Musik:
Pietbiet 1001, Peter Jansens Musik Verlag,
Wir können nicht schweigen
Eingangslied: Wir können nicht schweigen
( 2'16")
(P: =
Pfarrer Spr: = Sprecher)
P.:
Verehrte Hörer!
Vor
Jahren hat der Theologe Karl
Rahner in der Kirche eine Irrlehre
entdeckt. Das war noch in der glaubensfesten
Zeit vor dem. Konzil. Die Abweichung von
der Lehre wurde nicht in Worte gefaßt.
Sie wirkte unterschwellig in der Art, wie
gedacht und gebetet wurde. Dabei handelte
es sich nicht um eine moderne Strömung.
Die uralte Frage: "Wer ist Jesus Christus?"
war mit einer uralten Ansicht beantwortet
worden. Weil diese einseitig war, hatte
die Kirche sie schon längst zurückgewiesen.
Damit war sie aber nicht für alle
Zeiten erledigt. Sie zeigte sich am deutlichsten,
wenn Kinder gefragt wurden, wer Jesus sei.
Die prompte Antwort lautete fast ausschließlich:
"Gott!" Denn im Bewußtsein stand
die Gottheit Christi im Vordergrund. Seine
Menschheit wurde zwar nicht geleugnet,
spielte aber eine untergeordnete Rolle.
Das war die heimliche und uneingestandene
Einseitigkeit, früher "Irrlehre"
genannt.
Das Bild hat sich verändert.
Mittlerweile ist auch die katholische Kirche
durch das Feuer der Bibelkritik gegangen.
Mit den Theologen fragen sich die Gläubigen,
wer dieser Jesus von Nazareth gewesen sei.
Wie hat er damals gelebt? Was hat er wirklich
gesagt? Sind tatsächlich Wunder geschehen?
Es ist dadurch viel Unruhe entstanden.
Obwohl sich bereits manches abgeklärt
hat, ist sie noch nicht überwunden.
Auf jeden Fall findet Jesus Christus als
Mensch eine ganz besondere Beachtung.
Die
Aufmerksamkeit beschränkt sich nicht
auf die Kirche. über den Raum der
Kirche hinaus besteht an ein großes
Interesse an der Person Jesu. Sie nimmt
auf überraschende Weise wieder eine
zentrale Stelle ein. Vielen ist diese Tatsache
verdächtig, weil gerade revolutionäre
Bewegungen so gern von ihr sprechen. Es
stört sie erheblich, wenn Jesus als
sozialer Revolutionär vereinnahmt
wird. Außerdem kann nach ihnen nur
innerhalb der Kirche eine sinnvolle Aussage
über Jesus gemacht werden. Die Auffassung
eines Nichtchristen ist zwangsläufig
falsch. Um Jesus wirklich zu verstehen,
bedarf es des Glaubens und der kirchlichen
Gemeinschaft. haben bereits die Jünger
gedacht. Markus berichtet, wie Johannes
recht aufgebracht zu Jesus kommt:
Lesung
Spr.:
"Meister, wir sahen einen, der beschwor
die Dämonen in den Kranken, berief
sich dabei auf dich und nahm deine Autorität
in Anspruch. Er schließt sich uns
aber nicht an, und wir haben ihm untersagt,
deinen Namen zu nennen, weil er nicht
zu uns gehören will.
Jesus erwiderte:
ihr sollt ihn nicht hindern. Es ist ja
nicht denkbar, daß einer sich auf
mich beruft und sich zu mir bekennt,
wenn er Kranke heilt, danach aber die
Herrschaft ablehnt, die ich in Gottes
Auftrag ausübe. Wer nicht gegen
uns ist, der ist für uns (Mk 9.38-40)".
P.:
Johannes
ist in diesem Falle päpstlicher als
der Papst. Er findet es unstatthaft, daß
sich ein Außenstehender auf seinen
Meister beruft. Das ist seiner Ansicht
nach das besondere Vorrecht der Jünger.
