Ansätze der Katholischen Soziallehre

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Katholische SozialLehre
Catholic Social Teaching
Autor: Ernst Leuninger
Träger: Bildungswerk der Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Diözese Limburg

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Kurs Katholische Soziallehre: 3. Einheit 
Ansätze der Katholischen Soziallehre

 

Gerechtigkeit schafft Frieden
- Ein Kurs zur Einführung in die Katholische Soziallehre

 

Als Internetkurs

 

Autor: Ernst Leuninger

3. Einheit

 

 

Ansätze der
Katholischen Soziallehre

 

01.04.2002

Katholische Arbeitnehmer-Bewegung
Diözesanverband Limburg e.V.
KAB-Bildungswerk Diözesanverband Limburg

 

 

Widmung: Ich widme diese Einheit der KAB in der Diözese Limburg, besonders allen Ehren- und Hauptamtlichen die am Kurs mitarbeiten, vor allem Mathilde Rompel, Hans-Gerd Arnold, Adelheid Egenolf und Dr. Heribert Zingel (Frankfurter Sozialschule)

 

Impressum

Gerechtigkeit schafft Frieden - Ein Kurs zur Einführung in die Katholische Soziallehre

Einheit 3: Ansätze der Soziallehre
1. Auflage Limburg 2002 Fassung 01.04.2002

Als Internetkurs www.kath-soziallehre.de dort auch alle weiteren Einzelheiten

Es gibt auch einen Einführungsbrief

Autor: Dr. Ernst Leuninger, Diözesanpräses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Limburg,
Mail:
ernst@leuninger.de

Mitarbeit und Organisation: M. Rompel, H. G. Arnold, A. Egenolf,

Als Manuskript gedruckt. © Copyright auf alle von ihm verfassten Teile: Ernst Leuninger

Träger des Kurses: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Diözesanverband Limburg e.V.
KAB-Bildungswerk Diözesanverband Limburg
Roßmarkt 12, 65549 Limburg, Fon 06431 295 358 Fax 06431 295513

 

3. Einheit: Ansätze der Katholischen Soziallehre  7

0 Einleitung und Literaturhinweise   7

0.1 Einleitung  7

0.2 Literatur und Internet 9

1. Naturrechtliche Ansätze   9

1.0 Hinführung und Literatur  9

1.0.1 Frage zum Überlegen  9

1.0.2 Hinführung  9

1.0.2 Literatur und Internet 9

1.1 Der Solidarismus  9

1.1.0 Hinführung und Literatur 9

1.1.0.1 Hinführung  9

1.2.0.2 Literatur und Internet 9

1.2.1 Zwischen Sozialismus und Liberalismus  9

1.1.1 Der Solidarismus, ein naturrechtlich begründetes System   9

1.1.2 Solidarität als Grundlage des Solidarismus  9

1.2 Prinzipien als Grundlage der christlichen Gesellschaftslehre  9

1.2.0 Hinführung zum Thema  9

1.2.0.1 Hinführung  9

1.2.0.2 Literatur und Internet 9

1.2.1 Die prinzipienorientierte christliche Gesellschaftslehre  9

1.2.1.0 Vorbemerkung  9

1.2.1.1 Christliche Gesellschaftslehre und wie arbeitet sie?  9

1.2.1.2 Die Grundlagen der christlichen Gesellschaftslehre  9

1.2.1.3 Die grundlegenden Prinzipien  9

1.2.1.3.1 Der Mensch als Sozialwesen, seine Personalität 9

1.2.1.3.2 Die Sozialprinzipien  9

1.2.1.3.3 Die Norm des Gesellschaftslebens ist das Recht 9

1.2.1.3.4 Das Prinzip der Nachhaltigkeit 9

1.3 Perspektiven dieses Ansatzes und der andere Weg der evangelischen Sozialethik  9

1.3.1 Perspektiven des naturrechtlichen Ansatzes  9

1.3.2 Der andere Ansatz der evangelischen Kirche  9

1.4 Fragen zu Kapitel 1  9

1.4.1 Fragen zu 1.1 Der Solidarismus  9

1.4.2 Fragen zu 1.2 Prinzipien als Grundlage der christlichen Gesellschaftslehre 1. Teil 9

1.4.3 Fragen zu 1.2 Prinzipien als Grundlage der christlichen Gesellschaftslehre 2. Teil 9

2 Von der politischen zur Befreiungstheologie bis zur Sozialpastoral   9

2.0 Hinführung und Literatur  9

2.0.1 Frage zum Überlegen  9

2.0.2 Hinführung  9

2.0.3 Literatur und Internet 9

2.1 Neue politische Theologie  9

2.1.1 Zugänge zur politischen Theologie  9

2.1.2 Die neue politische Theologie nach J. B. Metz  9

2.1.3 Das Konzept einer öffentlichen Theologie nach Jürgen Moltmann  9

2.1.4 Mystik und Widerstand – Gedanken zu Dorothee Sölle  9

2.1.5 Feministische Theologie  9

2.1.5.0 Literatur und Internet 9

2.1.5.1 Eine internationale Bewegung  9

2.1.6 Ertrag  9

2.2 Befreiungstheologie  9

2.2.0 Hinführung und Literatur 9

2.2.0.1 Hinführung  9

2.2.0.2 Literatur und Internet 9

2.2.1 Die Vorgeschichte  9

2.2.2 Brasilianische, südamerikanische und gesamtkirchliche Entwicklungen  9

2.2.3 Die Entwicklung der Basisgemeinden  9

2.2.4 Die Befreiungstheologie  9

2.2.5 Abschließende Gedanken  9

2.3 Die Sozialpastoral 9

2.3.0 Hinführung und Internet 9

2.3.0.1 Hinführung  9

2.2.0.1 Literatur und Internet 9

2.3.1 Sozialpastoral am Beispiel der Diözese Creatéus (Brasilien) 9

2.3.2 Elemente einer Sozialpastoral 9

2.3.2.0 Hinweis  9

2.3.2.1 Themenwechsel. Statt die "Säkularisierung der Gesellschaft - ihre Evangelisierung" 9

2.3.2.2 Optionen der Sozialpastoral 9

2.3.2.3 Schritte der Sozialpastoral 9

2.3.4 Sozialpastoral in Beispielen  9

2.3.4.1 Am Beispiel eines Kirchenasyls  9

2.3.4.2 Am Beispiel einer Großstadtpfarrei 9

2.3.4.3 Sozialpastoral am Beispiel des Bistums Limburg  9

2.3.5 Abschließende Gedanken  9

2.4 Perspektiven  9

2.5 Fragen zum Kapitel 2  9

2.5.1 Fragen zu 2.1 Neue politische Theologie  9

2.5.2 Fragen zu 2.2 Befreiungstheologie  9

2.5.3 Fragen zu 2.3 Die Sozialpastoral 9

3. Globalisierung und Reich Gottes   9

3.0 Hinführung und Literatur  9

3.0.1 Frage zum Überlegen  9

3.0.2 Hinführung  9

3.0.3 Literatur und Internet 9

3.1 Globalisierung, Ursachen und Folgen (Sehen) 9

3.1.0 Das Phänomen der Globalisierung  9

3.1.1 Die Ursachen der Globalisierung  9

3.1.1.0 Von der Industrialisierung zur Globalisierung  9

3.1.1.1 Die Internationalisierung des Kapitals  9

3.1.1.2 Zunahme des Welthandels  9

3.1.1.3 Technologische Entwicklungen  9

3.1.1.4 Bildung von transnationalen Unternehmen  9

3.1.1.5 Die vorherrschende Wirtschaftstheorie des Neoliberalismus  9

3.1.1.6 Das Leitbild der westlichen Zivilisation  9

3.1.2 Die Folgen der Globalisierung und damit verbundene Probleme  9

3.1.2.1 Der wirtschaftliche Aufschwung von Ländern in Asien und in Lateinamerika und das Abhängen anderer Länder 9

3.1.2.2 Die Schuldenkrise  9

3.1.2.3 Der Rückgang der Bedeutung von Arbeit und das Öffnen der Schere zwischen arm und reich  9

3.1.2.5 Die Korruption  9

3.1.2.5 Die Belastung der Umwelt 9

3.1.2.6 Die Überforderung der Nationalstaaten  9

3.1.2.7 Globalisierung - eine Herausforderung  9

3.2 Welche Leitidee der Welt haben wir Christen (Urteilen)?  9

3.2.1 Die Leitidee vom Reich Gottes  9

3.2.1.0 Hinführung  9

3.2.1.1 In Jesus ist das Reich Gottes gekommen  9

3.2.1.2 Elemente der Predigt vom Reich Gottes bei Jesus  9

3.2.1.2 Die Verantwortung der Kirche und der Religionen  9

3.2.2 Ethische Kriterien  9

3.2.2.1 Die Gottesreichverträglichkeiten der Gesellschaft 9

3.2.2.2 Unser Auftrag eine Option in unserer Zeit für das Reich Gottes  9

3.2.2.3 Ein Ansatz der Soziallehre  9

3.2.3 Handlungsorientierte kritische Bewertung der globalen Verhältnisse  9

3.3 Schritte auf dem Weg zu einer gottesreichverträglichen Weltkultur (Handeln) 9

3.3.1 Die Kultur ist ein Gebilde der Menschen  9

3.3.2 Ethisch verantwortbare Gestaltung der Globalisierung  9

3.3.3 Die Handlungsträger 9

3.3.3.1 Die Nationalstaaten, die regionalen Zusammenschlüsse und die gesamte Staatengemeinschaft 9

3.3.3.2 Die transnationalen Unternehmen und Medienimperien  9

3.3.3.3 Förderung einer internationalen Zivilgesellschaft 9

3.3.3.4 Handlungsmöglichkeiten der Kirche, ihrer Werke und kirchlicher Gruppen  9

3.4 Worum es geht 9

3.5 Fragen zum Kapitel 3  9

3.5.1 Fragen zu 3.1  9

3.5.2 Fragen zu 3.2  9

3.5.3 Fragen zu 3.3  9

4 Ertrag   9

5 Alphabetische Literaturliste   9

 

3. Einheit: Ansätze der Katholischen Soziallehre

0 Einleitung und Literaturhinweise

0.1 Einleitung

Im folgenden Kapitel geht es um die unterschiedlichen theoretischen Ansätze der Soziallehre. Dabei beschränkt sich der Brief auf die aus der katholischen Kirche (das ist berechtigt, weil sie am umfangreichsten ausgearbeitetet sind) und auch kurz aus denen der evangelischen Kirchen. Auch in der Orthodoxie gibt es inzwischen solche Ansätze. In der jüdischen Theologie desgleichen, diese greift dabei natürlich auf den reichen Fundus sozialethischer Aussagen der Bibel (des Alten Testamentes) zurück. Insgesamt kann man feststellen, dass die Entwicklungen im katholisch-evangelischen Bereich immer mehr aufeinander zugehen. Das soll mit einem Text des Gemeinsamen Wortes der Kirchen "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" deutlich gemacht werden. (Fettdruck wurde vom Verfasser der Einheit eingefügt!)

"(92) Die Besinnung auf das Menschenbild und die Grundwerte, auf denen die Soziale Marktwirtschaft gründet, ist die unerläßliche Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage. Hier liegt der genuine Beitrag der Kirchen. Denn das Menschenbild des Christentums gehört zu den grundlegenden geistigen Prägekräften der gemeinsamen europäischen Kultur und der aus ihr erwachsenen wirtschaftlichen und sozialen Ordnung...

(93) Im Licht des christlichen Glaubens erschließt sich eine bestimmte Sicht des Menschen: Er ist als Bild Gottes, als das ihm entsprechende Gegenüber geschaffen und so mit einer einmaligen unveräußerlichen Würde ausgezeichnet. Er ist als Mann und als Frau geschaffen; beiden kommt gleiche Würde zu. Zugleich ist er mit der Verantwortung für die ganze Schöpfung betraut; der Mensch soll Sachwalter Gottes auf Erden sein (Gen.1. Mos 1,26-28). So ist der Mensch geschaffen und berufen, um als leibhaftes, vernunftbegabtes, verantwortliches Geschöpf in Beziehung zu Gott, seinem Schöpfer, zu den Mitmenschen und zu al­len Ge­schöpfen zu leben. Das ist gemeint, wenn vom Menschen als Person und von seiner je einmaligen und unveräußerlichen Würde als Person die Rede ist...

(99) Das Auftreten und die Botschaft Jesu liegen auf der Linie der Gottes- und Geschichts-erfahrung seines Volkes. Jesus verbindet seine Botschaft vom Kommen des Reiches Gottes und die Einladung zum Glauben mit dem Ruf zur Umkehr (Mk 1,15), d. h. zu einem Leben, das ganz auf Gott und seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit setzt und sie im mitmenschlichen Leben bewährt. Je­sus erneuert und erfüllt die alttestamentliche Verheißung der Befreiung und Heilung (Lk 4,16-30) und stellt sie in den Seligpreisungen der Bergpredigt ganz in den Horizont der Verhei­ßung des Lebens für die Armen, Kleinen, Sanftmütigen und Gewaltlosen (Mt 5,3-12; Lk 6,20-26)...

(102) Die soziale Botschaft, die die Kirchen auf der Grundlage des biblischen Ethos in wachsender Gemeinsamkeit im gesellschaftlichen Raum geltend machen, ist das Ergebnis der Reflexion über menschliche Erfahrungen in verschiedenen geschichtlichen Situationen und Kulturen. Die christliche Soziallehre ist darum kein abstraktes System von Normen; sie entspringt vielmehr der immer wieder neuen Reflexion auf die menschliche Erfahrung in Geschichte und Gegenwart im Licht des christlichen Menschenbildes. Sie gibt keine technischen Lösungen und konkreten Handlungsanweisungen, sondern vermittelt Perspektiven, Wertorientierungen, Urteils- und Handlungskriterien. Sie hat sowohl eine prophe­tisch-kritische wie eine ermutigende, versöhnende und heilende Funktion...

(103) Die Erinnerung an Gottes Erbarmen begründet das Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe (Mk 12, 28-31 par), in dem das menschliche Handeln seine grundlegende biblische Orientierung findet. Dieses Doppelgebot gilt nach neutestamentlichem Zeugnis als Zusam­menfassung aller anderen Gebote und so als „Erfüllung des Gesetzes“ (Röm 13,8-10). Jesus setzt das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe mit dem Gehalt des alttestamentlichen Gesetzes gleich (vgl. Mt 22,34-40). Es ist die Grundnorm, in der sich das biblische Ethos als Gemeinschaftsethos auf den Begriff bringen läßt. Dabei bleibt der Anspruch nicht auf die Gemeinschaft des Volkes Israel oder der christlichen Gemeinde beschränkt. Im Gebot, den Fremden zu lieben „wie dich selbst“ (Lev/3. Mos 19,34), und im Gebot der Feindesliebe (Lk 6,27.35) werden alle Grenzen überschritten. Es kommt zu einer Entfeindung aller mitmenschlichen Beziehungen und zu einer Entgrenzung mitmenschlicher Solidarität. So kommt in der Einheit von Gottes- und Nächstenliebe der Zusammenhang von Gottesbeziehung und Weltverantwortung, von Glaube und Ethos als sittliche Grundidee der biblischen Tradition zum Ausdruck...

(105) Die christliche Nächstenliebe wendet sich vorrangig den Armen, Schwachen und Benachteiligten zu. So wird die Option für die Armen zum verpflichtenden Kriterium des Handelns. Die Erfahrung der Befreiung aus der Knechtschaft, in der sich Gottes vorrangige Option für sein armes, geknechtetes Volk bezeugt, wird in der Ethik des Volkes Israel zum verbindlichen Leitmotiv und zum zentralen Argument für die Gerechtigkeitsforderung im Umgang mit den schwächsten Gliedern der Gesellschaft: Das Recht der Armen wird begründet mit der Erinnerung an die Rettung aus der Sklaverei: „Du sollst das Recht von Fremden, die Waisen sind, nicht beugen. Du sollst das Kleid einer Witwe nicht als Pfand nehmen. Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, dort freigekauft. Darum mache es dir zur Pflicht, diese Bestimmung einzuhalten.“ (Dtn/5. Mos 24,17f)...

(112) In dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit drückt sich aus, daß soziale Ordnungen wandelbar und in die gemeinsame moralische Verantwortung der Menschen gelegt sind. Zur Verwirklichung von Gerechtigkeit gehört es daher, daß alle Glieder der Gesellschaft an der Gestaltung von gerechten Beziehungen und Verhältnissen teilhaben und in der Lage sind, ihren eigenen Gemeinwohlbeitrag zu leisten. „Suche nach Gerechtigkeit ist eine Bewegung zu denjenigen, die als Arme und Machtlose am Rande des sozialen und wirtschaftlichen Lebens existieren und ihre Teilhabe und Teilnahme an der Gesellschaft nicht aus eigener Kraft verbessern können. Soziale Gerechtigkeit hat insofern völlig zu Recht den Charakter der Parteinahme für alle, die auf Unterstützung und Beistand angewiesen sind ... Sie erschöpft sich nicht in der persönlichen Fürsorge für Benachteiligte, sondern zielt auf den Abbau der strukturellen Ursachen für den Mangel an Teilhabe und Teilnahme an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozes­sen...

(119) So kommt im Grundsatz der Solidarität ein grundlegendes Prinzip der Gesellschaftsgestaltung zur Geltung. In ihm schlägt sich die Einsicht nieder, daß in der Gesellschaft „alle in einem Boot sitzen“ und daß deshalb ein sozial gerechter Ausgleich für das friedliche und gedeihliche Zusammenleben unerläßlich ist. Dies gilt sowohl im Inneren einer Gesellschaft wie auch in dem umfassend...

(120) Ebenso wie die gleiche Menschenwürde aller die Einrichtung der Gesellschaft nach dem Grundsatz der Solidarität verlangt, fordert sie zugleich dazu heraus, der je einmaligen Würde und damit der Verantwortungsfähigkeit und Verantwortlichkeit einer jeden menschlichen Person Rechnung zu tragen. Deshalb wird der Solidarität das Prinzip der Subsidiarität zur Seite gestellt. Aufgabe der staatlichen Gemeinschaft ist es, die Verantwortlichkeit der einzelnen und der kleinen Gemeinschaften zu ermöglichen und zu fördern. Die gesellschaftlichen Strukturen müssen daher gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität so gestaltet werden, daß die einzelnen und die kleineren Gemeinschaften den Freiraum haben, sich eigenständig und eigenverantwortlich zu entfalten...

(122) Die Solidarität bezieht sich nicht nur auf die gegenwärtige Generation; sie schließt die Verantwortung für die kommenden Generationen ein. Die gegenwärtige Generation darf nicht auf Kosten der Kinder und Kindeskinder wirtschaften, die Ressourcen verbrauchen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft aushöhlen, Schulden machen und die Umwelt belasten. Auch die künftigen Generationen haben das Recht, in einer intakten Umwelt zu leben und deren Ressourcen in An­spruch zu nehmen. Diese Maxime versucht man neuerdings mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit und der Forderung nach einer nachhaltigen, d. h. einer dauerhaften und zukunftsfähigen Entwicklung auszu­drücken..."

Hier sind die unterschiedlichen Ansätze aufgeführt, die in diesem Brief zu einer Einheit geführt werden. Diesen Ansätzen soll in den einzelnen Kapiteln vertieft nachgegangen werden.

0.2 Literatur und Internet

Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Bonn 1997
< http://www.ekd.de/EKD-Texte/sozialwort.html >

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1. Naturrechtliche Ansätze

1.0 Hinführung und Literatur

1.0.1 Frage zum Überlegen

Was verstehen Sie unter Solidarität?

 

1.0.2 Hinführung

Es gab in der ersten päpstlichen Veröffentlichung kein System einer katholischen Soziallehre, aber immer wieder die Begründungen der ausgeführten Sätze aus der Natur der Sache. Wer diese richtig betrachte, müsste zu den gleichen Entscheidungen kommen. Scharfe Ablehnung erfuhr der kollektivistische (die Gemeinschaft - das Kollektiv ist alles) Sozialismus, ebenso wird der individualistische (auf die Einzelperson allein abhebende) Liberalismus abgelehnt. Wie aber soll das bezeichnet werden, was die Kirche als Weg vorschlägt? Der Jesuit Heinrich Pesch prägte dafür das Wort vom Solidarismus als das System das einen Mittelweg zwischen Sozialismus und Liberalismus sucht.

Die Schüler von Heinrich Pesch haben diese Gedanken weitergeführt, Gundlach und Oswald von Nell-Breuning. Auch Kardinal Joseph Höffner hat auf dieser Grundlage gearbeitet. Sie entwickelten eine Lehre von Prinzipien der Katholischen Soziallehre, vor allem Personalität, Solidarität, Subsidiarität, die Grundlage für ein ganzes System sind, aber nicht für eine geschlossenes System, sondern für ein offenes System, das auch in der Lage ist, auf neue Hersausforderungen einzugehen. Der Name Solidarismus hat sich nicht durchgesetzt, wohl aber der naturrechtliche Ansatz der Soziallehre.

1.0.2 Literatur und Internet

Höffner, Josef, Christliche Gesellschaftslehre, 2. durchgesehene Auflage der Neuausgabe, Kevelaer 2000.

Nell-Breuning, Oswald, Gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre, Wien, München, Zürich 1980

1.1 Der Solidarismus

1.1.0 Hinführung und Literatur

1.1.0.1 Hinführung

Das System des Solidarismus wurde von dem Jesuiten Heinrich Pesch entwickelt. Er wurde am 17.September 1854 in Köln geboren. Zuerst studierte er kurz Theologie und dann von 1872-1876 Rechts- und Staatswissenschaften. Im Eindruck des Kulturkampfes trat er in den Jesuitenorden ein. Philosophie und Theologie studierte er in den Niederlanden und England. 1888 wurde er zum Priester geweiht. In Mainz als Spiritual am Priesterseminar lernte er die Schriften von Ketteler kennen und setzte sich mit Liberalismus und Sozialismus unter den Gedanken der christlichen Gesellschaftslehre auseinander. Er studierte ab 1901 Nationalökonomie in Berlin und schrieb die ersten Teile eines oft gedruckten Lehrbuches zur Nationalökonomie. Er starb am 1.April 1926 in Valkenburg (Niederlande).

1.2.0.2 Literatur und Internet

Lexikon für Theologie und Kirche, Solidarismus, Freiburg 2. ???

Nell-Breuning, von, Oswald, Hg. u.a., Solidarismus, Gesellschaftliche Ordnungssysteme, Heft 5/2, Freiburg1951, S 358-375

Pesch, Heinrich, Lehrbuch der Nationalökonomie, 5 Bde., Freiburg 1905-1923

Ausführliche Seite zu Heinrich Pesch www.obing.com/zenz/hzpesch.html

1.2.1 Zwischen Sozialismus und Liberalismus

Pesch wollte wie gesagt ein eigenes System zwischen Sozialismus und Liberalismus entwickeln. Diese beiden Systeme seien deshalb hier in aller Kürze skizziert.

Der Sozialismus (2. Einheit 1.2.3.2 Die Entwicklung der sozialistischen Parteien), entstand im 19. Jahrhundert als Antwort auf das Entstehen der sozialen Frage. Er ist Teil der Arbeiterbewegung und wollte die Überwindung des Kapitalismus. Er entwickelte sich in zwei Grundrichtungen. Der Sozialismus vor allem in der Sozialdemokratie will Auswüchse der kapitalistischen Wirtschaft reformieren und der Kommunismus (Marxismus) (2. Einheit 1.2.3.2 Von Weitling bis Marx und Engels) will das Eigentum an Produktionsmitteln völlig abschaffen und strebt revolutionär letztlich die klassenlose Gesellschaft an.

Der ökonomische Liberalismus wurde von Adam Smith (1723-1790) begründet. Er ist geprägt vom Geist der Aufklärung. Smith stellt fünf Thesen auf.

1.   Es gibt eine natürliche Ordnung der Wirtschaft. Wie alles durchwaltet auch sie eine natürliche Harmonie. Es ist das Geschäft Gottes für die Glückseligkeit der mit Vernunft begaben Wesen zu sorgen.

2.   Die natürliche Ordnung der Wirtschaft ist mit der Vernunft ablesbar.

3.   Das Grundprinzip der natürlichen Wirtschaftsordnung ist die Idee der Freiheit. Der Staat hat im wesentlichen für die innere und äußere Sicherheit, Straßen und Schulen zu sorgen, der Rest kommt von selbst.

4.   Die natürliche Antriebskraft in der Wirtschaft ist der Eigennutz. Smith vertritt ihn auch als Nutzen für den Nächsten, Egoismus ist demnach Altruismus. Die natürlichen Interessen der Menschen entsprechen dem Nutzen der Allgemeinheit..

5.   Die Ordnung in der Wirtschaft wird durch den Wettbewerb hergestellt. Der Wettbewerb ist Garant des Gemeinwohls, Monopole und Subventionen sind gegen das Interesse der Allgemeinheit.

Die Wirtschaftskrisen trotz der wirtschaftsoptimistischen Einstellung haben die Richtigkeit dieser Thesen nicht bewiesen. Dabei dürfen die gewaltigen Leistungen dieses Wirtschaftsliberalismus nicht übersehen werden, aber gerade durch ihn vor allem entstand die soziale Frage.

1.1.1 Der Solidarismus, ein naturrechtlich begründetes System

Der Solidarismus ist eine Sozialphilosophie. Er beruht nicht auf Offenbarungswahrheiten, sondern auf der Kraft menschlicher Erkenntnis. Er beruht, so wird betont, auf dem Licht der Vernunft, nicht auf dem Licht des Glaubens, dieser kann aber die Vernunft vor Irrtümern bewahren und vorhandene Schatten aufhellen. Letztlich will aber der Solidarismus eine Philosophie sein, die allen Menschen mit Mitteln der Vernunft einsichtig zu machen ist.

Dabei beruft sie sich auf das Erkenntnisprinzip, dass es den Menschen gegeben ist, die Natur eines Gegenstandes, sei er eine Sache oder auch ein Mensch, mit der Vernunft zu erkennen. In der ganzen Natur waltet ein göttliches Gesetz, im Sinne von Naturgesetzen, das es zu erkennen gilt. Dafür muss das Wesen einer Sache erschließen. Das geht in der Antike auf Aristoteles (384-322 v. Chr.) und im Mittelalter vor allem auf Thomas von Aquin (1225-1274) zurück. Das Wesen eines Gegenstandes kann durch Abstrahieren erschlossen werden. Abstrahieren heißt von etwas „absehen", man sieht von allem Zufälligen und äußerlich Unterschiedlichen wie Form, Farbe, Größe ab und kommt dann auf das, was allen gemeinsam ist. Beim Menschen z.B. kann man auch noch vom Geschlecht absehen.

So hat alles zuerst einmal, einschließlich Gott, eine große Gemeinsamkeit, dass es ist. Dann ergeben sich Unterschiede, zwischen Ungeschaffenen und Geschaffenen, zwischen lebloser und belebter Natur, zwischen Pflanzen und Lebewesen, zwischen Tieren und vernunftbegabten Lebewesen, dem Menschen (zwischen Leib-Seelewesen (Menschen) und nur aus Geist bestehenden (Engeln)). So abstrahierte man dann weiter und erschloss für dieses Denken die Natur von menschlicher Sexualität, Ehe und Familie und Gesellschaft und anderem.

Die Frage, was ethisch vertretbar sei im Handeln und in der Rechtsetzung, ergab sich dann aus der Natur, Unnatürliches war nicht gestattet, (hier ist z.B. nach diesem Denkansatz das Verbot der Verwendung von Verhütungsmitteln begründet). Die innere Begründung solcher Sätze wurde aus der Natur und nicht einfach aus der Rechtsetzung abgeleitet.

Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen. Das gilt auch dann noch, wenn ein Mensch aus z.B. körperlichen Problemen nicht seine Vernunft gebrauchen kann. Daraus ist das andere zu erschließen. Seine Freiheit und Würde, vor allem auch dass der Mensch wesensnotwendig auf Gemeinschaft bezogen ist. Darüber wird noch zu reden sein.

Aus der so erschlossenen Natur ergeben sich dann auch die Ziele dieses Wesens. Aus dem Sein ergibt sich das Sollen. Diesen Denkansatz nennt man Naturrecht. Er hat im Prozess der Entfaltung von Menschenwürde ab dem 17. Jahrhundert noch einmal Bedeutung gewonnen, denn er begründete, dass die Würde des Menschen nicht von den Mächtigen abhing, sondern ihm mit seiner Natur von Gott gegeben ist. Wer einen Angriff auf die Würde des Menschen unternimmt, greift Gott an.

Es gab dann auch noch ein Naturrecht 1. und 2. Ordnung, vor und nach dem Sündenfall, der die Natur des Menschen schädigte aber nicht aufhob. Die Neigung zum Bösen war da. Die Menschenwürde galt vor dem Sündenfall und gilt auch danach. Das Eigentumsrecht gab es in dieser Auslegung im Paradies nicht, allen gehörte alles. Erst nach dem Sündenfall kam es durch die Ichsucht zu Kämpfen um Besitz, der Mensch brauchte aber das persönliche Eigentum in dieser Situation, die Eigentumsordnung versucht deshalb die Dinge dieser Welt, die eigentlich allen gehören (Naturrecht 1. Ordnung), möglichst konfliktfrei zu klären, sie ist aber durchaus änderbar, weil ein Naturrecht 2. Ordnung.

Deutlich ist die naturrechtliche Argumentation in der Enzyklika „Rerum novarum„ (1891) von Papst Leo XIII.

„6. Eine tiefere Betrachtung der Natur des Menschen lehrt dieses noch klarer. Da der Mensch mit seinem Denken unzählige Gegenstände umfaßt, mit den gegenwärtigen die zukünftigen verbindet und Herr seiner Handlungen ist, so bestimmt er unter dem ewigen Gesetze und unter der allweisen Vorsehung Gottes sich selbst nach freiem Ermessen;...„ Daraus leitete dann der Papst in Kontroverse zum Kommunismus das Recht auf Eigentum ab.

„11. ... Die väterliche Gewalt ist von Natur so beschaffen, daß sie nicht zerstört, auch nicht vom Staate an sich gezogen werden kann; sie weist eine gleich ehrwürdige Herkunft auf wie das Leben des Menschen selbst. "Die Kinder sind", um mit dem hl. Thomas zu sprechen, "gewissermaßen ein Teil des Vaters"; sie sind gleichsam eine Entfaltung seiner Person. Auch treten sie in die staatliche Gemeinschaft als deren Teilnehmer, wenn man im eigentlichen Sinne reden will, nicht selbständig, nicht als Individuen ein, sondern vermittels der Familiengemeinschaft, in welcher sie das Leben empfangen haben. Aus eben diesem Grunde, weil nämlich die Kinder "von Natur einen Teil des Vaters bilden, stehen sie", nach den Worten des heiligen Lehrers, "unter der Sorge der Eltern, ehe sie den Gebrauch des freien Willens haben". Das sozialistische System also, welches die elterliche Fürsorge beiseite setzt, um eine allgemeine Staatsfürsorge einzuführen, versündigt sich an der natürlichen Gerechtigkeit und zerreißt gewaltsam die Fugen des Familienhauses. ..." Da wird deutlich, dass auch dieses Denken an Grenzen stößt, aber es zeigt schon eine Offenheit für das Elternrecht insgesamt; wesentlich ist, dass es dieses Staatseingreifen verordnet, weil in der Natur begründet.

Die folgenden Sätze waren damals eine Selbstverständlichkeit, sie werden aber in der Natur festgemacht, heute wissen wir, dass es so einfach nicht mehr geht.

"14. Vor allem ist also von der einmal gegebenen unveränderlichen Ordnung der Dinge auszugehen, wonach in der bürgerlichen Gesellschaft eine Gleichmachung von hoch und niedrig, von arm und reich schlechthin nicht möglich ist. Es mögen die Sozialisten solche Träume zu verwirklichen suchen, aber man kämpft umsonst gegen die Naturordnung an. Es werden immerdar in der Menschheit die größten und tiefgreifendsten Ungleichheiten bestehen. Ungleich sind Anlagen, Fleiß, Gesundheit und Kräfte, und hiervon ist als Folge unzertrennlich die Ungleichheit in der Lebensstellung, im Besitze. Dieser Zustand ist aber ein sehr zweckmäßiger sowohl für den einzelnen wie für die Gesellschaft...."

Sicher wurde und wird die Fähigkeit, die "Natur" zu erkennen und daraus Handlungsmaximen abzuleiten, manchmal etwas überstrapaziert. Sicher haben wir heute auch Probleme aus neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen und spüren, dass manches, was früher einmal als in der Natur begründet heute auch in der Kirche nicht mehr vertreten wird. Aber wir sollten diesem Denkansatz zubilligen, dass er den Menschen ein Recht und eine Bedeutung vor allem staatlichen Recht gab. Das ist auch heute noch aktuell und wir Deutschen haben damit unsere negativste historische Erfahrung, dass Menschen nicht von Natur aus geachtet wurden.

Das naturrechtliche Denken wurde Begründungsbasis des Systems des Solidarismus, wie er von Pesch entwickelt wurde.

1.1.2 Solidarität als Grundlage des Solidarismus

Der Solidarismus hat die Solidarität der Menschen zur Grundlage. Durch die Solidarität wird die Gesellschaft gebildet. Dies wird nicht als eine moralische Aufforderung zum Handeln aus Nächstenliebe verstanden, sondern zuerst als die Natur der Gesellschaft; Natur in dem Sinne wie oben beschrieben, als das Wesen der Gesellschaft. Die Gesellschaft ist ihrem Wesen nach solidarisch. Daraus ergibt sich dann als zweite wichtige Aussage: Gesellschaftliches Handeln muss ebenso solidarisch sein. Diese Solidarität wird einerseits gegen den Individualismus gesetzt, wo jeder sich selbst der Nächste ist und den Kollektivismus, wo der Einzelne nahezu nichts, aber die Gemeinschaft alles bedeutet. Solidarismus soll von daher als ein Weg, als eine Art Dritter Weg zwischen Individualismus und Kollektivismus verstanden werden, also als ein Weg zwischen dem System des ökonomischen Liberalismus und dem kollektivistischen Marxismus. Solidarismus ist ein Ansatz sowohl vom einzelnen Menschen als auch von der Gemeinschaft her. Es wurde dagegen eingewandt, dass es einen solchen Dritten Weg zwischen Individualismus und Kollektivismus gar nicht geben könne. Man müsse sich entscheiden, entweder sei die Gesellschaft eine Summe von Individuen oder ein Kollektiv, in dem der Einzelne nur ein Element ist, ohne echte Eigenständigkeit. Es ist aber durchaus gedanklich möglich, die Gesellschaft zu verstehen als die Bezogenheit und die Verbundenheit aller ihrer Glieder, die die Einzelnen sind.

Das ist begründet, wie es Pesch sagt, in der Gemeinverstrickung und Gemeinverhaftung der Menschen. Das Wohl des Ganzen, für die jeder Einzelne haftbar ist ("Gemeinverhaftung") ist das Gemeinwohl (bonum commune). Dieses Wohl des Ganzen ist der einheitsstiftende Mittelpunkt der Gemeinschaft. Der Einzelne kann sein eigenes Wohl nicht ohne und mit Hilfe der Gemeinschaft verwirklichen. Und die Gemeinschaft kann ihr Ziel nur erreichen, wenn die Dienste und Kräfte der einzelnen sich in ihr als Glieder einbringen. In der Gemeinschaft kann der Einzelne seine persönlichen Werte zur höchsten Entfaltung bringen. Der Einzelne muss eine Einsicht haben, dass er in die Geschicke der Gemeinschaft verstrickt ist. Er muss dies innerlich bejahen. Er muss wissen, dass er für das Wohl und Wehe des Ganzen haftbar ist. Man nennt dies die Gemeinverhaftung.

Das zu Grunde liegende Baugesetz ist das Solidaritätsprinzip. Das Wort Solidarität kommt von dem lateinischen Wort "solidus" und bedeutet fester Boden und Grund. In der vorliegenden Form "Solidarität" kommt es aus dem französischen Recht und meint eine Rechtsfigur, in der eine gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Mitglieder einer Gruppe besteht. Jeder kann für die Gesamtschuld herangezogen werden, zugleich alle für die Schuld jedes Einzelnen gefordert sein. Vor allem im religiösen Sozialismus tritt Solidarität gelegentlich an die Stelle der Revolutionsparole Fraternität (Brüderlichkeit). Aber erst in der Arbeiterbewegung nach 1848 wird Solidarität zu einer bedeutsamen politischen Parole. In ihr bringt die Arbeiterklasse ihre Zusammengehörigkeit zum Ausdruck, zugleich ihren Selbstbehauptungswillen, ihren Willen zur Selbsthilfe. (A. Pesch, G. Gundlach und Oswald von Nell-Breuning bringen dieses Prinzip in die Soziallehre ein.) Solidarität ist zuerst einmal ein Baugesetz der menschlichen Gesellschaft. Jeder Mensch ist solidarisch in die Gesellschaft eingebettet. Pesch sagt dafür: "Der Mensch inmitten der Gesellschaft". Weil dies der Seinsgrund der Gesellschaft ist, ist es auch Prinzip des Handelns. Wer naturgemäß, so versteht es Pesch, handeln will, das heißt richtig und den Zielen der Gesellschaft gemäß, der muss solidarisch handeln, das heißt wiederum, er trägt in seinem Handeln Verantwortung für den Nächsten und für die ganze Gesellschaft. Die Gemeinverstrickung meint den Seinsgrund, die Natur der Gesellschaft, die Gemeinhaftung, das ethische Handlungsprinzip in einer solidarischen Gesellschaft.

Das Solidaritätsprinzip hat auch etwas mit der sozialen Gerechtigkeit zu tun. Es geht darum die sozialen Verhältnisse in einer Gesellschaft so zu gestalten. Die kapitalistische Gesellschaft mit ihrer ungerechten Güterverteilung ist ein deutlicher Beweis dafür, dass soziale Gerechtigkeit eines der wichtigsten ethischen Prinzipien des Handelns in einer Gesellschaft, die solidarisch verstanden wird, ist.

Diese Solidarität ist ein Sozialprinzip der Gesellschaft; eine Grundlage, hinter die nicht mehr zurückgedacht werden kann. Für Pesch als Sozialökonom bedeutet dies, dass der Mensch in sein Recht als Subjekt und Ziel der Wirtschaft eingesetzt werden muss. Dies ist die Bedeutung des Solidarismus für die Ökonomie.

Daraus ergibt sich für den Solidarismus, dass es eine Menschheitsfamilie als gesellschaftliche Einheit gibt. Sie muss in eine rechtliche Ordnung gebracht werden. Solidarität als ethisches Prinzip gilt auch für die Weltfamilie. Der Solidarismus stellt Forderungen an die Weltgestaltung unter dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit.

Für den Solidarismus sind die beiden natürlichen Gesellschaften Familie und Staat von großer Bedeutung. Sie müssen rechtlich so ausgestattet werden, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können.

Interessant ist, dass Pesch auch den Ansatz des berufsständischen Systems vertritt. Darin sollen die Arbeiter zu einem eigenen Stand werden. Die Menschheit soll nicht geschichtet werden nach Klassen, sondern - wie eine kapitalistische Klassengesellschaft - nach Berufen. Hier steht Pesch durchaus in der Tradition von Franz von Baader.

Die Solidarität muss sich auch in der Wirtschaft, in der Sozialgesellschaftspolitik eines Landes äußern; nicht nur eines Landes, sondern weltweit. Es geht in einer solidarischen Gesellschaftspolitik darum, den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in freier Selbstständigkeit selbst zu helfen. Eine solidaristische Wirtschaftspolitik muss sich nicht nach dem Einkommen, zuerst nach dem Gewinn ausrichten, sondern nach den Bedürfnissen der Menschen.

Die Theorie des Solidarismus war ein Versuch aus der katholischen Soziallehre ein System zu machen. Von vielen wurde es auch so verstanden, durchsetzen konnte es sich nicht, wovon Oswald von Nell-Breuning glaubte, dass dies vor allem deshalb so war, weil das Wort Solidarität nie von dem Wesensgrund, ja von der Natur her verstanden wurde, sondern immer zuerst von einer moralischen Aufforderung. Die berufsständische Auffassung von Pesch war, schließlich eine Strukturierung der Gesellschaft, die in unserer Zeit nicht mehr angemessen ist. Andererseits hat in der Herausarbeitung des Solidaritätsprinzips als Grundstruktur gesellschaftlichen Seins und Handelns diese Theorie die Grundlage für die klassische Soziallehre gelegt. Dieses Solidaritätsprinzip hat weit über die katholische Soziallehre hinaus Anerkennung gefunden.

1.2 Prinzipien als Grundlage der christlichen Gesellschaftslehre

1.2.0 Hinführung zum Thema

1.2.0.1 Hinführung

Die klassischen Autoren dieser Prinzipienlehre, wenn man sie so nennen kann, sind Oswald von Nell-Breuning und Josef Höffner.

Oswald von Nell-Breuning war lange Professor für katholische Soziallehre an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen (siehe auch 2. Einheit, 4.5.1). Er steht in der Schule von Pesch (siehe Kapitel über Solidarismus 1.1). Als weiterer Autor ist hier zu nennen, er war ebenso wie Oswald von Nell-Breuning ein Schüler von Pesch, nämlich Gustav Gundlach.

Gustav Gundlach SJ wurde am 3.4.1892 in Geisenheim/Rheingau geboren. Er war Professor für Sozialphilosophie und -ethik an der Hochschule St. Georgen in Frankfurt, seit 1934 an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Maßgebend für ihn war, dass die menschliche Person Ursprung, Träger und Ziel allen gesellschaftlichen Lebens ist. Das Subsidiaritätsprinzip geht dem Inhalt nach auf ihn  zurück. Sein Entwurf einer Enzyklika gegen den Rassismus wurde nicht mehr veröffentlicht, da Pius XI. 1938 erkrankte. Danach war er bis 1958 Berater Pius XII. Er war Vertreter der paritätischen Mitbestimmung. Nach seiner Emeritierung übernahm er die Leitung der Kath. Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach. Er starb in Mönchengladbach am 23.6.1963.

Josef Höffner lebte von 1906 bis 1987. Er war von 1951 bis 1962 Professor für katholische Soziallehre in Münster und wurde 1962 Bischof von Münster, 1969 Erzbischof von Köln. Als solcher war er zugleich Kardinal; von 1976 bis 1987 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Es dürfte wohl kein erfolgreicheres Lehrbuch der katholischen Soziallehre geben als dieses.

1.2.0.2 Literatur und Internet

Als Lektüre sei empfohlen Oswald von Nell-Breuning, Gerechtigkeit und Freiheit, Grundzüge katholischer Soziallehre, Wien 1980; vor allem aber auch, da dieses Buch in einer überarbeiteten Fassung neu aufgelegt wurde, Josef Höffner, Christliche Gesellschaftslehre, 2. durchgesehene Auflage der Neuausgabe, Kevelaer 2000.

Zwischen der Auffassung von Oswald von Nell-Breuning und Josef Höffner gibt es einige nicht so bedeutsame Unterschiede. Der Klarheit halber sollte hier vor allem dem Buch gefolgt werden, was für die meisten noch zu erwerben ist, nämlich das Buch von Höffner zur christlichen Gesellschaftslehre. Es wird zur vertiefenden Lektüre empfohlen.

Im Internet finden Sie Beiträge zu diesem Thema unter:
< http://www.leuninger.de/sozial/gesch.htm#prinzipien >

1.2.1 Die prinzipienorientierte christliche Gesellschaftslehre

1.2.1.0 Vorbemerkung

Oswald von Nell-Breuning hat einmal die klassische Formulierung gebraucht, man könne sich die katholische Soziallehre auf den Daumennagel schreiben, nämlich: Personalität, Solidarität, Subsidiarität. Diese drei Prinzipien werden auch oft die im klassischen Sinne die Sozialprinzipien genannt. Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Im eigentlichen Sinne sind Sozialprinzipien von Nell-Breuning nur Solidarität und Subsidiarität. Beim Begriff der Personalität ist er mit der Anwendung des Wortes Sozialprinzip etwas vorsichtiger, weil dies mehr beinhaltet als ein Sozialprinzip und auch die Individualität mit einschließt. Im weiteren Sinne kann aber auch Personalität als ein Sozialprinzip bezeichnet werden. Darauf wird des weiteren näher eingegangen.

1.2.1.1 Christliche Gesellschaftslehre und wie arbeitet sie?

Die christliche Gesellschaftslehre gab es eigentlich zu allen Zeiten der Kirche, so z.B. in der Sklavenfrage und der Gehorsam, in dem Gehorsam gegenüber der staatlichen Autorität schon in der biblischen Zeit. Eine eigene Bedeutung hat sie aber mit der päpstlichen Sozialverkündigung ab 1891 "Rerum novarum" bekommen.

