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Rückkehr bosnischer Flüchtlinge
DAYTON führende Rolle von UNHCR
DAYTON führende Rolle von UNHCR
UNHCR-Plan Rückkehr in 1997
UNHCR-Plan (noch) keine Rückkehr in 1997
DAYTON Karte des Friedensabkommens















Asyl für Kriegsdienstverweigerer aus Kriegsgebieten
Aktionszeitung zum 15.Mai 1997
Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung
Hrsg. Connection e.V. und Förderverein PRO ASYL
Beilage in "die tageszeitung", Berlin

Volker Maria Hügel
Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen
Artikel

Geduldet, Unerwünscht, Abgeschoben
Zweite Vertreibung von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien

Einigen hunderttausend Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien steht in Kürze die Abschiebung bevor. Unter ihnen: etwa 100.000 Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, die sich auf allen Seiten dem Krieg entzogen hatten. Kaum wurde jedoch die Absichtserklärung der Bundesregierung bekannt, den Deserteuren der Westgruppe der sowjetischen Armee Schutz zu gewähren, stellt die FDP gleich klar, daß die Desertion nicht durch die Hintertür zum Asylgrund" werden dürfe. Dabei sind Kriegsdienstverweigerer, z.B. aus Bosnien und aus der Bundesrepublik Jugoslawien gefährdet und damit schutzbedürftig. Ein Asylschutz wurde ihnen in der Regel verweigert. Mit Hinweis auf die in diesen Ländern getroffenen Amnestieregelungen werden Abschiebungen gerechtfertigt, auch wenn sie vor außergesetzlichen Repressionen und erneuten Rekrutierungen nicht sicher sind. Der aktive Beitrag zum Frieden, den sie durch ihre Handlung leisteten, wurde nicht gewürdigt.

Einige Bundesländer, wie Bayern, Baden-Württemberg und Berlin führen schon seit dem 1. Oktober Abschiebungen nach Bosnien durch. Seit dem 1. April 1997 reihen sich nun andere Bundesländer ein. Es droht die größte Abschiebungswelle, die es bislang in der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat.

Vorbereitet wurde dies mit einem Rückübernahmeabkommen im November letzten Jahres, in dem sich die Regierung von Bosnien-Herzegowina verpflichtet, alle nach Deutschland geflüchteten Staatsangehörigen wiederaufzunehmen. Bundesinnenminister Kanther betonte bei der Gelegenheit, daß zwar auf Freiwilligkeit gesetzt werde, dies jedoch nicht ausreiche. Über Kürzung der Sozialhilfe, Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten, kürzere Fristen für Duldungen, Ausreisebescheinigungen und weitere administrative Maßnahmen werden die Flüchtlinge schon darauf eingestimmt, was Rückführung" tatsächlich heißt: es ist eine beschönigende Beschreibung für die Androhung und letztlich Ausführung von Abschiebungen. Die zweite Vertreibung der Flüchtlinge ist damit rechtsstaatlich organisiert.

Selbst traumatisierte Flüchtlinge und Vergewaltigungsopfer sollen, falls sie nicht zuvor freiwillig ausreisen, abgeschoben werden. Völlig unberücksichtigt bleibt die besondere Schutzwürdigkeit von Frauen, von Kriegsdienstverweigerern und bi-ethnischen oder bi-religiösen Ehen und Partnerschaften. Selbst die Bundeswehr warnte -im eigenen Interesse- kürzlich davor, in größerer Zahl Kriegsflüchtlinge nach Bosnien abzuschieben, da dies die Lage dort erheblich verschärfen" würde. Sie hat Angst um ihre Soldaten.

Auch über 100.000 Flüchtlinge aus der Bundesrepublik Jugoslawien haben ihre Abschiebung zu erwarten. Schon Anfang 1995 wurden Abschiebungsversuche unternommen, denen sich die Regierung unter Milosevic verweigerte. Erst mit einem Rückübernahmeabkommen ist auch der Boden dafür bereitet. Roma, Kosovo-AlbanerInnen und anderen drohen Abschiebungen. Viele, die sich nicht am Krieg beteiligen wollten, werden so für neue Rekrutierungen zur Verfügung gestellt. Repressionen, die trotz eines Amnestiegesetzes insbesondere gegen Kosovo-AlbanerInnen bekannt geworden sind, finden keine Berücksichtigung. Sie haben keine Aussicht auf Anerkennung ihrer Fluchtgründe.