Sie haben es- sich verdient, weil sie in
den Kreis der Freunde Jesu eingetreten
sind. All jemand rechtens seinen Namen
anrufen, muß er zuvor in die Gemeinschaft
der Jesusjünger aufgenommen werden.
Sonst schmückt er sich auf unzulässige
Weise mit fremden Federn.
Jesus denkt großzügig.
Der Raum der Herrschaft Gottes ist weiter,
als sich seine Anhänger träumen
lassen. Er beschränkt sich nicht auf
die Gemeinschaft der Gläubigen. Diese
ist sicher notwendig; schließlich
hat Christus ganz bewußt Jünger
um sich versammelt und ein besonderes Verhältnis
zu ihnen gepflegt. Das konnte ihn aber
nicht daran hindern, Gottes Herrschaft
überall da wachsen zu sehen, wo seine
eigene Person ernst genommen wurde. Daher
weist er den Eifer des Johannes als falsch
zurück. Das darf uns ebenfalls eine
Lehre sein, wenn wir über die Kirche
hinausblicken. Es gibt manche Stimmen,
die unsere Aufmerksamkeit verdienen.
Denker,
die keine Christen sind, es nicht einmal
sein wollen, sprechen heutzutage in eindrucksvoller
Weise über Jesus. Das soll mit einigen
Beispielen belegt werden.
Der jüdische Schriftsteller
Schalom Ben-Chorin
bezeichnet Jesus als seinen Bruder. Er
begegnet ihm mit dem größten
Respekt.
Spr.:
"Jesus tritt
uns in einer unmittelbaren Nähe
gegenüber, die freilich erst erkannt
werden kann, wenn wir die Züge des
jüdischen Mannes aus Nazareth von
der Übermalung der christlichen
Ikonologie gereinigt haben. Schicht um
Schicht, die die Kirchengeschichte hier
hinterlassen hat, muß abgehoben
werden, damit man zum ursprünglichen
Antlitz Jesu vordringt. Dieses Antlitz
und diese Gestalt stehen aber dann nicht
in einem leeren Raume, sondern müssen
eingefügt erkannt werden in das
ihnen zeitgenössische palästinensische
Judentum."
P:
Im Grunde beschreibt Ben-Chorin einen Vorgang,
der sich seit Jahrzehnten in der kirchlichen
Schriftauslegung abspielt. Wir wollen Jesus
besser verstehen, indem wir ihn in seine
jüdische Umgebung stellen. Sein Bild
wird dadurch viel lebendiger. Die Wunder,
die die Schrift berichtet, brauchen nicht
beseitigt zu werden.
Spr.:
"Die rationalistische
Auflösung der Heilungen scheint
mir hinfällig...Von Jesus geht eine
heilig-heilende Kraft aus."
P:
So denkt ein Jude. Sicher hat er ein anderes
Verhältnis zu Jesus als ein Gläubiger.
Er glaubt nicht an die göttliche Stellung.
Dafür zollt er dem menschlichen Glauben
Jesu seine besondere Verehrung.
Spr.:
"Sein Glaube,
sein bedingungsloser Glaube, das schlechthinnige
Vertrauen auf Gott, den Vater, die Bereitschaft,
sich ganz unter den Willen Gottes zu
demütigen, das ist die Haltung,
die uns in Jesus vorgelebt wird und die
uns - Juden und Christen - verbinden
kann."
P:
Ein zweites Beispiel, welche Beachtung
Jesus bei Nichtchristen findet, sind die
Sätze, die von dem marxistischen Philosophen
Vitezslav Gardavsky
stammen. Er kennt sich in der Bibel
und in der Kirchengeschichte besser aus,
als die allermeisten Christen. 1984 hat
er eine Arbeit über den deutschen
Katholizismus verfaßt. Sein besonderes
Interesse gilt dem Verhältnis von
Christentum und Marxismus. Dabei geht es
ihm nicht im geringsten darum, Jesus als
politischen Umstürzler oder Revolutionär
einzustufen.