Höffner leitet aus der Gottesebenbildlichkeit, aus der Notwendigkeit, die durch den Sündenfall gestörte göttliche Ordnung des gesellschaftlichen Zusammenlebens wieder herzustellen; aus der Notwendigkeit zum unermüdlichen Einsatzes gegen Armut und Elend als christliche Pflicht, aus der Erneuerung der menschlichen Natur durch Jesus sein Konzept der christlichen Gesellschaftslehre ab. Die christliche Gesellschaftslehre lässt sich definieren: "... als das Gesamt der sozialphilosophischen (aus der wesenhaft veranlagten Menschennatur) und sozialtheologisch (aus der christlichen Heilsordnung) gewonnenen Erkenntnis über Wesen und Ordnung der menschlichen Gesellschaft und über die sich daraus ergebenden und auf die jeweiligen geschichtlichen Verhältnisse anzuwendenden Normen und Ordnungsaufgaben. (Höffner, Christliche Gesellschaftslehre Seite 23)"

Es geht also um die gottgewollte Ordnung in dieser Welt und das richtige Verständnis des Menschen und den Aufbau der Gesellschaft. Dabei werden in der Prinzipienlehre, die daraus erschlossen wird, mehr sozialphilosophische, d.h. aus der Vernunft erwachsende Argumente, hinzu kommen die aus der Offenbarung sich ergebenden theologischen Argumente sind in dieser Grundlegung der christlichen Gesellschaftslehre eher erhellend und vertiefend zu sehen.

1.2.1.2 Die Grundlagen der christlichen Gesellschaftslehre

Methodisch umfasst die christliche Gesellschaftslehre seinswissenschaftliche Bereiche, sei es die Ordnung der Gesellschaft der Menschen und der Dinge, wie sie aus ihrer Natur heraus entsteht. Sie ist zugleich aber auch eine normative Wissenschaft, die nicht nur die Erkenntnis über die tatsächliche Existenz erarbeiten will, sondern aus der von Gott zu Grunde gelegten Ordnung auch das Sein Sollen (das was die Norm an Handeln verlangt) erschließt, d.h. wie diese Gesellschaft geordnet werden soll. Sie hat also etwas mit Ethik (der Lehre vom Sein Sollen) zu tun.

Sie will aber auch Theologie sein im Sinne wie oben dargestellt. Diese Theologie führt z.B. dazu, besser zu verstehen, wie es mit der Schöpfung bestellt ist, wie das Verhältnis von Mann und Frau zu deuten ist, und die Erlösung, welche soziale Auswirkung die Sünde auf die tatsächliche Ordnung in der Gesellschaft hat. Dabei gewährt sie aber auch einen Ausblick auf Zielvorstellungen, wie sie in der Lehre vom Reich Gottes vertreten sind. Sie erfährt dadurch auch, dass es kein Paradies auf Erden geben wird. Gleichzeitig darf sie es aber nicht versäumen, "die Zeichen der Zeit" zu deuten, d.h. sie muss soziologische Erkenntnisse und Untersuchungen zur Kenntnis nehmen, wenn sie die Ordnung dieser Welt als ethische Wissenschaft mit gestalten will.

1.2.1.3 Die grundlegenden Prinzipien

1.2.1.3.1 Der Mensch als Sozialwesen, seine Personalität

Das Personalitätsprinzip

Die Personalität ist Grundlage und Voraussetzung für die soziale Wesensanlage des Menschen. Der Mensch ist nicht nur als Individuum zu verstehen, sondern er muss auch als Sozialwesen verstanden werden.

Er ist Individuum in seiner Einmaligkeit. Er wird in diesem Verständnis als Original geboren. Als zugleich vernunftbegabtes Wesen hat er Anteil am göttlichen Geist, überragt damit alle anderen Geschöpfe dieser Welt. Ganz wesentlich zu seiner Personalität gehört die Freiheit. Die Willensfreiheit entspringt der menschlichen Person. Sie schafft einen Freiraum zur Entscheidung. Dadurch wird der Mensch zum "Herr seiner selbst". Diese Freiheit und Entscheidungsmöglichkeit schafft die Voraussetzung für Verantwortung, aber auch für Schuld und Sühne. Deshalb kann sich der Mensch nie voll seiner Verantwortlichkeit entziehen und in Fremdverantwortlichkeit begeben; letztlich ist er vor sich und vor Gott immer selbst verantwortlich. Dies ist im Gewissen begründet. Der Anruf des Gewissens stammt letztlich von Gott, wobei wir auch erblindetes und fehlgeleitetes Gewissen kennen. Personalität besagt aber auch die Erfahrung, dass wir uns nicht selbst geschaffen haben, sondern Geschenkte sind. Daraus erwächst die Tugend der Dankbarkeit, vor allem aber auch gegen Gott.

Ganz wesentlich gehört zur Personalität die Bezogenheit auf den anderen. Der Mensch ist ein Sozialwesen. Es sind viele Beziehungen von seiner Natur her, aber auch von den geistig kulturellen Gegebenheiten auf die Mitmenschen angewiesen. Gerade diese Angewiesenheit, die aus seiner Freiheit erwächst, und einfach deshalb besteht, weil er in vielen Bereichen nicht instinktgebunden ist wie Tiere, braucht er lange, bis er in die Welt der Kultur hineinwächst, um die Bedeutsamkeit seiner Entscheidungen zu erfahren und zu verantworten. Er übernimmt im Prozess der Sozialisation die ihn umgebende Kultur, ist aber dann auch immer wieder beauftragt, sie für sich kritisch zu sichten und ggf. weiter zu entwickeln. Gerade diese Kulturbezogenheit macht deutlich, dass der Mensch ohne soziale Bezüge, auch im geistigen Bereich, nicht bestehen kann.

Die Triebkraft zur Geselligkeit regelnden Kräfte des Menschen, Geschlechtstrieb, Geltungstrieb, Nahrungstrieb usw. werden verstärkt und gesteuert durch das, was wir Nächstenliebe nennen, also die positive Einstellung zum Nächsten und zur Hilfsbereitschaft. Weil die Menschen so geistig miteinander verbunden sind, sind sie in der Lage soziale Tugenden, wie Nächstenliebe, Treue, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit zu entwickeln und eine Kultur darauf aufzubauen.

1.2.1.3.2 Die Sozialprinzipien

a. Das Solidaritätsprinzip

Es gibt im Leben der Gesellschaft Ordnungsgesetze. Das erste ist das Solidaritätsprinzip. Es wurde schon weiter oben dargestellt (1.1.2 Solidarität als Grundlage des Solidarismus). Es wurde ja von Heinrich Pesch und seinen Schülern Gustav Gundlach und Oswald von Nell-Breuning ausgearbeitet.

Der Mensch als ein soziales Wesen ist auf die Gesellschaft grundsätzlich bezogen. Die Solidarität bringt zum Ausdruck, dass es eine Gesamtverantwortung gibt. Jede Person ist an das Ganze gebunden, umgekehrt lebt das Ganze aber von den Personen.

In der Enzyklika SOLLICITUDO REI SOCIALIS (SCR) von Papst Johannes Paul II. zwanzig Jahre nach der Enzyklika Populorum Progressio, vom 30. Dezember 1987 wird der Begriff der Solidarität, entfaltet auf die Entwicklungshilfe dargestellt:

„ 38...Auf dem Wege zur ersehnten Umkehr und zur Überwindung der moralischen Hindernisse für die Entwicklung kann man bereits das wachsende Bewußtsein der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Menschen und den Nationen als positiven und moralischen Wert hervorheben. Daß Männer und Frauen in verschiedenen Teilen der Welt Ungerechtigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte, begangen in fernen Ländern die sie vielleicht niemals besuchen werden, als ihnen selbst zugefügt empfinden, ist ein weiteres Zeichen einer Wirklichkeit, die sich in Gewissen verwandelt hat und so eine moralische Qualität erhält. Vor allem die Tatsache der gegenseitigen Abhängigkeit wird als entscheidendes System von Beziehungen in der heutigen Welt mit seinen wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und religiösen Faktoren verstanden und als moralische Kategorie angenommen. Wenn die gegenseitige Abhängigkeit in diesem Sinne anerkannt wird, ist die ihr entsprechende Antwort als moralisches und soziales Verhalten, als "Tugend" also, die Solidarität. Diese ist nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das "Gemeinwohl" einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind. (Kennzeichnung durch den Verfasser der Einheit). Eine solche Entschlossenheit gründet in der festen Überzeugung, daß gerade jene Gier nach Profit und jener Durst nach Macht, von denen bereits gesprochen wurde, es sind, die den Weg zur vollen Entwicklung aufhalten. Diese Haltungen und "Strukturen der Sünde" überwindet man nur - neben der notwendigen Hilfe der göttlichen Gnade mit einer völlig entgegengesetzten Haltung mit dem Einsatz für das Wohl des Nächsten zusammen mit der Bereitschaft, sich im Sinne des Evangeliums für den anderen zu "verlieren", anstatt ihn auszubeuten, und ihm zu "dienen", anstatt ihn um des eigenen Vorteils willen zu unterdrücken (vgl. Mt 10, 40-42; 20, 25; Mk 10, 42-45; Lk 22, 25-27).

39. Die Übung von Solidarität im Innern einer jeden Gesellschaft hat ihren Wert, wenn sich ihre verschiedenen Mitglieder gegenseitig als Personen anerkennen. Diejenigen, die am meisten Einfluß haben weil sie über eine (größere Anzahl von Gütern und Dienstleistungen verfügen sollen sich verantwortlich für die Schwächsten fühlen und bereit sein, Anteil an ihrem Besitz zu geben. Auf derselben Linie von Solidarität sollten die Schwächsten ihrerseits keine rein passive oder gesellschaftsfeindliche Haltung einnehmen, sondern selbst tun, was ihnen zukommt wobei sie durchaus auch ihre legitimen Rechte einfordern. Die Gruppen der Mittelschicht ihrerseits sollten nicht in egoistischer Weise auf ihrem Eigenvorteil bestehen, sondern auch die Interessen der anderen beachten.

Positive Zeichen in der heutigen Welt sind das wachsende Bewußtsein für die Solidarität der Armen untereinander, ihre Initiativen gegenseitiger Hilfe, die öffentlichen Kundgebungen im gesellschaftlichen Leben, wobei sie nicht zu Gewalt greifen, sondern die eigenen Bedürfnisse und ihre Rechte angesichts von Unwirksamkeit oder Korruption staatlicher Stellen deutlich machen. Kraft ihres Auftrages aus dem Evangelium fühlt sich die Kirche an die Seite der Armen gerufen. um die ~ und zu deren Erfüllung beizutragen, ohne den Blick für das Wohl der einzelnen Gruppen im Rahmen des Gemeinwohls aller zu verlieren.

Derselbe Maßstab wird analogerweise auf die internationalen Beziehungen angewandt. Die wechselseitige Abhängigkeit muß sich in eine Solidarität verwandeln, die auf dem Prinzip gründet, daß die Güter der Schöpfung für alle bestimmt sind: Was menschlicher Fleiß durch Verarbeitung von Rohstoffen und Arbeitsleistung hervorbringt, muß dem Wohl aller in gleicher Weise dienen.„

aa Was ist Gesellschaft?

Es gibt eine große Diskussion darüber, was eigentlich Gesellschaft sei. Sie wird abgesetzt von der Gemeinschaft, die mir vom emotionalen Wesen des Menschen her geprägt ist, wie die Gesellschaft, die mehr von der Wahl her zu bestimmen ist. Die Familien werden in diesem Sinne als primäre Gemeinschaften betrachtet, alle anderen als sekundäre bezeichnet.

Die katholische Soziallehre hat sich um diese Diskussion weniger gekümmert. Für sie zählt der Begriff der Gesellschaft der lateinisch als "societas" gekennzeichnet wird. Von Höffner wird Gesellschaft wie folgt definiert: "Gesellschaft bezeichnet - in weitem Sinn - jede Form dauernder Verbundenheit von Menschen, die einen Wert (ein Ziel) gemeinsam zu verwirklichen trachten." (Höffner, Christliche Gesellschaftslehre Seite 40).

So ist die Familie eine Gesellschaft, der Staat ist Gesellschaft und ebenso die Gesamtgesellschaft. Familie, Kirche und Staat gehören aber in diese Gesamtgesellschaft. Gesellschaft kann vieles bezeichnen, die Gesellschaft einer Religion, eines Staates oder überregional bis hin zur Weltgesellschaft. Es kommt auf den Zusammenhang an, in dem das Wort gebraucht wird.

b Das Gemeinwohlprinzip

Wie schon in der Antike festgestellt, ist der Mensch ein "ens sociale", ein Gemeinschaftswesen. Wie aber ist das Verhältnis der Menschen zueinander?

In der abendländischen Tradition ist in mehr als zweitausend von Jahren versucht worden, das Verhältnis des Einzelmenschen zur Gesellschaft mit dem Vergleich zum Organismus zu deuten. Bekannt geworden ist Menenius Agrippa im 5. Jahrhundert vor Christus, der die Reichen und Armen in Rom (Patrizier und Plebejer) durch die Fabel versöhnt hat, dass die Glieder des Leibes einander zu dienen haben, und wenn ein Glied nicht mitmacht, dann leidet der ganze Leib und auch dieses Glied. Auch Thomas von Aquin nennt die Gesellschaft "gleichsam ein Leib". Ein Zeitgenosse nannte den Staat sogar einen "mystischen Leib".

Paulus hat die Idee vom Organismus auf die Kirche angewandt. Er spricht von "Leib Christi". Als Beispiel sei hier die Stelle aus dem

1 Korintherbrief Kapitel 12, 12-27 aufgeführt:

"12 Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus. 13 Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. 14 Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern.

15 Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. 16 Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. 17 Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn?

18 Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. 19 Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? 20 So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. 21 Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. 22 Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich.

23 Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir um so mehr Ehre, und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit mehr Anstand, 24 während die anständigen das nicht nötig haben.

Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringsten Glied mehr Ehre zukommen ließ, 25 damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen. 26 Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm. 27 Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm."

Weiter Texte dazu stehen im Römerbrief 12,4 - 8 und im Epheserbrief 5,21 - 33.

In den ersten beiden Stellen vergleicht er die Kirche mit einem organisch gegliederten Leib, im Epheserbrief wird dieser Leib der Leib Christi genannt, dessen Haupt Christus ist.

Höffner betont aber auch ausdrücklich, dass es sich hier nur um eine Analogie, ein Bild handelt und dass nicht alle Einzelheiten dieses Bildes nun auf die Gesellschaft übertragen werden dürfen, wie z.B. die Frage, wer nun die unterschiedlichen Körperteile seien. Dieses Bild wolle nur eine individualistische Gesellschaftsauffassung zurückweisen und das Gemeinwohlprinzip deutlich herausarbeiten.

1.      Der Organismus bleibt bestehen, während die einzelnen Zellen vergehen. So ist es auch in der Gesellschaft. Die Gesellschaft bleibt bestehen, während ihre einzelnen Glieder vergehen.

2.      Die Teile eines Organismus, wie z.B. Blätter und Äste, bilden keine Summe nicht aufeinander bezogene Einzeldinge. Sie stehen im Dienst des Ganzen. So sind die Glieder einer Gesellschaft keine isolierten Individuen, sondern eine geistige Einheit und dienen dem Ganzen.

3.      Die Organismen lassen die Glieder nicht verkümmern, sondern ernähren und erhalten sie. Nur in der äußersten Not wird ein Glied geopfert um das Ganze zu retten. Das gilt auch von der Gesellschaft, dass die Glieder füreinander zu sorgen haben. Das verlangt aber auch, dass der einzelne Bürger sich für das Gemeinwesen einsetzt.

Jedes Sozialgebilde hat sein besonderes Gemeinwohl. Das gilt von einer Familie, einer Stadt, einer Gruppe und vielen anderen. Das eigentliche Gemeinwohl ist für Höffner das Gemeinwohl des Staates. Er definiert das wie folgt: "... Es ist das Gesamt der Einrichtungen und Zustände, die es dem einzelnen Menschen und den kleineren Lebenskreisen ermöglichen, im geordneten Zusammenwirken ihrer gottgewollten Sinnerfüllung (der Entfaltung der Persönlichkeit und dem Aufbau der Kulturbereiche) anzustreben." (Höffner, Christliche Gesellschaftslehre Seite 52)

In unserer heutigen Zeit weitet sich dieser Gedanke weltweit aus, so im Zweiten. Vatikanisches Konzil die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute "Gaudium et spes" von 1965.

"Die Förderung des Gemeinwohls

26. Aus der immer engeren und allmählich die ganze Welt erfassenden gegenseitigen Abhängigkeit ergibt sich als Folge, daß das Gemeinwohl, d. h. die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung ermöglichen, heute mehr und mehr einen weltweiten Umfang annimmt und deshalb auch Rechte und Pflichten in sich begreift, die die ganze Menschheit betreffen. Jede Gruppe muß den Bedürfnissen und berechtigten Ansprüchen anderer Gruppen, ja dem Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie Rechnung tragen. Gleichzeitig wächst auch das Bewußtsein der erhabenen Würde, die der menschlichen Person zukommt, da sie die ganze Dingwelt überragt und Träger allgemeingültiger sowie unverletzlicher Rechte und Pflichten ist. Es muß also alles dem Menschen zugänglich gemacht werden, was er für ein wirklich menschliches Leben braucht, wie Nahrung, Kleidung und Wohnung, sodann das Recht auf eine freie Wahl des Lebensstandes und auf Familiengründung, auf Erziehung, Arbeit, guten Ruf, Ehre und auf geziemende Information; ferner das Recht zum Handeln nach der rechten Norm seines Gewissens, das Recht auf Schutz seiner privaten Sphäre und auf die rechte Freiheit auch in religiösen Dingen. Die gesellschaftliche Ordnung und ihre Entwicklung müssen sich dauernd am Wohl der Personen orientieren; denn die Ordnung der Dinge muß der Ordnung der Personen dienstbar werden und nicht umgekehrt. So deutete der Herr selbst es an, als er sagte, der Sabbat sei um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Sabbats willen. Die gesellschaftliche Ordnung muß sich ständig weiterentwickeln, muß in Wahrheit gegründet, in Gerechtigkeit aufgebaut und von Liebe beseelt werden und muß in Freiheit ein immer humaneres Gleichgewicht finden7, Um dies zu verwirklichen, sind Gesinnungswandel und weitreichende Änderungen in der Gesellschaft selbst notwendig. Der Geist Gottes, dessen. wunderbare Vorsehung den Lauf der Zeiten leitet und das Antlitz der Erde erneuert, steht dieser Entwicklung bei. Der Sauerteig des Evangeliums hat im Herzen des Menschen den unbezwingbaren Anspruch auf Würde erweckt und erweckt ihn auch weiter."

Insofern das Gemeinwohl allen dient, hat sich das Einzelwohl unterzuordnen. Auf der anderen Seite darf aber das Gemeinwohl die Person und ihre Freiheit und Würde nicht missbrauchen. Es ist dazu da, dass alle Personen zu ihrer besten möglichen Entfaltung kommen. Auch das Gemeinwohl darf den Menschen nicht völlig beschlagnahmen, so darf ein Betrieb den Menschen nur als Belegschaftsmitglied sehen, aber es darf nicht den "totalen" Betrieb geben. Im Staat ist der Mensch Staatsbürger und kann nicht vom Staat völlig vereinnahmt werden. Das wäre dann der "totale Staat". Ziel von Sozialität ist die volle Entfaltung der Personalität.

Das Gemeinwohl bedarf zu seiner Realisierung einer Autorität. Diese muss sich aber auf der verbindlichen Anerkennung der Menschenwürde aufbauen. Wenn dies nicht anerkannt wird, dann triumphiert die Macht. Eine Demokratie, die die Menschenwürde nicht anerkennt, verwandelt sich sehr schnell, wie die Geschichte es lehrt in einen hinterhältigen Totalitarismus. Auch der Fundamentalismus achtet nicht die Menschenwürde. Die Kirche weiß sich dem System der Demokratie verpflichtet, das am besten das Gemeinwohl für alle achtet. Hier hat die Soziallehre auch eine Entwicklung mitgemacht, denn ursprünglich hat sich nicht zur Staatsform geäußert. Die schlimmen Erfahrungen gerade des 20. Jahrhunderts haben diese deutliche Aussage zur Demokratie herausgefordert.

Die Enzyklika CENTESIMUS ANNUS von Papst Johannes Paul II. zum hundertsten Jahrestag von RERUM NOVARUM am 1. Mai 1991 sagt dazu:

"46. Die Kirche weiß das System der Demokratie zu schätzen, insoweit es die Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen sicherstellt und den Regierten die Möglichkeit garantiert, sowohl ihre Regierungen zu wählen und zu kontrollieren als auch dort, wo es sich als notwendig erweist, sie auf friedliche Weise zu ersetzen. Sie kann daher nicht die Bildung schmaler Führungsgruppen billigen, die aus Sonderinteressen oder aus ideologischen Absichten die Staatsmacht an sich reißen.

Eine wahre Demokratie ist nur in einem Rechtsstaat und auf der Grundlage einer richtigen Auffassung vom Menschen möglich. Sie erfordert die Erstellung der notwendigen Vorbedingungen für die Förderung sowohl der einzelnen Menschen durch die Erziehung und die Heranbildung zu den echten Idealen als auch der "Subjektivität" der Gesellschaft durch die Schaffung von Strukturen der Beteiligung und Mitverantwortung. Heute neigt man zu der Behauptung, der Agnostizismus und der skeptische Relativismus seien die Philosophie und die Grundhaltung, die den demokratischen politischen Formen entsprechen. Und alle, die überzeugt sind, die Wahrheit zu kennen, und an ihr festhalten, seien vom demokratischen Standpunkt her nicht vertrauenswürdig, weil sie nicht akzeptieren, daß die Wahrheit von der Mehrheit bestimmt werde bzw. je nach dem unterschiedlichen politischen Gleichgewicht schwanke. In diesem Zusammenhang muß gesagt werden, daß dann, wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke missbraucht werden können. Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus.

Die Kirche verschließt auch nicht die Augen vor der Gefahr des Fanatismus oder Fundamentalismus derer, die glauben, im Namen einer angeblich wissenschaftlichen oder religiösen Ideologie den anderen Menschen ihre Auffassung von dem, was wahr und gut ist, aufzwingen zu können. Die christliche Wahrheit ist nicht von dieser Art. Der christliche Glaube, der keine Ideologie ist, maßt sich nicht an, die bunte sozio-politische Wirklichkeit in ein strenges Schema einzuzwängen. Er anerkennt, daß sich das Leben des Menschen in der Geschichte unter verschiedenen und nicht immer vollkommenen Bedingungen verwirklicht. Darum gehört zum Vorgehen der Kirche, die stets die transzendente Würde der Person beteuert, die Achtung der Freiheit."

Die Autorität ist durch das Gemeinwohl begründet und dient dem Gemeinwohl. Diese Autorität wird als gottgegeben betrachtet, ist aber nicht von Irrtum frei. Deshalb bedarf sie der Grund-rolle und der Kritik durch die Parlamente, die Gerichte und die öffentliche Meinung. Dazu gehört auch ganz wesentlich das Wahlrecht der Bürger. Am besten ist das Gemeinwohl in einer Demokratie aufgehoben.

c Das Subsidiaritätsprinzip

An sich kommt das Wort aus der lateinischen Militärsprache. Es hat etwas mit "subsidium" zu tun, die Kohorten im subsidium waren die Reserve. Übertragen auf die zivile Gesellschaft bedeutet dies, dass Subsidiarität eine Hilfe und ein ergänzendes Eingreifen der größeren sozialen Gebilde zu Gunsten des einzelnen Menschen oder kleinerer Sozialgebilde ist. Die gegenseitige Hilfe ist dem Solidaritätsprinzip zuzuordnen. Das Subsidiaritätsprinzip klärt die Zuständigkeiten, wer für welche Hilfe zuständig ist und wie sie zu geschehen hat.

Die klassische Definition des Subsidiaritätsprinzip steht in der Enzyklika "Quadragesimo anno" Nr. 79 - 80.

"79. Wenn es nämlich auch zutrifft, was ja die Geschichte deutlich bestätigt, daß unter den veränderten Verhältnissen manche Aufgaben, die früher leicht von kleineren Gemeinwesen geleistet wurden, nur mehr von großen bewältigt werden können, so muß doch allzeit unverrückbar jener höchst gewichtige sozialphilosophische Grundsatz fest gehalten werden, andern nicht zu rütteln noch zu deuteln ist: wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.

80. Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung, die nur zur Abhaltung von wichtigeren Aufgaben führen müßten, soll die Staatsgewalt also den kleineren Gemeinwesen überlassen. Sie selbst steht dadurch nur um so freier, stärker und schlagfertiger da für diejenigen Aufgaben, die in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, weil sie allein ihnen gewachsen ist: durch Leitung, Überwachung, Nachdruck und Zügelung, je nach Umständen und Erfordernis. Darum mögen die staatlichen Machthaber sich überzeugt halten: je besser durch strenge Beobachtung des Prinzips der Subsidiarität die Stufenordnung der verschiedenen Vergesellschaftungen innegehalten wird, um so stärker stehen gesellschaftliche Autorität und gesellschaftliche Wirkkraft da, um so besser und glücklicher ist es auch um den Staat bestellt."

Es wird auch im anderen Zusammenhang Hilfe zur Selbsthilfe genannt.

Das Subsidiaritätsprinzip verträgt sich nicht mit einer zentralistischen Staatsgewalt. Ketteler schreibt: "Meine Ansicht geht von dem einfachen Satz aus, dass jedes Individuum seine Rechte, die es selbst ausüben kann, auch selbst ausüben darf. Der Staat ist mir keine Maschine, sondern ein lebendiger Organismus mit lebendigen Gliedern, in dem jedes Glied sein eigenes Recht, seine eigene Funktion hat, sein eigenes freies Leben gestaltet. Solche Glieder sind mir das Individuum, die Familie, die Gemeinde usw. Jedes niedere Glied bewegt sich frei in seiner Sphäre und genießt das Recht der freiesten Selbstbestimmung und Selbstregierung. Erst wo das niedere Glied dieses Organismus nicht mehr im Stand ist, seine Zwecke selbst zu erreichen oder die seiner Entwicklung drohende Gefahr selbst abzuwenden, tritt das höhere Glied in Wirksamkeit." (Anmerkung: Kettelers Schriften I 403; II, 21, 162)

Die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „Gaudium et spes" 1965 macht deutlich, dass dieses Prinzip auch für die internationale Zusammenarbeit gilt.

"Einige praktische Normen

86. Für diese Zusammenarbeit scheinen folgende Normen nützlich zu sein:

a) Den Völkern der Entwicklungsländer muß sehr daran gelegen sein, als Ziel des Fortschritts ausdrücklich und entschieden die volle menschliche Entfaltung ihrer Bürger zu erstreben. Sie sollen daran denken, daß der Fortschritt vor allem aus der Arbeit und den Fähigkeiten der Völker selbst entspringt und sich steigert und sich nicht allein auf fremde Hilfe, sondern vor allem auf die volle Erschließung der eigenen Hilfsquellen und ihren Ausbau entsprechend den eigenen Fähigkeiten und Traditionen stützen muß. Hier sollen jene Völker mit gutem Beispiel vorangehen, die größeren Einfluß auf andere haben.

b) Es ist eine schwere Verpflichtung der hochentwickelten Länder, den aufstrebenden Völkern bei der Erfüllung der genannten Aufgaben zu helfen. Darum sollen sie bei sich selbst die geistigen und materiellen Anpassungen durchführen, die zur Organisation dieser weltweiten Zusammenarbeit erforderlich sind. So sollen sie beim Handel mit den schwächeren und ärmeren Nationen deren Wohl bewußt berücksichtigen. Denn diese brauchen den Erlös aus dem Verkauf ihrer Erzeugnisse zum eigenen Unterhalt.

c) Aufgabe der internationalen Gemeinschaft ist es, die wirtschaftliche Entwicklung zu ordnen und ihr Anreize zu geben, jedoch so, daß die dafür bestimmten Mittel so wirksam und gerecht wie möglich vergeben werden. Sache dieser Gemeinschaft ist es auch, unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips die wirtschaftlichen Verhältnisse weltweit so zu ordnen, daß sie sich nach der Norm der Gerechtigkeit entwickeln. Es sollen geeignete Institutionen zur Förderung und Ordnung des internationalen Handels gegründet werden, vor allem mit den weniger entwickelten Nationen, und zwar zum Ausgleich der Unzuträglichkeit, die sich aus den allzu großen Machtunterschieden zwischen den Völkern ergeben. Solche ordnende Maßnahmen in Verbindung mit technischer, kultureller und finanzieller Unterstützung sollen den aufstrebenden Nationen die notwendigen Hilfen gewähren, damit sie ein entsprechendes Wachstum ihrer Wirtschaft erreichen können."

1.2.1.3.3 Die Norm des Gesellschaftslebens ist das Recht

Die klassische christliche Gesellschaftslehre vertritt als Grundlage das Recht auf der Basis des Naturrechts. Dazu wurde weiter oben schon unter grundsätzlich ausgeführt (1.1.1 Der Solidarismus, ein naturrechtlich begründetes System). Das Naturrecht ist ein Teil des natürlichen Sittengesetzes, das vom Schöpfer selbst als ewiges Gesetz begründet wurde und verpflichtet im Gewissen. Das menschliche Recht kann nicht alles klären und alles verbieten, sondern muss nur dieses klären und gegebenenfalls verbieten, was zum Überleben und gutem Leben der Gesellschaft notwendig ist. Im allgemeinen belässt es das menschliche Gesetz auch bei der Durchsetzung der äußeren Erfüllung der Vorschrift ohne nach der Gesinnung zu fragen. Wobei die Gesinnung im Strafrecht in der Frage nach Beweggrund und Schuld nicht ausgeklammert werden kann.

Im Naturrecht wir unterschieden zwischen primären (1. Ordnung) Naturrecht, das unabhängig vom Sündenfall gilt) und im sekundären (2. Ordnung) Naturrecht, das den Zustand der gefallenen Natur voraussetzt. Es macht die gefallene Welt lebensfähig. Das Recht auf Leben ist ein primäres Naturrecht. Eigentum zum Beispiel ist ein sekundäres Naturrecht. Die Schöpfung steht zuerst einmal allen Menschen zur Verfügung, aber da in der jetzigen Situation des gefallenen Menschen es zu einem Kampf auf Hauen und Stechen um das Eigentum käme und nur die Starken Eigentum besitzen würden, gibt es das Eigentumsrecht. Es muss aber bewusst bleiben, dass die Schöpfung grundsätzlich für alle da ist. Dieses sekundäre Naturrecht wird auch „ius gentium„ (Recht der Völker) genannt.

Gesetze, die das primäre Naturrecht verletzten sind ungültig und dürfen nicht befolgt werden. Der Befehl zum Völkermord an den Juden war ein solcher Eingriff ins primäre Naturrecht und durfte nicht befolgt werden. Darin liegt auch die Stärke des Naturrechts, dass es letzte Bastionen der Menschenwürde verteidigt.

Eines ist der Inhalt des geschriebenen Rechts, ein anderes das Leben nach diesem Recht. Es geht in der Lehre der Philosophie und Theologie in dieser Frage um den Begriff der Tugend.

Die Tugend ist nach Thomas von Aquin die sittliche Haltung: „...kraft deren eines standhaften und beharrlichen Willens jedem sein Recht gewährt.(Summa theologica II-II,58,1).„ Sie ist eine der vier Kardinaltugenden (grundlegenden Tugenden – "cardo" kommt von Türangel) Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß.

Gerechtigkeit ist zuerst einmal "jedem das Seine zu geben" (So von Ulpian, Justizministers des Römischen Reiches ermordet 228 und durch Thomas von Aquin übernommen).

Die Gerechtigkeit wird unterteilt in „Legalgerechtigkeit„ (iustitia legalis), es geht um die Gerechtigkeit der Gesetze, die den Staat zum Erlass von gerechten Gesetzen und den Bürger zur Erfüllung derselben verpflichtet. Die Gerechtigkeit der Gesetze ist im Gemeinwohl begründet. Diese Gerechtigkeit hat aber auch etwas mit dem Verständnis zu tun, dass der eigentliche Souverän der Bürger ist. Der Bürger trägt die letzte Verantwortung für diese Gerechtigkeit.

Die Tauschgerechtigkeit (kommunitativa) regelt den Umgang von Personen miteinander. Sie kommt vor allem in der Preisgerechtigkeit, dem Arbeitsvertragsrecht, dem Versicherungswesen und auch dem Verkehrswesen vor.

Hinzu kommen die verteilende (distributiva) Gerechtigkeit, diese hat im Verhältnis von Bürgern zum Gemeinwesen zu gelten. Sie soll den Steuergesetzen( ???) zu Grunde liegen und sorgen, dass jeder Bürger sich geistig-sittlich entfalten kann.

Die soziale Gerechtigkeit kommt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts dazu (2.3.2.5. Die Entfaltung des Gerechtigkeitsbegriffes in der katholischen Soziallehre bis hin zur sozialen Gerechtigkeit). Als erster benutzte den Begriff der "sozialen Gerechtigkeit" der sizilianische Priester Taparelli d´Azeglio 1840. Pius XI. schreibt 1931 in "Quadragesimo anno":

"88...Höhere und edlere Kräfte müssen es sein, die die wirtschaftliche Macht in strenge und weise Zucht nehmen: die soziale Gerechtigkeit und die soziale Liebe! Darum müssen die staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen ganz und gar von dieser Gerechtigkeit durchwaltet sein;"

Basierend auf dieser Enzyklika führt Höffner (Christliche Gesellschaftslehre Seite 84 f) aus, dass soziale Liebe wichtig ist, um die Herzen zueinander zu führen, aber nicht der Ersatz für soziale Gerechtigkeit sein kann:

"§3 Soziale Gerechtigkeit und soziale Liebe

1. Gerechtigkeit und Liebe schließen einander nicht aus, sondern sichern erst in ihrer Verbundenheit den Bestand und die Entfaltung der menschlichen Gesellschaft. "Beide sind Ausstrahlungen desselben Gottesgeistes, Programm und Siegel der Würde des Menschengeistes. Beide ergänzen sich gegenseitig, wirken zusammen, beleben und stützen sich, reichen sich die Hand auf dem Weg zu Eintracht und Frieden" (Pius XII.). Das Recht hat etwas Hartes und Trennendes an sich; es ist unabhängig von Gefühl und Neigung. Mithin kann die Gerechtigkeit, "so treu sie auch immer geübt werde, ... nur den Streitstoff sozialer Konflikte aus der Welt schaffen; die Herzen innerlich zu verbinden vermag sie nicht". Sozialer Friede und Zusammenarbeit unter den Menschen setzen "innere Gesinnungsverbundenheit" voraus, was nicht heißt, daß die Liebe ein Ersatz für geschuldete, aber versagte Gerechtigkeit" sein könne (QA 137). Der Arbeiter hat es "nicht nötig, das als Almosen anzunehmen, was ihm nach der Gerechtigkeit gebührt; noch kann man versuchen, sich von den schweren, durch die Gerechtigkeit auferlegten Pflichten mit kleinen Gaben der Barmherzigkeit loszukaufen"

Letztlich bleibt immer die Frage, was denn Gerechtigkeit inhaltlich sei. Deckt sie jede Eigentumsordnung ab? Das kann nicht sein, sonst könnte es keine christliche Gesellschaftslehre geben. Auch andere haben sich darüber Gedanken gemacht.

Der Rechtsphilosoph John Rawls hat 1971 „eine Theorie der Gerechtigkeit“ entwickelt. Er erwartet, dass Besitz- und Einkommensunterscheide einsichtig gemacht werden können aus ihrer Bedeutung für die Gesellschaft. Grundsätzlich müsse weiterhin jedem der Zugang zu allen Einkommensmöglichkeiten offen sein. Eine wahrhaft gerechte Gesellschaftsordnung wäre nach Rawls eine solche, der jedes Mitglied zustimmen könnte, auch wenn es über seine eigene Stellung in dieser Gesellschaft noch nichts wüsste.

Gaudium et spes (Pastoralkonstitution 1965) versucht auch eine Antwort, wohl wissend, dass es eine völlige Gerechtigkeit hier auf dieser Welt nicht geben wird, dass aber die gesellschaftlichen Verhältnisse auf mehr Gerechtigkeit immer überprüft werden müssen.

"Abbau übergroßer sozialökonomischer Unterschiede

66. Um den Erfordernissen von Gerechtigkeit und Billigkeit Genüge zu tun, müssen ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um - unbeschadet der Rechte der menschlichen Person und der besonderen Veranlagung jedes einzelnen Volkes - die übergroßen und noch weiter zunehmenden Ungleichheiten der wirtschaftlichen Lage und die damit Hand in Hand gehende persönliche und soziale Diskriminierung möglichst rasch abzubauen."

1.2.1.3.4 Das Prinzip der Nachhaltigkeit

Heute müssen die Sozialprinzipien durch das Prinzip der Nachhaltigkeit ergänzt werden. Im Sozial- und Wirtschaftwort der Kirchen wird dazu ausgeführt:

"3.3.5  Nachhaltigkeit

(122) Die Solidarität bezieht sich nicht nur auf die gegenwärtige Generation; sie schließt die Verantwortung für die kommenden Generationen ein. Die gegenwärtige Generation darf nicht auf Kosten der Kinder und Kindeskinder wirtschaften, die Ressourcen verbrauchen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft aushöhlen, Schulden machen und die Umwelt belasten. Auch die künftigen Generationen haben das Recht, in einer intakten Umwelt zu leben und deren Ressourcen in Anspruch zu nehmen. Diese Maxime versucht man neuerdings mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit und der Forderung nach einer nachhaltigen, d. h. einer dauerhaften und zukunftsfähigen Entwicklung auszudrücken.

(123) Die Zielperspektive der Nachhaltigkeit schließt vor allem die Verantwortung für die Schöpfung ein. Im biblischen Denken ist diese Dimension der Verantwortung darin begründet, daß der Mensch Geschöpf unter Mitgeschöpfen ist (Gen/1. Mos 1-2; Ps 8; 104). Er ist in eine Schicksalsgemeinschaft mit allen Geschöpfen eingebunden. Es kommt ihm eine besondere Verantwortung für die übrige Schöpfung zu. Er soll die Erde bebauen und bewahren (Gen/1. Mos 2,15), d. h. sie kultivieren und zu einem bewohnbaren Lebensraum gestalten und sie als solchen bewahren. Die besondere Stellung des Menschen begründet kein Recht zu einem willkürlichen und ausbeuterischen Umgang mit der nicht-menschlichen Schöpfung. Vielmehr nimmt sie den Menschen in die Pflicht, als Sachwalter Gottes für die geschöpfliche Welt einzustehen, ihr mit Ehrfurcht zu begegnen und schonend, haushälterisch und bewahrend mit ihr umzugehen.

(124) In manchen biblischen Texten kommt zum Ausdruck, daß Heil oder Unheil der Menschen und Frieden oder Unfrieden zwischen ihnen zugleich Harmonie oder Zerstörung, Frieden oder Unfrieden für Pflanzen und Tiere wie für die gesamte Natur bedeuten. Darauf will schon die Erzählung von der Sintflut und von Gottes Bund mit Noah (Gen/ 1. Mos 6-9) wie die prophetische Vision von einem messianischen Friedensreich (Jes 11,1-9) hindeuten. Nach Paulus liegt die gesamte Schöpfung in We­hen und harrt auf das Offenbarwerden der Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes (Röm 8,20-22). Auch wenn solche biblischen Aussagen kein ökologisches Ethos im modernen Sinn enthalten, so weisen sie doch auf eine umfassende Vernetzung aller Wirklichkeitsbereiche hin. Eine menschliche Gesellschaft kann nur dann zukunftsfähig sein, wenn sie diesem ökologischen Gesamtzusammenhang Rechnung trägt.

(125) Die christliche Soziallehre muß künftig mehr als bisher das Bewußtsein von der Vernetzung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Problematik wecken. Sie muß den Grundgedanken der Bewahrung der Schöpfung mit dem einer Weltgestaltung verbinden, welche der Ein­bindung aller gesellschaftlichen Prozesse in das - allem menschlichen Tun vorgegebene - umgreifende Netzwerk der Natur Rechnung trägt. Nur so können die Menschen ihrer Verantwortung für die nachfolgenden Generationen gerecht werden. Eben dies will der Leitbegriff einer nachhaltigen, d. h. dauerhaft umweltgerechten Entwicklung zum Ausdruck bringen."

1.3 Perspektiven dieses Ansatzes und der andere Weg der evangelischen Sozialethik

1.3.1 Perspektiven des naturrechtlichen Ansatzes

Das naturrechtliche Denken hat eine lange Tradition, das bis in die Antike zurückreicht. In der Philosophie des Mittelalters wurde es intensiv weiterbetrieben. Im naturrechtlichen Denken der Rechtsphilosophen der Neuzeit ist es die Grundlage für die Verknüpfung der Menschenwürde mit der Person des Menschen. Der Mensch hat nicht deshalb eine Würde, weil das Staatsoberhaupt ihm diese gibt, sondern weil dies in seiner unveräußerlichen Natur von Gott begründet ist. Hier war auch die katholische Widerständigkeit gegen die modernen Diktaturen mitbegründet.

In der katholischen Soziallehre hat es zur Entwicklung und Entfaltung der Begriffe der Personalität, Solidarität und Subsidiarität geführt. Hinzu kam noch der Begriff der sozialen Gerechtigkeit. Gerade Subsidiarität und soziale Gerechtigkeit sind eigene katholische Entwicklungen. Diese Grundprinzipien sind aus der heutigen gesellschaftlichen Diskussion nicht mehr wegzudenken. Da liegt die große Bedeutung dieses Denkens.

Es war auch weiterhin in der Lage, sich philosophisch auszudrücken und damit über den Bereich der gläubigen Christen hinaus verstanden zu werden. Dies ist auch geschehen, wenn man sieht, wo über die Verwirklichung der Grundprinzipien heute nachgedacht wird.

Die Grenzen bestehen vor allem dem philosophischen Ansatz, der heute so nicht nachvollzogen werden kann. Neuere Erkenntnisse z.B. auch in der Gehirnforschung stellen Fragen, wie es mit der Fähigkeit der menschlichen Erkenntnis überhaupt bestellt ist, wie unser Gehirn verändernd mit dem Außenmaterial umgeht. Die naturrechtliche Begründung in der Soziallehre führte letztlich zur unantastbaren Würde des Menschen. Diese muss ihre Gültigkeit auch über eine bestimmte Philosophie und auch Religion hinaus haben und allgemeingültig sein, gleich wie sie jeweils begründet wird, sonst wird ein gerechtes und friedvolles Zusammenleben der Menschen nicht möglich sein. Sonst ist die Menschenwürde eine Theorie mit beschränkter Reichweite, die z.B. nur für den christlich geprägten Kulturraum gälte. Das hat aber das Naturrecht nicht gewollt, sie wollte vielmehr, dass ihre Prinzipien für alle gelten. Darum gilt es weiter zu ringen, die Vorgaben sind gut. Gleich von welchem Ansatz her muss Menschenwürde als Grundlage einer menschenwürdigen und gerechten Gesellschaft dienen für alle Menschen aus allen Religionen. Wir sind heute mehr denn je auf dem Weg zur Anerkennung der Allgemeingültigkeit von Menschenwürde, diesen Weg vorwärts zu treiben hat das naturrechtliche Denken in der christlichen Gesellschaftslehre wichtige Schritte gemacht.

1.3.2 Der andere Ansatz der evangelischen Kirche

Moderne evangelische Sozialethik fängt nach Auffassung vieler Autoren mit der Erklärung von Barmen 1934 an, in dem sich die bekennende Kirche unter den Anspruch Jesu stellt und jede Form des Führertums und der Gleichschaltung für die Kirche ablehnt. Karl Barth hat diesen Text beeinflusst.

"1. These Johannes 14:6 6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.
Johannes 10:1 1. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer nicht zur Tür eingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Mörder.
Johannes 10:9 9 Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.

Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen."

Damit werden auch sozialethische Aussagen als Theologie betrachtet. Dazu gehören aber auch die Erkenntnisse anderer wissenschaftlicher Disziplinen. Nach dem Krieg wurde das Modell der sozialen Marktwirtschaft, vertreten. Hier sieht man die Ansätze der von der Bibel geforderten Gerechtigkeit am ehesten vertreten. In wichtigen Denkschriften wurde zu gesellschaftlichen Fragen Stellung genommen, zur Vertreibung und Versöhnung und zu Fragen des Friedens. An diesen Texten arbeiten Wissenschaftler mit. Eine Denkschrift beschäftigt sich mit der Kompetenz der Kirche in gesellschaftlichen Fragen (Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen 1970).