Am Beispiel dieser Menschen wurde eine neue Form des Umgangs mit Flüchtlingen umgesetzt. Begonnen hatte es 1992, als fast alle westeuropäischen Länder den neuen Visaregelungen der Schweiz und Deutschland folgten. Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet in Bosnien-Herzegowina und aus der Bundesrepublik Jugoslawien hatten von nun an ein Visum zu beantragen, um legal einreisen zu können. Dies war ein erster Schritt, um Westeuropa abzuschotten. Viele versuchten daraufhin, die Grenzen der Schengen-Staaten illegal zu überqueren, was nach United for Intercultural Action inzwischen zu 350 Todesfällen geführt hat.

Mit der Änderung des Grundrechts auf Asyl wurde die Abschottung weiter vervollständigt. Am 14. Mai 1996 hat das Bundesverfassungsgericht endgültig seinen Kotau vor Herrn Kanther getätigt und mit der sogenannten Drittstaatenregelung den Fluchtweg und nicht die Fluchtgründe zum entscheidenden Kriterium für das Asylverfahren gemacht.

Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien erhielten zudem in westeuropäischen Ländern nur noch einen zeitweiligen Schutz" (temporary protection"). Dies ist verbunden mit der Vorstellung, daß sie nach einem Friedensabkommen wieder zurückkehren müssen. In der Praxis bedeutete dies, daß für die betroffenen Menschen eine Lebensplanung nicht möglich war, obwohl sie teilweise schon seit über fünf Jahren in Deutschland leben. So waren sie beispielsweise von Qualifikationsmaßnahmen weitgehend ausgeschlossen und hatten nur einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt. Im Grunde wurde ihnen damit in einer Situation, in der sie weitgehende Unterstützung benötigt hätten, signalisiert, daß sie unerwünscht sind.

Rückführung ja, aber nicht mit der Brechstange", so schrieb ein Vertreter des UNHCR. Er machte allerdings auch klar, daß es nicht zu kritisieren ist, daß Bürgerkriegsflüchtlinge, denen nur vorübergehend Schutz gewährt werden sollte, nach Beendigung des Kriegszustandes grundsätzlich wieder in ihre Heimat zurückkehren sollten". Dabei gehe es schließlich auch um die Glaubwürdigkeit der zukünftigen Flüchtlingspolitik. Das UNHCR hatte schon versäumt, die Garantien für die Flüchtlinge einzufordern, die ihnen nach der Genfer Konvention zustehen: die gleichen Rechte wie die Einheimischen. Andere europäische Länder sind da weitergegangen: Dänemark und Norwegen haben den Flüchtlingen aus Bosnien ein permanentes Aufenthaltsrecht zugesprochen. Mit seiner Politik, die Entscheidungen der Innenminister für eine schnelle zwangsweise Rückführung letztlich zu akzeptieren, dient der UNHCR ihnen jedoch nur noch als Begleitmusik.

Auch die bisherigen Forderungen, Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern zumindest aus der Bundesrepublik Jugoslawien Schutz zu gewähren, sind fallengelassen worden. Im August 1996 stellte das UNHCR fest, daß nach der Verabschiedung des Amnestiegesetzes, Personen, die unter das Amnestiegesetz fallen, des internationalen Schutzes in der Regel nicht mehr bedürfen".

Die Diffamierung und Ausgrenzung von Flüchtlingen schreitet voran. Können wir denn unsere Gesellschaft bei diesem Umgang mit Flüchtlingen allen Ernstes zivilisiert und demokratisch nennen? Bislang sieht ein großer Teil nicht die damit für sie möglicherweise selbst verbundenen Konsequenzen. Was an denjenigen, die den rechtlich schwächsten Status haben, ausprobiert und umgesetzt wird, ist der Testfall für die Ausgrenzung weiterer Teile der Bevölkerung. Die Einschränkung der Rechtsweggarantie im Asylverfahren hat inzwischen Eingang in die Verwaltungsgerichtsordnung gefunden. Die Einschränkung der Sozialhilfe bei Flüchtlingen soll seine Fortsetzung in einer generellen Einschränkung des Sozialhilfebezuges finden. Hier gilt es gemeinsam gegen Ausgrenzung und Diskriminierung kreativ zu werden. Münster hat z.B. Dank rot-grün als einzige Stadt in Deutschland einen Ratsbeschluß gefaßt, Deserteure aufzunehmen. Dies ist eine der Möglichkeiten kommunal gegenzusteuern. Nationalem Denken, rassistischen Strukturen und Diskriminierungen werden wir begegnen mit der unerschöpflichen Kraft der Liebe.