Spr.:
"Wir werden
in den Evangelien keinerlei Andeutungen
eines sozialreformerischen Programmes
finden, es sei denn, wir gingen sehr
primitiv vor und wollten es aus einzelnen
herausgerissenen Zitaten zusammenstellen."
P:
Nach Meinung des Prager Philosophen hätte
das Christentum seine Epoche kaum überlebt,
wenn es nur mit dem Konzept einer neuen
sozialen Ordnung aufgetreten wäre.
Gardavsky glaubt, daß Tieferes im
Spiel ist. Bewußt setzt er seine
Ausführungen über Jesus unter
die über Überschrift "Mensch
und Wunder". Genauso wenig wie Ben-Chorin
stellt er die Wunder in Frage:
Spr.:
"Jesus hat
Wunder getan!"
P:
Diese Wunder greifen in den Lauf der Natur
ein und verändern die normale Abfolge
von Ursache und 'Wirkung. Sie erschöpfen
sich nicht in irgendeiner hilfreichen oder
nutzbringenden Tat, sondern sind der Ausdruck
einer radikalen Haltung. Zu ihr fordert
Jesus durch seine Wunder auf.
Spr.:
"Jesus ist
überzeugt, daß der Mensch,
um radikal entscheiden zu können,
um mit seiner Tat ein 'Wunder' zu bewirken,
von Liebe durchdrungen sein muß:
von jenem tiefen, das ganze Wesen durchwaltenden
und jeweils ganz aktuell durchlebten
Wissen, daß der Mensch nur dann
ist, wenn er über sich hinausgreift:
sich selbst gegenüber, dem Nächsten
gegenüber, Gott gegenüber.
Und wenn er weiß, daß diese
Tat seinen Geist herausfordert, seine
Entschlußkraft, die Beteiligung
aller seiner Sinne, seine zugleich aktive
und passive Leidenschaftlichkeit."
P:
Mit dieser Einstellung tritt der Mensch
in ein besonderes Verhältnis zum Tod:
Spr.:
"Ist aber
die Liebe da, als Leidenschaft für
ein überhöhtes Leben - und
dies ist das Wesen des Anrufs Jesu -,
dann kann der Tod (nicht nur der physische,
sondern auch in tausenderlei alltäglichen
Gestalten) nicht siegen. Deshalb ist
die Liebe der am schwersten zu erreichende,
aber auch der höchste Zustand des
Menschen: an ihrem Gegenpol steht immer
die Todesangst. Diese Grenze zu überschreiten,
das heißt 'Auferstehen von den
Toten', 'Leben als Mensch' ".
P:
Das dritte Zeugnis eines Nichtchristen
über Jesus stammt von Roger
Garaudy. Auch er ist Marxist und
gehörte bis vor kurzem zu den einflußreichen
Männern in der kommunistischen Partei
Frankreichs. Mittlerweile wurde er wegen
seiner unorthodoxen Äußerungen
aus der Partei ausgeschlossen. Vorwurfsvoll
wendet er sich an die Christen, die Jesus
der Welt vorenthielten. Er bringt dies
mit dem Kaiser Konstantin in Verbindung,
der das Christentum im vierten Jahrhundert
zur Staatsreligion erhob.
Spr.:
"Ihr, die
ihr die große, uns von Konstantin
geraubte Hoffnung unterschlagen habt,
ihr Menschen der Kirche, gebt ihn (nämlich
Jesus) uns wieder! Sein Leben und sein
Tod sind auch für uns da, für
alle jene, für die darin ein Sinn
liegt. Für uns, die wir von ihm
gelernt haben, daß der Mensch als
Schöpfer geschaffen ist. Schöpferisch
sein können, göttliche Eigenschaft
des .Menschen, meine Hostie, in Realpräsenz
ist sie stets da, wo etwas Neues im Entstehen
ist, um die Menschengestalt zu vergrößern,
sei es in der verrücktesten Liebe
oder in der wissenschaftlichen Entdeckung,
sei es in der Dichtung oder in der Revolution."