"1. Warum soll und muß sich die Kirche zu politischen und gesellschaftlichen Fragen äußern?

10. Die Legitimation der Kirche, sich zu politischen und gesellschaftlichen Fragen zu äußern, beruht nach ihrem Selbstverständnis auf dem umfassenden Verkündigungs- und Sendungsauftrag ihres Herrn. Recht verstanden, geht es nicht um einen kirchlichen »Anspruch«, sondern um ein »Ansprechen« der Welt unter dem Anspruch Gottes und in Solidarität mit den Aufgaben und Nöten der Gesellschaft. Diese Solidarität folgt aus dem Gebot der Christusnachfolge, dem durch persönliche Liebestätigkeit allein nicht Genüge getan wird. Dieses Ansprechen wird je nach der existentiellen Bedeutung der anstehenden Fragen von unterschiedlicher Gestalt und unterschiedlichem Gewicht sein müssen und dürfen":

Dabei kann es durchaus auch zu einem ausdrücklichen und entschiedenen Nein kommen, wenn das Bekenntnis als solches angefragt ist (status confessionis). Aber darüber hinaus gibt es in der konkreten geschichtlichen Lage Situationen, die danach rufen gemeinsam auf die Suche nach einer Lösung zu gehen, die dem versöhnenden Handeln Jesu gerecht wird. Dazu gehört aber auch, dass solche Gedanken in vernünftiger Argumentation vermittelt werden.

Die Themen, die vor allem aus den Kirchen der 3. Welt über den Ökumenischen Rat der Kirchen ins Gespräch kamen, gaben dann dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit immer mehr an Bedeutung. In dem Maße wie katholische Soziallehre selbst immer mehr Sozialverkündigung wurde (Paul VI: beruft sich Octogesimo adveniens 1971 deutlich auf die Botschaft des Evangeliums), wuchsen auch diese Argumentationslinien zusammen. Dabei wurden auch im wesentlichen der Sache nach die Sozialprinzipien übernommen. Befreiungstheologische Gedanken hatten Einfluss auf die evangelische Sozialethik, auch der Gedanke vom angebrochenen Gottesreich wird reflektiert. Heute können die meisten Äußerungen gemeinsam sein. Dies kommt auch im Vorwort Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" zum Ausdruck:

"Geleitet und ermutigt durch das christliche Verständnis vom Menschen, durch die biblische Botschaft und die christliche Sozialethik wollen die Kirchen ihren Beitrag zu der notwendigen Neuorientierung der Gesellschaft und Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft leisten. Ihr Anliegen ist es, zu einer Verständigung über die Grundlagen und Perspektiven einer menschenwürdigen, freien, gerechten und solidarischen Ordnung von Staat und Gesellschaft beizutragen und da­durch eine gemeinsame Anstrengung für eine Zukunft in Solidarität und Gerech­tigkeit möglich zu machen."

 

1.4 Fragen zu Kapitel 1

1.4.1 Fragen zu 1.1 Der Solidarismus

 

1. Von welchen gesellschaftspolitischen Theorien wollte Heinrich Pesch sich mit dem Solidarismus absetzen?

 

 

 

 

 

2. Was versteht er unter der naturrechtlichen Begründung?

 

 

 

 

 

3. Was bedeutet in seine Lehre "Solidarität"?

 

 

 

 

 

4. Nennen Sie einen Problemkreis in dem heute Solidarität gefordert ist?

 

 


1.4.2 Fragen zu 1.2 Prinzipien als Grundlage der christlichen Gesellschaftslehre 1. Teil

 

1. Worauf lässt sich nach Nell-Breuning die Katholische Soziallehre schreiben und was ist da zu schreiben?

 

 

 

 

 

2. Was bedeutet  im Sinne dieser Lehre Ethik und welche Bedeutung spielt Theologie?

 

 

 

 

 

3. Welche Bedeutung haben nach dieser Lehre soziologische Erkenntnisse?

 

 

 

 

 

4. Wo sollten Ihrer Meinung nach ethische Prinzipien im öffentlichen Leben eine Rolle spielen? Nennen Sie Beispiele!

 


1.4.3 Fragen zu 1.2 Prinzipien als Grundlage der christlichen Gesellschaftslehre 2. Teil

 

1.      Erläutern Sie das Prinzip der Personalität?

 

 

 

 

 

2. Was bedeutet Subsidiarität?

 

 

 

 

 

3. Was ist primäres und sekundäres Naturrecht?

 

 

 

 

 

4. Gibt es auch in der heutigen Gesellschaft Diskussionen über die Geltung von sittlichen Grundprinzipien? Nennen Sie ein Beispiel!

 

2 Von der politischen zur Befreiungstheologie bis zur Sozialpastoral

2.0 Hinführung und Literatur

2.0.1 Frage zum Überlegen

Was haben Religion und Politik miteinander zu tun?

 

2.0.2 Hinführung

Während die auf Prinzipien gegründete Soziallehre von diesen her auf die Realität zugeht und diese deutet, gehen die im 2. Kapitel dargestellten Ansätze der Katholischen Soziallehre mehr von den gesellschaftlichen Verhältnissen aus. Diese werden dargestellt, im Lichte des jeweiligen Ansatzes analysiert und entsprechende Handlungsansätze entwickelt. Da wird in der Analyse z.B. hohe Arbeitslosigkeit festgestellt. Arbeit aber ist eine Menschenwürde, alles muss alles getan werden, um den Zustand der hohen Arbeitslosigkeit abzubauen.

Die neuere politische Theologie wurde in Deutschland von dem Theologen Johann Baptist Metz (* 1928) entwickelt, der in Münster lehrte und eine Fülle von Schülerinnen und Schülern hatte, unter anderem Befreiungstheologen (u.a. Fernando Castillo, El Problema de la Praxis en la Teologia de la Liberacion. Münster 1976. Alberto de Boni, Kirche auf neuen Wegen - Reformbestrebungen der brasilianischen Kirche und ihre gesellschaftlichen Implikationen. Diss. Münster der bei ihm promovierten. Metz will mit seiner Theologie ein Zeichen gegen die Privatisierungstendenzen der Theologie setzen, es geht also nicht nur um das Heil des Einzelnen, sondern um die ganze Gesellschaft. Er versteht seine Theologie positiv als Versuch: "...die eschatologische Botschaft unter den Bedingungen unserer gegenwärtigen Gesellschaft zu formulieren." (J.B. Metz, Zum Begriff der neuen politischen Theologie Seite 9)"

Die Befreiungstheologie ist in Südamerika entstanden. Sie geht von der extremen Armutssituation der Menschen dort aus und will sie vor allem mit Hilfe des Durchdenkens ihrer Situation anhand von biblischen Texten zu befreiendem Handeln aus dieser Situation befähigen. Wesentlicher theologischer Ansatz ist die "Option "für die Armen" mit dem die Armen eine Priorität im Denken und Handeln der Kirche erhalten sollen. Die Sozialpastoral wurde in Lateinamerika entwickelt. Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind Ausgangspunkt kirchlichen Arbeitens. Sozialpastoral geht auch von der Erfahrung aus, dass Änderungen für die Verbesserung der Situation für die Armen von allen mitgetragen werden müssen. Alle - Arme wie Reiche – müssen für den Einsatz für gerechtere gesellschaftliche Verhältnisse motiviert werden. Kirche ist prinzipiell Kirche für andere. In der deutschen Theologie wird dies vor allem von Hermann Steinkamp (*1938, lehrt in Münster) weiter entwickelt.

"Sozialpastoral ist das Bemühen, die Option für die Armen in allen Bereichen des pastoralen Handelns zur Geltung zu bringen.

Sozialpastoral ist nicht nur eine Anleitung/Anregung zum wohltätigen Tun der einzelnen Christen, der christlichen Gemeinschaften und der Gemeinden. Es geht ihr im Kern um eine lebendige Praxis der Solidarität mit den Armen aus Glauben und gelebter Liebe in den Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen des Bistums. Solidarische und diakonische Liebe ist effektiv(e) Verkündigung des Evangeliums und wirksam für das ganzheitliche Heil der Menschen".
Siehe: < http://www.kath.de/bistum/limburg/themen/sozialpastoral/sozialpastoral.htm >

Vorarbeit für dieses Denken von der Gesellschaft her hat das Zweite Vatikanische Konzil vor allem in seiner Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" (Freude und Hoffnung) geleistet, die vom Konzil 1965 beschlossen wurde.

"2. Vatikanisches Konzil

Die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute - Gaudium et spes

Vorwort

Die engste Verbundenheit der Kirche mit der ganzen Menschheitsfamilie

1. Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. Ist doch ihre eigene Gemeinschaft aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist. Darum erfährt diese Gemeinschaft sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden.

Wen das Konzil hier anspricht

2. Daher wendet sich das Zweite Vatikanische Konzil nach einer tieferen Klärung des Geheimnisses der Kirche ohne Zaudern nicht mehr bloß an die Kinder der Kirche und an alle, die Christi Namen anrufen, sondern an alle Menschen schlechthin in der Absicht, allen darzulegen, wie es Gegenwart und Wirken der Kirche in der Welt von heute versteht. Vor seinen Augen steht also die Welt der Menschen, das heißt die ganze Menschheitsfamilie mit der Gesamtheit der Wirklichkeiten, in denen sie lebt; die Welt, der Schauplatz der Geschichte der Menschheit, von ihren Unternehmungen, Niederlagen und Siegen geprägt; die Welt, die nach dem Glauben der Christen durch die Liebe des Schöpfers begründet ist und erhalten wird; die unter die Knechtschaft der Sünde geraten, von Christus aber, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, durch Brechung der Herrschaft des Bösen befreit wurde; bestimmt, umgestaltet zu werden nach Gottes Heilsratschluß und zur Vollendung zu kommen."

In diesem Text wird ein neuer Weltbezug der Kirche deutlich. Sie ist mit den Menschen unterwegs. Ihre Sorgen und Freuden sind auch die der Kirche. Sie ist das wirksame Zeichen des Heiles für die Menschheit. In dieser Welt leben und wirken die Christen. Sie deuten die Zeichen der Zeit im Sinne der Heilsbotschaft Gottes für alle Menschen. Sie setzen sich für Veränderung im Sinne dieser Botschaft ein. Dieses Denken wird in der politischen Theologie, der Befreiungstheologie und der Sozialpastoral auf je eigene Weise entfaltet und weitergeführt.

Diese Pastoral orientiert sich auch an der Dogmatischen Konstitution über die Kirche (L.G. Nr. 8) des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass die Verkündigung der frohen Botschaft an die Armen und die Heilung der Bedrängten als Leitbild für das pastorale Handeln der Kirche bezeichnet.

2.0.3 Literatur und Internet

Literatur

Juan Carlos Scanone, Weisheit und Befreiung, Volkstheologie in Lateinamerika, Düsseldorf 1992

J.B. Metz, Zum Begriff der neuen politischen Theologie 1967-1997, Mainz 1997

Jürgen Moltmann, Gott im Projekt der modernen Welt, Beiträge zur öffentlichen Relevanz der Theologie, Gütersloh 1997

H. Steinkamp, Sozialpastoral, Freiburg 1991

Internet

Eine Übersicht über die Arbeit von Metz und über ein Projekt politische Theologie steht unter
< http://wwwfb02.uni-muenster.de/fb02/fundtheo/politische_theologie.htm >

Einer der bedeutendsten Theologen der Befreiungstheologie ist Paolo Freire
< http://home.t-online.de/home/ol.pfk/FreireTheologie.htm >

Der Arbeitskreis Sozialpastoral im Bistum Limburg stellt sich vor.
< http://www.kath.de/bistum/limburg/themen/sozialpastoral/sozialpastoral.htm >

Zu Jürgen Moltmann
< http://www.evlka.de/extern/ez/archiv/profile_12.html

2.1 Neue politische Theologie

2.1.1 Zugänge zur politischen Theologie

Es gibt einen ersten Zugang zur politischen Theologie, der liegt in der Antike. Letztlich basiert das ganze Gemeinwesen auf dem Willen der Götter. Er war maßgebend. Deshalb hatten Priester und Tempel hohe staatspolitische Bedeutung. Bei der antiken Philosophie der Stoa ist politische Theologie die Sanktionierung des Primates der Politik. Die Stoa war eine philosophische Richtung, die das ganz Universum in einem in Gott begründeten Naturgesetz verankert sah. Auch die politischen Autoritäten sind bei Gott festgemacht. Die Stoa hatte Einfluss von 300 vor Christus bis weit in die römisch-kaiserliche Zeit hinein. Der Kaiser vertrat den Willen des ewigen Naturgesetzes. Bei Augustinus haben wir ähnliche Anklänge in seinem Werk vom "Gottesstaat", auch im christlichen Ostrom wurde ähnlich argumentiert. Dies alles ist aber eigentlich keine Theologie, sondern Staatswissenschaft.

Ähnlich wird im islamischen Bereich der Koran in die Scharia ausgelegt, ein Gesetz das für alle Lebensbereiche gilt und unabdingbar gültig ist, es gilt aber in islamischen Staaten nur noch voll in Saudi-Arabien und ehemals bei den Taliban in Afghanistan, überhaupt nicht mehr in der Türkei. In den meisten islamischen Ländern gilt es nur noch in Teilbereichen, so im Ehe- und Familienrecht. In der streng verstandenen Scharia ist recht unmittelbarer Ausfluss der Religion, das ist extreme politische Theologie als zumeist undemokratische Staatsherrschaft, die von vorneherein Frauen ausschließt. Dabei gibt es durchaus im Islam Tendenzen, dies anders zu verstehen. Mit diesen vor allem gilt es den Dialog zu suchen.

Ähnlich begründete Carl Schmitt (1888-1985) seine politische Theologie auf dem aufklärungsfeindlichen Gedankengut der französischen Traditionalisten.

" Schließlich wirkt sie in den aufklärungs- und demokratiekritischen Positionen des französischen Traditionalismus und auch in der restaurativen Idee eines „christlichen Staates" in der politischen Romantik nach, so daß in diesem Jahrhundert C. Schmitt unter Berufung auf diese Traditionen seine „politische Theologie" (erstmals 1922) vortragen, seine Gegnerschaft zur Weimarer Republik wie überhaupt zur parlamentarischen Demokratie und seine Favorisierung eines neoabsolutistischen, strikt dezisionistischen Staatsgedankens (bis hin zum Führerstaatsgedanken) begründen konnte. „Theologisch" ist Schmitts pTh, die in Zeiten verschärfter Ungewißheit wieder Aufmerksamkeit gewinnt, allenfalls insofern, als sie alle staatsrechtlichen Begriffe als säkularisierte theologische verstand.( imprimatur-Webredaktion )
<
http://wwwfb02.uni-muenster.de/fb02/fundtheo/pth.htm >

Schmitt hat – auch mit seinem Antisemitismus – für viele der nationalsozialistischen Ideologie zugearbeitet. Seine Theorie ist keine Theologie sondern eine fundamentalistische Politologie.

Fundamentalistisches Religions- und Politikverständnis, das dann zumeist identisch ist, liegen in rechtsradikalen amerikanischen Sekten und z.B. auch in der Moonsekte vor. Auch die Elkaida-Bewegung (Osama bin Laden) beruht auf einer solchen Interpretation des Islam, die aber dort eher im Koran begründet ist und mehr als eine extreme Auslegung des Koran zu verstehen ist. Was bei Christen der politische Fundamentalismus ist, das ist beim Islam der politische Islamismus. Beide lehnen jede Form des aufgeklärten Lesens ihrer Texte ab und legen alles unmittelbar auf unsere Zeit aus. Anders die neue politische Theologie

2.1.2 Die neue politische Theologie nach J. B. Metz

Von diesen Ansätzen ist zu unterscheiden der ausschließlich theologische Gebrauch des Wortes politische Theologie. Metz nennt um Verwechslungen zu vermeiden seine Theologie und analoge Ansätze "neue politische Theologie". Es handelt sich hier um eine "Theologie der Welt". Für ihn ist dies eine fundamentale Theologie, die allen anderen Theologien vorangeht. Zuerst wollte er damit erreichen, dass die Rede von Gott (= Theologie; theos = Gott, logos = Wort) privatisiert wird. Religion ist nicht "Privatsache" und die Kirche ist kein "Servicebetrieb" neben anderen. Es geht nicht nur um das Seelenheil des Einzelnen, sondern um das in Jesus gegenwärtig gewordene Reich Gottes mit seinen Heilsvisionen für alle. Theologie ist keine Privatveranstaltung sondern gehört in die Öffentlichkeit der Gesellschaft.

"Dieses Verständnis der politischen Theologie gewann von Anfang an ökumenische Relevanz. So verband J. Moltmann seine „Theologie der Hoffnung" mit ihren Intentionen und D. Sölle formulierte ihre Kritik der Existentialhermeneutik Bultmanns als „politische Theologie". Unverkennbar ist für den ökumenischen Hintergrund dieser politischen Theologie der Einfluß D. Bonhoeffers und des kirchen- und gesellschaftskritisch interpretierten S. Kierkegaard..."
( imprimatur-Webredaktion )
<
http://wwwfb02.uni-muenster.de/fb02/fundtheo/pth.htm >

Die Ausgangsfrage ist die Leidensgeschichte der Menschheit. Sie gipfelt auf in dem zum schrecklichen Symbol des Völkermordes gewordenen Auschwitz. Hier entsteht nicht nur bei frommen Juden die Frage, wo Gott in diesem Leid war. Steht er abseits, ist er als der allmächtige und absolut vollkommene überhaupt leidensfähig. Die Antwort Gottes ist sein Sohn am Kreuz, dort erweist er sein Mitleid. Das heißt: In Auschwitz war er bei den Ermordeten in der Gaskammer. Dieser Gott macht aber auch deutlich, dass er die Menschen im Leid nicht untergehen lässt. Das zeigt er in der Auferstehung seines Sohnes.

Daraus wird deutlich, dass ich Gott nicht verehren kann mit dem Rücken zu Auschwitz. Es zuerst um die Leidenserfahrung des anderen. Die müssen wir mittragen. Hier müssen wir aber auch Rechenschaft der Hoffnung geben, die in uns ist (1 Petr. 3.15). Dass geschieht am besten durch unseren Einsatz gegen Leiden Ungerechtigkeit, Unfreiheit und Unfrieden. Wir hoffen darauf, dass das in Jesus gekommene Reich Gottes sich einmal vollenden wird. Dafür sind wir aktive Zeugen.

Dies bedarf auch einer neuen Kirche. Sie muss eine Institution der "Freiheit des Glaubens" sein, eine öffentliche Tradentin (Überlieferin) einer "gefährlichen Erinnerung" an Tod und Auferstehung Jesu und seiner Botschaft vom gekommenen Reich und der Vollendung der Gerechtigkeit Gottes.

Diese Kirche muss zu einer Kirche des Volkes werden. Das Volk selbst muss diese Erinnerung leben, in Gruppen und kleinen Gemeinschaften deutlich machen, dass sie sich dem jeweils konkreten Unrecht nicht beugen. Die Kirche muss von einer Servicekirche zu einer basiskirchlichen "Kirche des Volkes" werden.

"Sie wird keine eurozentrierte Kirche" mehr sein können. Die Kirche hat nicht nur eine Dritte Welt, sondern sie ist bereits und wird zunehmend immer stärker eine Dritte-Welt-Kirche." (J.B. Metz, Zum Begriff der neuen politischen Theologie, Mainz 1997 Seite 165f)

Die Zerrissenheit der Welt ist auch eine theologische Aufgabe. "Verhältnisse, die dem Evangelium direkt widersprechen – wie Ausbeutung, Unterdrückung, Verelendung, Folter und Rassismus -, sind Herausforderungen an die Theologie und verlangen die Formulierung des Glaubens in Kategorien der Solidarität, des Widerspruchs und der Veränderung". (Quelle wie oben J. B. Metz Seite 166)

In der Synode der Bistümer in der Bundesrepublik in Würzburg (1971-1975) stammt der Grundtext zum Beschluss "Unsere Hoffnung" von Metz. Dieser Beschluss ist gewissermaßen zur theologischen Grundlage der weiteren 17 Synodenbeschlüsse geworden. Ein Textabschnitt aus dem Teil IV Sendungen für die Gesamtkirche und die Gesamtgesellschaft soll hier zitiert werden. Gerade hier hat die Kirche in Deutschland auch in den letzten Jahren viel getan. Ich denke nur daran, dass die Sternsingeraktion inzwischen die größte Kinderhilfsaktion auf der Welt ist. Hier wächst Kirche des Volkes.

"3. FÜR DIE TISCHGEMEINSCHAFT MIT DEN ARMEN KIRCHEN 

Wir sind offensichtlich die Kirche eines vergleichsweise reichen und wirtschaftlich mächtigen Landes. Deshalb wollen und müssen wir uns zu einer besonderen gesamtkirchlichen Verpflichtung und Sendung im Blick auf die Kirchen der Dritten Welt bekennen. Auch diese Verpflichtung hat zutiefst theologische und kirchliche Wurzeln, und sie entspringt nicht nur dem Diktat eines sozialen oder politischen Programms. Schließlich schulden wir der Welt und uns selbst das lebendige Bild des neuen Gottesvolkes, zusammengeführt in der großen Tischgemeinschaft des Herrn. Daher geht es nicht nur darum, aus dem Überfluß etwas abzugeben, sondern auf berechtigte eigene Wünsche und Vorhaben zu verzichten. Wir dürfen im Dienste an der einen Kirche nicht zulassen, daß das kirchliche Leben in der westlichen Welt immer mehr den Anschein einer Religion des Wohlstandes und der Sattheit erweckt, und daß es in anderen Teilen der Welt wie eine Volksreligion der Unglücklichen wirkt, deren Brotlosigkeit sie buchstäblich von unserer eucharistischen Tischgemeinschaft ausschließt. Denn sonst steht vor den Augen der Welt das Ärgernis einer Kirche, die in sich Unglückliche und Zuschauer des Unglücks, viele Leidende und viele Pilatusse vereint und dieses Ganze die eine Tischgemeinschaft der Gläubigen, das eine neue Volk Gottes nennt. Die eine Weltkirche darf schließlich nicht in sich selbst noch einmal die sozialen Gegensätze unserer Welt einfach widerspiegeln. Sie leistet sonst nur gedankenlos jenen Vorschub, die Religion und Kirche sowieso nur als Überhöhung, bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse interpretieren.

Hier müssen gerade wir in unserem Land handeln und helfen und teilen – aus dem Bewußtsein heraus, ein gemeinsames Volk Gottes zu sein, das zum Subjekt einer neuen verheißungsvollen Geschichte berufen wurde, und teilzuhaben an der einen Tischgemeinschaft des Herrn als dem großen Sakrament dieser neuen Geschichte. Die Kosten, die uns dafür abverlangt werden, sind nicht ein nachträgliches Almosen, sie sind eigentlich die Unkosten unserer Katholizität, die Unkosten unseres Volk-Gottes-Seins, der Preis unserer Orthodoxie." (Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1976, 109 f)

Worum es Metz geht kommt im Abschluss einer persönlichen Betrachtung über seine Lebensgeschichte mit Gott und der Theologie zum Ausdruck. Sie beginnt mit der schrecklichen Leiderfahrung die er als 16jähriger Soldat gegen Ende des 2. Weltkrieges machte und endet mit folgenden Sätzen:

"Ich breche hier ab. Als roter Faden dieses biographischen Wegs mag die memoria passionis gelten, das Eingedenken fremden Leids als Basiskategorie christlicher Gottesrede, also die unter den Signaturen der Zeit erneut aufgenommene und gesellschaftskritisch dramatisierte Theodizeefrage (Verfasser: Frage ob es angesichts des Leids überhaupt Gott und wenn ja wie geben kann), eine Frage übrigens, die für mich durch die christliche Erlösungsbotschaft nicht einfach stillgestellt und erledigt ist. Es bleibt in allem ein lauter oder auch lautloser Schrei. Das hat mich z.B. kürzlich dazu veranlaßt, Jürgen Habermas freundschaftlich zu fragen, ob es denn so ausgemacht sei, daß der Ursinn der menschlichen Sprache die Verständigung sei und nicht vielleicht doch der Schrei. Es gibt für mich Rückfragen an Gott, an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, an den Gott Jesu, Rückfragen, für die ich zwar eine Sprache habe, aber keine Antworten. Und so habe ich sie mir als Gebet zu eigen gemacht: Warum, Gott, das Leid, warum die Schuld? Warum hast Du (um hier eine Formulierung von Eberhard Jüngel aufzunehmen) nicht Vorsorge getroffen gegenüber dem Bösen?" (J. B. Metz, Seite 210 f)

Metz hat eine Theologie verlassen, die letztlich nur ein System von Gedanken und zugleich weltlos ist. Seine Theologie ist politisch, im Sinne von menschen- und weltbezogen, besonders unter der Rücksicht der Leiderfahrung. Sein Gott schwebt nicht transzendent und unberührbar über allem, sondern ist mystisch, das heißt mitten im Leben, besonders auch im Leid, erfahrbar. Diese Erfahrung wird dann im Glauben zu einer Hoffnung auf Leben wider alle Hoffnung. Von dieser Hoffnung Zeugnis zu geben, in Wort aber vor allem auch im Handeln, das erwächst aus dieser neuen politischen Theologie. Die Kirche braucht diese mystischen Erfahrungen, die vor allem in einer basisgemeindlichen Volk-Gottes-Kirche möglich sind. In ihr geht es zuerst nicht um das System, sondern um das erfahrene und im Glauben reflektierte Leben.

Metz ist Fundamentaltheologe, nicht praktischer Theologe der auf kirchliches Handeln orientiert ist. Er macht aber aller Theologie deutlich, dass Theologie eine praxisorientierte Wissenschaft ist, die sich einsetzt, dass Leid gemindert und Hoffnung geweckt wird. Sein Einfluss wird in den verschiedensten Theologiebereichen deutlich, besonders in der feministischen aber auch in der Befreiungstheologie.

2.1.3 Das Konzept einer öffentlichen Theologie nach Jürgen Moltmann

Am Anfang der Theologie von Jürgen Moltmann stehen auch die grausamen Erfahrungen des 2. Weltkrieges:

"Am Anfang standen die Schreckensbilder, in denen die Träume einer ganzen Generation verbrannten. Ende Juli 1943 wurde Hamburg im Feuersturm vernichtet. Jürgen Moltmann war Luftwaffenhelfer in der Innenstadt. Die Bombe zerriß den Schulfreund neben ihm, verschonte ihn. "In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal nach Gott geschrien: Wo bist du? Wofür bin ich am Leben und nicht auch tot wie die anderen?" Für den 17jährigen zerbrach der naive Idealismus seines Elternhauses. Während der dreijährigen Kriegsgefangenschaft suchte er Antwort, zuerst in den Klagepsalmen, dann im Markusevangelium. "Als ich an den Todesschrei Jesu kam, wußte ich: Da ist dein göttlicher Bruder und Erlöser, der dich in deiner Gottverlassenheit versteht." (< http://www.evlka.de/extern/ez/archiv/profile_12.html > Ez-Archiv online, Autor: Hagen Faust)

Für Jürgen Moltmann muss sich christliche Theologie einmischen. Wer sich an der Person, der Geschichte und dem Handeln Jesu Christi orientiert, muss aufgrund der Hoffnung, die sich aus der Reich-Gottes-Botschaft ergibt, politisch und parteilich sein.

Theologie muss deshalb öffentlich sein. Das bedeutet:

·        Sie muss als politische Theologie für die Freiheit und Befreiung der Menschen streiten.

·        Für sie ist Solidarität gefordert gegen den menschenverachtenden Egoismus, der sich breit macht.

·        Gegen aller Trends der schrankenlosen Märkte und der Globalisierung streitet sie mit den Mächtigen um die Würde des Menschen, der Natur und der nachfolgenden Generationen.

Die Kirche muss die Solidarität mit Erniedrigten und Geschlagenen suchen. Das macht Moltmann in seiner Kreuzestheologie deutlich. Nach der Seite der Eschatologie (Erwartung des Kommenden) der Auferstehung des gekreuzigten Christus muss auch die andere Seite betont werden: das Kreuz dieses Auferstandenen. In einer eher am Wohlstand orientierten Kultur kann dies leicht vergessen gehen. Viele Menschen werden für das Leiden anderer blind. Anderen hat die Erinnerung an die Anwesenheit Gottes im Gekreuzigten die Augen geöffnet. Wenn Kirchen dies verstanden haben, dann dürfen sie nicht mehr die Allianzen mit den Mächtigen sondern die Solidarität mit den Erniedrigten suchen, mit denen die in Finsternis und Todesschatten, im Schatten des Kreuzes leben.

In der Theologie der Hoffnung (1964) sah Moltmann das Ganze der Theologie in einem Brennpunkt. "Die Frage nach der Heilsbedeutung des Gekreuzigten für uns war genug diskutiert. Darum drehte er die Frage um: Was bedeutet das Kreuz Christi für Gott? Schweigt ein apathischer Gott im Himmel ungerührt zu Leiden und Tod seines Kindes auf Golgatha, wie es die alte metaphysische Annahme der leidenschaftslosen Erhabenheit, die einen Gottes auszeichnen müsse, behauptete? Oder erleidet Gott selbst diese Schmerzen und diesen Tod?"
(< http://www.evlka.de/extern/ez/archiv/profile_12.html > Ez-Archiv online, Autor: Hagen Faust)

Weil Gott die Liebe ist, deshalb ist er auch leidensfähig. Der Kreuzestod Jesu wird zur Offenbarung der Leiden Gottes für uns. Während seit Luther die persönliche Seite der Rechtfertigung betont wurde wird für den modernen Protestantismus die Solidarität mit den leidenden und Unterdrückten als die soziale Seite der Rechtfertigung immer bedeutsamer. Es geht um das "Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit" in dieser Welt.

2.1.4 Mystik und Widerstand – Gedanken zu Dorothee Sölle

Wer von politischer Theologie spricht, der muss zugleich auch von Dorothee Sölle (*1929 in Köln) sprechen. Dies wird in einem Gedicht zum Pfingstfest deutlich: Kontexte zu den Schriftlesungen (Pfingstsonntag, Lesejahr A, 26. Mai 1996, Zusammengestellt von P. Alois Kraxner und P. Hans Hütter, CD)

"Ich glaube an den Geist

Dorothe Sölle

Ich glaube an den Geist,
der mit Jesus in die Welt gekommen ist,
an die Gemeinschaft aller Völker
und unsere Verantwortung für das,
was aus unsere Erde wird:
ein Tal voll Jammer, Hunger und Gewalt
oder die Stadt Gottes.
Ich glaube an den gerechten Frieden,
der herstellbar ist,
an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens
für alle Menschen,
an die Zukunft dieser Welt Gottes."

Dorothee Sölle wurde von der feministischen und auch von der Befreiungstheologie beeinflusst. In ihren Werken vertritt sie einen politisch am Humanismus orientierten Standpunkt. Den 1969 in Köln gegründeten kirchenkritischen Arbeitskreis „Politisches Nachtgebet“ hat sie entscheidend mitgestaltet. Kontrovers aufgenommen wurde vor allem ihre "Ein Kapitel Theologie nach dem „Tode Gottes“, das 1965 erschien. 1999 schrieb sie das Buch "Mystik und Widerstand" "Du stilles Geschrei" Große Gestalten der Mystik von Maria und Martha bis Dom Helder Camara werden vorgestellt. Oder Dorothy Day, die faszinierende Gründerin des "Catholic worker", die schon 19jährig 1917 wegen der Beteiligung an einer Demonstration vor dem Weißen Haus in den USA ins Gefängnis musste. Nach ihrer Taufe mit 30 Jahren lebte sie nur noch arm für die Armen. Mystik führt zu einem befreiten Leben. Mystik ist nur unter Einbeziehung der sozialen Realitäten und im Widerstand gegen diese möglich. Mystik ist das antiautoritäre Element in jeder Religion.

Andere, wie Roger Schütz von Taize, haben von Kontemplation und Kampf gesprochen. Wer in Gott verankert ist, der ist auch fähig zum Widerstand gegen Unrechtsverhältnisse, gerade Menschen wie Nikolaus Groß haben dies gezeigt.

Dorothee Sölle selbst ist ein Beispiel für Mystik und Widerstand, am deutlichsten wird das im Gedicht oben, denn sie ist immer auch Poetin gewesen.

2.1.5 Feministische Theologie

2.1.5.0 Literatur und Internet

Literatur

Frauenforschungsprojekt zur Geschichte der Theologinnen, Neukirchen/Vlyn, 1994

Halkes, Catharina, Gott hat nicht nur starke Söhne, GTB 1985

Meyer-Wilmes, Hedwig, Zwischen lila und lavendel, Regensburg, 1996

Moltmann-Wendel, Elisabeth, Menschenrechte für die Frau / Frauenbefreiung, München, 1978

Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern, Gütersloh, 1994

Schüssler-Fiorenza, Elisabeth, Zu ihrem Gedächtnis, München / Mainz, 1988

Schlangenbrut, Streitschrift für feministisch und religiös interessierte Frauen, unverschämt lebendig – lateinamerikanische Befreiungstheologie, Nr. 75, 11/2001

Zu wirtschaftlichen Fragen wird auf folgende Veröffentlichungen hingewiesen:

Beverly Wildung, Harrison, Die neue Ethik der Frauen. Stuttgart 1991

Feministische Plattform Wirtschaftsethik. Evangelische Akademie Iserlohn. Tagungsprotokolle 97,6. Iserlohn 1997

Günter, Andrea, u.a. (Hrsg.), Weiberwirtschaft weiterdenken. Luzern (Exodus) 1998

Meyers, Diana T. (Hrsg.), Feminist Social Thougth. New York 1997

Literaturliste

Wacker, Marie-Theres, Seminar für Theologische Frauenforschung. Uni Münster, Literaturliste zur feministischen Theologie

Internet:

< http://wwwfb02.uni-muenster.de/fb02/femtheo/bibliographie/theologie/systematische.html >

Ein Internetartikel der Evangelische Zeitung-online EZ " Feministische Theologie"
< http://www.evlka.de/extern/ez/archiv/profile_14.html >

Frauen in der Amtskirche
< http://www.antjeschrupp.de/frauen_in_der_amtskirche.htm >

Frauen und orthodoxes Judentum
< http://www.antjeschrupp.de/chana_safrai.htm >

Gössmann, Elisabeth
< http://www.antjeschrupp.de/goessmann.htm >

Halkes, Catharina, (niederländisch)
< http://www.kun.nl/cvv/halkesprijs.html >

Hundert Jahre Woman's Bible - (1895-1995)
< http://www.antjeschrupp.de/womens_bible.htm >

Schlangenbrut, Streitschrift für feministisch und religiös interessierte frauen
< http://www.schlangenbrut.de >

Schüssler-Fiorenza, Elisabeth
< http://www.antjeschrupp.de/schuessler_fiorenza.htm >

SEWA Frauenselbsthilfeorgansition
< http://www.sewa.org/ >

Zur Geschichte einer weiblichen Theologietradition
< http://www.antjeschrupp.de/theologinnengeschichte.htm >

2.1.5.1 Eine internationale Bewegung

Das Thema der Feministischen Theologie gehört hierher, da es sich um eine politische Theologie auch im Sinne der Befreiungstheologie handelt. Sie gehört gesellschaftlich in den Bereich der Emanzipation der Frauen. Im Grunde hat sie zwei Zielrichtungen: Die Rolle der Frauen in Kirche und Gesellschaft zu stärken.

Die feministische Theologie ist eine ökumenische Bewegung, die im Zusammenhang mit der Frauenbewegung insgesamt in den 60er Jahren in den USA ihren entscheidenden Anfang nahm. Auch vorher hatte es schon vereinzelt solche Überlegungen gegeben. Der feministischen Theologie geht es nicht darum, die Unterdrückung der Frauen nur zu analysieren, sondern sie auch zu verändern. Deshalb setzten sich in den USA Frauen kritisch mit der Situation von Frauen in der theologischen Lehre, in der Kirche und in der Gesellschaft auseinander. In allen Bereichen waren die Verhältnisse eindeutig: Das Sagen hatten die Männer.

Elisabeth Moltmann-Wendel brachte die Gedanken der Frauenbewegung aus den USA nach Deutschland. Im Gegensatz zu den USA konnte sich diese Theologie weniger in Lehrstühlen an Theologischen Fakultäten durchsetzen. Sie hat mehr ihren Platz in kirchlichen Akademien, in der katholischen und evangelischen Frauenarbeit und bei Katholiken- und Kirchentagen. Immerhin ist aber die Zahl weiblichere Lehrstuhlinhaberinnen in der Theologie insgesamt im Steigen begriffen. Für eine faktische Gleichberechtigung auch hier setzt sich die feministische Theologie ein, denn sie ist der berechtigten Auffassung, dass dies auch Einfluss auf die Inhalte der Theologie hat.

Wie notwendig das war zeigt das Beispiel von Elisabeth Gössmann (*1928). Elisabeth Gössmann war eine der ersten katholischen Theologinnen, die in Deutschland habilitierten. Aber eine Professur bekam die Kirchengeschichtlerin und Mittelalter-Expertin hier zu Lande nicht, sondern musste nach Japan gehen. Ihr großes Verdienst ist vor allem, alte Schriften von Frauen aufzuspüren und der Forschung zugänglich zu machen

< http://www.antjeschrupp.de/goessmann.htm > (hr2 24. 9. 2000)

Feministische Theologie setzt bei der Bibelauslegung ein. Unabhängig davon, dass die Bibel in einer eher männerorientierten Gesellschaft entstanden ist, gilt es die Frauengestalten herauszuarbeiten und verborgene Zusammenhänge deutlich zu machen, die in der männerorientierten Exegese bisher eher übersehen wurden.

Elisabeth Schüssler-Fiorenza hat den methodischen Ansatz der Hermeneutik (Schlüssel zum Verstehen von Texten) in vier Schritten entwickelt. Wie kann die göttliche Botschaft in einem Text richtig verstanden werden.

"Elisabeth Schüssler-Fiorenza (*1938), katholische Neutestamentlerin, lebt seit Jahrzehnten in den USA. Bekannt wurde sie vor allem durch ihr Buch "In Memory of her" ("Zu ihrem Gedächtnis"). Sie hat die feministische Theologie, gerade auch in Deutschland,   geprägt wie kaum eine andere. (< http://www.antjeschrupp.de/schuessler_fiorenza.htm >" hr2 10.12.2000)

Im 1. Schritt muss dem Verdacht nachgegangen werden, ob der Text etwas auslässt oder verschweigt, wurden Frauen verdrängt. Luise Schottroff hat nachgewiesen dass mit Lydia in Philippi eine Frau Gemeindeleitung (einer Hausgemeinde) zur Zeit des Paulus wahrgenommen hat.
Brief an die Philipper"16:14 Eine Frau namens Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; sie war eine Gottesfürchtige, und der Herr öffnete ihr das Herz, so daß sie den Worten des Paulus aufmerksam lauschte. 16:15 Als sie und alle, die zu ihrem Haus gehörten, getauft waren, bat sie: Wenn ihr überzeugt seid, daß ich fest an den Herrn glaube, kommt in mein Haus, und bleibt da. Und sie drängte uns. (Paulus und seine Gefährten kamen ins Gefängnis, wurden aber wieder frei) 16:40 Vom Gefängnis aus gingen die beiden zu Lydia. Dort fanden sie die Brüder, sprachen ihnen Mut zu und zogen dann weiter." Die Frauen wurden in der darauf folgenden Geschichte des Neuen Testamentes immer mehr aus leitenden Aufgaben verdrängt.

Der zweite Schritt ist der Schritt des Erinnerns an die Leiden und Hoffnungen von Frauen in männergeprägten Texten. Hier kommen vor allem die alttestamentlichen Frauengestalten in den Blick. Hier ist der Kontakt zu jüdischen Exegetinnen bedeutsam. Gott hat Mann und Frau in gleicher Würde geschaffen: "Genesis 1:26 Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. 1:27 Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie." Trotzdem, müssen Frauen in der Geschichte der Bibel immer wieder zurücktreten. Das wird vor allem auch deutlich im priesterlichen Dienst im Tempel, der nur von Männern wahrgenommen werden kann. Eine Entscheidung, die heute noch fortwirkt vor allem in der katholischen Kirche. Das Leiden der Frauen an dieser Frage z.B. muss deutlich gemacht werden.

Im dritten Schritt geht es um die Verkündigung des Textes. Es geht nicht um einen historischen Bericht, sondern um eine Glaubensaussage, eine Vision. Es gilt die befreiende Glaubensaussage zu erarbeiten. So zum Beispiel, dass die Frage der Erschaffung der Frau aus der Rippe keine Nachordnung beinhaltet, sondern nachdem alle Tiere vorgeführt wurden besagt, dass die Frau gleichrangig mit dem Mann ist, beide zusammen sind Mensch. Genesis "2:22 Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. 2:23 Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie heißen; denn vom Mann ist sie genommen. (Die Ausdrücke für Mann (isch) und Frau (ischáh) sind im Hebräischen ähnlich) 2:24 Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch." Die Botschaft ist: Der eine Mensch ist Mann und Frau aus gleichem Fleisch.

Im vierten Schritt geht es um die kreative Aneignung des Textes. Er soll von den Beteiligten kreativ, durch Tanz, Malen, Gedichte... in das hier und heute übertragen werden. Der Tanz der Schwester des Moses nach der Befreiung vor den Ägyptern am Roten Meer deutet die Befreiung als einen Vorgang, der auch hier und heute auf der Welt für viele Frauen noch ansteht. "Exodus 15:19     Denn als die Rosse des Pharao mit Wagen und Reitern ins Meer zogen, ließ der Herr das Wasser des Meeres auf sie zurückfluten, nachdem die Israeliten auf trockenem Boden mitten durchs Meer gezogen waren. 15:20   Die Prophetin Mirjam, die Schwester Aarons, nahm die Pauke in die Hand, und alle Frauen zogen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her.15:21    Mirjam sang ihnen vor: Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer." Mirjam und die Frauen danken Gott für die Befreiung. Heute ist Dank für Emanzipation und Anfrage an bestehende Abwertung der Frauen zugleich angesagt.

In diesen Schritten wird deutlich, dass es sich nicht nur um eine akademische Theologie handelt, sondern um eine Theologie von Frauen für Frauen, die von diesen weiterbearbeitet werden soll, indem sie befreiend Bibel lesen und ihre Botschaft für das hier und heute für sie erfahren.

Ist das Christentum eine Religion, in dem allein die Männer das Sagen haben? Aus heutiger Sicht sieht das vielleicht so aus. Im Jahr 1405 jedoch war eine Frau da ganz anderer Ansicht. Christine de Pizan, eine venezianische Theologin und Schriftstellerin, schrieb damals in ihrem „Buch von der Stadt der Frauen":

"In den heiligen Legenden und Geschichten um Jesus Christus und seine Apostel wirst du selten auf Frauentadel stoßen. Ähnliches gilt für die Geschichten der Heiligen; dort findest du vielmehr Beispiele erstaunlicher Standhaftigkeit und unzähliger Tugenden, mit denen Frauen dank der Gnade Gottes gesegnet sind. Oh, wie wohltätig, barmherzig, unerschrocken, wie umsichtig und freundschaftlich handelten die Frauen im Umgang mit den Dienern Gottes! Auch wenn einige Narren männlichen Geschlechts diese als völlig unbedeutend betrachten, so kann doch niemand bestreiten, daß in unserer Religion solche Werke Leitern sind, die in den Himmel führen." < http://www.antjeschrupp.de/theologinnengeschichte.htm > (hr2 am 25.11.1998)

Die erste Frauenbibel in den USA war eine Kampfansage gegen die Haltung der Kirchen gegen die Frauen. Es ging z.B. um das Frauenwahlrecht.

"1895 erschien in den USA der erste Band der "Woman's Bible", der Frauenbibel also, herausgegeben von der Frauenrechtlerin Elizabeth Cady-Stanton. Zusammen mit einem Kreis von Autorinnen hat sie einen umfangreichen Bibelkommentar verfaßt, in dem alle Stellen aufgeführt sind, die für Frauen wichtig sind. Die Woman's Bible war ein antikirchliches Buch. Sie sollte Frauen, die damals für Stimmrecht und ihre bürgerliche Gleichstellung kämpften, eine Argumentationshilfe an die Hand geben gegen die Kirchen, die an der gesellschaftlichen Unterordnung der Frauen festhalten wollten und sich dabei auf die Bibel beriefen. Die Woman's Bible ist nicht in erster Linie ein theologisches, sondern ein politisches Buch - nach fünf Jahrzehnten Kampf für Frauenemanzipation war Elizabeth Cady-Stanton zu der Überzeugung gekommen, daß sich an der Stellung der Frau in der Gesellschaft nichts ändern läßt, wenn nicht auch die ideologischen und religiösen Frauenbilder hinterfragt werden."
http://www.antjeschrupp.de/womens_bible.htm > (Anna Nocke hr2 1995)

So ist es eigentlich auch bis heute geblieben. Frauen in vielen Ländern beschäftigen sich von ihrer Situation her mit feministischer Theologie, die bei der Situation der Frauen in Südamerika oder in Afrika eine je andere sein wird. Es geht ihnen darum, von ihrem Verständnis als Christinnen her die Rolle der Frau in Kirche und Gesellschaft aufzubrechen. Ihr Kampf geht um die Gleichberechtigung der Frau in allen Bereichen.

