Herbert Leuninger

ARCHIV ASYL
1992

Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe
für PRO ASYL

Dankansprache
(nach handschriftlichen Notizen ausformuliert)

ANLASS
Pfarrer Georg Fritze zu Ehren vergibt der Evangelische Kirchenkreis Köln-Mitte seit 1981 einen Preis, die "Pfarrer-Georg-Fritze- Gedächtnisgabe", um "Menschen und Gruppen, die sich in besonderer Weise für die Opfer von Diktatur und Gewalt einsetzen", zu ehren. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Dieser Preis wurde am 20. März 1992 Herbert Leuninger für PRO ASYL in Köln übergeben.


Sehr geehrter Herr Superintendent Hünecke,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Blum,
meine Damen und Herren!

Ich bedanke mich als Sprecher von PRO ASYL bei der Kreissynode des evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte für die Verleihung der Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe. Der Ideellen Komponente nach bedeutet dies für uns eine Bestärkung darin in unserer Arbeit durchzuhalten. Finanziell hilft sie uns, unseren personellen und finanziellen Anforderungen zu entsprechen.

Für mich ist es eine besondere Ehre diese Gabe in Köln im Gedenken an einen Pfarrer des Widerstandes gegen die Nazidiktatur entgegenzunehmen. Ich wurde 1932 in Köln geboren. Unsere Familie ist 1942 nach dem ersten 1000-Bomber Angriff auf eine deutsche Stadt in den Westerwald, der Heimat meiner Eltern, geflüchtet.

Ich habe noch gute Erinnerungen an die Kölner Zeit, an den gelben Judenstern, den die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger tragen mußten, an einen Solidaritätsbesuch meines Vaters bei einer jüdischen Familie in Köln-Ehrenfeld, an die heimliche Versorgung eines holländischen Zwangsarbeiters mit Lebensmitteln durch meine Eltern, an den Pfarrer Karl Dambach von St. Mechtern, der wegen kritischer Bemerkungen bei einer Predigt von der Gestapo nach Eltville in den Rheingau, also in das Gebiet des Bistums Limburg, verbannt wurde. Ich erinnere mich auch noch als vielleicht 9-Jähriger an das uns unter strenger Geheimhaltung gezeigte Foto von öffentlich in Köln erhängten Nazi-Gegnern. Diese Erfahrungen gehören zur Motivation meiner Arbeit bei PRO ASYL.

Mir wird heute aber auch in besonderer Weise bewusst, wie ehrenvoll es für mich ist, Sprecher dieser Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge zu sein, die Stimme gleichsam als Anwalt erheben zu dürfen für Hunderttausende, ja die Stimme der Asylinitiativen, der Flüchtlingsräte und ungezählter Menschen zu sein, die sich mit den Flüchtlingen solidarisieren.

Dabei denke ich in dieser Stunde gerade auch an den Flüchtlingsrat Köln, seine politischen Initiativen, Appelle und Aktionen. Dieser Flüchtlingsrat ist, wie auch andernorts, die Bündelung der Basisinitiativen, die sich neben der Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände gebildet haben. Er verknüpft die Initiativen, die es in den verschiedenen Stadtteilen wie Köln-Mitte (mit Jutta Graf) , Agnesviertel, Ehrenfeld, Dellbrück, Deutz, Dünnwald, Kalk, Höhenhaus, Mülheim und Weidenpesch. Dazu gibt es aber auch die bereits lokal vernetzten Flüchtlingsräte aus dem Kölner Raum wie die von Bonn, Düren und Leverkusen. Weitere Gruppen gehören zum Flüchtlingsrat aus Forsbach-Rösrath, dem Rhein-Sieg- und dem Erftkreis. Es sind unzählige Menschen, die sich engagieren. Die Kölner Vernetzung setzt sich fort im Flüchtlingsrat von Nordrhein-Westfalen und die wiederum mit den Flüchtlinsräten in den einzelnen Bundesländern. Sie wiederum sind Mitglieder und Partner bei PRO ASYL. Dazu kommt eine mehr informelle, aber wirkungsvolle Vernetzung mit den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden, den Menschenrechtsorganisationen und nicht zuletzt mit den Gewerkschaften.

Über alle vielleicht vorhandenen gesellschaftlichen Barrieren hinweg haben wir es mit einer wohl neuartigen Solidarisierung zum Schutz der Flüchtlinge und zur Wahrung ihrer Würde zu tun. Ich empfinde dies als Re-Solidarisierung und als einen besonders eindrucksvollen Vorgang. Bei einer Verschärfung der Lage sollte die Vernetzung sich noch einmal erweitern, so etwa auf die Friedens-, die Demokratie- und Grundrechtebewegung.

Wir stehen an einem für Flüchtlinge und die Republik kritischen Punkt. Das zeigt sich an der „Großen Koalition" beim Asylverfahrensgesetz. Das Hearing hierzu in Bonn war so etwas wie ein Aufstand des Rechtsstaates gegen die Gesetzesmacher, eine Lehrstunde in Sachen Verfassung für das Parlament, die Parteien und die Regierung.

Eine Bürgerrechtsbewegung ist erforderlich, die die Kirchen in ökumenischem Geist und die Gewerkschaften umfasst. PRO ASYL möchte Teil dieser Bewegung sein und sich für ihr Zustandekommen einsetzen.


 


Georg Fritze - Figur von Joachim G. Droll (Detail)

Georg Fritze war evangelischer Pfarrer an der Kartäuserkirche (Köln). Er warnte bereits frühzeitig vor dem Faschismus. Ab 1933 verschärfte die wachsende Zahl der sogenannten Deutschen Christen in Kölner Gemeinden die Konflikte. 1938 lehnte Georg Fritze es ab, einen Treueid auf Adolf Hitler abzulegen. Seine Weigerung wurde schließlich zum Vorwand genommen, ihn am 17. Oktober 1938 aus dem Pfarramt zu entfernen. Nach aufreibenden Auseinandersetzungen war Georg Fritzes Gesundheit stark beeinträchtigt. Am 3. Januar 1939 starb er nach einem Schlaganfall an Herzversagen.