Musik:(Pietbiet
1001)
Zur Kommunionspendung: "Feuer wirft der
Menschensohn" (4'2o'')
P:
Verehrte Hörer!
Jesus
Christus ist kein Eigentum der Kirche,
das es eifersüchtig zu hüten
gälte. Jesus Christus gehört
der Menschheit. Er ist in ihre Geschichte
eingegangen. Sein Name würde selbst
dann nicht mehr in Vergessenheit geraten,
wenn es keine Kirche und keine Gemeinden
mehr gäbe. Der Einfluß, den
Jesus auf das Verhalten der Menschen bislang
gehabt hat und noch weiterhin ausübt,
ist nicht abzuschätzen. Dabei spielt
die Kirche im Augenblick eine eigenartige
Rolle. Ihr Zeugnis von Jesus Christus wirkt
auf weite Kreise innerhalb und außerhalb
der Kirche ziemlich belanglos. Vielfach
gehen die dogmatisch verfestigten Aussagen
über die Köpfe hinweg. Eine Beziehung
zu den heutigen Fragestellungen ist nur
schwer aufzuspüren.
Ganz
anders ist es, wenn Menschen über
Jesus sprechen,. die nicht zu seiner Gemeinde
zählen. Sie erregen mit ihren Äußerungen
mehr Aufmerksamkeit als die kirchliche
Rede. Damit soll nicht gesagt sein, daß
diese überflüssig geworden sei.
Denken wir an den Ruf des französischen
Kommunisten, der an die Kirche und ihr
Christuszeugnis gerichtet ist. Dahinter
steht eine große Erwartung. Sie ist
einerseits auf die Person Jesu selbst bezogen,
andererseits auf die Kirche. Diese sollte
sich dem Ruf stellen, indem sie das Gespräch
mit all denen aufnimmt, die sich für
Christus interessieren. Ihre Fragen und
ihre Antworten dürfen der Kirche nicht
gleichgültig sein. Wo das der Fall
wäre, könnte ihr Zeugnis keine
Bedeutung haben. Ein Wort, das nicht vom
Verständnis des andern ausgeht, bleibt
nutzlos. Hier liegt zweifellos die Ursache
für die geringe Wirkung von Predigten.
Wenn die Kirche und die einzelnen Christen
sich aber von dem Geist befruchten lassen,
der außerhalb der Kirche weht, wird
ihr Zeugnis lebendiger und wirksamer zugleich.
(kurze Pause)
Gebet
P:
Jesus Christus,
du warst großzügiger
als deine Freunde. Sie wollten dich ausschließlich
für sich besitzen. Damit wären
der Herrschaft Gottes enge Grenzen gezogen
gewesen.
Du hast solche
menschlichen Beschränkungen nicht
anerkannt. Sie widersprachen deinem Geist.
Demnach ist jeder für dich und die
Herrschaft Gottes, der sich dir nicht
widersetzt.
Es gibt heute
viele Geister, die sich dir nicht widersetzen,
obwohl sie nicht zur Kirche gehören.
Sie rufen dich sogar gegen diese an.
Ein Jude nennt
dich auf herzliche Weise sein Bruder.
Ein Marxist glaubt an deine Wunder, weil
sie aus einer tiefen Liebe kommen.
Ein kommunistischer
Philosoph hat die Angst, wir Christen
könnten dein wahres Bild verstellt
haben.
Laß
uns auf diese Stimmen hören. Sie
zeigen uns wieder einmal, daß du
deiner Kirche voraus bist.
Musik:
Pietbiet 1001)
Zum Kyrie: "Christus, hör uns an"
(2’27’)’
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