Gerade in der lateinamerikanischen Befreiungstheologie wird der feministische Anteil immer größer, obwohl es oft gar nicht theologisch promovierte Frauen sind, die diese Themen aufgreifen. Dabei gehen sie von der Armutssituation besonders der Frauen aus und beschreiben sie in feministischer, sozio-ökonomischer und kultureller Analyse neu. Nicht nur die Armut der Frauen, sondern ihre Unterdrückungssituation insgesamt kommt in den Blick. Der Alltag der Frauen wird dann theologisch reflektiert. Biblische Frauengestalten wie z.B. die kämpferische Judith bieten Ansatzpunkte für kritische Reflexion. Indianische und afrikanische Traditionen werden mitbedacht. Ein intensiver theologischer Austausch mit den feministischen Theologinnen in Asien und Afrika, wo ähnliche Entwicklungen laufen, ist angesagt. In der feministischen Befreiungstheologie wird die Befeiungssituation konkreter, in ihrem feministischen Ansatz wird die notwendige gesellschaftliche Analyse als Voraussetzung um Theologie konkret zu betreiben intensiver. So ist diese Theologie ein Gewinn für die Befreiungstheologie und die feministische Theologie, vor allem aber ein Gewinn für die Frauen.

In ersten Ansätzen einer feministischen Soziallehre sind für den europäischen Bereich vor allem Themen der wirtschaftlichen Emanzipation unter dem Titel "Weiberwirtschaft" gefragt. Ähnliches gilt auch für die Dritte Welt. Frauen haben in armen Ländern oft die Versorgungskompetenz für ihre Familien. Über "Ziegenbanken" (günstige Ausleihe zum Erwerb von Ziegen zur wirtschaftlichen Selbständigkeit, die Rückzahlung kann oft auch mit lebendigen Tieren erfolgen) und ähnlich Institutionen wird ihre wirtschaftliche Kompetenz und damit Emanzipation gestärkt.

Da ist z.B. die Fraueninitiative SEWA (Self Employed Woman Association – Organisation von Frauen, die sich selbst beschäftigen <http://www.sewa.org/ >

Die indische Frauengewerkschaft SEWA organisiert seit ihrer Gründung 1974 ca. 320.000 Frauen sowohl am Land als auch in der Stadt und betreut zahlreiche Handarbeitskooperativen, sowie ein Ausbildungszentrum mit wirtschaftlichen und technischen Kursen, aber auch der Umgang mit Medien und neuen Kommunikationsmitteln werden gelehrt. Es geht um bedürftige Frauen aus verschiedenen Berufen, Frauen, die tageweise und ohne festen Arbeitgeber auf der Strasse, zu Hause oder auf den Feldern arbeiten. Sie gehören allen Religionen und Kasten an. In Kooperation mit ihnen veranstaltet wurde eine eigene Bank wurde gegründet

Das Ziel von SEWA ist der Zusammenschluss der selbständigen Arbeiterinnen, der bedürftigen Frauen aus verschiedenen Berufen, Frauen, die tageweise und ohne festen Arbeitgeber auf der Strasse, zu Hause oder auf den Feldern arbeiten. Die Frauen gehören verschiedenen Religionen und Kasten an. Auf der Grundlage einer Kooperative haben sie eine eigene Bank gegründet und befassen sich auch mit Fragen der Gesundheit und Ausbildung. Stark und voller Erfindungsgeist sind sie aus dem Schatten getreten.

SEWA Bank wurde in 1974 mit 4000 Mitgliedern eingeführt, mit einem Aktienkapital für jeden von Rs.10. Heute gibt es 93.000 aktive Aktionäre. 1999 feierte SEWA Bank 25 Jahre, finanzielle Dienste an arme, selbständige Frauen anzubieten. Anfangs wurde der Kredit gewährt, um sie von den Fängen von Geldverleihern zu befreien, um Handel zu betreiben, um ihre Geschäfte zu verbessern, Vermögenswerte in ihrem eigenen Namen für die Bildung der Kinder, für Notfälle einschließlich Krankheit, zu bilden.

Die Swashrayi Mahila Sewa Genossenschaft war die erste von ihrer Art. Um für die Bank als Reservebank für Indien Freigabe für diese Frauen zu erhalten, war sich ein langer Kampf angesagt. Aber die Frauen waren entschlossen. Sie beharrten auf ihrer Idee. Sie schufen Bankwesensysteme die für ihren eigenen Bedarf geeignet waren und haben ihre Bank über zwei Jahrzehnte gut geleitet. Sie besitzen ihre Bank. Sie ist immer finanziell verlässlich und brauchbar gewesen und hat Überschüsse und Dividenden für Ihre Anteilshalterinnen verdient.

Weiter ähnliche Organisationen sind WOTR < http://www.wotr.org/ > die vor allem Dorfprojekte und Quellenbohrungen stützt und Grameen, eine Bank für wirtschaftliche Kleinprojekte.
< www.grameen-info.org/ >

Die SEWA (aber auch in vielen anderen Regionen) kooperiert intensiv mit dem sogenannten EDP – Exposure-Dialog-Programm (Sich einer Situation aussetzen um den Dialog vorzubereiten), das von Karl Osner entwickelt wurde. Getragen wird diese Initiative von der Gesellschaft zur Förderung des Nord-Süd-Dialogs (NSD). Ihr gehören von der Deutschen Kommission Justitia et Pax (der Bischöfe) berufene Personen an vor allem aus dem Bereich der Entwicklungshilfe an. Hier entwickelt sich ein neuer Weg von Soziallehre für eine gerechtere Welt.

EDP können mehr Fortbildungscharakter haben und auf die Sensibilisierung und Orientierung der Teilnehmenden für Aufgaben der Armutsbekämpfung ausgerichtet sein. Sie können zunehmend auch dem Zweck, Kooperationen zur Entwicklung, fördern. Wichtig ist auch die Prüfung der Wiederholbarkeit neuer Lösungen, z.B. in anderen Ländern, sowie der Auswertung der Lernerfahrungen in den einzelnen Exposure-Programmen.
Stimmen von TeilnehmerInnen seien hier vorgestellt:
< http://www.exposure-nsd.de/Unser_Angebot.htm >

"Was bringt den Profis aus den Institutionen konkreten Nutzen? Es sind die 'im Alltag getesteten Erfahrungen.' Dabei sollte in den Worten des Teilnehmers aus der Kreditanstalt für Wiederaufbau das verstandesmäßig gesteuerte berufliche und persönliche Handeln mit emotional gemachten Erfahrungen verbunden werden." Teilnehmer, Exposure-Programm mit ORAP, Simbabwe 1994."

"Mich berührte am allermeisten, wie eine ältere, extrem schmale und ausgemergelte Frau, die ich bereits im März in diesem Zentrum getroffen hatte, sich verändert hatte. Sie war damals gerade erst zu der Gruppe dazugekommen. Tränenüberströmt,  gebeugt, total kraftlos und ausgezehrt sprach sie von ihrem Leid in der Familie. Jetzt war sie kaum wiederzuerkennen. Aufrecht, mit graziler Bewegung und fröhlicher Ausstrahlung erzählte sie, wie sie sich von der Last befreit hat, wie sie nun ihr Leben selbst bestimmt und sich nicht mehr von ihrem Mann und ihren erwachsenen Söhnen misshandeln lässt. Ich saß den ganzen Nachmittag staunend vor dieser Frau. Im März hätte ich gesagt, sie hat wohl weder Voraussetzung noch Kraft für Veränderungen, es ist zu spät." Teilnehmerin, Exposure-Programm  mit "Solidarität im Einsatz gegen Gewalt an Frauen", Brasilien 1997..."

Die Leitprinzipien der Arbeit sind:

"·  persönliche Begegnung: "Entwicklung bekommt ein Gesicht"

·  sich selbst in den Prozess einbringen

·  Solidarität

·  Beteiligung der Benachteiligten als handlungsfähige, eigenverantwortliche Personen

·  Dialog erfordert Offenheit und Respekt"

Die weltweite große Unterdrückungssituation der Frauen in reichen und in armen Ländern, so auch in vielen Gebieten Südamerikas aber auch Asiens und Afrikas, die oft auch von der christlichen Religion mitgeprägt sind, in muslimischen und von anderen Religionen geprägten Ländern, wird den Kampf dieser Bewegung und der feministischen Theologie mit sozialethischem Ansatz noch lange notwendig machen. Hier besteht in der feministischen Theologie in Deutschland ein gewisser Nachholbedarf.

2.1.6 Ertrag

Die neue politische Theologie sieht Theologie nicht als ein fertiges System von Sätzen über Gott an, sondern arbeitet mitten in dieser Welt so wie sie ist. Deswegen muss sie auch immer wieder fortgeschrieben werden. Sie weiß, dass die Botschaft des Evangeliums die Ankunft des Gottes Reiches in unserer Zeit verkündet. Für diese Hoffnung gilt es Zeugnis zu geben in Wort und Handeln. Diese Auffassung führt dann mithin zu kirchenkritischen Äußerungen, weil es auch in der Institution Kirche Dinge gibt, die dieser Botschaft nicht entsprechen. Hier setzt vor allem die feministische Theologie an. Immer geht es aber auch und zuerst um die Gestaltung dieser Welt nach der Botschaft des Reiches Gottes von Gerechtigkeit, auch zwischen Frauen und Männern, und Frieden.

 


2.2 Befreiungstheologie

2.2.0 Hinführung und Literatur

2.2.0.1 Hinführung

Seit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965 gewinnt in Südamerika eine Theologie wachsend an Bedeutung bis etwa Ende der 80er Jahre. Es ist die Theologie der Befreiung. Heute wird wieder mehr über sie nachgedacht. Sie hat zum Beispiel im Gedanken der Option für die Armen großem Einfluss auf die Soziallehre der Kirche gehabt. Die Basisgemeinden haben hier ihren Ursprung. Viele Bischöfe wie z.B. Helder Camara oder Oscar Romero sind hier zu nennen. Befreiungsethologen haben wie die Brüder Boff und Gustavo Gutiérrez haben großen Einfluss gehabt. Gesamtlateinamerikanische Bischofskonferenzen und ihre Dokumente sind zu in Erinnerung wie die von Synoden in Medellìn (Kolumbien 1968) und Puebla (Mexiko 1979), bis hin zur vorsichtigen römischen Annäherung. Heute unter den Bedingungen der Globalisierung, die die Kluft zwischen arm und reich auch mitten durch die Länder hindurch wieder wachsen lässt, setzt diese Fragestellung wieder neu an. Vor allem am Bespiel Brasiliens soll in diese Theologie eingeführt werden.

2.2.0.2 Literatur und Internet

Literatur

Boff, Leonardo, Aus dem Tal der Tränen ins Gelobte Land, Rio de Janeiro 1980, Düsseldorf 1984

Adveniat, Die Kirche in der gegenwärtigen Umwandlung Lateinamerikas im Lichte des Konzils, Beschlüsse der II: Generalversammlung Celam, Medellìn 1968, Aachen, Dokumente und Projekte 1968

Cardenal, Ernesto (aufgezeichnet von E.C.) das Evangelium von Solentiname, Wuppertal 1980

Freire, Paolo, Der Lehrer ist Politiker und Künstler, Neue Texte zu befreiender Bildungsarbeit,(Sammlung verschiedener Aufsätze), Hamburg 1981

Freire, Paolo, Pädagogik der Unterdrückten, Stuttgart/ Berlin 1971

Gutierrez Merino, Gustavo, Theologie der Befreiung, München 1973

Hartmann, Günter, Christliche Basisgruppen und ihre befreiende Praxis, Mainz 1980

Misereor, Land, ein lateinamerikanisches Lesebuch, Aachen 1991

Scanone, Juan Carlos, Weisheit und Befreiung, Volkstheologie in Lateinamerika

Eine ausführlich Literaturlist der deutschsprachigen Werke zum Thema steht bei Scanone im oben angeführten Buch

Literaturliste

Weiter Literaturhinweise insgesamt im Internet unter
< http://members.aol.com/befreiungstheo/ >
im Anhang des dortigen ausführlichen Artikels zur Befreiungstheologie unter LITERATURVERZEICHNIS, zuvor eine umfangreiche Darstellung der Befreiungstheologie

Internet

Befreiungstheologie
< http://www.bessereweltlinks.de/book28a7.htm >

Boff, Leonardo, Befreiungstheologie und Globalisierung
< http://www.volny.cz/christianpeace/cpc/info/wn002n.htm >

Camara, Dom Helder im Internet (Helmut Zenz)
< http://www.obing.de/zenz/hzcamara.htm >

Evangelische Zeitung-online
< http://www.evlka.de/extern/ez/archiv/profile_15.html >

Kultur des Schweigens – Befreiungstheologie
< http://home.t-online.de/home/ol.pfk/FreireTheologie.htm >

Kurze Biografien von Befreiungstheologen
< http://members.aol.com/befreiungstheo/libbio.html >

Macht und Autorität der Frauen in der Amtskirche (evgl.)
< http://www.antjeschrupp.de/frauen_in_der_amtskirche.htm >

2.2.1 Die Vorgeschichte

Es wurde im Jahr 1992 500 Jahre Christentum in Südamerika begangen. Die Indianer haben sich beschwert, man hätte nicht so richtig an sie gedacht. Christianisierung Südamerikas, das waren für sie die Konquistadoren. Für diese war Religion ein Teil ihres Lebensbildes und ein Teil ihres Machtinstrumentes gegenüber den unterdrückten Indianern. Das wird zum ersten Mal deutlich in der Person von Las Casas. Er kam in der Begleitung eines Gouverneurs, 1502 nach Westindien. Er machte die Unterdrückung bei den ihm zugewiesenen Indianern durchaus mit. 1507 zum Priester geweiht, war er bei der Eroberung Kubas dabei. Als er für die Konquistadoren eine Messe feiern sollte und dabei auf den Text Sir 34,21-27 stieß, ",.. das Brot ist das Leben der Armen, wer es ihnen unterschlägt ist ein Totschläger ...", gingen ihm die Augen auf er erkannte den Widerspruch zwischen Glauben und Leben. Tragisch wird dann noch einmal seine Verwicklung in die Einführung schwarzer Sklaven.

Aber das Thema war grundsätzlich da. Las Casas schreibt über das Wüten der Deutschen im benachbarten Venezuela, das den Welsern zugesprochen worden war an den Kaiser: "Ich denke aber, sie wüteten weitgrausamer unter ihnen (gemeint sind die Indianer), als alle bereits erwähnten Barbaren; ja noch viehischer und rasender, als die blutgierigsten Tiger und wütigsten Wölfe und Löwen. Vor Geiz und Habsucht handelten sie weit toller und verblendeter, als alle ihre Vorgänger, ersannen noch abscheulichere Mittel und Wege, Gold und Silber zu erpressen, setzten alle Furcht vor Gott und dem Könige, und alle Scham vor Menschen hinten an; und da sie so große Freiheiten genossen, und die Jurisdiktion des ganzen Landes in Händen hatten, so vergaßen sie beinahe, daß sie Sterbliche waren."

Aber wenn es um das Ausplündern des Landes ging, vor allem um Gold, dann waren wohl allen Eroberern keine Mittel zu schlecht. Bei der Eroberung des Landesinnern wurde unter der indianischen Bevölkerung gewütet. Um sie zu schonen (Las Casas setzte sich für sie ein) aber vor allem auch um neue Arbeitskräfte zu gewinnen wurden ich hohem Maße und mit brutalster Gewalt schwarze Sklaven aus Afrika nach Südamerika verschleppt. Das war die Kehrseite des Einsatzes von Las Casas. Es entwickelt sich eine Bevölkerungsschichtung, oben stand der Adel und die Reichen, dann folgten die Kreolen, die Weißen, die in Südamerika geboren waren,

Ein Streit zwischen Spaniern und Portugiesen teilte Südamerika durch einen Schlichtspruch des Papstes 1493 in etwa in das spätere Brasilien für Portugal und alles andere für Spanien.

Die systematische Eroberung des Landesinneren ging von den Welsern aus.

Wo steht die Kirche: bei den Mächtigen oder bei den Armen Jahwes, wie es neuere Texte im Rückgriff auf das AT sagen. Dies soll nun an der Entwicklung in Brasilien seit etwa 1930 dargestellt werden. Dann folgten die Mischlinge Mestizen und Mulatten, die Indianer und die Schwarzen. In Brasilien waren 50% der Bevölkerung um 1800 Sklaven (1 Million). Die Ungleichheit führte oft zu Spannungen und Aufständen. Es herrschten die von Portugal und Spanien eingesetzten Vizekönige und Gouverneure.

Brasilien erlangte die Unabhängigkeit von Portugal im Oktober 1822, behielt aber die Monarchie als Regierungsform bei, bis 1889 die Republik ausgerufen wurde. Die anderen Ländern erkämpften diese von Spanien zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ende des 19. Jahrhunderts begann das Zeitalter der Republiken und Militärdiktaturen. Es änderte sich wenig, da die Macht noch immer in den Händen der Reichen lag, die oft von der Kirche noch unterstützt wurden. Die sozialen Verhältnisse bleiben nach wie vor katastrophal. Die Kirche stand auf der Seite der Mächtigen.

Das Ende des 19. Jahrhunderts und das 20. Jahrhundert zeichneten sich durch das Eingreifen der USA aus, die Südamerika als ihr natürliches Einflussgebiet (mit einem natürlichen Recht) betrachteten. Politisch wollten sie linksgerichteter Regierungen verhindern, das geschah vor allem durch die Zusammenarbeit mit Militärdiktaturen. Ihre Politik wurde als Dollardiplomatie, Politik des großen Knüppels, bekannt. Die Armut und Unzufriedenheit stieg weiter an. Diese Politik wurde durch Roosevelt in eine Politik der guten Nachbarschaft geändert, viele – vor allem wirtschaftliche Unterdrückungsmechanismen liefen nach wie vor. Trotz inzwischen einsetzender Industrialisierung, die zumeist den Stadtregionen zugute kommt, macht die Industrieproduktion 1990 nur 30% das Bruttoinlandproduktes aus. Besonders die Landgebiete sind arm. Die Bevölkerung hat sich seit 1960 verdoppelt, es leben jetzt dort 304 Millionen Einwohner.

Wenden wir uns in besonderer Weise Brasilien zu. Die erste Periode, ging von 1930 bis 1964. Sie schloss an die Weltwirtschaftskrise an. Das Land wurde eigenständiger. Der amerikanische und angelsächsische Einfluss ging durch den Verfall des Kaffee- und Kakaobooms zurück. Die erste Republik wurde durch die zweite abgelöst. Es kam zu den sogenannten populistischen Bewegungen. Der Populismo ist eine eigenartige, dem südlichen Kontinent vorbehaltene, Bewegung. Sie löste in der Regel stark laizistische Systeme ab. Diese hatten die herkömmliche Verbindung zwischen Kirche und Staat aufgehoben und schränkten die Rechte der Kirche stark ein bis hin zum Vernichtungskampf gegen die Kirche in Mexiko. In Brasilien war der Führer des Populismo zwar Atheist, aber er setzte auf eine neue Zusammenarbeit mit der Kirche. Die Kirche hoffte dabei auf eine "Neue Christenheit". Der Populismo wird später für die Basisbewegung von großer Bedeutung. Deshalb soll hier kurz auf ihn eingegangen werden.

Die neue Regierung wollte die Landoligarchie ablösen. Es gab aber keine machtgewohnte Mittelschicht, die sie trug. Deshalb war Regieren stark personifiziert. In seinem Schiedsrichteramt zwischen den rivalisierenden gesellschaftlichen Gruppen stützte sich der Präsident auf die Volksmassen. Diese bekamen erstmals politische Bedeutung. Es entstand aber kein Klassenbewusstsein, auch nicht, als aus den Landarbeitern mehr und mehr Fabrikarbeiter wurden. Die Regierung handelte eher paternalistisch. So konnten auch keine strukturellen Änderungen gegenüber den bisher herrschenden Klassen erreicht werden. Erst spät setzten Bildungsbewegungen vor allem der Gewerkschaften ein. Sie wurden als Gefährdung angesehen, weil sie die Machtverhältnisse diskutierten. Die Regierung konnte diese Bewegungen nicht schützen, sie ging im Putsch unter.

In dieser Zeit der zweiten Republik entstanden als eine Art von Restauration neue kirchliche Aktivitäten. Die Kirche erhielt auch vom Staat neue Möglichkeiten im Bildungsbereich. Die Regierung setzte auf Wachstum und ausländisches Kapital Die Slums in den Großstädten wuchsen. Die Kirche begann sich beim einfachen Volk zu engagieren. Es entstanden soziale und pädagogische Programme, so die Pädagogik der Befreiung von Paulo Freire und die Bewegung der Basiserziehung im Nordosten von Brasilien. Befreiung und Basis sind damit als Thema angesprochen. Die Bewegung (Movimento) war mit seiner Bildung von Lokalgruppen der Vorläufer der Basisbewegung. Im Nordosten lag die Lebenserwartung bei 27 Jahren und die Alphabethisierung bei 50%. Die neue Bewegung war bei den Laien verankert und mit der Kirche verbunden.

1964 kam es zu staatlichen Eingriffen und zum Militärputsch. Der Putsch sollte den weiteren Kapitalzufluss und das Wachstum gegen die steigenden sozialen Spannungen sichern. Seit diesem Putsch gingen die Wege der Kirche und des Staates langsam aber sicher auseinander. Die Kirche stellte sich immer deutlicher auf die Seite der Armen. Sie gehörte zum unterdrückten Volk.

Gleichzeitig machte sie die Erfahrung der Verfolgung und des Martyriums. 1973 wird von Bischöfen und Ordensobern ein Dokument mit dem Titel veröffentlicht-. "Ich habe das Schreien meines Volkes gehört (Ex 3,7)". 1976 schwenkte die brasilianische Bischofskonferenz auf diese Linie ein. Die Sache des Volkes war nicht mehr die Sache der Regierung, sondern der Kirche. Die Bewegung des Populismo fand in anderer Form hier ihre Fortsetzung. Man muss diese Dinge wissen um die Entstehung von Basisgemeinden richtig einzuschätzen zu können.

2.2.2 Brasilianische, südamerikanische und gesamtkirchliche Entwicklungen

Das Zweite Vatikanische Konzil (Ende 1965) führte im Denken der Bischöfe eine Wende ein. Texte in Lumen gentium (Licht der Völker – dogmatische Konstitution über die Kirche) wurde in besonderer Weise der Einsatz für die Armen herausgestellt.

8 "...Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche berufen, den gleichen Weg einzuschlagen, um die Heilsfrucht den Menschen mitzuteilen. Christus Jesus hat, "obwohl er doch in Gottesgestalt war, ... sich selbst entäußert und Knechtsgestalt angenommen" (Phil 2, 6); um unseretwillen "ist er arm geworden, obgleich er doch reich war" (2 Kor 8, 9). So ist die Kirche, auch wenn sie zur Erfüllung ihrer Sendung menschlicher Mittel bedarf, nicht gegründet, um irdische Herrlichkeit zu suchen, sondern um Demut und Selbstverleugnung auch durch ihr Beispiel auszubreiten. Christus wurde vom Vater gesandt, "den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind" (Lk 4, 18), "zu suchen und zu retten, was verloren war" (Lk 19, 10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen."

Die Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" führt dazu aus:

"21...Dieser Glaube muß seine Fruchtbarkeit bekunden, indem er das gesamte Leben der Gläubigen, auch das profane, durchdringt und sie zu Gerechtigkeit und Liebe, vor allem gegenüber den Armen, bewegt..."

Dieser Text lässt schon etwas vom Geist einer biblisch begründeten Option für die Armen spüren. Elmar Klinger führt dazu in einem Vortrag zur Sozialpastoral Februar 1998 in Trier aus:

Gestatten Sie mir, daß ich diesen Vortrag mit einem Datum beginne. Der 16. November 1965 ist ein wichtiges Datum. An diesem Tag trafen sich in den Domitilla-Katakomben - außerhalb Roms - 40 Bischöfe der ganzen Welt. Sie griffen ein Leitwort auf, das Johannes XXIII. einige Jahre vorher ausgegeben hatte. Aber sie legten außerdem ein Gelübde ab.

Das Leitwort, das Johannes vorgegeben hatte, war sein Wort von einer "Kirche der Armen". Er meint damit keine Sonderkirche, die im Gegensatz zu einer anderen Kirche oder zu einer anderen Gruppierung in der Kirche steht - etwa die Armen gegen die Reichen oder die Laien gegen die Priester - sondern daß die Armen die Kirche überhaupt repräsentierten. Sie sind die Mehrheit des Volkes Gottes in der heutigen Welt.

Die 40 Bischöfe des 16. November greifen dieses Motto auf. Aber sie leisten dazu noch etwas eigenes; denn sie legen ein Gelübde ab. Sie versprachen, daß sie nach ihrer Rückkehr vom Konzil, das am 8. Dezember 1965 zu Ende ging, etwas Grundsätzliches in ihrem Leben und bei ihrer kirchlichen Tätigkeit ändern wollten. Sie versprachen, ein einfaches Leben zu führen und den Machtinsignien zu entsagen, sowie einen Pakt mit den Armen zu schließen - die sog. Option für die Armen. Sie bedeutet eine vorrangige Berücksichtigung der Anliegen und Interessen der armen Bevölkerung. Die Bischöfe machen sich zu ihrem Sprachrohr. Eine wichtige Person unter ihnen war Helder Camara."

Diese Bischöfe, darunter Helder Camara aus Brasilien, legten sich auf einen Weg der Kirche zu den Armen fest. Helder Camara hat die Entwicklung der Befreiungstheologie, oder Befreiungspastoral sehr gefördert. Er wurde am 7.2. 1909 in Fortaleza/Brasilien geboren. Brasilien. Er war Priester, nach integralistischen Irrwegen wurde er 1952 Weihbischof von Rio de Janeiro. Vom Zeitpunkt der Einrichtung 1952 an bis 1964 übte er das Amt des Generalsekretärs der Nationalen Bischofskonferenz Brasiliens (CNBB) aus und 1964 Erzbischof von Olinda und Recife. Nur wenige Lebensläufe eines Bischofs werden so eng mit dem Kampf der Kirche für soziale Gerechtigkeit verbunden wie der von Dom Helder Camara, im Alter von 90 Jahren am 28.08.1999 gestorbenen Erzbischof. Er bekam das Etikett "roter Bischof" angehängt. Schnell wurde man damals Kommunist genannt. Er sagte selbst: "Wenn ich den Armen zu essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich frage, warum die Armen kein Essen haben, nennen sie mich einen Kommunisten". Er wurde "Stimme der Armen" genannt. Sein Haus wurde verschiedene Mal mit Maschinenpistolen beschossen. Camara zog nicht in den Bischofspalast, er überließ ihn der kirchlichen Kommission für Menschenrechte. Er selbst bezog eine bescheidene Wohnstatt in der Innenstadt von Recife. Sein Sekretär wurde ermordet. Weil er daraufhin im Ausland gegen die Folter gesprochen hatte, verbot ihm die Militärregierung Interviews. "Es war, als wäre ich vom Erdboden verschluckt... Ein Rundschreiben der Militärregierung an die Presse bestimmte schlicht und ergreifend, daß ich nicht mehr existierte", so erinnerte er sich später.

Er förderte vom Konzil herkommend in den sechziger Jahren den Aufbruch war die katholische Kirche Lateinamerikas. Er versucht mit der Initiative "Kirche der Armen", die Weltöffentlichkeit auf die Nöte der Entwicklungsländer aufmerksam zu machen. Als Zeichen für die Abschlusszeremonie des Konzils schlug er vor: »Wir könnten unsere goldenen und silbernen Bischofskreuze dem Papst zu Füßen legen und dafür Kreuze aus Bronze oder Holz in Empfang nehmen, als Zeichen für den Entschluss, einen einfachen Lebensstil nach dem Evangelium anzunehmen. Die Pracht des Vatikans ist ein Stein des Anstoßes«

In Abstimmung mit Kardinal Giovanni Montini, (später Paul VI.), gründete er in den fünfziger Jahren die Brasilianische Bischofskonferenz, danach die Lateinamerikanische Bischofskonferenz Celam (Alle lateinamerikanischen Bischöfe einschließlich Mexiko). Er wurde zu einer der Hauptfiguren auf der Bischofskonferenz der Celam im 1968 kolumbianischen Medellìn und 1979 auch in Puebla in Mexiko. Dabei half er entscheidend dabei mit, die Katholische Soziallehre in Südamerika einzuführen und für diese Länder weiterzuentwickeln. Er starb am 27.8. 1999 in Recife/Brasilien.

Die Konferenz der 2. Generalversammlung/Celam 1968 Medellìn war eine wichtige Sitzung der katholischen Bischöfe von Lateinamerika. Das Thema war: "Die Kirche in der gegenwärtigen Umwandlung Lateinamerikas im Lichte des Konzils". Sie gab eine Art "Pastoralplan" den sie mit in einem Kapitel mit "Entwürfe für Sozialpastoral" nannte, die Entwicklung der Kirche in diesem Kontinent heraus.

III. ENTWÜRFE DER SOZIALPASTORAL

6. Unser pastoraler Auftrag ist hauptsächlich ein Dienst der Inspiration und der Gewissensbildung der Gläubigen, um ihnen zu helfen, die Verantwortungen ihres Glaubens in ihrem persönlichen und gemeinschaftlichen Leben wahrzunehmen. Diese Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates zeigt unter Berücksichtigung des Werturteils der jüngsten Dokumente des kirchlichen Lehramtes über die wirtschaftliche und soziale Situation der Weit von heute, die für den lateinamerikanischen Kontinent volle Gültigkeit haben, die wichtigsten Anforderungen auf.

Diese Konferenz war ein Meilenstein für die Entwicklung der Kirche in Lateinamerika mit einer besonderen Wirkungsgeschichte vor allem durch die dort getroffenen Optionen. Nach sehr intensiver Vorbereitung mit erheblichen Auseinandersetzungen bis in die Gesellschaft hinein, nahm die Kirche einen Standortwechsel vor und begann sich zunehmend als "Kirche der Armen" zu begreifen. Damit verstärkte sie bedeutend die schon im Zweiten Vatikanischen Konzil vorliegenden Ansätze, die dort aber noch nicht sehr ausgeprägt waren.

Es gab drei Optionen, für die Armen, für den Ansatz der Befreiung und für die Basisgemeinden, die noch Basisgemeinschaften genannt wurden. Es gab 16 Beschlüsse die im Dreischritt "Sehen-Urteilen-Handeln (Tatsachen-Reflexion-Empfehlungen) aufgebaut sind. Zuerst muss die Kirche selbst eine Kirche der Armen werden, wenn sie glaubhaft ihre Option (das Wort kommt eher der Sache nach vor) für die Armen wahrnehmen will. Die Menschen erwarten Befreiung von der Kirche.

"14. Armut der Kirche

1. LATEINAMERIKANISCHE REALITÄT

1. Der lateinamerikanische Episkopat darf angesichts der ungeheuren sozialen Ungerechtigkeiten in Lateinamerika nicht gleichgültig bleiben; Ungerechtigkeiten, die die Mehrheit unserer Völker in einer schmerzhaften Armut halten, die in sehr vielen Fällen an unmenschliches Elend grenzt.

2. Es erhebt sich ein stummer Schrei von Millionen von Menschen, die von ihren Hirten eine Befreiung erbitten, die ihnen von keiner Seite gewährt wird. "Ihr hört uns jetzt schweigend zu, aber Wir hören den Schrei, der aus euren Leiden emporsteigt", sagte Papst Paul Vl. den Landarbeitern in Kolumbien' (Papst Paul VI.: Ansprache an die Landarbeiter in Mosquera/Kolumbien, 23. August 1968)

Und auch uns erreichen die Klagen, daß die Hierarchie, der Klerus und die Ordensleute reich und mit den Reichen verbündet sind. Dazu müssen wir feststellen, daß sehr häufig der Schein mit der Wirklichkeit verwechselt wird. Viele Ursachen haben dazu beigetragen, dieses Bild einer reichen kirchlichen Hierarchie zu schaffen. Die großen Gebäude, die Häuser der Pfarrer und der Ordensleute - wenn sie größer sind als die des Stadtviertels, in dem sie stehen -, die eigenen, manchmal aufwendigen Fahrzeuge, die aus früheren Epochen stammende Art sich zu kleiden, sind einige dieser Gründe gewesen..."

Die Befreiung der Menschen geht auf das befreiende Handeln Gottes zurück. Israel hat es erfahren im Exodus (Auszug aus Ägypten). Diese Erfahrung wird durch Jesus vertieft und wirkt heute weiter, wenn sein Schritt auf dem Weg zu menschlicheren Lebensbedienungen gespürt wird. Der Gedanke der Befreiung wird dann weite eine sehr große Bedeutung erhalten.

Einleitung 6: "So wie einstmals Israel, das erste Volk, die rettende Gegenwart Gottes, als er es aus der Unterdrückung Ägyptens befreite, als er es durch das Meer schreiten ließ und es zum Land der Verheißung führte, so können auch wir das neue Volk Gottes, nicht umhin, seinen rettenden Schritt zu spüren 'die wahre Entwicklung ... die für jeden einzelnen und für alle der Weg von weniger menschlichen zu menschlicheren Lebensbedingungen ist.'"

Es sollen in den Pfarreien, vor allem in ländlichen Gebieten und städtischen Elendsvierteln kirchliche Gemeinschaften gebildet werden, die an anderer Stelle auch Basisgemeinschaften genannt werden. Das Wort Basisgemeinde wird noch nicht verwandt. Sie werden zuerst einmal als "Wir" bildende Strukturen angesehen.

"6 Volkspastoral: ...13. In den Pfarreien, besonders denen der ländlichen und städtischen Elendsviertel,  sollte man sich um die Bildung einer größeren Zahl von kirchlichen Gemeinschaften bemühen, Gemeinschaften, die auf dem Wort Gottes basieren sollen und, wo es möglich ist, sich in der Feier der Eucharistie verwirklichen; immer  in Gemeinschaft mit dem Bischof und in dessen Abhängigkeit.  Die Gemeinschaft wird sich in dem Maße bilden, in dem ihre Glieder einen  Sinn der Zugehörigkeit (des "Wir") haben werden, der sie dazu bringt,  solidarisch in einer gemeinsamen Sendung zu sein, in dem Maße, in dem  sie eine aktive, bewußte und fruchtbare Teilnahme am liturgischen und   gemeinschaftlichen Leben erreichen. Dafür ist es notwendig, sie zum Leben  als Gemeinschaft zu veranlassen und ihnen ein gemeinsames Ziel einzu- üben prägen: das Erreichen der Erlösung durch das Leben des Glaubens und der Liebe.

14. Für die notwendige Formung dieser Gemeinschaften soll sobald wie möglich der permanente Diakonat eingeführt werden, und es sollten Ordensleute, besonders ausgebildete Katecheten sowie Laienapostel zu einer verstärkten  Beteiligung aufgerufen werden.

Die Ermutigung der Konferenz Medellìn war historisch einer der bedeutendsten Antriebe für die Entwicklung der christlichen Gemeinschaften in der katholischen Kirche. Die Basisgemeinschaften und die theologische Forschung bekommen einen erheblichen Auftrieb. Es ging so etwas wie Aufbruchstimmung durch die LateinamerikanischeKirche.

In einem Apostolischen Schreiben "Evangelii nuntiandi" (Verkündigung des Evangeliums) erkennt Papst Paul VI. 1975 den Weg der Evangelisierung als umfassende Befreiung an. In der Mitte der Evangelisierung muss die umfassend Heilsbotschaft von Jesus Christus stehen. Sie ist eine Botschaft, die das ganze Leben des Menschen umfasst. Deshalb gehört auch die Befreiung aus dem heutigen Neokolonialismus in die Aufgabe der Kirche.

"30 Es ist bekannt, mit welchen Worten auf der letzten Synode Bischöfe aus allen Kontinenten, vor allem die Bischöfe der dritten Welt, mit einem pastoralen Akzent gerade über die Botschaft der Befreiung gesprochen haben, wobei die Stimme von Millionen Söhnen und Töchtern der Kirche, die jene Völker bilden, mit erklungenen ist. Völker, wie Wir wissen, die sich mit all ihren Kräften dafür einsetzen und kämpfen, daß all das überwunden wird, was sie dazu verurteilt, am Rande des Lebens zu bleiben: Hunger, chronische Krankheiten, Analphabetismus, Armut, Ungerechtigkeiten in den internationalen Beziehungen und besonders im Handel, Situationen eines wirtschaftlichen und kulturellen Neokolonialismus, der mitunter grausam ist wie der alte politische Kolonialismus. Die Kirche hat, wie die Bischöfe erneut bekräftigt haben, die Pflicht, die Befreiung von Millionen menschlicher Wesen zu verkünden, von denen viele ihr selbst angehören; die Pflicht zu helfen, daß diese Befreiung Wirklichkeit wird, für sie Zeugnis zu geben und mitzuwirken, damit sie ganzheitlich erfolgt. Dies steht durchaus im Einklang mit der Evangelisation."

Sie orientiert sich an der Botschaft vom Reich Gottes. Gewaltanwendung bleibt bei dieser Befreiung ausgeschlossen. Es ist richtig, Strukturen zu schaffen, die weniger unterdrückend sind, dabei muss man aber darauf achten, dass die idealsten Systeme schnell unmenschlich werden, wenn sie nicht aus einer Bekehrung der Herzen leben. Der Papst fasst den spezifischen Beitrag der Kirche zur Befreiung zusammen:

"Spezifischer Beitrag der Kirche

38. Nach diesen Überlegungen geben Wir Unserer Freude darüber Ausdruck, daß die Kirche ein immer lebendigeres Bewußtsein von ihrer eigenen, grundlegend biblischen Weise erwirbt, in der sie zur Befreiung der Menschen beitragen kann. Und was tut sie? Sie sucht immer mehr Christen heranzubilden, die sich für die Befreiung der anderen einsetzen. Sie gibt diesen Christen, die als "Befreier" tätig werden, eine vom Glauben geprägte Einstellung, eine Motivation zur Bruderliebe und eine Soziallehre, die ein echter Christ nicht außer acht lassen kann, sondern die er als Grundlage für seine Überlegungen und seine Erfahrungen nehmen muß, um sie in die Tat umzusetzen im eigenen Handeln, im Zusammenwirken mit ändern und dadurch, daß man dafür eintritt. Das alles muß, ohne daß es mit taktischem Verhalten noch mit Unterordnung unter ein politisches System verwechselt werden darf, den Eifer des engagierten Christen kennzeichnen. Die Kirche bemüht sich, den christlichen Einsatz für die Befreiung stets in den umfassenden Heilsplan einzuordnen, den sie selbst verkündet.

Was Wir hier in Erinnerung gebracht haben, ist in den Betrachtungen der Synode des öfteren zur Sprache gekommen. Darüber hinaus wünschten Wir, schon in der Ansprache, die Wir am Ende der Versammlung an die Väter gerichtet haben, diesem Thema einige klärende Worte zu widmen.

Alle diese Überlegungen sollten, wie man hoffen darf, helfen, die Mißverständnisse zu vermeiden, denen das Wort "Befreiung" sehr oft in den Ideologien, Systemen oder politischen Gruppen ausgesetzt ist. Die Befreiung, die das Evangelium verkündet und vorbereitet, ist jene, die Christus selbst dem Menschen durch sein Opfer verkündet und geschenkt hat."

Durch dieses Dokument sollte eine Klärung herbeigeführt werden, es hat auch viele dazu beigetragen und wie kaum ein anderes Dokument eine Wirkgeschichte bis heute. Evangelisierung wird umfassend gesehen, Befreiung von Sünde und von Situationen und gesellschaftlichen Strukturen die nicht menschenwürdig sind. Eine abschließende Klärung konnte es aber nicht herbeiführen weder in Lateinamerika noch im vatikanischen Kreisen. Dieses Denken war einfach zu neu und vielen zu radikal.

Es kam zu massiven Spannungen bezüglich mancher Auffassungen hinsichtlich der Frage der Rechtfertigung von Revolution, wurde Befreiung vielleicht nicht zu materiell gesehen und nicht auch als Erlösung im theologischen Sinne, war die marxistische Analyse (Gegensatz von Kapital und Arbeit) nicht generell abzulehnen sei und über ein vielleicht zu sehr am "Volke Gottes orientierten Kirchenverständnis. Hinzu kam die konservativere Besetzung von Bischofsstühlen durch den Vatikan, diese wollten damit wohl den Einbruch von pfingstlerischen und anderen Sekten vor allem aus den USA abwehren. Auch Adveniat begab sich in diese Auseinandersetzung unterstützt von eher konservativen Theologen.

Deshalb vor allem kam das Thema der Befreiungstheologie 1979 wieder auf eine Generalversammlung von Celam in Puebla (Mexiko). Das Thema lautete: "Die Evangelisierung in Gegenwart und Zukunft Lateinamerikas".

Die Eröffnungsrede hielt Johannes Paul II. Er rief zur Einheit in Liebe und Wahrheit auf. Am richtigen Verständnis der Person Jesu und der Botschaft des gekommenen Gottesreiches habe sich unsere Verkündigung zu orientieren. Er betonten, dass Jesus kein Revolutionär gewesen sei und bezog sich immer wieder auf die Aussagen seines Vorgängers in Evangelii nuntiandi (EN). Verkündigung des Evangeliums und Einsatz für Menschen in Not sind Auftrag des Evangeliums. Er sagte unter anderem:

"III 2 . Wenn die Kirche gefordert wird die menschliche Würde zu verteidigen oder zu fördern, dann hat sie dies entsprechend ihrem Auftrag zu tun. Obwohl ihr Auftrag der Natur nachreligiös ist, und, nicht sozial oder politisch, muss sie der menschlichen Personen in Bezug auf ihr ganzes Wesen helfen. In der Parabel vom guten Samariter umriss der Herr modellhaft den Weg, wie allen menschlichen Nöten (Lukas 10:30 ff) zu begegnen sei und er sagte, dass er sich im letzten mit dem identifiziert, der enterbt, gefangen, hungrig, und verlassen ist, wenn wir ihm die helfende Hand angeboten haben (Mt. 25:31 ff). In diesen und anderen Zusammenhängen des Evangeliums hat die Kirche erfahren, dass ein unentbehrlicher Teil ihres Auftrags das Evangelium zu predigen das Arbeiten im Interesse Gerechtigkeit und menschlicher Förderung ausmacht. (Siehe das letzte Dokument der Bischofssynode Oktober 1971). Sie hat erfahren, dass Evangelisation und menschliche Förderung zusammen von sehr starken anthropologischen, theologischen und Bändern der Nächstenliebe verbunden werden, (N: 31). “Deshalb wäre Evangelisation nicht vollständig, wenn sie nicht in die gegenseitige Beziehungen die sich im Verlaufe der Zeit zwischen dem Evangelium und dem konkreten, persönliche und soziale Leben des Menschen ergeben "(EN 29)”.

Die Leitung von Celam war durch die oben erwähnten Bischofsbesetzungen konservativer geworden. Durch die vorliegenden Dokumente sollte dies erreicht werden. Vision war eine katholische Gesellschaft, die durch die herkömmliche Soziallehre erreicht werden sollte. Das wäre das offizielle Ende des neuen Weges der Befreiungstheologie und Befreiungspastoral gewesen. Diese Linie konnte sich aber nicht durchsetzen. Die Mehrheit plädierte für den eingeschlagenen Weg. In dem unfangreichen Dokument wurden die pastoralen Optionen von Medellìn im wesentlichen bestätigt. Die Option für die Armen wurde noch vertieft. Die kirchlichen Gemeinschaften wurden nun offiziell Basisgemeinden (je nach Übersetzung auch Basisgemeinschaften) genannt. Es kam zu keiner Verurteilung aber auch zu keiner Bestätigung der Befreiungstheologie. Der vorrangige Dienst für die Armen wird aber sehr deutlich ausgesprochen.

