren die Ansichten zu dem Vorschlag, in Zukunft statt von „Ausländern" in der Synodalordnung von „Anderssprachigen" zu sprechen. Begründet wurde der Antrag damit, daß es nicht die Nationalität sei, die zu Unterschieden führe, sondern in erster Linie die Sprache. Kirche sei immer Kirche über Ländergrenzen hinweg, in der Katholiken verschiedener Sprachen und Kulturen zusammen lebten. Der Begriff „Ausländer" trage dieser Vorstellung nicht Rechnung, da er keinen integrativen, sondern ausschließenden Charakter habe. Ausländerreferent Herbert Leuninger erklärte, daß der Begriff „Ausländer" in Zeiten wirtschaftlicher Rezession zunehmend negativ besetzt sei. Auch Weihbischof Kampe meinte, daß es in der Tat die Sprache sei, die den Menschen stark präge und letztlich dazu führe, daß Menschen verschieden fühlten, erlebten und empfänden. Allerdings widerspreche der Begriff „anderssprachig" deutschem Sprachempfinden doch erheblich und mache manchen Ausdruck sehr umständlich. Solange kein besserer Begriff gefunden sei, solle man auf eine Änderung verzichten. Mehrere Sprecher vertraten die Ansicht, mit dem neuen Begriff sei wenig gewonnen, da viele Ausländer der neuen Generation ihre Heimatsprache kaum noch beherrschten, wohl aber weiter Italiener oder Spanier sein wollten. Nach intensiver Diskussion wurde dieser Vorschlag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Angenommen wurde indessen der Vorschlag, statt von ausländischen „Missionen" in Zukunft von ausländischen „Gemeinden" zu reden und alle anderen verwandten Begriffe entsprechend umzuformulieren. Abgelehnt wurde schließlich noch der Vorschlag, dem Ausländerrat der Diözese die Aufgabe zuzuordnen, die Bistumsleitung bei der Besetzung von Pfarrstellen in Gemeinden mit einem hohen Anteil ausländischer Katholiken zu informieren und zu beraten. Die entsprechenden Regelungen zur Besetzung der Pfarrstellen im Bistum gäben die Gewähr, so wurde argumentiert, daß auch hier auf die besondere Situation der ausländischen Mitbürger ausreichend geachtet werde. Zum Schluß der Sitzung dankte Bischof Dr. Kempf den Synodalen für ihre rege Mitarbeit.