"Teil IV, Kapitel 1 Vorrangige Option für die Armen

"Der Dienst an den Armen, unseren Brüdern

Wenn wir uns dem Armen nähern, um ihn zu begleiten und ihm zu dienen so tun wir, was Christus uns lehrte, als er, arm wie wir, unser Bruder wurde. Daher ist unser Dienst an den Armen vorrangiger, wenn auch nicht ausschließlicher Bestandteil der Nachfolge Christi.

Der beste Dienst an unserem Bruder ist die Evangelisierung, die ihn befähigt, sich als Kind Gottes zu verwirklichen, die ihn von der Ungerechtigkeit befreit und die ihn umfassend fördert. von höchster Bedeutung, daß dieser Dienst an unserem Bruder in Übereinstimmung mit der Grundlinie erfolgt, die das 2. Vatikanische Konzil festlegt: "Zuerst muß man den Forderungen der Gerechtigkeit Genüge tun, und man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist. Man muß die Ursachen der Übel beseitigen, nicht nur die Wirkungen. Die Hilfeleistung sollte so sein, daß sich die Empfänger, allmählich von äußerer Abhängigkeit befreit auf die Dauer selbst helfen können" (AA 8).

Das Engagement für die Armen und Unterdrückten und das Entstehen der Basisgemeinschaften haben der Kirche dazu verholfen, das evangelisatorische Potential men zu entdecken, da sie die Kirche ständig vor Fragen stellen, indem sie sie zur Umkehr aufrufen, und da viele von ihnen in ihrem Leben die Werte des Evangeliums verwirklichen, die in der Solidarität, im Dienst, in der Einfachheit und in der Aufnahmebereitschaft für das Geschenk Gottes bestehen."

Zweimal schaltete sich dann noch die Glaubenskongregation mit Schreiben von Kardinal Ratzinger ein: 1984 mit der Instruktion über einige Aspekte der "Theologie der Befreiung" und 1986 mit dem Dokument "Über die christliche Freiheit und Befreiung". Es ging im wesentlichen um die Diskussion der Theologie der Befreiung. Man hat den Eindruck, dass diese Dokumente den Ansatz der Befreiung eher in herkömmliche Ansätze übersetzen wollten. Sie enthalten aber durchaus auch die Theologie der Befreiung befördernde Ansätze.

In der Befreiungsbewegung überhaupt, rückte die Entwicklung an der Basis in den Blick, die von Objekten der Seelsorge zu den Handelnden werden. Die beiden lateinamerikanischen Synoden sind keine Synoden der Befreiungstheologe, eher einer Sozialpastoral, die in ihrer Option für die Armen ein umfassendes befreiendes Evangelium wie Jesus verkündigen und zugleich auch leben will. Sie wollen auf den "Schrei der Armen" reagieren, indem sie gemeinsam mit diesen für Gerechtigkeit eintreten.

2.2.3 Die Entwicklung der Basisgemeinden

Ursprünglich wurde mehr von kirchlichen Gemeinschaften gesprochen, später dann von Basisgemeinden. Dies deutet einen Entwicklungsprozess an, in dem die christlichen Basisgemeinschaften näher an die offizielle Pastoral heranrückten. Diese Entwicklung der Basisgemeinden wurde auch bei uns unterschiedlich beurteilt. Basisgemeinde klang für viele wie ein Zauberwort, wie ein Lösungsmodell für alle unsere pastoralen Probleme. Für andere war es der marxistischen Theorie entsprungen und beinhaltete große Gefahren der Zerstörung der Kirche von links her. Heute scheint der Glanz zu schwinden, die gesellschaftlichen Verhältnisse sind noch härter geworden, haben die Basisgemeinden vergeblich gekämpft? Umstritten zwischen Heilsdoktrin und linker Ideologie wird es notwendig, sich mit dem Thema Basisgemeinden zu beschäftigen. Dahinter steht ja - von der Beurteilung einmal abgesehen - ein spannendes Konzept. Ein Konzept, das die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang sieht. Im folgenden soll die Entstehungsgeschichte der Basisgemeinden nachgezeichnet, die soziologischen und theologischen Implikationen herausgearbeitet und die Möglichkeit des pastoralen Transfers geprüft werden.

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, Medellìn (1968) und vor allem Puebla (1979) ist der Weg der Kirche eindeutig, obwohl sich unter den Priestern und Bischöfen noch Vertreter der alten Richtung der Zusammenarbeit mit den Reichen und Mächtigen befinden. Die Bedeutung dieser Entwicklung ist klar, wenn man weiß, dass es inzwischen über 100 000 Basisgemeinden in Brasilien gibt bei etwa 115 Millionen Katholiken (etwa 1982). Damit kommen auf jeden Priester im Schnitt etwa 10.000 Katholiken und 7-8 Basisgemeinden. Dies ist eine beachtliche Entwicklung bei Berücksichtigung des traditionellen versorgungskirchlichen Denkens. Die Rolle der Laien wird deutlicher. Heute dürften es viel mehr sein.

Mitentscheidend für diese Entwicklung wurden kirchliche Gegebenheiten. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte dazu den Anstoß gegeben. Die Kirchenkonstitution regte ein erneuertes Kirchenverständnis an. Es kam der biblische Begriff des Gottesvolkes in den Blick. Im Zusammenhang damit wurde die Bedeutung des Laien aufgewertet. Er war nicht mehr einfach hin Objekt der Seelsorge, sondern selbst Subjekt der Pastoral. Mit dieser Erkenntnis begann man in den Basisgemeinden ernst zu machen. Die Laien wollten nicht mehr versorgte Kirche sein, sondern selbst zur sorgenden Kirche werden. Aus einer Kirche für das Volk sollte eine Kirche des Volkes werden. Hier treffen Gedanken des Populismo auf neue theologische Erkenntnisse.

Das zweite war die Verlebendigung der Bibel für die Kirche durch das Konzil. Die Gruppen treffen sich zum Bibelgespräch und erfahren dabei, dass die Bibel etwas für das Leben zu sagen hat. Viele Ereignisse der Bibel, vor allem des Alten Testamentes, konnten jetzt unmittelbar verstanden werden. Dabei wurde der Befreiungsgedanke von großer Bedeutung. Über die Befreiungspädagogik und, das erneuerte Verständnis der Bibel entwickelte sich eine neue Pastoral, die Befreiungspastorat und in deren Folge die Befreiungstheologie. Zuerst entstand die pastorale Praxis, dann die theoretische Reflexion. Es ging dabei nicht einfach um eine Lehre, sondern um reflektierte Praxis.

Für diese Praxis ist wichtig, daß sie das soziale Umfeld mit einbezieht. Dies gehört mit zur Basis in der das Volk lebt. Während Basis zuerst einmal nur die Laien im Volk Gottes meint und das Arbeiten am Ort des Menschen, wird jetzt ein neues soziologisches Interpretationsmodell eingeführt. Es wird erkannt, daß es Sünden in der Struktur gibt; Sünde ist strukturell festgeschrieben. Das Volk ist die Basis. Es lebt in der Struktur der Unterdrückung, des Elends und der Ausbeutung. Der Überbau ist das ausbeutende kapitalistische System, das mit Militärgewalt seine Ansprüche aufrecht erhält.

Hier setzt die Kritik interessierter Kreise auch in unserem Land ein. Dies sei ein marxistisches Interpretationsmuster und müsse deshalb abgelehnt werden. Hier breche der Marxismus in die Pastoral ein. Durch die Befreiungstheologie werde der Weltrevolution in Südamerika Tür und Tor geöffnet. Es mag unter den Befreiungstheologen den einen oder anderen eher marxistisch Denkenden gegeben haben, dies rechtfertigt keineswegs den allgemeinen Marxismusverdacht. Ein allgemein anerkanntes soziologisches Interpretationsmodell macht noch nicht den Marxismus aus, aber die Ausbeutung zum Ärger vieler deutlich. Der Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital ist nun einmal auch unabhängig von Karl Marx gegeben, dies wird ja heute in der Phase der Globalisierung erneut deutlich.

1975 fand die erste Versammlung der Basisgemeinden in Brasilien statt. Sie wurde noch überwiegend von Amtsträgern beschickt. 1976 war schon die Hälfte der Teilnehmer von Basisgemeinden entsandt. 1978 wurde das Treffen selbstständig von den Basisgemeinden organisiert. Auch dies gibt eine Entwicklung wieder.

Die Anerkennung der Basisgemeinden erfolgte in Puebla 1979 durch die Lateinamerikanische Bischofskonferenz (Sekretariat der DBK, Stimmen der Weltkirche 8, Bonn, 123) und durch eine vom Papst aus Zeitgründen nicht mehr gehaltene Rede bei der damaligen Südamerikareise. Sie wurde aber mit seiner Unterschrift der brasilianischen Bischofskonferenz übergeben. Die Befürchtungen hatten sich also nicht erfüllt, daß hinter die Ansätze von Medellìn 1968 zurück gegangen würde. Eine Diskussion gab es dann noch einmal durch ein Dokument der Glaubenskongregation über das richtige Verständnis von Befreiungstheologie (Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über einige Aspekte der Befreiungstheologie. DBK 1984). Eine endgültige Anerkennung erfolgte in einem päpstlichen Dokument, nachdem in Evangelii Nuntiandi ja schon der Zusammenhang zwischen Evangelisierung und Befreiung hergestellt worden war. Die Befreiung umfasst den ganzen Menschen und alle seine Lebensbereiche. Die Basisgemeinden sind Träger einer solchen Evangelisierung (EN 58). Die Basisgemeinden müssen aber soziologischer und theologischer Natur sein. Kirchliche Basisgemeinschaft kann sich nur die nennen, die sich innerhalb der Kirche bildet und zum Wachstum der Kirche beiträgt (EN 58). Damit wurde eine Abgrenzung zu allen Basisgemeinschaften ausgesprochen, die sich unabhängig von der Kirche gebildet hatten.

Heute entsteht der Eindruck, daß aus Sorge vor den aus den USA eindringenden fundamentalistischen Sekten eher wieder ein konservativer Kurs gefahren wird, der diesen Sekten das Wasser abgraben soll. Die Basisgemeinden haben aber zahlenmäßig eher noch zugenommen. So hat das Bistum Coroatà im Nordosten Brasiliens (2001) bei 350.000 Katholiken und 19 Pfarreien etwas 800 Basisgemeinden. Sie ersetzen in den meisten Fällen die nicht vorhandene Pfarrseelsorge und feiern nichtpriesterliche Gottesdienste.

Die Gesichter der Basisgemeinden sind durchaus verschieden und stark von der jeweiligen gesellschaftlichen Situation. So gibt es Unterschiede zwischen den Basisgemeinden in Nicaragua oder Argentinien, ja sogar in den einzelnen Ländern selbst. Ebenso unterschiedlich ist die theologische Standortbestimmung. Sie werden gelegentlich als Laienvereinigungen verstanden, die die offizielle Seelsorge unterstützen. Das ist aber wohl entschieden zu wenig. Eine andere Auffassung betrachtet nur die Realisierung von Geschwisterlichkeit. Theologen sehen in ihnen die sakramentale Gestalt der Kirche der Zukunft. Die vierte Auffassung sieht im Prozess der Evangelisierung Kirche entstehen. Sie entsprechen am ehesten den biblischen Hauskirchen.

Für die eine Richtung der Basisgemeinden ist das Exodusmotiv (Befreiung Israels aus der Versklavung in Ägypten)mit seiner Befreiung wichtig, für die andere die befreiende und versöhnende Kraft des Evangeliums das im Leben und in der Gesellschaft eingepflanzt werden muß.

Basisgemeinden sind ein Aufbruch für die Kirche und die Menschen in Südamerika. Sie wurden theologisch begleitet von der Befreiungstheologie. Die Bischöfe betrachteten sie als Befreiungspastoral. Es ging immer wieder um die Überwindung der Strukturen der Sünde.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Befreiung war das Bibellesen. Sie diente der Bewusstseinsbildung, ein für die Befreiungspastoral ganz wichtiger Begriff. Ernesto Cardenal hat solche Bibelgespräche aufgezeichnet und in "Das Evangelium der Bauern von Solentiname" veröffentlicht. Hier geht es um einen Vers des Magnifikat, des Lobgesang Mariens Lukas 1,46-55.

Lukas 1,52: "Er. stößt die Mäcbtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und läßt die Reichen leer.

Einer sagt: - Mächtig ist dasselbe wie reich. Die Mächtigen sind reich, und die Reichen sind mächtig.

Und ein anderer-  Mächtig ist auch dasselbe wie stolz, denn die Reichen und Mächtigen sind stolz.

Teresita: - Maria sagt, daß Gott die Niedrigen erhebt- das, was er mit Maria getan hat.

Und Mariita: - Mit Maria und mit Jesus und mit allen anderen, die ihm folgten und die alle arm waren.

Ich frage-. - Was würde wohl Herodes gesagt haben, wenn er gewußt hätte, daß eine Frau aus dem Volk gesungen hatte, Gott stieße die Mächtigen vom Thron und erhöbe die Niedrigen, er fülle die Hungrigen mit Gütern und ließe die Reichen leer?

Natalia lacht und sagt: - Sie wäre verrückt.

Resita: - Sie wäre Kommunistin.

Laureano: - Das würde er nicht nur gesagt haben - sie war ja auch eine Umstürzlerin!

- Und was würden sie in Nicaragua sagen, wenn sie uns hier in Solentiname hörten?

Mehrere: - Wir wären Kommunisten.

Jemand fragt: - Und dies. »Die Hungrigen füllt er mit Gütern«,

Ein junger Mann antwortet: - Die Hungrigen sollen etwas zu essen haben.

Ein anderer: - Die Revolution!

Laureano: - Das ist die Revolution, der Reiche oder Mächtige wird gestürzt, und der Arme, der unten war, wird erhoben.

Ein anderer: - Wenn Gott gegen die Mächtigen ist, muß er also für die Armen sein.

Andrea, Oscars Frau, fragt-. - Dieses Versprechen, daß die Armen alle diese Güter haben sollen, ist das für damals gemeint, für die Zeit, in der Maria lebte, oder soll das erst heute geschehen? Das weiß ich nämlich nicht.

Einer der jungen Männer antwortet: - Maria sprach für die Zukunft, glaube ich, denn wir fangen ja gerade erst an, diese Befreiung zu sehen, die sie ankündigt."

Für sich erkennen die Beteiligten, dass Gott eine Option für die Armen hat. Die Frage bleibt nach dem Umsetzen, denn Gewalt scheidet aus. Sie wird oft genug von der Seite der Mächtigen angewandt, wenn die Armen sich melden, so z.B. in der Frage der Landverteilung. Riesenbesitz, oft auch ungenutzt, steht gegen den Hunger und die Ausbeutung der Landlosen. Sie fordern Landreform, schließen sich in Interessengemeinschaften zusammen, um ihr Recht auf Landbesitz, das ja von der Kirche oft genug bestätigt worden ist, durchzusetzen.

24. Das Gemeinwohl verlangt deshalb manchmal eine Enteignung von Grundbesitz, wenn dieser wegen seiner Größe, seiner geringen oder überhaupt nicht erfolgten Nutzung, wegen des Elends, das die Bevölkerung durch ihn erfährt, wegen eines beträchtlichen Schadens, den die Interessen des Landes erleiden, dem Gemeinwohl hemmend im Wege steht. Das Konzil hat das ganz klar gesagt. (Paul VI Enzyklika Populorum Progressio (1967)

Pastoralkonstitution Gaudium et spes

"60...Das gilt in besonderer Weise für Landbevölkerung und Arbeiter; diesen müssen Arbeitsbedingungen geboten werden, die ihre menschliche Kultur nicht beeinträchtigen, sondern fördern. Die Frauen sind zwar schon in fast allen Lebensbereichen tätig, infolgedessen sollen sie aber auch in der Lage sein, die ihrer Eigenart angemessene Rolle voll zu übernehmen. Sache aller ist es, die je eigene und notwendige Teilnahme der Frau am kulturellen Leben anzuerkennen und zu fördern..."

"71...Das Recht auf Privateigentum schließt aber die Rechtmäßigkeit von Gemeineigentum in verschiedenen Formen nicht aus. Die Überführung von Gütern in Gemeineigentum kann nur von den zuständigen obrigkeitlichen Stellen entsprechend dem, was das Gemeinwohl fordert, und in dieser Begrenzung sowie gegen billige Entschädigung erfolgen. Sache der öffentlichen Gewalt ist es auch, Vorsorge zu treffen gegen einen Mißbrauch privaten Eigentums im Widerspruch zum Gemeinwohl. Aber auch das Privateigentum selbst hat eine ihm wesentliche soziale Seite; sie hat ihre Grundlage in der Widmung der Erdengüter an alle15. Bei Außerachtlassung dieser seiner sozialen Seite führt das Eigentum in großem Umfang zu Raffgier und schweren Verirrungen; das aber liefert seinen Gegnern den Vorwand, das Eigentumsrecht als solches in Frage zu stellen. In manchen wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern besteht großer, ja riesengroßer Landbesitz, der nur schwach genutzt oder gar in spekulativer Absicht völlig ungenützt liegen gelassen wird, während die Mehrheit der Bevölkerung entweder überhaupt keinen Boden besitzt oder nur äußerst geringe landwirtschaftliche Nutzflächen in Bestellung hat, während auf der anderen Seite die Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge unverkennbar dringlich ist. Nicht selten beziehen diejenigen, die von den Eigentümern als Arbeitskräfte gedungen werden oder Teile von deren Besitz als Pächter bewirtschaften, nur einen menschenunwürdigen Lohn oder Ertragsanteil, ermangeln angemessener Unterkunft und werden von Mittelspersonen ausgebeutet. Ohne jede Daseinssicherung leben sie in einer Dienstbarkeit, die ihnen nahezu jede Möglichkeit raubt, aus eigenem Antrieb und in eigener Verantwortung etwas zu unternehmen, ihnen jeden kulturellen Fortschritt und jede Beteiligung am gesellschaftlichen und politischen Leben versagt. Hier sind Reformen geboten mit dem Ziel, je nach Lage des Falles die Bezüge zu erhöhen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, das Beschäftigungsverhältnis zu sichern, Anreiz zu eigener Unternehmungslust zu bieten, schließlich auch die nicht hinreichend genutzten Besitzungen aufzuteilen unter diejenigen, die imstande sind, diese Flächen ertragbringend zu machen. In letzterem Falle müssen die nötigen Sachmittel und Hilfseinrichtungen beigestellt werden, insbesondere Ausbildungsbeihilfe und organisatorischer Verbund echt genossenschaftlicher Art. Wo das Gemeinwohl die Entziehung des Eigentums erfordert, ist die Entschädigung nach Billigkeit zu bemessen unter Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte..."

Es geht nicht nur darum, den Armen und Hungernden zu helfen durch unmittelbare Nahrungsspenden. Die Armen müssen aus ihrer Situation der Unterdrückung ausbrechen, indem sie eine Strategie entwickeln, die fähig ist, Sozialbedingungen zu ändern: die Strategie der Befreiung. In der Befreiung entdecken die Unterdrückten ihre Situation ihre Situation in einem Prozess der Bewusstseinsbildung. Sie erkennen die Ursachen ihrer Unterdrückung, organisieren sich in Bewegungen und Handeln auf eine koordiniert Art und Weise. Zuerst fordern sie alles, was das derzeitige System geben kann: bessere Löhne, Arbeitsbedingungen, Gesundheitspflege, Ausbildung, Wohnung und so weiter. Dann arbeiten sie auf eine Umwandlung der bestehenden Gesellschaft in der Richtung einer neuen Gesellschaft, die durch allgemeine Teilhabe, ein besserer und gerechterer Ausgleich unter Gesellschaftsklassen und humane Lebensbedingungen gekennzeichnet ist.(Nach Leonardo Boff und Clodovis Boff.)

Die Kirche setzt sich in ihrer Aktion Landpastoral für die Campesinos und Landlosen ein. Sie unterstützt sie in ihren Rechten, hilft Landgewerkschaften zu gründen und fördert Kooperative. Sie musste bei allen Erfolgen aber auch feststellten, dass es einen gegenläufigen Trend gibt.

"Die Kirche und die Problematik von Grund und Boden". So lautet eine Denkschrift der Brasilianischen Bischofskonferenz vom 14. Februar 1980:

Fast überall bestehen im brasilianischen Bundesgebiet, wenn auch in unterschiedlichen Formen Konflikte zwischen großen nationalen und multinationalen Unternehmen, Landerschleichern, und Großgrundbesitzern einerseits und posseiros und Indianern andererseits. 'Um diese Menschen von ihrem Land zu vertreiben, scheut man vor keiner Art von Gewaltanwendung zurück. In diese Gewalttätigkeiten, sind - wie inzwischen eindeutig bewiesen wurde - auch berufsmäßige Totschläger und Killer, Polizeikräfte, Justizbeamte und sogar Richter verwickelt. Oft genug wird das Gesetz auch dadurch schwerstens verletzt daß Totschläger und Polizeikräfte gemeinsam Truppen bilden, um Gerichtsurteile, die die Räumung verfügen, auszuführen."

Es gibt aber auch Erfolge. So organisieren sich die Landarbeiter im brasilianischen Bundesstaat Maranhão. "Wir wollen mit unseren eigenen Füssen aus dem Loch heraus." Der Bischof Reinhard Pünder von Coroatà sagte 2001, dass die Zahl der kleinen Landbesitzer in den letzten Jahren zugenommen habe. Das ist sicher auch mit ein Erfolg der Landpastoral.

Gesamtwirtschaftlich hat sich für die Armen die Situation verschlechtert. 1964 ist die brasilianische Wirtschaft die 46. in der Welt; 1994 schon die 8.. Die letzten 20 Jahre haben unleugbaren technologischen und industriellen Fortschritt gebracht, dafür hat es eine erhebliche Verschlechterung der sozialen Bedingungen für die Armen, mit Ausbeutung, Armut und Hunger gegeben, wie sie in der brasilianischen Geschichte vorher nicht bekannt war. Dies ist der Preis der von den Armen für die Entwicklung der Reichen gezahlt wird. Sie werden wie Papst Johannes Paul II. sagte auf Kosten der Armen immer reicher, die Armen dagegen werden immer ärmer werden.

Dies hat sicher auch mit dazu beigetragen, dass Befreiungstheologische Ansätze in den Basisgemeinden im letzten Jahrzehnt eine rückläufige Rolle gespielt haben. Die Menschen haben keinen Erfolg gesehen, im Gegenteil. Dies stellt auch die Frage nach der Befreiungstheologie überhaupt.

2.2.4 Die Befreiungstheologie

Hier können nur einige Akzente der Befreiungstheologie vorgetragen werden, die für die Reflexion der kirchlichen Arbeit von besonderer Bedeutung geworden sind.

Im Vorfeld der Befreiungstheologie steht Paolo Freire (1921-1997). Er machte als Persönlichkeit und durch seine pädagogische Methode einen großen Eindruck auf das kulturelle Leben Lateinamerikas. Freire beschreibt sein Kirchenbild wie folgt:

"Ich bin fest davon überzeugt, dass die traditionelle Kirche nichts gemein hat mit einer kritischen Bewußtseinserweiterung. Sie hat mit ihr ebenso wenig gemein wie die sog. 'moderne Kirche'. Letztere ist eine traditionalistische Kirche, die sich modernisiert, um in effektiverer Weise traditionell zu bleiben. Beide Kirchen werden meiner Meinung nach historisch untergehen, ohne dass es eine Wiederauferstehung gäbe. Nur die prophetische Kirche, die so alt ist wie die Christenheit selber, wird überleben, sie ist nicht traditionalistisch, sie ist modern, ohne ständig modernisiert zu werden. Nur die prophetische Kirche wird überleben und zwar in dem Maße wie sie historisch gesehen - sich im Werden begriffen versteht. Die Prophetische Kirche hat keine Angst, unterzugehen, weil sie weiß, dass das Sterben die Voraussetzung für die Wiedergeburt ist." (Paolo Freire, Der Lehrer ist Politiker und Künstler, Neue Texte zu befreiender Bildungsarbeit,(Sammlung verschiedener Aufsätze), Hamburg 1981,  Seite 94)

In seiner Pädagogik der Befreiung knüpfte er an Übereignungen der brasilianischen Jugendbewegung und anderer Elemente an, in der Methode Sehen-Urteilen-Handeln hatte er in der Alphabetisierung große Erfolge. 1961 setzte Freire seine Lehrmethode erstmals in einem kleinen Dorf im Nordosten Brasiliens ein. Er brachte den etwa 300 Bauern in nur wenigen Wochen Tagen Lesen und Schreiben bei. Er wurde Erziehungsminister, musste nach der Machtübernahme durch die Militärdiktatur fliehen.

Der Ansatz seiner Bewusstseinerweiterung und sein Kirchenbegriff vom Prophetischen her wurden von großer Bedeutung. Liest man Stimmen in, "Befreiungstheologie", die von einer "Neuentstehung der Kirche inmitten des Volkes" oder von einer "prophetischen Kirche der Zukunft" reden, dann beruht dies in der Regel auf dem Ansatz von Freire. Hier sieht man seinen Einfluss.

Das andere ist der Begriff der Bewusstseinserweiterung. Darin geht es darum, mit den Menschen gemeinsam ein Einsehen in ihre Situation zu erarbeiten. Der (Bildungs-) Prozess der Bewusstseinserweiterung beginnt damit die eigene Lebenswelt durch die Sprache bewusst zu machen, sie kommt ins Wort und wird mitteilbar. Das ist das erste Wort, die Praxis als Wirklichkeit in der wir leben, ihr gebührt der Vorrang. Das zweite Wort ist die Frage nach den Gründen für die Situation, die Theorie. Danach kann es dann zu befreiendem Handeln kommen. Dies ist ein bedeutsamer Begriff nicht nur in der Befreiungspädagogik geworden. Freire hatte auch Kontakte zu dem anderen Vordenker der Befreiungspädagogik Ivan Illich.

Entwicklung ist der erste Begriff zur Deutung der wirtschaftlichen Situation der armen Länder. Diese Völker sind unterentwickelt. Es braucht nur etwas Schwung, so wie nach dem Krieg in Europa und dann wird es schon aufwärts gehen. Man merkte aber bald vor allem in Lateinamerika, das die industrielle Entwicklung dort eher negative Tendenzen entwickelte < http://members.aol.com/befreiungstheo/liberacion1.html. >

Die Dependenztheorie entstand. Nach dieser Sicht ist die wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas ganz den Interessen der Industrieländer und der großen Wirtschaftskonzerne nachgeordnet. Diese Unternehmen bestimmen den Rohstoffmarkt und ihr technischer Vorsprung die Zukunft der unterentwickelten Länder.

Der Begriff der "Befreiung" (liberaciòn) tauchte in diesen wirtschaftlichen Zusammenhängen erstmals gegen Ende der sechziger Jahre auf. Ein erstes Konzept einer Befreiungstheologie hat Gustavo Gutierrez (*1928 in Lima, Peru) auf einem von Ivan Illich organisierten Pastoralkongress in Petropolis (Brasilien) 1964 vorgetragen. Es ging um die kritische Reflexion der Praxis. Einen ersten Entwurf seiner Befreiungstheologie legte er auf einer 1968 in Chimbote vor. 1971 veröffentlichte er sein Buch "Teologia de liberaciòn" (Theologie der Befreiung, Lima 1971). Gegen die Theorie der Entwicklung die besagte, dass man die Unterentwicklung aufarbeiten müsse, stellte er sein Befreiungskonzept. In den ersten Konzeptionen spielt der Sozialismus eine große Rolle. Dies hat ihm den Kommunismusvorwurf eingebracht. Er vertrat aber einen demokratischen Sozialismus.

"Allein der Sozialismus wird Lateinamerika die wirkliche Entwicklung bringen können (im Gegensatz zu jedem Desarrollismo (=Entwicklung)) ... Ich bin der Meinung, daß ein sozialistisches System besser den christlichen Prinzipien von Gerechtigkeit, Frieden und wahrer Brüderlichkeit entspricht... Welche Form des Sozialismus das sein wird, weiß ich nicht. Dies ist aber die Richtung, der Lateinamerika folgen muß. Ich für meinen Teil glaube, daß es ein demokratischer Sozialismus sein muß" (Gutierrez, G., Teologia de la liberaciòn, Salamanca 1972, deutsche Ausgabe München 1973: S.108). Revolution und Gewalt lehnte er später deutlich ab, wohl auch aus der Erfahrung der Mitbrüder, die zu Revolutionären geworden waren.

Gutierrez stand aber immer in der Kirche. Er hat den Kontakt zur Seelsorge und den Bischöfen nie verloren, acht Bischöfe luden ihn als Berater nach Puebla ein In Puebla verhinderte er entscheidend mit, dass es nicht zum Eklat zwischen der Konferenzleitung und den Theologen kam, die "vor den Toren" dabei waren. Dass es von den Gedanken der Revolution und der Gewalt zur Theologie der Befreiung kam ist wesentlich auf seinen Einfluss zurückzuführen.

Stellvertretend für alle anderen soll ein weiterer Hauptvertreter der Befreiungstheologie genannt werden, der Franziskaner Leonardo Boff, (* 1938 in Concordia, Brasilien, sein Bruder ist der Befreiungstheologe Clodevis Boff). Er studierte unter anderem bei Karl Rahner, Leo Scheffczyk und Heinrich Fries in München. Er hatte viele wichtige Aufgaben in der brasilianischen Kirche und war Professor in Petropolis. Er hatte eine Reihe Konflikte mit der Glaubenskongregation in Rom und schied aus dem kirchlichen Dienst aus. Zur Zeit ist er Professor für Ethik in Rio de Janeiro.

Was liegt hinter Befreiungstheologie? In vielen Abhandlungen hat er es selbst beschrieben. Der Ausgangspunkt sind die Armutsskandale in Lateinamerika und in der Dritten Welt. Nach vorsichtigen Schätzungen gibt es in jenen Ländern, fünfhundert Millionen Menschen die hungern. Die Lebenserwartung ist viel niedriger als in reichen Ländern. Eine Milliarde hat keinen Zugang zu medizinsicher Versorgung, die Arbeitslosigkeit ist in vielen Ländern sehr hoch, der Analphabetismus ist erheblich.

Wer wird nicht mit gerechtem Zorn über eine solche menschliche und soziale Hölle erfüllt? Befreiungstheologie setzt ein mit einem energischen Protest gegen solche Situationen, leidet mit und versucht zu ändern. Im sozialen Bereich durch Kampf gegen kollektive Unterdrückung, auf individuellen Bereich durch Kampf für die Rechte jedes Einzelnen, im religiösem Bereich durch den Hinweis auf die Menschenwürde, die der Schöpfer jedem Menschen gegeben hat.

Befreiungstheologie hat eine prophetische Vision von einer gerechten und humanen Welt. Sie leidet mit den betroffenen Menschen. Sie basiert auf biblischen Ansätzen des Alten und Neuen Testamentes. Die Armen im Alten Testament dürfen sich der besonderen Liebe Gottes sicher sein. Das ist vor allem Botschaft der Propheten. Jesus greift dies auf. Er wird arm um unseretwillen. Er kommt um den Armen eine frohe Botschaft zu bringen. Mit ihm ist das Reich Gottes gekommen, hat angefangen, das Reich in dem es Gerechtigkeit und keine Armut mehr gibt. Gott hat eine Option für die Armen. Wer den Armen hilft hilft Jesus. Er hat das Kreuz für alle getragen, er erfährt Auferstehung für Menschen und auch besonders für alle Gekreuzigten dieser Welt.

Karitative Hilfen sind notwendig, notwendiger ist es die Strukturen der Unterdrückung aufzubrechen, die dies alles verursachen. Reformen der Wirtschaft haben wie die letzten 20 Jahre zeigten (1964-1994) erstaunlichen wirtschaftliche Fortschritte in Brasilien gebracht, aber die Armut der Armen ist nicht geringer, sondern größer geworden. Es muss weiter an der Befreiung dieser Menschen und vor allem mit und durch diese gearbeitet werden. Viele Unterdrückungsmodelle resultieren noch aus der Kolonialzeit und konnten bisher nicht überwunden werden, so z.B. der erhebliche Großgrundbesitz im Gegensatz zu den Landlosen. Und die Mächtigen haben immer Recht, auch wenn sie sich durch Korruption reich machen und das erwirtschaftete Geld auf ausländischen Banken zur Spekulation transferieren. Es ist entwickelten sich Regime der "nationalen Sicherheit", sprich Sicherheit für die Reichen und ihr Kapital und gegen Initiativen aus der Befreiungstheologie.

Auf alle diese Ungerechtigkeit kann es nur eine Antwort der Christen geben. Es ist uns als Anhänger Jesu der Weg vorgeben. Wir müssen ein Evangelium der Befreiung entwickeln. Das muss gegen die Ursachen dieser Armut angehen und für und mit den Armen kämpfen für Gerechtigkeit. Es geht um ihre Befreiung aus dem Elend. Das geschieht gemeinsam mit den Gewerkschaften, mit den Landlosen, mit den Indianern ... Es geht um den Einsatz für ihre Rechte.

Das Gericht am Ende der Zeiten wird uns alle fragen, wie wir es mit der Not des Nächsten gehalten haben und wie wir ihnen und damit Jesus geholfen haben (Mt. 25.31-46). Hier ist die Option für die Armen letztlich verankert. Christliche Basisgemeinden, Bibelgruppen, Gruppen zur Evangelisation, Bewegungen zur Förderung von menschlichen Rechten, Agenturen der Landpastoral sind in diese Bewegung der Befreiung eingetreten. Sie alle tragen dazu bei, dass Religion nicht mehr als "Opium des Volkes" sondern Aufruf zur Solidarität der Menschen, die als neuer Adam, nämlich als Jesus gesehen werden. Das ist ihre Menschenwürde.

Die Armen selbst werden sich ihrer Situation bewusst und schlagen an die Türen der Reichen. fordern Leben, Brot, Freiheit und Würde. Sie werden von vielen unterstützt, die den Einsatz für Gerechtigkeit zu ihrer Aufgabe gemacht haben. Viele wurden dabei zu Märtyrern so der Bischof Oscar Romero.

Theologie der Befreiung ist nicht nur ein theoretisches Beschäftigen in Büchern und Seminaren mit dem Thema, sondern der konkrete Einsatz für die Armen. Die Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse, die Erfahrung des befreienden Gottes und das Lesen der Bibel auf dem Hintergrund dieser Erkenntnisse zeigen uns dabei den Weg.

Boff ist sicher auch Irrwege gegangen in seinen manchmal etwas unkritisch wirkenden Aussagen über den Kommunismus. Für ihn und die anderen Befreiungstheologen war die Erfahrung des rüden Kapitalismus in ihrem Land so niederschmetternd, die Fehlentwicklungen dieses kommunistischen Systems manchmal übersehen haben. Seit Zusammenbruch dieses Systems ist es ja nicht weltweit besser geworden, sondern im Globalisierungsprozess zeigen sich, jetzt nicht nur in diesen Ländern, sondern auch bei uns – die Folgen des neoliberalistischen Kapitalismus.

"Die erste Katastrophe des Jahrhunderts war der Erste Weltkrieg, am Ende stand die erste globale Institution, der Völkerbund. Die zweite Katastrophe war der Zweite Weltkrieg, nach dem die Vereinten Nationen entstanden. Nach der dritten Krise jetzt kommt die Weltregierung. Da steht die eine und einzige Weltgesellschaft. Nur so können wir das Erbe der Menschheit bewahren. Sobald man mehr und mehr spürt, daß der Untergang droht, können wir mit einer wenigstens minimalen Menschlichkeit rechnen."

Das ist in der Tat ein Problem, denn Moral und Ethik werden immer kulturell, also regional bestimmt. Ethos kommt aus dem Griechischen und meint das Revier eines jeden. Heutzutage ist darunter aber nicht mehr die eigene Wohnung, das Haus, die Stadt, das Land zu verstehen, sondern die ganze Welt. Wir müssen den gesamten Planeten bewahren, das muß der Maßstab für unsere Ethik jetzt sein.

Der Mensch muß sich als seinen eigenen Zweck entdecken. Sehen Sie in die Geschichte der Menschheit, wie es in der Aufklärung war. Das war die große Zeit des Respekts vor dem Menschen. Brüderlichkeit war ein Grundwert. Menschen galten als gleich. Diese ethische Tradition Europas müssen wir wieder entdecken." (Dieses Interview ist 6. Juni. 1999 im Tagesspiegel erschienen).

Es geht um eine gerechte Welt für alle. Dazu gehört angesichts der dramatischen Situation in vielen Ländern vor einem Gespräch über die Theologie der Befreiung die Hilfe zum konkreten Überleben.

"Frage von KAB Impuls: Welche Rolle spielt heute der Glaube, die Option für die Armen angesichts der wirtschaftlichen Globalisierung?

Leonardo Boff: Der Glaube hat nicht nur eine versöhnliche und gemeinschaftliche Dimension, sondern auch eine öffentliche, politische und befreiende Dimension. Wir arbeiten in Brasilien mit armen Kindern und auch Straßenkindern, und die Hauptaufgabe ist zumindest einmal am Tag den Kindern eine gute Mahlzeit zu geben. Und das machen wir mit Unterstützung von vielen hier in Deutschland, in der Schweiz, Europa. Die meisten von diesen Kindern sind schwarz und Mestize, sie sind die letzte Folge der Sklaverei. Das ist ein Zeichen der Zerstörung der Familien und das ist also Folge dieser Entwicklung, die bei uns Unterentwicklung bedeutet. Man sieht auf der Straße die total sozial Ausgegrenzten, die direkt mit dem Tod konfrontiert werden. Es ist daher Aufgabe der Theologie nicht so sehr von Befreiung zu reden, als vielmehr materielles Leben zu sichern und die Grundlagen für das Überleben zu geben.

Die großen Konzerne bestimmen über die Hälfte der Wirtschaftspolitik Brasiliens. Und auch die deutschen Konzerne sind sehr gut vertreten in Brasilien. jetzt ist Deutschland nicht mehr die zweitgrößte Nation, die wirtschaftlich präsent ist, sondern Spanien nach den USA. Die Löhne sind so niedrig und die großen Gewinne werden noch Deutschland gebracht. Vor zwei Jahren gab die Weltbank an, dass die Hälfte des deutschen Reichtums nicht in Deutschland erwirtschaftet wird, sondern mit den internationalen Konzernen auf der ganzen Weh. Das ist auch ein Grund, dass der Wohlstand in Deutschland erhalten bleiben kann.

Man muss diese kausalen Zusammenhänge sehen zwischen Reichtum und Armut. Es ist ein Reichtum, der auf Kosten der. Verarmung der anderen Seite gemacht wird. Und das ist für uns keine soziologische Frage, es ist eine ethische Frage der sozialen Gerechtigkeit. Und theologisch betrachtet ist es eine soziale * strukturelle Sünde, die auch mit Gott zu tun hat." (KAB Impuls Januar/Februar 2002)

Die globale Verantwortung und der Aufbau einer menschlichen globalen Welt sind die großen Themen von heute und morgen.

2.2.5 Abschließende Gedanken

Ende der Jahre wurde die Triebkraft dieser Richtung immer schwächer. Das hatte verschiedene Gründe. Das waren einmal die konservativeren Bischofsernennungen. Die beständigen Lehrbeanstandungsverfahren, aber auch insgesamt der Zusammenbruch des Kommunismus in dieser Zeit. Die positive wirtschaftliche Entwicklung, deren Reichtum an den Armen vorbeiging, tat ein übriges. Die Wende weg von der Militärdiktatur hin zur Demokratie hatte neue Hoffnungen geweckt, die aber zumeist nicht eingehalten wurden. Die Basisgemeinden resignierten wegen Erfolglosigkeit im Befreiungsprozess. Manche sprachen schon vom Ende dieser Bewegung.

Was bleibt ist aber bedeutend:

·        die Option für die Armen,

·        das Stehen an der Seite der Armen

·        die Basisgemeinden

·        die Landpastoral

·        der vielfältige Einsatz der Kirche für die Armen.

Davon sind auch einige Elemente – z.B. die Option für die Armen - in die Soziallehre der Kirche übergegangen. Das ist ein großes Verdienst dieser Entwicklung für die Gesamtkirche.

Heute unter dem Druck der Globalisierung entwickeln sich manche Fragestellungen neu. Diesen stellt sich im Augenblick die Theologie in Lateinamerika. Welche Welt werden wir bekommen. Aber nicht nur dort wird darüber nachgedacht, sondern auch in Europa. Auch die sozialethischen Ansätze wachsen zusammen.

Es gab und gibt in dieser Bewegung auch Transfer (Übertragung) nach Europa. So auch Deutschland im Gedanken der Sozialpastoral. Dem soll nun nachgegangen werden.

2.3 Die Sozialpastoral

2.3.0 Hinführung und Internet

2.3.0.1 Hinführung

Der Gedanke der Sozialpastoral ist ja schon in Medellìn Grundlage des pastoralen Konzeptes. Er wird auch in Puebla wieder aufgegriffen und hat heute in Südamerika und weit darüber hinaus eine weite Verbreitung. Manches, was eigentlich karitatives Arbeiten ist, wird Sozialpastoral genannt. Oder das Karitative Sozial und die Seelsorge Pastoral. Dabei geht es doch um mehr, nämlich um den prinzipiellen Ansatz der Pastoral von den gesellschaftlichen Gegebenheiten her. Dies geschieht dann aus der Sicht der Option für die Armen und im Hinblick auf die soziale Gerechtigkeit, die vom Reiche Gottes her verheißen ist. Beide Ansätze, das Soziale und Pastorale werden miteinander verschränkt. Die biblischen und die lehramtlichen Grundlagen sind im Wesentlichen die gleichen wie bei der Befreiungsbewegung.

Gerade der deutsche Pastoraltheologe Hermann Steinkamp bemüht sich, diesen Ansatz in Deutschland zu verlebendigen durch verschiedene Veröffentlichungen. Es gibt Gruppen und Institutionen, die nach diesen Gedanken arbeiten, so auch im Bistum Limburg. Vor allem diesem Ansatz soll nachgegangen werden. In der Sozialpastoral liegt eine Verschränkung pastoraltheologischer und sozialethischer Ansätze in einem gemeinsamen Konzept vor

2.2.0.1 Literatur und Internet

Literatur

Hillerich, Frank Hg. u.a. Soziale Befreiung der Pastoral, Ein Werkstattbuch der Initiative Sozialpastoral im Bistum Limburg, Limburg 1999

Steinkamp, Hermann, Sozialpastoral, Freiburg 1991

Mette Norbert, Steinkamp Herrmann, die Grundprinzipien der Sozialpastoral. Am Beispiel des 'Plano de Pastoral de Conjunto' der Diözese Creatéus (Brasilien) in: Pastoraltheologische Informationen 14 1994 Seite 79-92

Steinkamp, Herrmann, Solidarität und Parteilichkeit, Für eine neue Praxis in Kirche und Gemeinde, Mainz 1994

Internet

Zur Sozialpastoral im Bistum Limburg
< http://www.kath.de/bistum/limburg/themen/sozialpastoral/sozialpastoral.htm >

Kurze Literaturangaben aus einem Forschungsprojekt der Sozialpastoral der Uni Münster
< http://wwwfb02.uni-muenster.de/fb02/pastrep/index.html >

Im Reader der Vorlesung an der PTHV-Vallendar über Gemeindeleitung und –verwaltung zum Wintersemester 2001/2002 ist ein Kapitel zur Sozialpastoral Kapitel 4(pdf)
< http://www.leuninger.de/vorlesung/index.htm >

Ludger Weckel beschreibt eine Tagung über Evangelisierung im 3. Jahrtausend 1998 in Hofheim, darin kommen auch Beispiele einer Sozialpastoral vor.
< http://www.econ-theo.org/forums/movements11/0001.html >

2.3.1 Sozialpastoral am Beispiel der Diözese Creatéus (Brasilien)

Sozialpastoral gibt es vom Begriff und der Sache her seit Medellìn (1968). Sie hat die verschiedensten Entwicklungen genommen. Herrmann Steinkamp hat sie am Beispiel des Pastoralplans der Diözese Creatéus beschrieben. Von dieser Erfahrung her überträgt er sie dann in die andere gesellschaftliche Situation Deutschlands. Dieser Plan wurde für die ganze Diözese 1992 für die Jahre 1993-1995 in Kraft gesetzt. Steinkamp war in der letzten Phase der Beratungen in Creatéus. Die Diözese liegt im Nordosten Brasiliens in einem armen Landstrich, der immer wieder von katastrophalen Dürren heimgesucht wird. Der Plan soll einen anstehenden Bischofswechsel vorbereiten. Der Weg des Bistums seit der Gründung 1964 "Kirche des Volkes und der Befreiung soll" möglichst auch nach dem Bischofswechsel weitergehen. Der Plan nimmt deshalb wie bisher die Bedeutung des Volkes Gottes und seine Beteiligung am pastoralen Handeln ernst. Der Plan geht vom Ansatz von Medellìn aus:

"In unserem Kontinent befinden sich Millionen von Menschen am Rande der Gesellschaft und werden gehindert, die ganze Fülle ihrer Bestimmung zu erreichen, sei es durch das Bestehen unangepasster und ungerechter Strukturen, sei es durch andere Faktoren, wie durch den Egoismus oder die Gefühllosigkeit. Andererseits drängt sich in diesem Kontinent das Bewußtsein auf, dass es notwendig ist, einen Integrationsprozeß auf allen Ebenen in Gang zu bringen oder zu aktivieren: angefangen bei der Integration der Marginalgruppen in die Vorteile des sozialen Lebens bis hin zur wirtschaftlichen und kulturellen Integration unserer Länder. Die Kirche muß dieser Situation mit geeigneten pastoralen Strukturen begegnen, das heißt mit Strukturen, die klar durch Organisation und Einheit gekennzeichnet sind."

Der Plan geht von der Realität aus, analysiert und reflektiert sie. Man versucht die Ursachen für die Situation zu entdecken. Für das Gebiet des Bistums wird sie wie folgt beschreiben:

"Die zunehmende Entwertung der Ökonomie des Nordostens - im Vergleich zum Süden - und das Vorkommen von verheerenden Trockenheiten haben das Landesinnere ... zu Gebieten werden lassen, die äußerst arm und marginalisiert sind. In diesem Gebiet lebt bis heute eine Bevölkerung die es mit Hartnäckigkeit immer wieder versteht zu überleben, konfrontiert mit Kindersterblichkeit, Sterilisierung der Frauen und eines unsteten Leben, wie es die Landflucht bedingt; für die Leute, die hier leben, sind jegliche Perspektiven verspielt, hier und dort. Die Konzentration des Landbesitzes in die Hände weniger und das Fehlen einer Politik, die ihre soziale Verpflichtung erfüllt, lässt ein unproduktives Land zurück."

Folgende Schwerpunktfelder werden gesehen. Das Verhältnis der Basisgemeinden zu den anderen Bereichen der Pastoral muss geklärt werden. Die Sozialpastoral muss auch auf die Mittelschicht in den Städten Rücksicht nehmen. Beachtung und Unterstützung verdienen die Gruppen, dies ich für die Schwarzen und die Indigenas (Eingeborene – Indianer) und für die Rechte der Frauen einsetzen. Desgleichen von Gruppen, die für die Volksmedizin und die Bildung arbeiten.

Ziel soll es sein, dass das Antlitz einer befreienden Kirche an der Seite des Volkes sichtbar wird, die Sauerteig für eine neue Gesellschaft ist.

Dazu bedarf es der Förderung einheimischer Führungskräfte, die selbst die Arbeit übernehmen. Nur so kann volksnahe Kirche glaubhaft wachsen. Die Landarbeiter in ihrem Kampf um die Befreiung sollen besonders unterstützt werden.

Die Träger der Pastoral haben die Kleinen, das Volk Gottes selbst zu sein. Es soll deshalb nicht einfach für das Volk sondern mit dem Volk gehandelt werden.

Daraus ergibt sich folgender pastoraler Ansatz: "Das Volk Gottes ist also aufgerufen, sich an der Veränderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit, in der es lebt, zu beteiligen... So haben wir die Möglichkeiten, Bewusstseinsbildung zu schaffen, haben dafür zu sorgen, daß sich die Gemeinschaften unserer Kirche in den Dienst der Unterdrückten stellen können, und haben Ungerechtigkeiten anzuprangern, Zeichen des Reiches Gottes anzusagen..."

Hier stellt sich eine Pastoral dar, die nicht primär kirchenintern denkt, sondern Sauerteig in der Gesellschaft sein will. Die Kirche ist vor allem durch ihr soziales Handeln Zeichen des angebrochenen Reiches Gottes. Die Kirche ist das ganze Volk Gottes. Das hat Konsequenzen auf allen Ebenen, sowohl in den Gemeinden als im Bistum.

2.3.2 Elemente einer Sozialpastoral

2.3.2.0 Hinweis

Zum Abschnitt 2.3.2 siehe unter < http://www.leuninger.de/vorlesung/index.htm > im Reader der Vorlesung an der PTHV-Vallendar über Gemeindeleitung und -verwaltung zum Wintersemester 2001/2002 ist ein Kapitel zur Sozialpastoral Kapitel 4(pdf). Dort wird ausführlich auch über diese Thematik gesprochen.

2.3.2.1 Themenwechsel. Statt die "Säkularisierung der Gesellschaft - ihre Evangelisierung"

Die bisherige Pastoral war vor allem von dem Phänomen der Säkularisierung geprägt. Der Prozess der Entkirchlichung wurde analysiert und Möglichkeiten reflektiert, diesem durch geeignete pastorale Maßnahmen zu begegnen. Die bisherige Tradierung (Weitergabe) des christlichen Glaubens von Generation zu Generation funktioniert nicht mehr, gerade die jüngere Generation hat damit nicht mehr soviel im Sinn, damit fällt auch mehr und mehr die religiöse Kindererziehung aus. Der Gottesdienstbesuch hat sich dramatisch verändert. Wie muss pastorales Handeln gestaltet werden, damit Kirche überlebt?

Jetzt muss es um Evangelisierung gehen. Es geht nicht zuerst um die Weiterexistenz der Kirche, sondern darum, dass die Botschaft vom Reich Gottes glaubhaft verkündet wird. Dies zu tun ist erste und entscheidende Aufgabe der Kirche. Sie setzt darin die Aufgabe Jesu fort der von sich gesagt hat, dass er gekommen sei, den Armen die frohe Botschaft (Evangelium) zu bringen. Lukas 4.18-19: "Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe." Mit Jesus ist das Reich Gottes gekommen. Zwischen Evangelisierung und menschlicher Förderung und Befreiung bestehen enge Verbindungen. Man kann den Schöpfungsplan nicht von dem Erlösungsplan trennen. Man kann das Gebot der Liebe nicht verkündigen, ohne Gerechtigkeit und Frieden zu fördern, so wird es im päpstlichen Rundschreiben Evangelii nuntiandi dargelegt. Die Verkündigung des Evangeliums vom gekommenen Reich Gottes schließt die sozialen Verhältnisse ein.

2.3.2.2 Optionen der Sozialpastoral

Die beiden Optionen der Sozialpastoral sind die Option für die Armen und die Option Kirche für andere. Eine Option ist ein besonderer Vorrang den etwas hat. Sie muss vor allem anderen in Betracht gezogen werden.

Die Option für die Armen hat biblischen Ursprung. Im Notleidenden begegnen wir letztlich Jesus selbst. Sie haben Vorrang in unserer Liebe zum Nächsten. Das Wort "die Option für die Armen leitet sich vom Konzil ab. Im folgenden Abschnitt (2.3.4.3) wird auf die Stellen bei Konzil, Synode und Sozialwort eingegangen. Auch auf Puebla und Medellìn (2.2.2) muss verwiesen werden. Arme müssen im kirchlichen Arbeiten grundsätzliche Priorität haben. Sie muss als erstes die Erkenntnis leiten, damit die Armut immer zuerst in den Blick kommt und nicht verdrängt wird. Sie ist zweitens eine notwendende Entscheidung die auf Glaubensgrundlage beruht und muss drittens aus diesem Glauben heraus zum solidarischen Handeln auffordern. Die Option für die Armen macht parteiisch (entschieden auf ihre Seite stellen) für die Armen.

Aus dieser Option ergibt sich die nächste, die eigentlich mit erster identisch ist. Es ist eine Option der Kirche für andere. Kirche muss in ihrem Wesen eine diakonische Kirche sein. Wie der französische Bischof Gaillot sagte: "Kirche, die nicht dient dient zu nichts". Die Kirche ist die Handelnde, das Subjekt der Option für die Armen.

Diese Option für die Armen durch die Kirche ist die Fortführung und wesentliche Erweiterung dessen was Caritas wollte, aber mit Verdeutlichung ihrer gesellschaftlichen und politischen Dimension. Eine so verstandene Diakonie (Dienst am Nächsten) der Kirche ist nicht nur ein Segment kirchlichen Handelns, sondern ihre Basis. Damit wird Sozialpastoral zu einer Basis-theorie kirchlichen Handelns, die allen anderen vorgeordnet ist. Um sie zu realisieren bedarf es für die Kirche und die Christen des umfassenden Lernziels der Solidarität. Die Diakonische Gemeinde wird zum Leitbild sozialpastoraler Praxis

2.3.2.3 Schritte der Sozialpastoral

Die Sozialpastoral geht die klassischen Schritte "Sehen-Urteilen-Handeln.

Im Sehen werden die gesellschaftlichen Verhältnisse analysiert in denen die Menschen leben. Das Problem muss in seiner gesellschaftlichen Verortung gesehen werden. Wo gibt es z.B. in unserem Land Armut? Hier kommen Arbeitslose, alte Menschen, Ausländer, Alleinerziehende, Kinder in der unterschiedlichsten Konstellation quantitativ und qualitativ in den Blick. Was sind die Ursachen dieser Situation vor allem auch strukturell? Was sind die Folgen dieser Lage? Wie geht es diesen Menschen? Das sind die Fragen, die erarbeitet werden müssen. Wie geht Kirche, wie gehen Christen mit dieser Situation um?

Im Urteilen wird gefragt, wie dies aus der Rücksicht der Option für die Armen zu sehen ist. Das Kriterium der Betroffenheit kommt ins Spiel. Das Urteil wird ja je nach Situation anders sein. Betroffenheit meint zuerst, dass man zu einer Gruppe gehört, die an den Rand gedrängt wird oder unter besonderen Belastungen steht. Das sagt noch nicht unmittelbar aus, dass man unter einem Leidensdruck steht, weil man von einer bestimmten Situation betroffen ist. Das kann auch ein Mitleiden mit solchen Situationen sein. Man wird in fremdes Leid mit einbezogen. Das Urbild des Betroffenen aus Mitleid ist der barmherzige Samaritan. Wer betroffen ist, ist vom eigenen Leid oder dem Leid anderer angerührt. Er sieht es anders und urteilt anders darüber. Er ist mit seinen Emotionen beteiligt. In solchen Zusammenhängen der Betroffenheit kann man dann etwas von der strukturellen Sünde erfahren, die oft in unserer Gesellschaft vorhanden ist. Die soziale Gerechtigkeit ist gefragt, das vom Reich Gottes zugesagte umfassende Heil der Menschen.

Das führt zu Solidarisierungen und Zusammenschlüssen, um sich der Leidenssituation zu stellen und Änderung zu erreichen. Daraus erwächst im Handeln im Sinne des Reiches Gottes als der verändernden Kraft von Gott her die uns in die Bewegung der Veränderung mit hineinzieht. Umkehr von jedem und Umkehr der Gesellschaft ist angesagt. Es muss genau überlegt werden, wie zielgerecht gehandelt werden kann. Selbsthilfe und Solidaritätsgruppe bilden sich. Das ist dann auch der Ort der solidarischen Gemeindebildung, nicht von der Mitgliederrekrutierung her, sondern von der Betroffenheit. Hier wächst dann auch eine neue Spiritualität wie es die gesamtkirchliche Bischofssynode 1987 formulierte:

„Der Heilige Geist lässt uns immer klarer erkennen, dass Heiligkeit heute den Einsatz für Gerechtigkeit und die Solidarität mit den Armen und Unterdrückten erfordert. Die Umgestaltung der Gesellschaft nach dem Plan Gottes gehört zur wahren Heiligkeit der Christgläubigen."

2.3.4 Sozialpastoral in Beispielen

2.3.4.1 Am Beispiel eines Kirchenasyls

Am Beispiel eines Kirchenasyls hat C. Keienburg einen solchen sozialpastoralen "Umkehrprozess" einer (evgl.) Kirchengemeinde dargestellt. Mit der Entscheidung für die von Abschiebung bedrohten Menschen kommen, nach Keienburg, "neue Menschen" in die Gemeinde: "Leute, die sich selbst und guten Gewissens als kirchenfern titulierten, sehen sich plötzlich in der Pflicht, werden hineingesaugt in die Gemeinde, geraten in Gruppen von Leuten, die sagen: 'Wir können heute leider nicht auf Sie verzichten.' Finden sich dann, zu ihrer eigenen Verblüffung, jäh in irgendwelchen Gottesdiensten wieder, in der Hand Kärtchen mit dem Aufdruck: 'Am Sonntag, dem 22., sind wir mit Brot, Käse, Milch, Aufschnitt, Duschgel oder Klopapier dabei. Bitte ankreuzen. Wir waschen ab. Wir putzen die Fenster. Ich bleibe über Nacht.' Statt den endlosen Fürbitten für 'die Obdachlosen', 'die Armen', 'die Entrechteten' ausgeliefert zu sein, [...] sehen sich diese Agnostiker plötzlich mit Schlüsselgewalt betraut, zu binden und zu lösen, hereinzulassen oder auch lakonisch mitzuteilen: 'Bitte, ich bin hier nicht zuständig. Bitte warten Sie auf den Kollegen, der hier das Hausrecht hat.' Und solches im Wissen, daß hinten, untenrum, irgendwo, zwei Leute hocken in banger Erwartung, Leute, für die es um alles geht..." (C. Keienburg, Kirchen. Asyl. Und eine Gemeinde, die außer sich gerät, in: Junge Kirche 55 (1994), 411-416, hier: 415f.)

Eine größere Zahl von Gemeinden hat sich diesen Herausforderungen gestellt und war auf einmal in völlig neuen Prozessen in der Gemeinde. Die Mitglieder der Gremien begannen ihre Aufgabe mit neuen Augen zu sehen und mussten neue Herausforderungen annehmen. Sie spürten, dass dies nicht so einfach war, sahen sich aber in einer inneren Entscheidung für den anderen einzutreten. Auf einmal rückte Solidarität in die Mitte der Gemeinde.

2.3.4.2 Am Beispiel einer Großstadtpfarrei

Die Pfarrei St. Aposteln in Frankfurt Unterliederbach hat 1992 im Pfarrgemeinderat beschlossen, "etwas im sozialen Bereich zu tun". Damit begann der Weg der Sozialpastoral in der Pfarrei, die von zwei sozialen Brennpunkten mitgeprägt ist. Die hohe Zahl der hilfesuchenden Familien vor allem auch der Alleinerziehung und die vielen Anfragen im Pfarrbüro motivierten zu dieser Arbeit. Zwei Klausurtagungen des Pfarrgemeinderates unter Begleitung von Fachleuten des Caritasverbandes leisteten Vorbereitung. Nach Umfragen, nicht weniger als 25 Sitzungen einer Projektgruppe mit dem Pfarrer, der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden, der Caritasbeauftragten und Kindergartenleiterin u.a. wurde folgende Zielperspektiven herausgestellt:

"1.  Beratung und "Clearingarbeit ist wichtig"

1.      Ein Anlaufpunkt für Menschen in Not soll geschaffen werden.

2.      Ein Ort ist einzurichten, an dem Menschen sich einfach aussprechen können.

3.      Hilfeleistung und Weitervermittlung in den verschiedensten Lebenssituation wollen wir anbieten.

Es wurde eine fachlich qualifizierte Honorarkraft für zwei Stunden in der Woche engagiert. Ende Zusammenarbeit mit dem Caritasverband und seinen Einrichtungen im Stadtteil war selbstverständlich. Die Stelle sollte für alle Menschen zugänglich sein. Beratungszeit war Montags von 16.00 – 18.00 Uhr.

Am 2. Mai 1996 wurde die Stelle einer Erstberatung in der Euckenstraße eingerichtet. Ein großer Kreis von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen bildete sich. Sie wurden für die Arbeit geschult und werden begleitet. Alle kommen aus dem kirchlich sozialisierten Kreis der Gemeinde, die meisten haben aber keine zusätzliche kirchliche Aufgabe. In den ersten zwei Jahren konnten 250 Personen beraten werden. Die Stelle will Anlaufstelle für alle Menschen mit Sorgen und Nöten im Stadtteil sein. Mit einer Erstkontaktstelle will die Pfarrgemeinde St. Johannes, Frankfurt/Main-Unterliederbach Ansprechpartner für Sie sein, wenn Sie Informationen oder Rat suchen. Im Prospekt steht:

"Sie

·        haben soziale Fragen oder Nöte

·        wissen nicht, wohin sie sich wenden können

·        haben Fragen bzgl. Sozialeinrichtungen im Stadtteil

·        möchten Infos über Kinder- und Jugendarbeit

·        möchten Infos über Familien

·        und Einzelberatung

·        haben Fragen zur Seniorenhilfe im Stadtteil und zur Pflege von Angehörigen

·        möchten sich einfach einmal gerne aussprechen

wir

·        nehmen uns Zeit für Sie und Ihre Fragen

·        versuchen Ihnen weiterzuhelfen

·        vermitteln Sie gegebenenfalls an Fachdienste und Einrichtung weiter

·         sind offen für alle Betroffenen, unabhängig von Nationalität, Alter oder Konfession"

Trägerin der Arbeit ist die Pfarrei (Kirchengemeinde). Zur Förderung wurde ein eigener eingetragener Caritasverein gebildet, der um 1999 um die 40 Mitglieder hat. Unterstützt und fachlich begleitet wird die Arbeit vom Stadtcaritasverband.

Die Gemeinde geht auf dem Weg in Richtung Sozialpastoral, dazu gibt es folgende Perspektiven:
"Kath. Kirchengemeinde mit lebensweltorientierter Sozialpastoral
drei Lebensbereiche der Pfarrgemeinde verbinden: Liturgie (Katechese/Caritas) sozialpolitisches Engagement im Stadtteil (Stadtteilversammlung-)
Glaubwürdigkeit von Kirche stärken in der Option für die Armen
Erfahrung: in Kirche/Gemeinde: es geht um mich
Glaube und Leben neu zusammenbringen
Christlichem Glauben Hand und Fuß, vor allem ein Gesicht und Herz geben"

(Pfarrer Werner Meuer und Team, Eine katholische Pfarrgemeinde geht eigene Wege: Vom Weihrauch zu Menschen in Not, in: Frank Hillerich u.a.  Soziale Befreiung der Pastoral; Limburg 1999, S 105-111)

2.3.4.3 Sozialpastoral am Beispiel des Bistums Limburg

Dieses Beispiel ist dargestellt auf der Seite des Internet:

< http://www.kath.de/bistum/limburg/themen/sozialpastoral/sozialpastoral.htm >

Der Text wurde für diesen Brief überarbeitet. Das Forum Sozialpastoral besteht seit 1992. Es hat folgende grundlegende Gedanken:

"Sozialpastoral ist das Bemühen, die Option für die Armen in allen Bereichen des pastoralen Handelns zur Geltung zu bringen.

Sozialpastoral ist nicht nur eine Anleitung/Anregung zum wohltätigen Tun der einzelnen Christen, der christlichen Gemeinschaften und der Gemeinden. Es geht ihr im Kern um eine lebendige Praxis der Solidarität mit den Armen aus Glauben und gelebter Liebe in den Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen des Bistums. Solidarische und diakonische Liebe ist effektiv(e) Verkündigung des Evangeliums und wirksam für das ganzheitliche Heil der Menschen.

Sozialpastoral orientiert sich am Zweiten Vatikanischen Konzil, das in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche (L.G. Nr. 8) die Option für die Armen als Leitbild für das pastorale Handeln der Kirche beschrieben hat:

Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche berufen, den gleichen Weg einzuschlagen, um die Heilsfrucht den Menschen mitzuteilen. Christus Jesus hat, "obwohl er doch in Gottesgestalt war, ... sich selbst entäußert und Knechtsgestalt angenommen" (Phil 2, 6); um unseretwillen "ist er arm geworden, obgleich er doch reich war" (2 Kor 8, 9). So ist die Kirche, auch wenn sie zur Erfüllung ihrer Sendung menschlicher Mittel bedarf, nicht gegründet, um irdische Herrlichkeit zu suchen, sondern um Demut und Selbstverleugnung auch durch ihr Beispiel auszubreiten. Christus wurde vom Vater gesandt, "den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind" (Lk 4, 18), "zu suchen und zu retten, was verloren war" (Lk 19, 10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen.

In der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: "Die Kirche in der Welt von heute" heißt es:

"Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedürftigen aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände."

Die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik greift dieses theologische Leitbild auf (Unsere Hoffnung III,2) ebenso wie Johannes Paul II. in der Sozialenzyklika Sollicitudo rei socialis (SSR 42):

"Ich möchte hier auf eines davon besonders hinweisen: auf die Option oder vorrangige Liebe für die Armen. Dies ist eine Option oder ein besonderer Vorrang in der Weise, wie die christliche Liebe ausgeübt wird; eine solche Option wird von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt. Sie bezieht sich auf das Leben eines jeden Christen, insofern er dem Leben Christi nachfolgt; sie gilt aber gleichermaßen für unsere sozialen Verpflichtungen und daher auch für unseren Lebensstil sowie für die entsprechenden Entscheidungen, die hinsichtlich des Eigentums und des Gebrauchs der Güter zu treffen sind.

Diese grundlegende Aussage wird im Sozialwort der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland für die deutsche Situation bekräftigt:

"In der vorrangigen Option für die Armen als Leitmotiv gesellschaftlichen Handelns konkretisiert sich die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe. In der Perspektive einer christlichen Ethik muss darum alles Handeln und Entscheiden in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft an der Frage gemessen werden, inwiefern es die Armen betrifft, ihnen nützt und sie zu eigenverantwortlichen Handeln befähigt (Nr. 107)."

Dies gilt auch für das gesamte pastorale Handeln der Kirche und der kirchlichen Einrichtungen.

Sozialpastoral geht es um die Hinwendung des kirchlich-gemeindlichen Denkens und Handelns zu den realen und vielfältigen Lebenswelten und Milieus der Menschen vor Ort: "Es ist eine Vorentscheidung über den Standpunkt, von dem her wir unsere Aktivitäten in Gang bringen: Wir stellen uns auf die Seite der Menschen, für die sie gedacht sind. Wir nehmen ihre Lebensproblematik ernst als die eigentliche Not, die durch die Kraft des Evangeliums gewendet werden soll(...).

Diese Vorentscheidung ist auch eine spirituelle, eine Glaubensentscheidung, insofern man die möglichen Nöte der Menschen als diejenigen heutigen Situationen erkennt, die die Wiederholung der Randständigkeit und Heilbedürftigkeit sind, auf die Jesus mit seiner Verkündigung vom Reich Gottes damals gezielt hat. Das Evangelium will die totale und konkrete Anwaltschaft Gottes für die Geschundenen und Benachteiligten aller Art." (Willi Hübinger)

Die Verbindung von spiritueller Einsicht und politischem, sozialem Auftrag ist ein wichtiges Element der Sozialpastoral. Diese Verbindung verdankt das Konzept der Sozialpastoral seiner Herkunftsgeschichte aus der "Theologie der Befreiung". Bischof Dr. Franz Kamphaus hat diesen inneren Zusammenhang beschrieben als einen Weg vom Heilsindividualismus zu einer Pastoral in sozialer Verantwortung:

Die im Zusammenhang der Eroberung Amerikas erfolgte Christianisierung stand ganz im Zeichen des "Rette deine Seele". Die Kirche sah ihre Aufgabe nicht primär darin, das bedrohte Leben der Eingeborenen zu verteidigen, sondern vor allem darin, ihre Seelen zu retten bevor sie umgebracht wurden. (...) Die von der vorrangigen Option für die Armen geleitete Konversion der lateinamerikanischen Kirche geht demgegenüber von der Einsicht aus, dass die Hinwendung zu Gott von der Hinwendung zu den Armen nicht zu trennen ist. Diese spirituelle Einsicht verbindet sie mit dem politischen Auftrag, das Leben der Armen zu verteidigen. Diese auch für viele Gläubige hierzulande ermutigende Konversion liegt weder einseitig in der spirituellen Erneuerung noch einseitig in politischem Mut. Der springende Punkt liegt gerade darin, dass beide sich wechselseitig befruchten in einer Praxis der Nachfolge Jesu. Einen überzeugenden Ausdruck hat diese Verbindung von Spiritualität und Politik, von Gebet und Diakonie in der Sozialpastoral (pastoral social) gefunden. Danach gehört es zur christlichen Solidarität mit den Armen, sie in der Beseitigung von ungerechten Strukturen zu unterstützen. Die Kirche kann sich folglich nicht mehr aus den politischen Auseinandersetzungen heraushalten. Als Anwalt der Armen gerät sie mit den Gegnern der Armen in Konflikt. (Franz Kamphaus, )"

Es gibt eine Arbeitsgruppe Sozialpastoral im Bistum Limburg

"In der Arbeitsgruppe Sozialpastoral im Bistum Limburg arbeiten kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Caritas, den Gemeinden, dem synodalen Bereich und den Dezernaten Kirche und Gesellschaft, Jugend und Pastorale Dienste zusammen, die ihre Arbeit und die Pastoral im Bistum Limburg auf die konkreten gesellschaftlichen und lebensweltbezogenen Bedingungen und Probleme der Menschen beziehen, denen diese Arbeit und diese Pastoral dienen soll. Dabei ist die vorrangige Option für die Armen grundlegend."

Dazu kommt die Initiative Sozialpastoral

"Institutionell wird das Anliegen geleitet von der Initiative Sozialpastoral, in der der Referent für Gemeindecaritas, beauftragt vom Diözesancaritasverband, der Direktor der Frankfurter Sozialschule, beauftragt vom Dezernat Kirche und Gesellschaft und der Referent für Sozialpastoral, beauftragt vom Dezernat Pastorale Dienste, kooperieren. Die Federführung liegt beim Dezernat Pastorale Dienste.

Die Initiative Sozialpastoral arbeitet seit 1992, die Arbeitsgruppe seit 2000. Neben Fortbildungsangeboten und kollegialer Begleitung organisieren und gestalten die Initiative und die Arbeitsgruppe seit 1993 jährlich das Forum Sozialpastoral."

Die seit 1998 jährlich durchgeführten Foren Sozialpastoral

"An den Foren Sozialpastoral nehmen teil: Mitglieder der synodalen Gremien, Ehrenamtliche aus den Gemeinden, Pfarrer und pastorale Mitarbeiter/innen, Mitglieder und Mitarbeiter/innen des Diözesancaritasverbandes und der Bezirkscaritasverbände, Mitarbeiter/innen der Dezernate Pastorale Dienste, Jugend, Kirche und Gesellschaft und aus den Synodalämtern.

Die Foren Sozialpastoral unterstützen die theologische und sozialwissenschaftliche Reflexion sozialpastoraler Ansätze und geben Anregungen für konkrete Arbeitsansätze und Kooperationen vor Ort im lokalen und regionalen Rahmen.

Im Herbst 1999 hat die Initiative Sozialpastoral ein Werkstattbuch "Soziale Befreiung der Pastoral" mit wissenschaftlichen, spirituellen und praxisorientierten Beiträgen veröffentlicht; im Januar 2001 eine Arbeitshilfe: "Sozialpastoral - Neue Wege der Zusammenarbeit im pastoralen Raum"(zu beziehen unter Fax 06431/295-236, Bischöfliches Ordinariat Referat Sozialpastoral Postfach 1355 65533 Limburg"

Im Mai 2000 veranstaltete die Initiative eine Fachtagung: 'Armutsorientierte und gesellschaftsbezogene Pastoral im Bistum Limburg'".

Folgende Foren Sozialpastoral wurden veranstaltet:

·         "1993 Sehen - Urteilen – Handeln mit Prof. DDr. H. Steinkamp

·         1994 Praxisberichte aus dem Bistum Limburg und Statements mit Prof. DDr. H. Steinkamp

·         1995 Am Rand die Mitte suchen - Chancen und Grenzen einer diakonischen Pastoral in Territorialgemeinden mit Pfr. Urs Eigenmann

·         1996 Sozialstaat Bundesrepublik: Reform statt Abbau - Handlungsmöglichkeiten in Seelsorge und Sozialarbeit mit Wolfgang Kessler

·         1997 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Sozialpastoral in den neuen pastoralen Räumen wie kann das gehen? Mit Prof. Dr. E. Leuninger, G. Enders, T. Jeschke, H. Schmitt, Pfr. H.-J. Wüst,

·         1998 Grenz(en)erweiterung in den pastoralen Räumen Herausforderung für Caritas und Pastoral mit Prof. Dr. R. Krockauer

·         1999 Soziale Befreiung der Pastoral. Alternative Potentiale für pastorale Konzepte
mit Dr. von Freyberg, R. Thies, M. Krüger, R. Fleckenstein

·         2000Vor Ort: Sozialpastoral in der Praxis - Gemeinwesenbezogene soziale Arbeit im pastoralen Raum mit Willi Hübinger, Hartmut Fritz

·         2000 Armutsorientierte und gesellschaftsbezogene Pastoral im Bistum Limburg mit Hanno Heil, Willi Hübinger, Dr. Hejo Manderscheid, Dr. Udo Neumann

·         2001Die Lebenssituation junger Menschen: Berufsorientierung - Berufsausbildung - Berufsperspektive"

Wie die Themen zeigen wird hier gesellschaftliche Problemantik von sozialer Ungerechtigkeit und Abdrängung an den Rand thematisiert und zur Aufgabe der Pastoral gemacht. Diese Aufgabe rückt in die Mitte kirchlichen Handelns.

2.3.5 Abschließende Gedanken

Die neurer Sozialpastoral von Herrmann Steinkamp entwickelt ist aus den Erfahrungen in Südamerika gewachsen. Dort wurde ja schon der Ansatz von Medellìn 1968 "Sozialpastoral" genannt. In manchen Thesen von Steinkamp wird vielleicht die Kontroverse zur herkömmlichen Pastoral etwas überzogen. Beispiele zeigen aber, dass dieser Ansatz grundsätzlich auch in Pfarreien möglich ist. Hier wird dann eine Arbeit vertreten, die vom anderen und der Not von Bedrängten her denkt, der Option für die Armen. Das ändert die Perspektive der Arbeit. Hier können sich in den Pfarreien Netzwerke der sozialpastoral arbeitenden Gruppen, einschließlich der Verbände bilden. Damit bekommen sie selbst ein neues Gesicht, als Gruppen, die auf der Spur Jesu bei den Bedrängten sind, und die sich für diese einsetzen, weil sie daran glauben, dass sie der Verkündigung vom - wenn auch verborgen unter uns befindlichen - Reich Gottes dienen.

2.4 Perspektiven

Ehe Theologie in den Blick kommt, kommt bei der neuen politischen Theologie der Mensch in den Blick. Die Leidensgeschichte des Menschen wird Ansatz theologischen Fragens. Für Metz ist es vor allem das unermessliche böse Ereignis von Auschwitz. Erst dann kommt die theologische Reflexion. Die Erinnerung an den Tod Jesu. Er war mit dabei. Aber er gibt auch das Signal für neues Leben, für eine Hoffnungsperspektive der Auferstehung. Der Vater hat Jesus nicht im Tod versinken lassen, sondern zu neuen Leben gerufen. Das ist in der Leidensgeschichte auch die Hoffnungsperspektive der Menschen. Durch unser lebensförderliches Handeln gilt es Zeugnis von dieser Hoffnung zu geben.

Den Ansatzpunkt vom bedrängten Menschen her hat auch die Befreiungstheologie. Sie greift den Gedanken, dass die Kirche in besonderer Weise für die Armen da ist, wie ihn das letzte Konzil ausgesprochen hat in der Option für die Armen auf. Sie haben das Recht, und ihnen ist dabei zuhelfen, sich aus dieser Armut zu befreien. Das Exodusmotiv des Alten Testamentes wird dabei Vorbild vom befreienden Handeln Gottes als Vorbild. Dafür schließen sie sich zu solidarischen Gruppen, den Basisgemeinden zusammen.

Sozialpastoral greift die Gedanken von Medellìn wieder auf im Begriff der Sozialpastoral. Die Kritische Soziale Situation wird Ausgangspunkt des Handelns von solidarischen Christen in ihren Basisgruppen in und außerhalb der Gemeinden. So bildet sich eine weiter Option heraus: Kirche für die anderen. Gearbeitet wird nach der Methode "Sehen – Urteilen – Handeln". Motivierende Zielvorstellung ist das Reich Gottes, das in Jesus ankommen ist. Es ist ein Evangelium für die Armen, in diesem Sinne gilt es die Gesellschaft zu evangelisieren. Kirchliche Pastoral geht von den Bedrängten aus, ist Sozialpastoral.

 

2.5 Fragen zum Kapitel 2

2.5.1 Fragen zu 2.1 Neue politische Theologie

1. Von welchen Ansätzen gehen die Theorien im 2. Kapitel im Gegensatz zum 1. aus?

 

 

 

 

 

 

2. Von wem wurde sie entwickelt und welche Schüler hatte er besonders?

 

 

 

 

 

 

3. Welche Ausgangsfrage hat Metz und was kann aus dieser Erfahrung erwachsen?

 

 

 

 

 

 

4. Wo liegen ihrer Meinung nach heute Leiderfahrungen der Menschen, nennen Sie eine und sagen Sie, wie man hier Zeichen der Hoffnung setzen kann?

 

 

 

 

 

 

 


2.5.2 Fragen zu 2.2 Befreiungstheologie

1. Nennen Sie einen der führenden Bischöfe der Befreiungstheologie und seine Erfahrungen mit den Herrschenden?

 

 

 

 

 

 

2. Welche Option ist für die Befreiungstheologie von besonderer Bedeutung?

 

 

 

 

 

 

3. Welche beiden lateinamerikanischen kirchlichen Ereignisse haben für die Entwicklung der Kirche dort besondere Bedeutung?

 

 

 

 

 

 

4. Warum müsste ihrer Meinung nach feministische Theologie auch Befreiungstheologie sein?

 

 


2.5.3 Fragen zu 2.3 Die Sozialpastoral

1. Wo gibt es die ersten wichtigen neueren Aussagen (nach dem Konzil) zur Sozialpastoral?

 

 

 

 

 

 

2. Was soll im Bistum Creatéus (Brasilien) das Ziel der Pastoral sein?

 

 

 

 

 

 

3. Welche Optionen hat die Sozialpastoral?

 

 

 

 

 

 

 

4. Welche Ansätze für Sozialpastoral sehen Sie bei uns? Nennen Sie einen!

 

3. Globalisierung und Reich Gottes

3.0 Hinführung und Literatur

3.0.1 Frage zum Überlegen

Was verstehen Sie unter Globalisierung und welche Probleme ergeben sich daraus?

 

3.0.2 Hinführung

Als soziale Problematik schiebt sich seit einigen Jahren mehr und mehr die Globalisierung in den Vordergrund. Boff nennt sie deutlich in den Interviews, die zu Beginn des Jahres 2002 (z.B. in der Nummer Januar/Februar der KAB-Zeitschrift Impuls). Aber auch andere Sozialwissenschaftler, so Friedhelm Hengsbach, fragen nach einer "Christlichen Gesellschaftsethik in den Zeiten der Globalisierung" (F. Hengsbach, Die andern im Blick, Darmstadt 2001). Der Prozess der Globalisierung wird von den einen begrüßt, von den anderen verteufelt. Sicher ist, dass er vor allem von den Geldströmen gesteuert wird. Was ist bei nüchterner Betrachtungsweise daran und wie können wir damit umgehen?

Sowohl in der evangelischen Sozialethik als auch in der katholischen Gesellschaftslehre bekommt das Thema des "Reiches Gottes" für die Betrachtung der sozialen Probleme dieser Welt immer größere Bedeutung. Frieden und soziale Gerechtigkeit sind die beiden Kernthemen der biblischen Lehre vom Reich Gottes. Könnte diese Lehre zu einer Art Leitidee der Weltgesellschaft werden, die ja eigentlich noch gebildet werden muss? Dabei wird deutlich, das die evangelischen und katholischen Ansätze immer mehr aufeinander zugehen und sich vereinen. Das kann auch an gemeinsamen wichtigen Aussagen der Kirchen in Deutschland gesehen werden. Hingewiesen sei nur auf das "Sozial- und Wirtschaftwort" der beiden Kirchen 1997. Dies muss sich aber auf der europäischen Ebene, z.B. wie beim Konziliaren Prozess "Gerechtigkeit, Frieden, und Bewahrung der Schöpfung" (1983 rief die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver dazu auf) auf europäischer Ebene verstärken. Auch weltweit muss in gesellschaftlichen Äußerungen der Vatikan und der Ökumenische Rat der Kirchen in Genf näher zusammenrücken, auch dies geschah im schon genannten Prozess. Letztlich geht es um eine Weltgesellschaft, bei der die Weltreligionen gemeinsam Ansätze einzubringen haben; bis dahin ist aber noch ein weiter Weg. Das 2. Friedensgebet in Assisi am 17.01.2002 ist ein erster Aufbruch.

Der Ansatz der Arbeit wird "Sehen – Urteilen – Handeln" sein, wie schon in der 1. Einheit dargestellt. Dabei wird es so sein, dass die ideale Lösung nicht zu finden ist, trotzdem darf man nie aufgeben, die bessere Lösung zu suchen.

3.0.3 Literatur und Internet

Literatur

Beck, Ulrich, Hrsg., Politik der Globalisierung, Frankfurt Main 1998

Beck, Ulrich, Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt Main 1998

Boff, Leonardo, Ethik für ein neue Welt, Düsseldorf 2000

Eigemann, Urs, Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit für die Erde, Die andere Vision vom Leben, Zürich 1998

Hengsbach, Friedhelm, Die andern im Blick, Christliche Gesellschaftsethik in den Zeiten der Globalisierung, Darmstadt 2001

Kaiser, Reinhard, Hrsg. der deutschen Ausgabe (Frankfurt), Global 2000, Bericht an den Präsidenten. 49. Auflage 1984

Klingenbiel, Ruth u.a. Hrsg., Globalisierung aus Frauensicht, Bilanzen und Visionen, Bonn 1998

Küng, Hans, Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft, München 1998

Münch, Richard, Globale Dynamik, lokale Lebenswelten. Der schwierige Weg in die Weltgesellschaft, Frankfurt am Main 1998

Phatmater, Josef, Furger, Franz, Hrsg. Katholische Soziallehre in neuen Zusammenhängen, Köln 1985

Tetzlaff, Rainer, Weltkulturen unter Globalisierungsdruck, Bonn 2000

Wissenschaftliche Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz Hrsg, Die vielen Gesichter der Globalisierung - Perspektiven einer menschengerechten Weltordnung

Vogt, Markus, Globale Nachbarschaft, Christliche Sozialethik vor neuen Herausforderungen, München 2000

Ziegler, Karl-Heinz, Brieskorn, Norbert, Senghaas, Dieter, Waldenfels, Hans, Weltordnungspolitik für das 21. Jahrhundert, Historische Würdigung - Ethische Kriterien - Handlungsoptionen, München 2000

Internet

Wissenschaftliche Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz Hrsg, Die vielen Gesichter der Globalisierung - Perspektiven einer menschengerechten Weltordnung
< http://www.dbk.de > dort unter Veröffentlichungen der Kommissionen

Bundestag, Enquete-Kommission, Zwischenbericht 2001, Globalisierung der Weltwirtschaft, Herausforderungen und Antworten (pdf-Datei)
< http:// www.bundestag.de/gremien/welt >

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Globalisierung und Entwicklung
< http://www.bmz.de/medien/spezial/spezial103/a1.html >

Gebhard Schweigler, Globalisierung - eine Folge der Weltinformationsgesellschaft
< http://www.bpb.de/info-franzis/info_263/body_i_263_3.html >

Michael Kox Demokratie und Globalisierung
<
http://www.mikox.de/mitbestimmung/ >

3.1 Globalisierung, Ursachen und Folgen (Sehen)

3.1.0 Das Phänomen der Globalisierung

Von Globalisierung (den ganzen Globus umfassend – weltweit) ist allenthalben die Rede. Einerseits werden enorme Erwartungen daran gerichtet. Hier bekommt die Menschheit die Chance, einen Sprung nach vorne zu tun in eine bessere Zukunft mit größeren Freiheiten und viel mehr Möglichkeiten für alle. Auf der anderen Seite stehen die Kritiker, die auf die Folgen hinweisen. Wachsende Armut breitet sich weltweit aus. 1,5 Milliarden Menschen leben unter der absoluten Armutsgrenze (haben nicht genug zum Leben). Vor allem in den Entwicklungsländern wird der Begriff in Nachfolge zum Begriff der Dependenz (wirtschaftliche Abhängigkeit von den Industrienationen) zum Negativbegriff für wirtschaftliche Fehlentwicklungen überhaupt. Auch viele Länder des ehemaligen Ostblocks können hier mit einbezogen werden. Wer Einfluss auf diesen Prozess hat, spricht in der Regel enthusiastisch davon, wer keinen Einfluss hat eher negativ. Dies ist auch eine Anfrage an das demokratische Mitwirken in diesem Prozess. Gesehen werden muss aber auch, dass die Regionalisierung in Handelszonen wie die EU (Europäische Union), die ASEAN (Verband südostasiatischer Nationen),  die NAFTA (Freihandelsabkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko), MERCOSUR (Gemeinsamer Markt der von Lateinamerika), und neu gegründet die (OAU Afrikanischen Union) und andere. Im ersten Teil dieses Kapitels soll genau hingeschaut werden, um was es hier geht, woher es kommt und welche Folgen es hat.

3.1.1 Die Ursachen der Globalisierung

3.1.1.0 Von der Industrialisierung zur Globalisierung

"Globalisierung ist zunächst die weltweite wirtschaftliche Verflechtung. Vor 1990 war das Wort Globalisierung kaum in Gebrauch. Vielleicht wurde von der Internationalisierung der Wirtschaft gesprochen, die schon früher einsetzte. Sie hatte ihre Ursprünge in den Jahrhunderten der (europäischen) Seefahrer und setzte sich –   auf tragische Weise während der Kolonialzeit des 19.Jahrhunderts fort. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges erreichte sie einen vorläufigen Höhepunkt (Enquetekommission des Bundestages Globalisierung der Weltwirtschaft- Herausforderungen und Antworten, Zwischenbericht, Einleitung)."

3.1.1.1 Die Internationalisierung des Kapitals

Schauen wir uns einmal einen englischen Börsenmakler an. Früher ging er um 10.00 Uhr zur Börse, um 13.00 Uhr zum ausgedehnten Lunch, um 15.00 Uhr schaute er nochmals auf die Nachrichten von der Wallstreet und fuhr dann zum Golfspielen. Das ist vorbei. Das Börsengeschäft fordert rund um die Uhr. Das fängt für den Makler schon um 6.00 Uhr im Zug an, da liest er die Zahlen in der Zeitung, mittags gibt es einen Lunch mit Mineralwasser und Sandwich und abends um 9.00 Uhr geht es heim. Kapital fließt um den Globus rund um die Uhr, 1300 Milliarden $, 300$ Milliarden wären geschätzt nötig, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Kapital ist global geworden. Vor Steuern kann man sich noch echt gut in sogenannten Steuerparadiesen schützen. In den 80er Jahren war Druck von den USA ausgegangen, den Kapitalverkehr zu liberalisieren. Europa folgte zögerlich, hat sich aber bei der Luxemburger Regierungskonferenz für die Freiheit des Kapitalverkehrs entschieden. Daraus entstand insgesamt ein Schub für die spekulative Komponente der Börse und für abgeleitete Börsenwerte (Derivate). Explodiert ist der Handel mit Finanzderivaten die ihren Wert aus einem zugrundeliegenden Wertpapier ableiten. Hatte der weltweite Handel mit börsennotierten Derivaten (Risikoversicherung auf Werte für Verkäufer gegen Preisverfall und Käufer gegen Preissteigerung, z.B. auf eine kommende Kaffeeernte) 1986 ein Volumen von etwa 600 Milliarden $, so war dieser Wert bis 1995 auf über 9.000 Milliarden $ angestiegen. 1980 machten grenzüberschreitende Anleihen und Aktientransaktionen etwa 10% des Bruttoinlandsprodukts der bedeutenden Industrieländer aus, bis 1995 stiegen dieser Geldverkehr in Japan auf 65, in Italien sogar auf 250 Prozent an. Wertsteigerungen und Kursstürze werden immer globaler, Ende 2001 begann ein massiver Kurssturz praktisch an allen Börsenplätzen. Ein ehemaliger Bundesbankpräsident formulierte es einmal etwa so: "Wenn ein Journalist mitbekommt, dass ich verschnupft bin, fallen in Tokio die Kurse." Die Globalisierung der Finanzströme beschränkt sich dabei auf herkömmliche Industrieländer und leistungsfähige Schwellenländer (die auf dem Weg zu Industrienationen sind) und Entwicklungsländer.

3.1.1.2 Zunahme des Welthandels

Eine der wichtigsten Ursachen für die Globalisierung ist die Zunahme des Welthandels. Dazu haben die verschiedensten Faktoren beigetragen. Vor allem auch die Liberalisierung der Märkte. Dabei spielt die Regionalisierung noch eine große Rolle, in den Ländern der EU z.B. sind 73% des Außenhandels im Bereich der EU.

"Ein beträchtlicher Teil des Welthandels wird heute von formalen intraregionalen Zusammenschlüssen bestritten, allen voran die EU (Welthandelsanteil der intra- und extra-regionalen Exporte 1998):36 %, gefolgt von der NAFTA, (18,4 %), ASEAN (6,1 %) und MERCOSUR (1,5 %). Neben den regionalen werden heute verstärkt interregionale Zusammenschlüsse abgeschlossen oder angestrebt. Beispiele sind das EU-Mexiko-Abkommen sowie das seit langem geplante EU-MERCOSUR-Abkommen (Enquete-Kommission).

Der Handel in den Regionen macht 70% des Welthandels aus. Seit dem 2. Weltkrieg ist der Welthandel an Waren und Dienstleistungen schneller gewachsen als die Weltproduktion. Es entwickelt sich ein globaler Markt. Ein Drittel des Welthandelsvolumens wird nicht zwischen Unternehmen, sondern innerhalb transnationaler Unternehmen abgewickelt. Hier wird die Bedeutung transnationaler Unternehmen deutlich.

Von1976 und 1985 verdoppelte sich der Welthandel nahezu. Zwischen 1965 und 1985 stieg er sogar um ahnnähernd das Zehnfache. In den Öl exportierenden Schwellenländern wuchs der Handel zwischen 1976 und 1982 überproportional an. Der Welthandel stieg aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs der Industrienationen an. Ende der achtziger Jahre kam dann ein Tief, ab Mitte der neunziger Jahre setzte wieder Wachstum ein. Dazu trug auch die Liberalisierung des Welthandels bei.

Die weltweiten Ein- und Ausfuhren haben sich von ca. 2000 Milliarden US-Dollar 1980 auf ca. 5000 Milliarden $ 1995 gesteigert

"Die wirtschaftliche Verflechtung und der Ausbau des Freihandels waren auch das wichtigste Ziel der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Der weltweit wirkende Startschuss für den wirtschaftlichen Verflechtungstrend war die Bretton-Woods-Konferenz von 1944. Hier wurden die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF)gegründet. Auch eine Internationale Handelsorganisation (ITO) war vorgesehen, scheiterte aber am US-amerikanischen Kongress. Als Kompromiss wurde 1947 das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT gegründet. Insgesamt acht „Runden “ des GATT haben in den nachfolgenden fünf Jahrzehnten große Fortschritte bei der Senkung von Zöllen und der Etablierung eines weltweiten Systems des Freihandels erbracht. Am Ende der längsten und bislang letzten Runde, der 1986 in Punta del Este, Uruguay, begonnenen „Uruguay-Runde“, wurde 1995 als Nachfolgeinstitution des GATT die Welthandelsorganisation (WTO)gegründet. Der Außenhandel der Nationalstaaten der Welt hat seit dem Zweiten Weltkrieg mit einer Rate von etwa 6 %  pro Jahr zugenommen.(Enquete-Kommission)"

Garant des liberalisierten Welthandels soll das WTO sein. An weltweit agierenden Regierungsorganisationen müssen noch die Weltbank, das IWF und die OECD genannt werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde im. Dezember 1945 mit der Unterzeichnung eines Übereinkommens durch 29 Länder offiziell ins Leben gerufen. Der Vertrag wurde auf der Konferenz in Bretton Woods, 1944 erarbeitet. Der IWF nahm seine Arbeit  am 1. März 1947 auf.

"Der IWF wurde geschaffen, um die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik zu fördern; die Ausweitung und ein ausgewogenes Wachstum des Welthandels zu erleichtern; die Stabilität der Wechselkurse zu fördern; bei der Errichtung eines multilateralen Zahlungssystems mitzuwirken; den Mitgliedsländern in Zahlungsbilanzschwierigkeiten die allgemeinen Fondsmittel zeitweilig und unter angemessenen Sicherungen zur Verfügung zu stellen und die Dauer und das Ausmaß der Ungleichgewichte der internationalen Zahlungsbilanzen der Mitgliedsländer zu verringern" (Selbstdarstellung im Internet):
< http://www.imf.org/external/deu/ >)."

Die Weltbank (Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) ist eine Organisation der Vereinten Nationen, gegründet auf der Konferenz von Bretton Woods. Das Hauptziel der Bank ist die Hilfe beim Wiederaufbau und Entwicklung der Mitgliedsstaaten durch zur Verfügungstellung von Kapital zu günstigeren Bedingungen als private Banken. Die Bank gewährt den Mitgliedern (z. Zt. 151 Staaten) Kredite für besondere Projekte. Sie prüft zuvor, ob der Kreditnehmer die Konditionen des Kredits erfüllen kann.

Genannt werden muss auch die international agierende OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ab 1961). Sie besteht 29 Ländern und wurde 1948 als OEEC gegründet, um den Marshallplan zum Wiederaufbau umzusetzen. Ihre Hauptziele sind das Wirtschaftswachstum, Förderung von Arbeitsplätzen und Verbesserung des Lebensstandards in den Mitgliedstaaten, aber auch in Staaten, die nicht dazu gehören.

Der Weltwirtschaftsgipfel G7 ist ein wirtschaftliches und politisches Forum der sieben bedeutendsten Industrienationen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und USA. Seit 1975 findet einmal im Jahr ein Treffen zum Gedanken- und Informationsaustausch im wirtschaftlichen Bereich statt. Dabei sollen auch mögliche Maßnahmen abgesprochen werden. Seit 1993 ist der russische Präsident als Gast anwesend, seit 1994 gleichberechtigt G8. Dieses Treffen ist der Versuch, steuernde Funktionen auf den Weltwirtschaftsprozess zu haben. Die anderen Länder sind außen vor.

3.1.1.3 Technologische Entwicklungen

Neue Produktionsverfahren, Computer-gestützte Produktion, Transportbeschleunigung und Informationstechnologie vor allem haben einen erheblichen Schub auf die wirtschaftliche Entwicklung ausgeübt. Kapitalintensive Produktionsverfahren haben bei vorhandenem Kapital, arbeitsintensive Verfahren abgelöst.

Heute wird ein Auto der unteren Mittelklasse in 25 Arbeitsstunden hergestellt. Der technische Fortschritt lässt sich am besten an der steigenden Produktivität darstellen. Die Produktivität pro Arbeitstunde steigert sich in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 (100%) auf 1995 (350%) um das Dreieinhalbfache. Damit können die Kosten für viele Produkte erheblich gesenkt werden. Neue Produkte sind durch wissenschaftliche Forschungen technisch möglich geworden, das gilt vor allem für den Bereich der Chemie. Die Erfindung und marktmäßige Durchsetzung des Computers hat eine Revolution nicht nur der Arbeitswelt mit sich gebracht. Er hat die Rationalisierung beschleunigt. Während es im Fordismus (nach Henry Ford und der Erfindung des Fließbandes) noch um den rationalsten Einsatz der Arbeitskraft ging, geht es heute möglichst um den Ersatz der Arbeitskraft durch den Einsatz von Mikroprozessoren vor allem. Ohne Mikroprozessoren ginge in unserem Land selbst kein Haushalt mehr. Die Unkosten in der Produktion liegen vor allem in der immer teurer werdenden Entwicklung von neuen Produkten, die immer kürzere Laufzeit haben und deshalb größere Märkte benötigen.

Hinzu kommen die Fortschritte in der Kommunikationstechnologie. Die Preise für Telefonate sind geschrumpft, Radio und Fernsehen vermitteln weltweit Nachrichten, das Internet eröffnet auch mit seiner Mailtechnologie ungeahnte Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, die vor Ländergrenzen keinen Halt machen. Die Anschlussrate nimmt rasant zu. Keine Kommunikationstechnologie hat sich bisher so schnell durchgesetzt.

Die Steigerung des Güterverkehrs allein in Westdeutschland betrug 1990 ca. 3,6 Milliarden Tonnen Güter, gegenüber 1,7 Milliarden im Jahre 1960 und wird erheblich weitersteigen. Das betrifft auch die weltweite Entwicklung in allen Verkehrbereichen besonders im Flugverkehr. Dort sind auch die Kosten für die Flüge rasant gesunken, während die Kosten für die Seefracht gleich geblieben sind.

"Die modernen Transporttechnologien haben die Kosten der Raumüberwindung erheblich ge­senkt und dadurch nicht nur den schnellen und flexiblen Austausch von Waren und Dienst­leistungen ermöglicht, sondern auch die Mobilität von Menschen in enormem Maß erhöht.(2.2.3 Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der DBK, Die vielen Gesichter der Globalisierung)"

3.1.1.4 Bildung von transnationalen Unternehmen

Durch die Liberalisierung, die Bildung von Handelsblöcken und den Wegfall des Ostblocks sind die nationalen Volkswirtschaften immer stärker auf dem Weg zu einer Weltwirtschaft. Globalisierung ist für viele Unternehmen zu einer Zielvorstellung geworden. Es geht um Absatzmärkte und Produktionsvorteile. Durch eigene Niederlassungen, Tochterfirmen und Übernahmen versucht man sich weltweit zu etablieren. Auch Großkonzerne, die schon stark international vertreten sind, schließen sich um Spitzenpositionen zu erlangen weiter zusammen. Die internationale Kapitalverflechtung hat riesige Ausmaße angenommen.1999 gab es über 52.000 Unternehmen mit direkter bis indirekter deutsche Kapitalbeteilung im Ausland mit über 6,2 Millionen Beschäftigten, Tendenz steigend.

Etwa 45% der 600 weltweit größten multinationalen Konzerne sind in den Vereinigten Staaten beheimatet; in Japan etwa 16 % und in Großbritannien etwas über zehn Prozent. Die meisten multinationalen Aktivitäten finden in Industrienationen statt. 1992 betrug der Weltumsatz dieser Konzerne (38.000 mit 250.000 Tochterfirmen) mit 7,7 Billionen DM mehr als die Summe des ganzen Welthandels.

1991 machten länderübergreifende Fusionen und Übernahmen 85.3 Milliarden $ aus, 1997 waren es schon 341,7. General Motors, Daimler-Chrysler und Ford haben 1998 Umsätze, die über dem Bruttoinlandsprodukt z.B. von Polen, Finnland und Griechenland (1998) liegen.

3.1.1.5 Die vorherrschende Wirtschaftstheorie des Neoliberalismus

Die Wirtschaftstheorie des Neoliberalismus herrscht seit einigen Jahren. Sie hat das, was strukturell in unserer Gesellschaft immer vorgegeben war, die hohe Absicherung des Eigentums und die geringere Absicherung der sozialen Gerechtigkeit, noch einmal verstärkt. Dieser Prozess läuft ja praktisch schon seit Anfang der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Er wurde nur nicht so deutlich, weil in Phasen genügender Umverteilung keine größere Spannungen entstanden. Dies ha­ben alle mitgemacht und aus meiner Sicht ist es ein Versagen der politisch Beteiligten, dass wir keine breitere Eigentumsstreuung am Produktivvermögen in unserer Gesellschaft bekommen haben.

Der herrschende Neoliberalismus kennt eigentlich nur ein ethisches Prinzip, und das ist die Gewinnmaximierung. Soziale Kriterien werden unter wirtschaftlicher Rücksicht gesehen. Wann ist denn der Standort von sozialen Spannungen her so erschüttert, dass nichts mehr geht, weil es wirtschaftlich günstiger ist, im sozialen Bereich zu investieren. Die soziale Gerechtigkeit ist für dieses System eigentlich ein Fremdwort. Die Gleichrangigkeit von Freiheit und Solidarität wird nicht anerkannt. Es wird eine uneingeschränkte Autonomie für die Besitzer von Geld und Realkapital verlangt. Alles, was dieser freien Entfaltung entgegensteht, ist wirtschaftlich schäd­lich. Dazu gehören die ordnenden Aufgaben des Staates, dazu gehören die Gewerkschaften, dazu gehört die ganze Sozialstaatlichkeit. Das einzige Prinzip was gilt, ist die Gewinnmaximie­rung. Ging es in der klassischen Wirtschaftstheorie noch um den Wohlstand der Nation, wird im Neoliberalismus deutlich betont, dass eine Volkswirtschaft frei zu sein habe. Der einzige Schutz besteht in der Gewähr des Privateigentums, das für die persönlichen Zwecke eingesetzt werden muss. Der Neoliberalismus hat neben diesem Prinzip der Gewinnmaximierung folgende Ansatzpunkte:

1. Lean Management (schmales Management) und damit Arbeitsplatzabbau

2. Größere Freiheit und damit Deregulierung

3. Abbau von Sozialstaatlichkeit

Neoliberalismus in (radikale Form) bedeutet:

§          Der einzige Schutz des Staates besteht in der Gewähr des Privateigentums

§          Dieses kann frei eingesetzt werden

§          Das einzig ethische Prinzip ist die Gewinnmaximierung

Eine solche Wirtschaftstheorie wird vor allem danach schauen, wo sie am preisgünstigsten produzieren kann. Dort wird sie nach Möglichkeit hingehen.

3.1.1.6 Das Leitbild der westlichen Zivilisation

Die Studie der Kommission der Bischofskonferenz "Die vielen Gesichter der Globalisierung" sieht auch in der Globalisierung das Leitbild der westlichen Zivilisation am Werk, andere sehen eher eine pluralistische Weltsicht am Werk. Es hat aber eher den Eindruck, dass ausgehend von der technischen Rationalität der europäisch-amerikanischen Zivilisation auch deren Leitbilder übernommen werden, wobei sie dann im Zusammengehen mit traditionellen Leitbildern neue Synthesen, aber unter Dominanz des europäisch-amerikanischen Leitbildes eingehen. Dabei sind die Leitbilder der westlichen Zivilisation in diesem Prozess auch in einem Wandel begriffen, der z. B. herkömmliche Solidarität und den Sozialauftrag des Eigentums und des Staates nicht hinreichend beachtet

"2.2.1 Globalisierung ist freilich nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein sozio-kulturelles Phänomen, denn sie wurzelt in bestimmten Ideen, Wertvorstellungen und Modellen und überträgt diese, oft kaum wahrgenommen, in andere Gesellschaften. Die Globalisierung in ihrer heutigen Form ist vorwiegend, wenn nicht fast ausschließlich, vom Leitbild der westlichen Zivili­sation bestimmt. Die wissenschaftliche Erforschung und selbstverantwortliche Gestaltung der Welt sowie die damit verbundene Entmythologisierung von Natur und Gesellschaft, die nicht mehr als numinos(göttlich) und unveränderlich gelten, waren wesentliche Voraussetzungen für den technologischen Fortschritt und seine Anwendung in Wirtschaft und Industrie. Der damit verbundene Vorrang von Werten der Selbstverwirklichung und des materiellen Wohlstands hat einerseits zu einem Bedeutungsverlust traditioneller Sozialformen und religiöser Symbolwelten geführt, andererseits aber auch die Autonomie des Menschen gefördert (Menschenrechte, Demokratie, Pluralismus). Dieses Leitbild war und ist sehr erfolgreich und übt, vor allem aufgrund seiner Wohlstandseffekte, große Anziehungskraft in aller Welt aus- zumal nach dem Scheitern des realsozialistischen Modells,...

Trotz aller Trends zur Vereinheitlichung und Universalisierung wird es daher in absehbarer Zeit keine uniforme Weltkultur geben, vielmehr wird es zu einer Pluralisierung von Werten und Normen kommen, der sich heute keine Gesellschaft mehr entziehen kann. Da Pluralität aber stets überkommene und bisher selbstverständliche Identitäten in Frage stellt, enthält sie unvermeidlich ein nicht geringes Konfliktpotential. Die Vielfalt von Überzeugungen und Werten und ihrer konkreten Ausprägungen ist heute nicht nur ein Merkmal moderner Gesell­schaften, sondern betrifft aufgrund der wachsenden weltweiten Interdependenzen auch die Beziehungen zwischen den Gesellschaften und Völkern."

3.1.2 Die Folgen der Globalisierung und damit verbundene Probleme

3.1.2.1 Der wirtschaftliche Aufschwung von Ländern in Asien und in Lateinamerika und das Abhängen anderer Länder

Die Gruppe vieler Entwicklungs- und Transformationsländer (Länder im ehemaligen Ostblock) hat Gewinne aus dieser Entwicklung gezogen. Ihr Anteil an den weltweiten Exporten von Industrieprodukten konnte sich von 1980 – 1993 um 100% steigern. Die Exporte sind stärker gestiegen als deren Bruttosozialprodukt. Die Ausdehnung von Kapitaldirektzuflüssen ist erheblich. Sie verteilten sich aber auf wenige Empfänger überwiegend aus dem Bereich der multinationalen Konzerne. Die Vorteile sind aber unterschiedlich verteilt. Das macht die oben genannte Kommission der Bischofskonferenz "Die vielen Gesichter der Globalisierung deutlich".

"2.1.5...Die Vorteile, welche die Entwicklungs- und Transformationsländer aus der ökonomischen Globalisierung ziehen, sind jedoch sehr ungleich verteilt. Dies zeigt sich in fast allen weltwirtschaftlichen Zusammenhängen, angefangen von den Anteilen am Welthandel bis hin zur Teilhabe an den internationalen Finanzmärkten. Besonders aussagekräftig ist die regionale Verteilung der Direktinvestitionen zwischen 1980 und 1994. Für alle diese Länder stiegen sie von einem Wert von unter 10 Milliarden im Jahr 1980 auf annähernd 110 Milliarden US-Dollar im Jahr 1995 an. Ein Großteil der Direktinvestitionen in den Entwicklungsländern ist jedoch auf relativ wenige Empfänger konzentriert.

Der Anteil Ost- und Südostasiens hat sich seit 1980 fast vervierfacht, maßgeblich beeinflußt von Chinas internationaler Kapitalnachfrage. Die Transformationsländer sind die zweite, allerdings sehr heterogene Gruppe, die einen steigenden Anteil an den Direktinvestitionen verbuchen konnte. So profitierten im wesentlichen nur die relativ wachstumsstarken und preisstabilen Länder Mittel- und Ost­europas vom Zufluß ausländischen Kapitals, während die Mehrzahl der ehemaligen Sowjetrepubliken aufgrund politischer Instabilität und schlechter makroökonomischer Rahmen­daten wenig attraktiv blieben. Da der Anteil Lateinamerikas an den Direktinvestitionen in Entwicklungsländern von1980 bis 1995 zurückging, scheint das weltwirtschaftliche Gewicht dieses Kontinents durch die Globalisierung abgenommen zu haben. Diese Daten verdecken jedoch zwei wichtige Entwicklungen: Einerseits sind die Zuflüsse in absoluten Zahlen seit Ende der achtziger Jahre wieder kräftig gestiegen, andererseits gehören bestimmte Länder wie Argentinien, Chile und Mexiko zu jenen Entwicklungsländern, die zwischen 1984 und 1993 den höchsten Anstieg an Direktinvestitionen aufzuweisen hatten. Afrika dagegen, der nach Asien bevölkerungsreichste Kontinent, zog 1995 nur noch rund 3 Prozent der weltweiten Direktinvestitionen an, während es 1988 noch 6 Prozent waren. Dies ist ein Beispiel dafür, daß diese Region fast vollständig vom Trend zu verstärkter weltwirtschaftlicher Integration ausgeschlossen ist. Diese regionale Betrachtungsweise darf freilich nicht den Blick dafür verstellen, daß, selbst wenn ein Land insgesamt von der Globalisierung profitiert, einzelnen Regionen oder Sektoren in diesem Land Nachteile aus dieser Entwicklung erwachsen."

3.1.2.2 Die Schuldenkrise

Vor allem aber die Schuldenkrise macht es vielen der ärmsten Länder schwer Anschluss zu gewinnen (siehe 1. Einheit). Deshalb wird ein Schuldenerlass und ein Insolvenzrecht für die überschuldeten Länder gefordert von der Aktion Erlassjahr 2000.
< www.erlassjahr2000 >

Mitte der sechziger Jahre glaubten viele Wirtschaftswissenschaftler und Politiker, dass die Entwicklungsländer ihre Wirtschaft mit Hilfe von geliehenem Kapital sehr schnell ausbauen könnten. Mit Hilfe der neu ausgebauten Wirtschaft sollten die Entwicklungsländer ihre Exporte deutlich steigern. Mit den Einnahmen aus diesen Exporten könnten sie dann binnen weniger Jahrzehnte alle Schulden abbezahlen - so die Theorie. Doch die Hoffnungen der siebziger Jahre auf den schnellen Aufbau einer modernen Wirtschaft auch in den Entwicklungsländern erwiesen sich meist als voreilig: Die Wirtschaftskrise der siebziger und achtziger Jahre führte bei vielen der in Entwicklungsländern produzierten Waren zu sinkenden Preisen und / oder geringeren Abnahmemengen, da die Industrieländer ihre Importe senkten. Die Industrieländer schirmen ihre Märkte gegen viele Produkte aus Entwicklungsländern ab. Während aufgrund dieser beiden Entwicklungen die Einnahmen vieler Entwicklungsländer aus ihren Exporten deutlich sanken, stiegen in den achtziger Jahren vor allem durch die kreditfinanzierte Aufrüstung der USA die Zinsen massiv an.

Welche konkrete Bedeutung die Verschuldung für die Wirtschaft eines Landes hat, sei in Auszügen ein Artikel zu Argentinien von der Homepage von "Südwind" wiedergegeben. Verfasser sind Pedro Morazán und Irene Knoke, Institut SÜDWIND:
< www.suedwind-institut.de >

"Argentinien: Zugespitzte Krise, Auslandsverschuldung und Brotaufstände

Schon jetzt lebt ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze

Ähnlich wie zuvor schon in Ecuador und anderen Schwellenländern hat jetzt auch in Argentinien die untragbare Schuldensituation zu Massenprotesten, Brotaufständen und einer allgemeinen politischen Destabilisierung geführt. Die Regierung de la Rúa ist deshalb am 20. Dezember zurückgetreten. Seit Jahren versucht das Land, seine Zinsen und Tilgungen pünktlich an die internationalen Gläubiger und Kapitalanleger zu überweisen. Dazu mussten die jeweiligen argentinischen Regierungen dem Defizit des Staatshaushaltes mit rigorosen Sparmaßnahmen begegnen. Die Folge davon ist eine zunehmende Verarmung. Heute lebt mehr als ein Drittel der 37 Millionen Argentinier unter der Armutsgrenze. Der folgende Artikel erläutert die Hintergründe und  Ursachen der argentinischen Schuldenkrise und fragt nach  möglichen Auswegen im Interesse der Armen.

Die Hauptursache der gegenwärtigen Staatskrise in Argentinien sind die mehr als 132 Milliarden  US-Dollar Auslandsschulden, die das Land an internationale private und öffentliche Gläubiger zurück zu zahlen versucht. Ein großer Teil der Kredite wurde in den 70er Jahren von korrupten und illegitimen Militärregierungen aufgenommen. ...

Im Juli 2000 mündete die über 18 Jahre dauernde minutiöse Recherche- und Lobbyarbeit des kurz zuvor verstorbenen Alejandro Olmos in einen denkwürdigen Richterspruch durch den Richter Dr. Jorge Ballestero. Er konstatierte, dass die Hauptverantwortung für die Forderungen aus der Zeit der Militärdiktatur auf den Verwaltungsapparat der Diktatur  entfalle, und dass internationale Finanzinstitutionen wie der IWF eine Mitverantwortung trügen, denn sie hätten seinerzeit die illegalen und betrügerischen Kredite bewilligt. Zu diesem Urteil hat insbesondere die Tatsache beigetragen, dass bei den meisten Transaktionen aufgrund der Geheimhaltungstaktik eine öffentliche Kontrolle unmöglich war und ist. Darüber hinaus liegt die Bestimmung der Gelder völlig im Dunkeln...

US-Dollar ist de facto Landeswährung 

Um die Erwartungen der internationalen Kapitalanleger zu erfüllen, wurde 1991 die heimische Währung Peso an den US-Dollar gekoppelt. Dadurch sank die Inflationsrate zwar drastisch, doch der „Erfolg“ währte  nicht lange. Anfang der 90er Jahre sah es noch so aus, als könnte Argentinien eine verspätete lateinamerikanische Variante der asiatischen Erfolgsstory der „Emerging-Markets“ werden. Nach einem massiven Rückgang des Bruttosozialproduktes (BSP) im Jahr 1990 stieg die Wirtschaftsleistung des Staates in den Folgejahren sprunghaft an. Schon 1991 war das BSP von 1989 wieder erreicht. Mit Wachstumsraten von 36 Prozent 1991 und 22 Prozent 1992 ging es weiter. Danach verlangsamte sich das Wachstum zwar wieder, aber mit Ausnahme der so genannten Tequila-Krise 1995 (- 0,1%) lag das Wachstum  bis 1997 fast immer über der Fünf- Prozent-Marke.

Möglich, dass einige Vorschusslorbeeren im Zuge des Konvertibilitätsgesetzes von 1991 hierzu beigetragen haben. Das Gesetz schrieb unter anderem die 1:1 Bindung des Pesos an den US - Dollar durch ein Currency-Board fest. Allerdings hat der steigende Dollarkurs die Exporte des Landes drastisch verteuert, insbesondere im Vergleich zum Nachbarland Brasilien. Die Abhängigkeit der Geld- und Zinspolitik des Ankerlandes USA führte dazu, dass die Zinsraten die wirtschaftliche Situation des Landes oft nicht sinnvoll unterstützt haben. Das hat Argentinien vor allem in den Zeiten der anhaltenden Rezession massiv zu spüren bekommen. 1998 fand das kurze Strohfeuer dann endgültig ein Ende.

Mittlerweile machen sich längerfristige Tendenzen wieder bemerkbar: Nach Jahren hoher Inflationsraten vor Einführung des Konvertibilitätsgesetzes ist der heimische Kapitalmarkt noch immer sehr schwach. Viele Argentinier haben ihr Geld aus Angst vor der kritischen wirtschaftlichen Lage  ins Ausland gebracht, sowohl zu Spar- als auch zu Investitionszwecken. Am 30. November erreichte der Kapitaltransfer von Privaten ins Ausland 700 Millionen US-Dollar. Deshalb hat die Regierung an diesem Tag erzweifelt versucht, die Kapitalflucht durch ein neues Bankengesetz, das der neoliberalen Doktrin eindeutig widerspricht,  zu unterbinden und die internationalen Währungsreserven der Zentralbank zu retten: Privathaushalte dürfen nur noch bis zu 1.000 US-Dollar im Monat von ihren Konten abheben.

Bankrott und zahlungsunfähig

Argentinien ist vom internationalen Finanzmarkt abhängig, die kleineren und mittleren Industrien können nicht auf ausreichend heimische Finanzressourcen zurückgreifen. Spätestens seit 1998 steckt die Wirtschaft wieder in einer tiefen Rezession. Sie hat zu einer Arbeitslosenquote von mehr als 20 Prozent und einer permanenten Verschlechterung der sozialen Situation geführt. Studien zufolge rutschen täglich rund 2000 Menschen unter die Armutsgrenze.

Trotz der offensichtlichen Ausweglosigkeit der Situation versucht die Regierung weiterhin – unter ständigem Druck des IWF – die Schulden zu begleichen:...

Jetzt zeigt sich, dass diese Politik zwar viele Menschen arm gemacht und in die Verzweiflung getrieben hat, aber sämtliche neoliberalen Maßnahmen sind gescheitert. Die hohen Wachstumsraten zu Beginn der 90er Jahre haben die soziale Situation zunächst verbessert. Seit 1995 ist dieser Trend jedoch wieder rückläufig. Die Einkommensschere geht immer weiter auseinander. Vom Wachstum haben nur wenige profitiert, die ohnehin schon Reichen und die gut ausgebildeten  Arbeitskräfte. Als dann die Rezession 1999 voll zum Tragen kam, stieg die Arbeitslosigkeit von 13,7 Prozent im Oktober 1999 auf 15,4 Prozent im Mai 2000. „Poor people in a rich country“ – Arme Menschen in einem reichen Land, das ist die Überschrift eines Weltbank-Berichtes über  Argentinien. Der Bericht hebt die Auswirkungen der seit 1991 zur Stabilisierung der Wirtschaft durchgeführten Anpassungen auf die Armen hervor. Unter ihnen ist die Arbeitslosenrate sehr viel höher als im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung. Die Weltbank schätzt die Armut in den Städten auf 29 Prozent.

Das Land ist de facto bankrott. Und dies trotz – oder nach Meinung vieler Beobachter gerade wegen – der von den Gläubigern, vor allem vom IWF, durchgesetzten Maßnahmen:...

Radikale Schnitte notwendig

Mit der vorübergehenden Zahlungseinstellung des neuen Präsidenten Rodriguez Saa vom 22. Dezember letzten Jahres ist der erste wichtige Schritt bereits getan. Argentinien darf jetzt aber nicht passiv auf die (unfreundlichen) Reaktionen der Gläubiger warten. Vielmehr muss die Regierung selbst die Initiative ergreifen und alle Gläubiger zu einem Runden Tisch nach Buenos Aires einladen. Dort muss eine tragfähige Lösung gesucht werden, am besten unter Vorsitz einer von allen Parteien respektierten Persönlichkeit. Diese sollte

·           die laufende Schuldendienstbelastung für Argentinien so weit reduzieren, dass der Verelendung Einhalt geboten wird;

·           durch weit reichende Verlagerung verbleibender Zahlungsverpflichtungen in die Zukunft (Umschuldung) sicherstellen, dass das Land ausreichende finanzielle Spielräume für eine Wiederbelebung des Wachstums und eine schrittweise Aufhebung der Dollarbindung hat;

·           die dadurch entstehenden Lasten gerecht und transparent auf alle Gläubigergruppen verteilen; denn nur so kann sichergestellt werden, dass das Land künftig den Rückhalt internationaler Geldgeber bekommt und Versuche einzelner Gläubiger abgewehrt werden, ihre Forderungen in voller Höhe einzureiben. 

Auf dem Hintergrund einer solchen Schuldenreduzierung kann dann versucht werden, einen Nachfrage orientierten nationalen Entwicklungsplan zur Förderung von beschäftigungswirksamen einheimischen Investitionen zu unterstützen. Dazu ist es nötig, die Anbindung des Pesos an den US-Dollar aufzuheben. Darüber hinaus muss das soziale Netz für die Opfer der Krise umgehend ausgebaut werden."

Dieses Beispiel macht deutlich, wo bei allem wirtschaftlichen Fortschritt die Überschuldung der Länder, die ja auch dem wirtschaftlichen Aufbau dienen sollte, von der aber keiner so richtig weiß, was aus den Geldern geworden ist. Auch aus Gründen wirtschaftlicher Vernunft müsste hier eine ernsthafte Sanierung geschehen.

Für die Bundesrepublik gilt laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

"An Entschuldung sind Auflagen geknüpft, damit sie wirklich den Armen zugute kommen und nicht als Freibrief dienen für die Misswirtschaft korrupter Regime. Alle Entschuldungsländer müssen die Menschenrechte achten. Frei werdende Mittel fließen in Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur oder Forst- und Landwirtschaftsprogramme. Das ist vertraglich vereinbart und nachprüfbar."

< http://www.bmz.de/medien/spezial/spezial103/a1.html >

3.1.2.3 Der Rückgang der Bedeutung von Arbeit und das Öffnen der Schere zwischen arm und reich

In den Entwicklungsländern mit Aufbau von Wirtschaft zeigt sich in der Regel, dass viele herkömmliche vor allem kleine und mittlere Betreibe dem neuen Produzieren nicht gewachsen sind und schließen müssen. Arbeitsplätze gehen unter. Soweit sie qualifiziert sind haben sie eine Chance in der neuen Wirtschaft. Sonst steigen sie weiter ab. Die Landwirtschaft als Subsistenzwirtschaft, wenn sie denn beim Großgrundbesitz überhaupt vorhanden war, hat große Scharen von land- und nahezu besitzlosen Menschen freigesetzt. Sie siedeln z.B. in Südamerika am Rande der Großstädte in den Favelas oder Invasions (Lehmhütten auf besetztem Land, die in der Regel in einer Nacht- und Nebelaktion entstehen. So machen die Städte im Innern einen modernen und glitzernden Eindruck, am Rande siedelt und wächst die Armut. Es mag ja sein, das besser ausgebildete Arbeitskräfte einen neuen Arbeitsplatz finden. Aber die unausgebildeten Armen von gestern werden vermutlich in noch größerer Armut die Armen von Morgen sein, während die Reichen immer reicher werden. Bei dem oft vorhandenen Bevölkerungswachstum und den weiteren zu erwartenden Entwicklungsschüben wird dies sich noch verstärken. Die Aufspaltung von Armen und Reichen wird immer deutlicher.

Millionen desillusionierter Arbeiter sind die Folge der Globalisierung. Bemühte man sich noch beim Aufbau der Weltwirtschaftsordnung nach dem II. Weltkrieg aus den Erfahrungen der späten Weimarer Zeit und dem Nationalsozialismus einen Art Sozialpakt zwischen Arbeit und Kapital zu schließen, so ist dies heute vorbei. Dieser Pakt lebte aber auch davon, dass stetig Zuwächse zu verteilen waren, das war spätestens Mitte der siebziger Jahren mit den Ölpreiskrisen vorbei. Der Kapitalismus bringt es heute nicht fertig, Wohlstand für alle zu stiften. Das gilt auch für die Industrienationen. In den USA wächst die Ungleichheit. Die US-amerikanische Bischofskonferenz beschreibt die Situation 1996:

"Die Armen und die Mittelklasse sehen sich mit einer wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit konfrontiert. Gehälter stagnieren trotz jüngster Produktivitätszuwächse, und Firmen, die ihre Kosten reduzieren wollen, gehen dazu über, Teilzeit- und Aushilfskräfte einzustellen, oft auf Kosten des Familieneinkommens.

Die Zahl der in Armut lebenden Amerikaner ist von 33 Millionen auf 37 Millionen gestiegen, obwohl die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Wirtschaftliche Zwänge. der Zerfall der Familie und das Handeln bzw. die Untätigkeit der Regierung haben zusammen dazu geführt, daß mehr als ein Fünftel unserer Kinder in Armut aufwächst in einer der reichsten Nationen der Erde.

-Arbeitslosigkeit, Hunger und Obdachlosigkeit plagen unsere Nation immer noch. Millionen Menschen bemühen sich um Arbeit, können aber keine finden. Innerhalb der letzten zehn Jahre ist die Zahl der Menschen, die trotz Vollzeitbeschäftigung ihre Familie nicht aus der Armut heben können, steil angestiegen. Zur Zeit stellen sie 18 Prozent der Beschäftigten dar.

- In den letzten zehn Jahren mußten 234000 landwirtschaftliche Familienbetriebe aufgeben, und der gesamte Armutsanteil von Landwirten schwankt weiter um 20 Prozent. Landstädte verschwinden, und Agrarland und Nahrungsmittelverarbeitung konzentrieren sich immer mehr in immer weniger Händen.

- Diskriminierung, Arbeitsplatzmangel, geringe Ausbildung und andere Faktoren machen es für Afro-Amerikaner und "Hispanics" immer wahrscheinlicher, arbeitslos und arm zu bleiben. 44 Prozent der afro-amerikanischen Kinder und 36 Prozent der Kinder von "Hispanics" wachsen in Armut auf.

- In den vergangenen, 15 Jahren ist die Kluft zwischen reich und Arm in Amerika immer größer geworden. Es hat sich gezeigt, daß 1993 die 20 Prozent Haushalte mit dem höchsten Einkommen eine Einkommensverbesserung von ca. $ 10 000 erzielen konnten. Im Gegensatz dazu erlitten die 20 Prozent mit den niedrigsten Einkommen einen Einkommensverlust von ca. $ 1200. In einer Zeit wirtschaftlichen Wachstums erleiden viele Familien eine Abnahme ihrer Realeinkommen.

- Familiäre und soziale Faktoren tragen weiter zu Armut und wirtschaftlichem Druck bei. Man geht davon aus, daß ein Neugeborenes, dessen Mutter verheiratet ist und einen Hochschulabschluß hat, deren Ehemann arbeitet oder die selbst einen Arbeitsplatz hat, zu 8 Prozent das Risiko trägt, in Armut aufzuwachsen. Ein Neugeborenes, dessen Mutter nicht verheiratet, ohne Hochschulabschluß und ohne Arbeitsplatz in der Familie ist, hat ein Armutsrisiko von 80 Prozent. (...)"< http://www.leuninger.de/sozial/usa.htm >

In den USA ist der reale Stundenlohn von Amerikanern ohne Hochschulabschluss von 1973-1993 von 11.85$ auf 8.64$ gesunken. In den frühen siebziger Jahren haben die obersten 5% der Einkommenspyramide 10 mal mehr Einkommen als die untersten 5%, Ende der neunziger Jahre sind es 15 mal mehr. Im herstellenden Bereich gingen in den USA von 1978 bis 1990 1,4 Millionen Arbeitsplätze verloren. Es waren meist Ungelernte, die ihren Job verloren, das greift aber inzwischen auch im mittleren Management um sich. Ein Ungelernter der nach Arbeitsplatzverlust einen neuen Job annimmt, wird gewöhnlich geringer entlohnt und kann dies auch in Jahren nicht aufholen.

Ähnliche Trends gibt es in vielen Industrieländern. Die Zahl der Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland hat im Januar 2002 wieder eine neue Rekordhöhe von 4.289.922 (10.4%) erreicht. Die ungleiche Einkommensverteilung wird im Armuts- / Reichtumsbericht der Bundesregierung deutlich:

"1.1.2... –Die Betrachtung aller Haushalte - einschließlich der ohne Markteinkommen - ergab für Westdeutschland eine deutliche Zunahme der Ungleichheit zwischen 1973 und 1998 (s. Anhangtabelle I.9). Von der steigenden Ungleichheit war insbesondere der untere Rand der Verteilung betroffen, wie der kontinuierliche Anstieg des im unteren Einkommensbereich sensitiven Atkinson-Maßes zeigt. Die Begründung für diese Entwicklung lag im Anstieg der Arbeitslosigkeit und der demographisch bedingt steigenden Zahl der Haushalte mit keinem oder nur geringfügigen Markteinkommen. Der langfristige Trend wurde infolge der Vereinigung, die den konjunkturellen Abschwung herauszögerte, unterbrochen, setzt sich danach aber wieder fort. Die Ungleichheit fiel in Ostdeutschland noch höher aus als in Westdeutschland...

Die Privatvermögensbestände, die Vermögenseinkommen und die Vermögensbildung privater Haushalte in Deutschland sind ungleichmäßig verteilt. Vom Privatvermögen, das verzinsliches Geldvermögen und Immobilien abzüglich Bau- und Konsumschulden umfasst, entfielen nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 (EVS) in Westdeutschland 42% auf die vermögendsten 10% der Haushalte, während nur 4,5% den unteren 50% der Haushalte gehörten. Der Durchschnitt je Haushalt in den neuen Ländern (88.000 DM) belief sich auf 35% des westdeutschen Durchschnitts (254.000 DM). Die Summe (8,2 Billionen DM) sowie die Durchschnittsbeträge lägen höher und die Ungleichmäßigkeit der Verteilung würde sich noch größer darstellen, wenn die reichsten Haushalte statistisch einbezogen werden könnten. Zum Jahresende 1998 waren in Deutschland 2,88 Mio. Personen in 1,5 Mio. Haushalten auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Seit 1973 hat sich damit in den alten Ländern die Bezieherzahl vervierfacht und in den neuen Ländern seit 1991 verdoppelt. Davon waren 2,21 Mio. Deutsche und 665.000 ausländische Staatsangehörige."( Lebenslagen in Deutschland, Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.- III –Lebenslagen in Deutschland)
<
http://www.bma.bund.de/de/sicherung/armutsbericht/ARBBericht01.pdf >

Nur höchstens 70% der Berechtigten nehmen Sozialhilfe in Anspruch. 10 Prozent der Einwohner unseres Landes leben damit unter der Armutsgrenze, die die Europäische Union definiert hat, nämlich unter 50 Prozent des pro Kopf Einkommens für den Kopf der Familie.

Unter der Armut leiden besonders Familien mit vielen Kindern, Alleinerziehende, Behinderte, Langzeitarbeitslose, ältere verwitwete Frauen ohne eigenen Rentenanspruch, um nur einige Gruppen zu nennen.

Die Erfahrungen der Weimarer Zeit, dass zur Wahrung der Demokratie die soziale Absicherung, zur Verwirklichung der Bürger- und Menschenrechte die soziale Demokratie gehört, haben zu dieser Formulierung geführt. Wir haben mit den versteckten Arbeitslosen so viele Arbeitslose wie etwa 1930, damals brach die Demokratie zusammen. Das sollte sich aber nicht wiederholen. Dies ist aber nicht nur mehr ein deutsches Problem, sondern gehört zu den globalen Problemen, die Aufstände z.B. 2001/2002 sollten eine Warnung sein. Der zunehmende Bevölkerungsdruck in Ländern der Dritten Welt wird dieses Problem nochmals verschärfen.

Problematisch ist in dieser Situation der Abnahme der Bedeutung von Arbeit, die Abnahme der Bedeutung von Gewerkschaften nahezu überall, wo sie existieren (In China sind sie verboten). Hatten sie auf die Entwicklungen in Südafrika und auch Südamerika durch Hilfestellungen noch Einfluss nehmen können, nimmt diese Chance dazu immer mehr ab.

Als Folge der Armutsentwicklung und der Aufspaltung der Gesellschaften in den Entwicklungsländern hat sich die Migration, die früher aus den Industrienationen in diese Länder geht umgedreht.

"Das Wohlstandsgefälle zwischen den ärmsten und den reichen Ländern hat weiter zugenommen. In einigen Entwicklungsländern verhindern oder bremsen korrupte Eliten, ethnische Konflikte und geringe Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung die wirtschaftliche und politische Entwicklung. (Sozial- und Wirtschaftswort der Kirchen 1997 (89)"

Dieses Gefälle besteht nicht nur zwischen den reichen und armen Ländern nicht zu denen in Subsahara-Afrika, die echte Entwicklungsländer sind und als Länder außerhalb des wirtschaftlichen Wachstums stehen, sondern innerhalb vieler Entwicklungsländer, die große Armut haben, weil die Machteliten den vorhandenen Reichtum allein für sich beanspruchen. Nigeria ist z.B. wegen seiner Ölvorkommen ein reiches Land in Afrika, aber der Anteil der Armen ist wegen der ungerechten Verteilung sehr groß. Hier wird auch die bei uns sich zeigende Aufspaltung zwischen arm und reich noch deutlicher.

Daraus entstand auch eine riesige Wanderungsbewegung. Bis zu den sechziger Jahren wanderten Menschen aus den Industrieländern aus. Dann drehte sich die Richtung um und die Wanderung ging vor allem auch in die Industrie und reichen Länder. 2000 gab es 150 Millionen Migranten auf der ganzen Welt. Wie viele davon Kriegsflüchtlinge sind, ist schwer abzuschätzen, die meisten dürften Arbeitsemigranten sein, die vor der Armut ihrer Länder flüchten. Unter den Migranten sind inzwischen 47,5% Frauen. In den Schleppertragödien wird die ganze Dramatik der Situation deutlich.

Besonders bedrückend ist die Situation der Frauen. Die Quote der Beschäftigung hat zwar weltweit von 36 auf 40% in den letzten Jahren zugenommen. Aber insgesamt haben die Frauen im Schnitt erheblich geringeren Lohn und mit der Familienarbeit noch Doppelbelastung. 95% der sogenannten gering entlohnten Arbeitverhältnisse in Deutschland sind mit Frauen besetzt.

Die inzwischen 1,5 Milliarden Menschen auf der Welt unter der Armutsgrenze können uns nicht ruhig lassen.

3.1.2.5 Die Korruption

Wer wie die Kampagne “Erlassjahr 2000” einen Schuldenerlass zugunsten der armen Länder fordert, wird immer wieder mit dem Argument konfrontiert, die Regierungen der verschuldeten Länder seien ohnehin so korrupt, dass ein Erlass nicht helfe. Dabei wir oft übersehen, dass zur Korruption zwei gehören. Aber ist dies nur ein Problem der Entwicklungsländer. Korruption ist inzwischen auch in Deutschland ein Problem geworden. Die ZEIT schätzte, dass die Bundesregierung allein im Baubereich jährlich 10 Milliarden durch bestechliche Beamte verliert. In München und Frankfurt laufen eine Fülle von Ermittlungsverfahren. Deutschland steht hier nicht allein: Die Korruption in Italien ist sprichwörtlich, in Frankreich wurde Mitte der neunziger Jahre gegen 800 Politiker, Beamte und Firmenchefs ermittelt, der belgische Nato-Generalsekretär Willy Claes musste sein Amt nach einschlägigen Vorwürfen aufgeben, höchste Staatsbeamte stehen in Frankreich unter Korruptionsverdacht (2002).

Trotzdem wird bei Korruption immer auf Lateinamerika und Afrika verwiesen. Es gibt aber immer zwei Beteiligte bei der Korruption. Die Industrienationen müssen aufhören, die Korruptionszahlungen zum kulturellen Umfeld in Entwicklungsländern gehörig zu betrachten. Unternehmen der Industrienationen haben bestochen und die Schweizer Bankkonten der Herrscher von südlichen Potentaten wurden damit gefüllt. L Monde nimmt an, dass französische Firmen 1994 umgerechnet 2,8 Milliarden DM Schmiergelder bezahlt haben. Bis vor einigen Monaten konnten deutsche Firmen Bestechungsgelder noch steuerlich absetzen, man hatte diese gesetzliche Regelung wegen der sogenannten Konkurrenzfähigkeit deutscher Firmen nicht geändert. Es gibt Länder deren Firmen mehr bestechen als Deutschland und auch solche, die es weniger tun wie z.B. die Schweiz und die USA.

Einschlägig bekannte Staatschefs wie Mobutu (Zaire), Moi (Kenia), Suharto (Indonesien) oder Marcos (Philippinen) erhielten weiterhin von Regierungen sowie dem IWF und der Weltbank Kredite, als längst bekannt war, dass sie die Gelder zumindest zum Teil veruntreuen würden. Dabei hatten auch der Ost-West-Konflikt und Waffenkäufe eine große Rolle gespielt. Es gibt Beispiele für Projekte, die aufgrund von Korruption gebaut wurden und sich überhaupt nie rechneten. Dies war bekannt, aber es ging weiter. Jetzt sitzen diese Länder auf ihren "Weißen Elefanten" (unbrauchbaren Bauten) und ihren damit oft verbundenen Schulden.

Korruption gehört nächst der Armut und Krieg nach Aussagen eines Wissenschaftlers zu den schlimmsten Problemen auf der Welt.

3.1.2.5 Die Belastung der Umwelt

In Text der Bischöflichen Kommission "Die vielen Gesichter der Globalisierung" werden Chancen und Risken der Globalisierung beschreiben

"3.2      Ökologische Auswirkungen der Globalisierung

3.2.1    Ökologische Gewinne und Verluste

Neben den sozialen sind vor allem die ökologischen Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Integration und der zunehmenden Vernetzung von Gesellschaften von weitreichender Bedeutung. Die fortschreitende Globalisierung bedingt einen deutlichen Anstieg der Waren- und Verkehrsströme, was die Belastung der natürlichen Umwelt spürbar erhöht. Hauptgrund für das ungebremste Wachstum der Güter- und Personentransporte ist die Tatsache, daß die Trans­portkosten im wesentlichen durch Energiepreise bestimmt sind. Diese spiegeln jedoch nicht in vollem Umfang die Umweltkosten des Verbrennens fossiler Energieträger wieder. Die betriebswirtschaftlichen Transportkosten, die in die Handels- bzw. Standortentscheidungen einfließen, sind damit im Vergleich zu den tatsächlich verursachten Kosten zu niedrig. Daraus resultiert ein ”zu großes Ausmaß” an Globalisierung. Die angenommenen Wohlfahrtseffekte sind also überhöht, solange die Umweltkosten der Energienutzung nicht in die Transportkosten einbezogen sind. Ein erheblicher Teil der statistisch errechneten Effizienzgewinne ist somit das Ergebnis verzerrter Preise.

Außerdem besteht die Gefahr, daß schadstoffintensive Produktionsstätten aus Industrieländern mit strengen Umweltauflagen in Entwicklungs- oder Transformationsländer verlagert werden, die in dieser Hinsicht nachlässiger sind. Dies mag in einigen Fällen zutreffen, empirische Belege für einen allgemeinen Trend zu einer solchen Industrieflucht gibt es jedoch nicht. Möglicherweise sind die umweltschutzbedingten Kosten in den Industrieländern oft nicht so hoch, daß sie einen Verzicht auf hochqualifizierte Arbeitskräfte und eine gute Infrastruktur ausgleichen und damit eine Standortverlagerung rechtfertigen würden. Überdies stellt eine hohe Umweltqualität für einige Unternehmen bei der Standortwahl sogar ein positives Kriterium dar, weil sie die Einstellung qualifizierter Arbeitskräfte erleichtert bzw. für die Produktqualität direkt bedeut­sam ist. Auch der internationale Müllhandel und besonders die Entsorgung von Giftmüll in Entwicklungs- und Transformationsländern belasten die Umwelt. Derartige Transfers sind heute allerdings aufgrund internationaler Abkommen in der Regel illegal, weshalb auch ihr Umfang nur schwer abzuschätzen ist.

Andererseits hat die Globalisierung auch positive Umwelteffekte. Zu diesen gehört, daß die verstärkte Internationalisierung des Handels die Verbreitung umweltschonender Produkte und Technologien fördert. Abgesehen von dem direkten positiven Einfluß auf die Umwelt ist dies vor allem für solche Länder von Vorteil, deren Industrien für Umweltschutztechnik - nicht zuletzt aufgrund strenger gesetzlicher Regelungen zu den Weltmarktführern zählen. Eine im Hinblick auf ökologische Ziele sensible Wirtschaftspolitik führt also nicht grundsätzlich zu Nachteilen und Produktionseinbußen. Vielmehr kann die Umweltpolitik die Wettbewerbsposition des betreffenden Landes verbessern, wenn sie Anreize für Innovationen schafft, welche die Entwicklung neuer Produkte und Produktionsverfahren beschleunigt. Außerdem läßt sich auch darauf verweisen, daß der Prozeß der Globalisierung auf die Welt als Einheit ausgerichtet ist. Möglicherweise trägt er daher dazu bei, das Bewußtsein für globale ökolo­gische Herausforderungen und Bedrohungen zu schärfen. Wenn dies den politischen Druck für umweltpolitische Maßnahmen erhöht, dann hat Globalisierung auch auf diese Weise einen positiven Umwelteffekt.

Schließlich ist auch der indirekte, durch das Wachstum des Weltsozialprodukts bedingte Einfluß der Globalisierung auf die Umwelt zu berücksichtigen. Nach weit verbreiteter Meinung hat wirtschaftliches Wachstum unvermeidlich negative ökologische Auswirkungen, weil der Wachstumsbeitrag der Globalisierung auch die Belastung der Umwelt in jedem Fall erhöhe. Dies wird vor allem mit negativen externen Effekten im Umweltbereich begründet, die zu einer Verschwendung knapper natürlicher Ressourcen führen. Bei der ökologischen Einschätzung des Wachstums ist jedoch zu beachten, daß mit wachsendem Pro-Kopf-Einkommen in der Regel auch die Nachfrage nach höherer Umweltqualität steigt. Zudem gibt es nicht nur wachstums-, sondern auch armutsbedingte Umweltzerstörung. So ist z.B. die Abholzung in der Dritten Welt zu einem nicht geringen Teil eine Folge der Notlage verarmter und landloser Bauern, die durch Brandrodung ein Stück Land für ihren Lebensunterhalt gewinnen wollen, aber auch des Schuldendrucks, den die betroffenen Länder durch den Export devisenträchtiger Hölzer zu verringern suchen.

Zusammenfassend ist davon auszugehen, daß Wirtschaftswachstum, solange es mit höherem Schadstoffausstoß und mehr Ressourcenverbrauch verbunden ist, zur Umweltzerstörung beiträgt. Andererseits kann es aber auch die Fähigkeit und die Bereitschaft einer Volkswirtschaft vergrößern, für höhere Umweltqualität zu sorgen. Außerdem ist selbst eine konsequente und sozial vertretbare ökologische Umsteuerung der Wirtschaft aufgrund der damit verbundenen Umstellung des Produktionsapparates nur in Verbindung mit Wirtschaftswachstum möglich. Insofern hängt es zu einem erheblichen Teil von der Art des Wachstums und von der Umweltpolitik in den einzelnen Ländern weltweit ab, welche Belastungen oder Entlastungen der Umwelt als Folge der Globalisierung letztlich entstehen.

3.2.2    Verbreitung westlicher Produktions- und Konsummuster

Medien, Importgüter, Tourismus und kommerzielle Werbung wecken weltweit den Wunsch nach einem Leben in Wohlstand, wie er heute in den westlichen Industrieländern der großen Mehrheit der Bevölkerung selbstverständlich geworden ist. Die gegenwärtigen Produktions- und Konsummuster in diesen Ländern sind allerdings im Vergleich zu den meisten Entwicklungs- und Transformationsländern mit einem vielfachen Pro-Kopf-Verbrauch an Energie, mineralischen Rohstoffen und anderen natürlichen Ressourcen verbunden. Ebenso tragen sie überproportional zur globalen Erwärmung durch Treibhausgase bei. In den ärmeren Ländern ist es bisher nur einer kleinen Minderheit möglich, diesen ressourcenaufwendigen Lebensstil zu übernehmen. Aber auch die große Mehrheit der Bevölkerung dieser Länder strebt nach einem höheren Wohlstand und materiellen Lebensverhältnissen, die denen in den Industrieländern vergleichbar sind. Dieser Anspruch läßt sich kaum mit guten Gründen zurückweisen, solange die reichen Länder einen solchen Lebensstil für legitim halten. Eine rasche nach­holende Entwicklung in einer größeren Zahl von Entwicklungs- und Transformationsländern würde jedoch weltweit zu einem starken Anstieg des Verbrauchs an natürlichen Ressourcen sowie der Umweltbelastung und damit zu möglicherweise nicht mehr bewältigbaren ökologischen Problemen führen – jedenfalls wenn die heutigen Produktions- und Konsummuster der westlichen Industrieländer einfach übernommen würden.

Die Folge einer solchen Entwicklung wäre ein starker Anstieg der Nachfrage nach Rohstoffen. Die damit gegebenen Preissteigerungen würden unterschiedliche ökonomische Auswirkungen haben. In Industrie- und Schwellenländern würde der Wettbewerb vermutlich Innovationen auslösen, ähnlich wie die Ölpreissteigerungen der 70er Jahre, die zu Änderungen im individuellen Verhalten (Energiesparen), zu höherer Energieeffizienz, zum Einsatz alternativer Energieträger, zur Erschließung neuer Lagerstätten sowie zu einer weitreichenden Umstellung von Produktionsstrukturen geführt haben. Vor allem sehr arme Entwicklungsländer, die auf Erdöl als einem billigen und vielseitig nutzbaren Energieträger angewiesen sind, könnten in eine fast ausweglose Lage geraten. Zum einen würden sie vermutlich über zu wenig Deviseneinnahmen verfügen, um die erhöhten Preise für die unverzichtbaren Ölimporte zu bezahlen, zum anderen wären sie auch nicht imstande, alternative Energiequellen zu erschließen. In diesem Fall könnten sie sich gezwungen sehen, z.B. die Abholzung von Wäldern zu intensivieren, auch wenn dies sie selbst längerfristig in den ökologischen Ruin treiben und zugleich den globalen Treibhauseffekt verstärken würde.

Ein breiter Wachstumsprozeß in den bisher weniger entwickelten Ländern wird daher unter den gegenwärtigen Produktions- und Konsumbedingungen zu verschärften globalen Verteilungskonflikten um knappe Ressourcen und begrenzte Kapazitäten für die Aufnahme von Schadstoffen und Abfällen führen. Ohne grundlegende weltweite Strukturreformen mit dem Ziel, die Dynamik des Marktes für ein umweltverträgliches Zivilisationsmodell zu nutzen, hat die Ver­breitung westlicher Produktions- und Konsummuster also verheerende Folgen. Eine besondere Verantwortung für solche Reformen tragen die Industrieländer."

3.1.2.6 Die Überforderung der Nationalstaaten

In dieser Entwicklung kommen Nationalstaaten an ihre Grenzen. Damit wird auch ihr absoluter Souveränitätsanspruch in Frage gestellt. Das heißt nicht, dass ihr Ende eingeläutet ist, bei den vielfältigen nationalen und regionalen Problemen bleiben ihnen Aufgaben genug. Aber in den Nationalstaaten nimmt die Bereitschaft ab, öffentliche Aufgaben zu übernehmen. Das liegt auch daran, dass man nicht mehr glaubt, gegen das ökonomische Interesse etwas auszurichten.

Die Tendenz zu Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung ist auf der ganzen Welt ungebrochen. Dabei gibt es aber zugleich große Defizite der übernationalen Politik. Diese müsste gerade jetzt aktiv werden, da die nationalen Politiken an Bedeutung verlieren. Es gibt zwar Versuche in der Richtung, auch die Vereinten Nationen gewinnen an Bedeutung, aber ein ernsthaftes Mitsprechen bei diesen Problemen wird noch nicht deutlich. Das beträfe vor allem den sozialen Aspekt.

Es kommt dabei auch darauf an, welches Staatsverständnis besteht. Im letzten Jahrzehnt hatten wird erfreulicherweise eine Abwendung von autoritären Systemen hin zu Demokratien, dass diese aber überall innerlich angenommen seien und ihre Stabilität auch in Herausforderungen beweisen, das ist keineswegs gesichert. Nicht überall sind dafür die Menscherechte hinreichend gesichert.

In diesem Zusammenhang ist erfreulich, dass es viele Nichtregierungsorganisationen gibt, die weltweit agieren. Auch die Kirchen mit ihren internationalen Hilfsorganisationen sind hieran beteiligt. Globalisierung und ihre Probleme stellen für viele Menschen eine Herausforderung dar, der sie sich stellen. Das zeigt sich auch, wenn in Katastrophen persönlicher Einsatz erwartet wird.

Auch die Religionen sind gefragt. Es darf nicht zu einem Kampf der Kulturen kommen. Ansätze zum interreligiösen Gespräch sind ganz vorsichtig zu sehen. Dies zeigt sich aber als ein schwieriges Lernfeld, das aber konsequent angegangen werden muss.

3.1.2.7 Globalisierung - eine Herausforderung

Diese Entwicklung stellt Chancen und Gefährdungen dar. Sie darf nicht einfach so treiben, wie neoliberalistische Marktgesetze es glauben. Es bedarf schon der gemeinsamen Überlegung, wie die Entwicklung zu beurteilen und damit umzugehen ist.

3.2 Welche Leitidee der Welt haben wir Christen (Urteilen)?

3.2.1 Die Leitidee vom Reich Gottes

3.2.1.0 Hinführung

Vielleicht hilft die Unterscheidung der Begriffe wie U. Beck sie vorlegt (U. Beck, Was ist Globalisierung..., Frankfurt a.M.1997) weiter. Globalität heißt dann, wir leben schon längst in einer globalen Welt, dahinter gibt es kein zurück mehr. Globalisierung ist der Versuch, die Weiterentwicklung der Globalität zu steuern durch internationale und nationale Aktivitäten, Globalismus meint die vorherrschende Ideologie für den Weltmarkt, den Neoliberalismus mit seiner Tendenz zum Abbau des Sozialen, ist gewissermaßen eine weite verbreitete Leitidee der Globalität.

Ein völliger Rückzug in die kleine Lebenswelt kann keine Antwort sein. Wir müssen uns schon deutlicher fragen, wie wir zu einer globalen Welt stehen. Es geht vor allem darum, ein Gegenleitbild zum Neoliberalismus zu erarbeiten, das dann zum Handlungskriterium für uns Engagement im Prozess der Globalisierung werden kann. Wir müssen aus unserer Sicht zu "Global Players"(Mitspielern beim weltweiten Prozess)" werden und dürfen dies nicht nur dem Neoliberalismus überlassen.

Unsere Leitidee ist das biblische Bild vom Reich Gottes wie es im Alten Testament entwickelt und von Jesus zur Mitte seiner Verkündigung gemacht wurde. Im Kapitel 2.5 der 1. Einheit wurde schon ausführlich bearbeitet. Es soll aber unter Rücksicht der Globalisierung noch einmal eigens dargestellt werden, dabei lässt sich manche Überschneidung nicht vermeinen.

Als Literatur sein auch hier auf Eigemann, Urs, "Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit für die Erde, Die andere Vision vom Leben, Zürich 1998" und andere Veröffentlichungen von ihm z.B. in Hillerich, Frank Hg. U.a. "Soziale Befreiung der Pastoral, Ein Werkstattbuch der Initiative Sozialpastoral im Bistum Limburg, Limburg 1999" hingewiesen.

Das Reich Gottes hat weltweite Dimensionen. In ihm herrscht Gerechtigkeit und Frieden. Alle Völker werden in ihm friedlich versammelt sein.

3.2.1.1 In Jesus ist das Reich Gottes gekommen

Jesus nimmt Bezug auf diese messianischen Verheißungen z. B. im Lukasevangelium im 4. Kapitel.

16 So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen, 17 reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt: 18 Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze (siehe dazu Jes 61,1f; 29,18;8,6 19) und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. 2 Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. 21 Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

Das messianische Reich hat in Jesus begonnen. Er ist der Messias. Das wird dann später im Griechischen mit Christo und im Lateinischen mit Christus wiedergegeben. Er ist der Gesalbte Gottes. Er ruft ein Gnadenjahr aus, in dem die soziale Gerechtigkeit für alle wieder hergestellt wird. Er macht seine Option für die Armen und Zerschlagenen deutlich, umfassende Heil wird er bringen. Seine Botschaft ist die Botschaft vom Reich Gottes, ein Auftrag den er an seine Jüngerinnen und Jünger weiter gibt. Dabei bezieht er sich aufs Alte Testament, auf den Propheten Jesaja:

"61:1-2: Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, 2 damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe, einen Tag der Vergeltung unseres Gottes, damit ich alle Trauernden tröste,..."

Der Gesalbte (Messias) ist eigentlich der König, der im Auftrag Gottes eine Herrschaft der Gerechtigkeit und des Friedens aufrichten soll. Wenn der große Gesalbte kommt, dann wird die Völkerwallfahrt beginnen. Ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens wird eingerichtet. Dies ist die große Vision des Propheten. Ohne den Hintergrund des Alten Testamentes wird man die Botschaft Jesus nur schwer verstehen können. Einige Element der Botschaft von der Herrschaft Gottes seien hier aufgezeigt.

"2:1-4 1: Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amos, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat. 2 Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. 3 Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. 4 Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg."

Hier ist die globale Dimension der Gerechtigkeit und des Friedens angesprochen, den Gott schaffen wird. Dies alles wird der "Herr der Heerscharen" (Zebaoth - der Mächtigste) vollbringen. Herr der Heerscharen, Herrschaft Gottes, das sind Begriffe die die gleiche Bedeutung haben. Es geht um die Königsherrschaft Gottes. Die Vollendung wird in einem großen Völkermahl gefeiert.

"Jesaja 25,6-8 6: Und der HERR der Heerscharen wird auf diesem Berg allen Völkern ein Mahl von fetten Speisen bereiten, ein Mahl von alten Weinen, von markigen fetten Speisen, geläuterten alten Weinen. 7 Dann wird er auf diesem Berg die Hülle verschlingen, die das Gesicht aller Völker verhüllt, und die Decke, die über alle Nationen gedeckt ist. 8 Den Tod verschlingt er auf ewig, und der HERR wird die Tränen abwischen von jedem Gesicht, und die Schmach seines Volkes wird er von der ganzen Erde hinwegtun. Denn der HERR hat geredet."

Die Vollendung wird in einem großen Völkermahl gefeiert (Verdoppelung, siehe vorhergehenden Passus!). Aber auch der Tod wird vorbei sein und alle Tränen werden abgewischt. Das Unrecht wird nicht siegen, das ist eine tröstliche Verheißung für alle die Unrecht leiden, wenn auch die Wortwahl uns für Gott etwas fremd ist.

"Jesaja 35 1-10 1: Freuen werden sich die Wüste und das dürre Land, frohlocken wird die Steppe und aufblühen wie eine Narzisse. 2 Sie wird in voller Blüte stehen und frohlocken, ja, frohlockend und jubelnd. Die Herrlichkeit des Libanon ist ihr gegeben, die Pracht von Karmel und Scharon: sehen werden sie die Herrlichkeit des HERRN, die Pracht unseres Gottes. 3 Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! 4 Sagt zu denen, die ein ängstliches Herz haben: Seid stark, fürchtet euch nicht! Siehe, [da ist] euer Gott, Rache kommt, die Vergeltung Gottes! Er selbst kommt und wird euch retten. 5. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet. 6 Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und jauchzen wird die Zunge des Stummen. Denn in der Wüste brechen Wasser hervor und Bäche in der Steppe. 7 Und die Wüstenglut wird zum Teich und das dürre Land zu Wasserquellen. An der Stelle, wo die Schakale lagerten, wird Gras sowie Rohr und Schilf sein. 8 Und dort wird eine Straße sein und ein Weg, und er wird der heilige Weg genannt werden. Kein Unreiner wird darüber hinziehen, sondern er wird für sie sein. Wer auf dem Weg geht - selbst Einfältige werden nicht irregehen. 9 Kein Löwe wird dort sein, und kein reißendes Tier wird [auf ihm] hinaufgehen noch dort gefunden werden, sondern die Erlösten werden darauf gehen. 10 Und die Befreiten des HERRN werden zurückkehren und nach Zion kommen mit Jubel, und ewige Freude wird über ihrem Haupt sein. Sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen. "

Herrlich die Vision von der blühenden Steppe. Die Bilder sprechen aus sich selbst. Befreiung aus Gefangenschaft ist angesagt. Ein neuer Himmel und eine neue Erde entstehen.

"Jesaja 65, 17+ Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und an das Frühere wird man nicht mehr denken, und es wird nicht mehr in den Sinn kommen. ... 25 Wolf und Lamm werden zusammen weiden; und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind; und die Schlange: Staub wird ihre Nahrung sein. Man wird nichts Böses und nichts Schlechtes tun auf meinem ganzen heiligen Berg, spricht der HERR."

Der Friede wird auf die ganze neue Schöpfung übergreifen. Frieden und Gerechtigkeit werden sich küssen, gehören untrennbar zusammen.

"Psalm 85:11 14 11 Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich.

12 Treue sprosst aus der Erde hervor; Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.

13 Auch spendet der Herr dann Segen, und unser Land gibt seinen Ertrag.

14 Gerechtigkeit geht vor ihm her, und Heil folgt der Spur seiner Schritte."

Alles wir gut.

Genesis 1:26 steht: Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. 27 Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.

Das Bild Gottes, das ist die Würde des Menschen, für Mann und Frau gleichermaßen. Das gilt auch für die Armen, die Witwen und Waisen und die Fremdlinge im Land. Gott sieht in besonderer Weise die Tränen der Notleidenden.

"Jesus Sirach 35:16-22 16 Er ist nicht parteiisch gegen den Armen, das Flehen des Bedrängten hört er. 17 Er missachtet nicht das Schreien der Waise und der Witwe, die viel zu klagen hat. 18 Rinnt nicht die Träne über die Wange, 19 und klagt nicht Seufzen gegen den, der sie verursacht? Denn von der Wange steigt sie zum Himmel empor; der Herr achtet darauf, und es missfällt ihm 20 Die Nöte des Unterdrückten nehmen ein Ende, das Schreien des Elenden verstummt. 21 Das Flehen des Armen dringt durch die Wolken, es ruht nicht, bis es am Ziel ist. Es weicht nicht, bis Gott eingreift 22 und Recht schafft als gerechter Richter."

Das sind einige Texte zur Herrschaft (Reich) Gottes, zu dem was er machen wird, aus dem Alten Testament. Sie machen ein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und des Heiles als Vision deutlich, und nennen den Schutz der Menschen mit Tränen in den Augen durch Gott selbst. Darauf baut die Botschaft Jesu auf. Auch davon können nur einige Elemente genannt werden.

3.2.1.2 Elemente der Predigt vom Reich Gottes bei Jesus

1. Das Reich ist verborgen da

In ihm ist das Reich gekommen. Es ist gegenwärtig, aber noch nicht in der Vollendung. Die wird Gott eines Tages schenken.

"Lukas 17:20-21 Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. 21 Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch."

Wir beten um das Kommen des Reiches im Reich Gottes Gebet, im "Vater Unser. " "Matthäus 6:10 dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde." Wir sollen es suchen, sollen uns mit allen unseren Kräften für seine Verwirklichung einsetzen, obwohl wir wissen, dass wir die Vollendung nie dadurch erreichen können. "Mt 6:33 Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben."

2. Für Jesus ist das Reich Gottes wie ein großes Festmahl mit offener Tischgemeinschaft

"Matthäus 14.15 –23: Als einer der Gäste das hörte, sagte er zu Jesus: Selig, wer im Reich Gottes am Mahl teilnehmen darf. 16 Jesus sagte zu ihm: Ein Mann veranstaltete ein großes Festmahl und lud viele dazu ein. 17 Als das Fest beginnen sollte, schickte er seinen Diener und ließ den Gästen, die er eingeladen hatte, sagen: Kommt, es steht alles bereit! 18 Aber einer nach dem andern ließ sich entschuldigen. Der erste ließ ihm sagen: Ich habe einen Acker gekauft und muss jetzt gehen und ihn besichtigen. Bitte, entschuldige mich! 19 Ein anderer sagte: Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft und bin auf dem Weg, sie mir genauer anzusehen. Bitte, entschuldige mich! 20 Wieder ein anderer sagte: Ich habe geheiratet und kann deshalb nicht kommen. 21 Der Diener kehrte zurück und berichtete alles seinem Herrn. Da wurde der Herr zornig und sagte zu seinem Diener: Geh schnell auf die Straßen und Gassen der Stadt und hol die Armen und die Krüppel, die Blinden und die Lahmen herbei. 22 Bald darauf meldete der Diener: Herr, dein Auftrag ist ausgeführt; aber es ist immer noch Platz. 23 Da sagte der Herr zu dem Diener: Dann geh auf die Landstraßen und vor die Stadt hinaus und nötige die Leute zu kommen, damit mein Haus voll wird. 24 Das aber sage ich euch: Keiner von denen, die eingeladen waren, wird an meinem Mahl teilnehmen."

Die Reichen tun sich schwer mit dem Gottesreich. Ihre Chance, hineinzukommen sind gering, aber bei Gott ist kein Ding unmöglich. Das Reich Gottes (Matthäus verwendet auch den identischen Begriff "Himmelreich", damit wollten fromme Juden das Aussprechen des Namens Gottes umgehen) ist für alle da. Der Gedanke der Mahlgemeinschaft mit Gott ist ja schon im Alten Testament ein Bild für das Reich Gottes.

3. Es gibt eine Verheißung an die Armen

Diese besondere Betonung wird ja im Gleichnis vom Mahl gesagt. In den Seligpreisungen kommt dies deutlich zum Ausdruck.

"Lukas 6:20 Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. 21 Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen." Oder "Matthäus 5:3  Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich."

Es geht hier nicht um die Frage von Schuld und Verdienst, sondern um den Zustand der Armut, vor dem wie sie strukturell ererbt wurde.

4. Besitz wird relativiert

Reichtum ist nicht der Maßstab für gesellschaftliche Anerkennung, nicht so bei Gott. Reichtum muss relativiert werden, er darf nicht für den Zugang zum Reich Gottes hinderlich sein.

Matthäus 19:23-26 Da sagte Jesus zu seinen Jüngern: Amen, das sage ich euch: Ein Reicher wird nur schwer in das Himmelreich kommen. 24 Nochmals sage ich euch: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. 25 Als die Jünger das hörten, erschraken sie sehr und sagten: Wer kann dann noch gerettet werden? 26 Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: Für Menschen ist das unmöglich, für Gott aber ist alles möglich.

Für das Reich Gottes ist das ganze Vermögen gerade gut genug.

"13:4-46 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker. 45 Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. 46 Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie."

5. Teilen

Mit dem Hungrigen das Brot teilen, das ist Reich Gottes. Das wirkt Wunder. Jesus teilt sich selbst mit den Menschen, er lädt uns zum Teilen ein. Wer teilt, mit dem teilt Gott.

"Lukas 9:12-17 Als der Tag zur Neige ging, kamen die Zwölf zu ihm und sagten: Schick die Menschen weg, damit sie in die umliegenden Dörfer und Gehöfte gehen, dort Unterkunft finden und etwas zu essen bekommen; denn wir sind hier an einem abgelegenen Ort. 13 Er antwortete: Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische; wir müssten erst weggehen und für all diese Leute Essen kaufen. 14 Es waren etwa fünftausend Männer. Er erwiderte seinen Jüngern: Sagt ihnen, sie sollen sich in Gruppen zu ungefähr fünfzig zusammensetzen. 15 Die Jünger taten, was er ihnen sagte, und veranlaßten, daß sich alle setzten. 16 Jesus aber nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, segnete sie und brach sie; dann gab er sie den Jüngern, damit sie diese an die Leute austeilten. 17 Und alle aßen und wurden satt. Als man die übriggebliebenen Brotstücke einsammelte, waren es zwölf Körbe voll."

6. Liebe ist Ausdruck der Nähe zum Reich Gottes

"Markus 12:28 Ein Schriftgelehrter hatte ihrem Streit zugehört; und da er bemerkt  hatte, wie treffend Jesus ihnen antwortete, ging er zu ihm hin und   fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? 29 Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. 30 Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. 31 Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. 32 Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig   hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen  außer ihm, 33 und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu  lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als   alle Brandopfer und anderen Opfer. 34 Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr,  Jesus eine Frage zu stellen."

Nahe ist dem Gottesreich, wer das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe erfüllt. Die Liebe schließt auch den Gegner mit ein. Der barmherzige Samariter macht deutlich, wer der Nächste ist: Der Mensch in Not, dem ich begegne. Diese Begegnung mit den Armen wird dann nach deutlicher auf Jesus bzogen.

"Matthäus 25.40: 25:40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."

6. Es ist Aufgabe der Kirche und aller Jüngerinnen und Jünger die Botschaft vom Reich Gottes in alle Welt zu tragen

"Matthäus 28:19-20: Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, 20 und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt."

3.2.1.2 Die Verantwortung der Kirche und der Religionen

Das Evangelium vom angekommenen Reich Gottes ist der Auftrag der Verkündigung heute und zu allen Zeiten. Die Kirche ist nicht das Reich Gottes, aber sie hat es zu laben und zu gestalten, es ist ihre Botschaft in Glauben und Werken. Sie muss glaubhaft bezeugen, dass das Reich Gottes in der Mitte der Welt ist.

"Johannes Paul II. zum Weltfriedenstag 1. JANUAR 1999

In der Achtung der Menschenrechte liegt das Geheimnis des wahren Friedens

Globaler Fortschritt in der Solidarität

9. Die rasch zunehmende Globalisierung der Wirtschafts- und Finanzsysteme weist ihrerseits darauf hin, daß dringend festgeschrieben werden muß, wer das globale Gemeinwohl und die Anwendung der ökonomischen und sozialen Rechte gewährleisten soll. Der freie Markt allein ist dazu nicht imstande, da es in Wirklichkeit viele menschliche Bedürfnisse gibt, die keinen Zugang zum Markt haben. »Noch vor der Logik des Austausches gleicher Werte und der für sie wesentlichen Formen der Gerechtigkeit gibt es etwas, das dem Menschen als Menschen zusteht, das heißt auf Grund seiner einmaligen Würde."

Die Kommission der Bischöfe zur Globalisierung schreibt zur Verantwortung der Kirche und Religionen:

"4. Globalisierung - Herausforderungen für die Religionen und die Kirche

Die dargestellten Erscheinungsformen, Folgen und Auswirkungen der Globalisierung gehören heute zu jenen Grundkoordinaten, innerhalb derer die großen Religionen und die Kirche ihre gesellschaftliche Rolle bestimmen, aber auch ihr Selbstverständnis reflektieren müssen. Die damit verbundene Herausforderung ist eine zweifache: Zum einen geht es um die Verantwortung bei der Mitgestaltung der Globalisierung im Dienst der Menschen, zum anderen um die auch theologisch bedeutsame Frage, wie sich die Religionen selbst als weltweite Gemeinschaften und globale Akteure sowie zugleich in sehr unterschiedliche Kulturen eingebundene Gemeinden verstehen und welches Modell von Globalisierung sie selbst dabei darstellen.

Umgekehrt darf man erwarten, daß man von der langen Erfahrung der Religionen in diesem schwierigen Feld lernen kann. Dies gilt sowohl für ihr Ringen um brauchbare Lösungen wie auch für ihre fast unvermeidlichen Fehler. Die Religionsgemeinschaften müssen sich sogar selbstkritisch fragen, inwieweit sie in ihrer heutigen Gestalt so etwas wie ein Vorbild oder Modell für eine menschengerechte Globalisierung sein können. Dies ist nicht zuletzt wichtig für ihre Glaubwürdigkeit im Bemühen um eine humane Globalisierung, denn sie werden sich nur dann in die öffentliche Diskussion dieser Fragen überzeugend einmischen können, wenn sie die angemahnten Prinzipien auch in ihren eigenen Gemeinschaften zu verwirklichen suchen.

4.1        Mitverantwortung für die Gestaltung der Globalisierung

Eine ureigene und zentrale Aufgabe der Religionen war schon immer und bleibt die ethische Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen, die im Hinblick auf eine politische Steuerung der Globalisierung unersetzbar ist. Die notwendigen internationalen Rahmenbedingungen lassen sich nämlich kaum ohne ein Mindestmaß an globalen ethischen Maßstäben durchsetzen. Vor allem die Religionen mit ihren reichen spirituellen und moralischen Traditionen können dazu beitragen, den weithin vorherrschenden Ökonomismus in der Weltwirtschaft kritisch zu hinterfragen und zu kreativen Alternativen anzuregen. In allen Religionen gibt es Anknüpfungspunkte (manche sprechen von religiösen Ressourcen), die eine globale Verantwortung für alle Menschen und damit eine weltweite und generationenübergreifende Solidarität fördern. Umgekehrt gibt es sozialethische Kriterien, die für eine theologische Reflexion der Religionen anschlußfähig sind und darum weitgehend von ihnen geteilt und mitgetragen werden können. Die im Hinblick auf eine umfassende Solidarität notwendigen Veränderungen, vor allem auch im persönlichen Verhalten der Menschen, dürften kaum ohne die Motivations­kraft der Religionen erreichbar sein.

Aufgrund ihrer Präsenz in fast allen Kulturen der Erde müßten die Religionen besonders befähigt sein, sich für eine kulturelle Einheit in Vielfalt einzusetzen. Dem steht allerdings die Tatsache entgegen, daß fast alle großen Religionen interne Spaltungen aufweisen, was schon die Begegnung untereinander oft sehr schwierig macht. Dies gilt nicht zuletzt für das Christentum. Aus diesem Grund ist die ökumenische Bewegung auch so etwas wie eine Bewegung auf der Suche nach einer Weltkirche, die tatsächlich alle Regionen und Konfessionen einschließt. Sie ist ein Lernprozeß des Zusammenlebens in einer pluralen Welt. Ein wichtiger Prüfstein ist in dieser Hinsicht der Umgang mit Minderheiten oder abweichenden Meinungen innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaften. Wer nämlich nicht nach innen Toleranz übt und sich im Konfliktfall an faire Spielregeln hält, kann sich schwerlich glaub­würdig für Minderheiten­rechte und Toleranz im Weltmaßstab einsetzen...

Für uns geht dieser Weg in der Regel ökumenisch. In Deutschland ist das kein Problem mehr, viele wichtigen Stellungnahmen sind gemeinsam. Weltweit geht es auch in einigen Ländern, aber es muss noch viel getan werden. Hier muss eine noch intensivere Kooperation mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf gesucht werden. Der Konziliare Prozess, "Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" war ein gutes Beispiel.

Die Kirche muss aber auch mit anderen Religionen darüber nachdenken und sprechen, wie sie gemeinsam dazu beitragen, die Welt lebensbejahender zu gestalten. Dazu ist ein Dialog zwischen den Religionen notwendig, wie ihn für die katholische Kirche ja das Zweite Vatikanische Konzil ermöglicht hat. Die Suche nach einem gemeinsamen Weltethos, von Hans Küng angeregt, könnte einen möglichen Weg aufzeigen. Es gibt in den Hochreligionen fünf Gebote, die gemeinsam sind. Du sollst nicht töten, Du sollst nicht lügen, Du sollst nicht stehlen, Du sollst deine Eltern achten und die Kinder lieben. In der konkreten Ausprägung gibt es aber erhebliche Unterschiede. Als für alle verbindliches Weltethos formuliert er:

§          "Jeder Mensch muss menschlich behandelt werden!

§          Was du willst, was man dir tut, das tue auch den anderen."

Diese beiden Normen gelten für alle Lebensbereiche, für alle Völker, für alle Religionen. Daraus ergeben sich vier unverrückbare Weisungen:

1.       Die Verpflichtung auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit

2.       Die Verpflichtung auf eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung

3.       Eine Verpflichtung auf eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit

4.       Eine Verpflichtung auf eine Kultur der Gleichberechtigung und der Partnerschaft von Mann und Frau.

Es gibt aber bei allen Verantwortung. Auch im ökonomischen Handeln muss diese ins Spiel kommen. Es darf nicht nur um eigene Interessen gehen, sondern es besteht auch eine ethische Verantwortung, die über die eigenen Interessen hinausgeht. Wirtschaftliche Interessenpolitik, nationale Interessenpolitik sind durchaus gefordert, aber sie müssen heute auch das globale Interesse berücksichtigen, auch das kommender Generationen. Man hat nicht nur Verantwortung für sein Unternehmen, für seinen Staat, sondern für das Ganze, die Globalität (Küng, Hans, Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft, München 1998).

3.2.2 Ethische Kriterien

3.2.2.1 Die Gottesreichverträglichkeiten der Gesellschaft

1. Als erstes muss eine Option für das Leben gefordert werden. Das Reich Gottes ist das Reich des Lebens. Erfülltes Leben für alle Menschen ist gefragt. Alle Grundbedürfnisse sind zu befriedigen. Die Güter dieser Welt sind für alle bestimmt. Das Recht auf Eigentum ist diesem nachgeordnet. Damit müssen auch die Bedingungen für das Leben erhalten werden.

2. Die Option für das Leben schließt auch die Natur und kommende Generationen ein.

3. Die verträgliche Gesellschaft ist eine Gesellschaft in der alle Platz haben. Alle Diskriminierungen sind aufgehoben. Alle sind wie zum großen Gastmahl eingeladen. Jeder hat Platz am Tisch der Gesellschaft.

3. Gleichberechtigung für die Frauen ist gefordert. Frauen dürfen weder ökonomisch noch politisch oder kulturell benachteiligt werden. Das ist in der Weltgesellschaft keineswegs der Fall, z.B. kontrollieren Männer weltweit 90% des Einkommens und 99% des in Geld gemessenen Vermögens.

4. Historische politische Projekte dürfen weder verallgemeinert noch verabsolutiert werden. Der eschatologische Vorbehalt der über allem liegt (erst im Himmel kommt die Vollendung) erweist solche Projekte immer als historisch. Wie lange hat man dafür gekämpft, dass die Monarchien absolut und unabänderbar seien, solche Vorstellungen gibt es in anderem Zusammenhang immer noch. Gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen müssen sich immer an der Gottesreichverträglichkeit prüfen lassen.

5. Gegenüber den Sachzwänge herrscht der Primat der Politik. Neoliberalismus kann z.B. nicht von sich behaupten, dass er nicht sozial durch die Politik kontrollierbar sei. Das gilt auch für die Weltgesellschaft.

6. Sogenannte Systemdynamiken dürfen nicht zu Spaltungen in der Gesellschaft führen, wie z. B zu einer drohenden "Zweidrittelgesellschaft". Gesellschaftliche Systemdynamiken müssen so angelegt sein, dass sie nicht ungleich-asymmetrische Verhältnisse fördern, sondern egalitär(gleiche)-symmetrische.

7. Sinnvolle Arbeit oder Mindesteinkommen zu einem Leben in Menschenwürde muss für alle gewährleistet sein. (Nach U. Eigemann, Das Reich Gottes, S. 160-164).

3.2.2.2 Unser Auftrag eine Option in unserer Zeit für das Reich Gottes

"Johannes Paul II. zum Weltfriedenstag 1. JANUAR 1999

In der  Achtung der Menschenrechte liegt das Geheimnis des wahren Friedens

Globaler Fortschritt in der Solidarität

9. Die rasch zunehmende Globalisierung der Wirtschafts- und Finanzsysteme weist ihrerseits darauf hin, daß dringend festgeschrieben werden muß, wer das globale Gemeinwohl und die Anwendung der ökonomischen und sozialen Rechte gewährleisten soll. Der freie Markt allein ist dazu nicht imstande, da es in Wirklichkeit viele menschliche Bedürfnisse gibt, die keinen Zugang zum Markt haben. »Noch vor der Logik des Austausches gleicher Werte und der für sie wesentlichen Formen der Gerechtigkeit gibt es etwas, das dem Menschen als Menschen zusteht, das heißt auf Grund seiner einmaligen Würde."

Der Primat der Politik auch bei der Globalisierung ist angefragt. Es ist aber Handeln im Sinne des Reiches Gottes angesagt. Die Kirche und damit alle Christen haben den Auftrag, diese Botschaft in alle Zeiten hinein zu verkünden und zu leben. Das Reich Gottes ist verborgen gegenwärtig. Es ist da, aber noch nicht endgültig offenbar. Es ist unser aller Aufgabe, unseren Glauben an das angekommene Reich Gottes zu leben, indem wir uns für sein Offenbarwerden einsetzen. Damit bezeugen wir unseren Gauben auch in Taten.

Katholische Soziallehre wird damit zum gelebten Reich Gottes, in allen Widerständen und in aller Vorläufigkeit, zum Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, zur Achtung von Menschenwürde von Männern und Frauen und zur Verantwortung für die Schöpfung. Den Mut zu diesem Einsatz gibt uns die Zusage, dass das Reich schon unter uns ist und einmal von Gott vollendet wird.

Die Botschaft vom Gottesreich ist Option von Christen, die Zeit unter dem Anspruch dieser Botschaft zu prüfen und sich um die jeweils bestmögliche Lösung im Sinne dieser Botschaft einzusetzen. Die vollendete Lösung wird eines Tages Gott bewirken.

3.2.2.3 Ein Ansatz der Soziallehre

Einen Ansatz der Soziallehre vertritt die Globalisierungskommission der Deutschen Bischofskonferenz. Damit will sie erreichen, dass ihr Anliegen auch bei Nichtchristen ins Gespräch kommt. Die Ergebnisse decken sich im wesentlichen. Während die Verträglichkeitsprüfung allgemeiner ist, präzisiert sich von der Aufgabenstellung der folgende Text vor allem auf die Fragen der Globalisierung.

Die Prinzipien der Soziallehre, Personalität, Solidarität und Subsidiarität haben inzwischen auch den Raum der Kirche überschritten und sind fast Allgemeingut. Hinzu kommt noch der Gedanken von Nachhaltigkeit. Dies Prinzipein, ergänzt um die Idee der sozialen Gerechtigkeit, sind aber heute eher als Optionen auf das Ziel einer gerechteren und friedlicheren Welt hin zu verstehen. In diesem Sinne sind sie philosophisch begründbare Veränderungskriterien für eine bessere Welt. Für Christen bekommen sie in theologischer Begründung zusätzliche Dynamik und Perspektiven durch die Lehre vom Reich Gottes

"5. Grundlagen einer sozialethischen Reflexion

Die Tatsachen und Erfahrungen, die immer wieder von den Partnerkirchen in den Entwicklungs- und Transformationsländern an die Kirchen in Deutschland herangetragen werden, machen deutlich, daß die Globalisierung mit ihren verschiedenen, eng miteinander verwobenen Teilaspekten ein sehr ambivalenter Vorgang ist. Sie ist weder ein QuasiNaturgesetz, wie manche den Eindruck zu erwecken versuchen, noch ist alles Globale stets nützlich und dem Lokalen von vornherein überlegen. Daher ist eine fatalistische Haltung, die sich dem globalen Markt und seinen Regeln hilflos ausgeliefert fühlt, in keiner Weise gerechtfertigt. Ebenso fragwürdig ist freilich eine Fundamentalopposition, die in der Globalisierung die Wurzel aller Übel sieht und meint, ein Ausstieg aus dieser Entwicklung oder eine Umkehr zu lokalen Wirtschaftskreisläufen sei die Lösung aller sozialen und ökologischen Probleme.

Angesichts dieses Sachverhalts sind die Werke der katholischen Kirche, die in verschiedenen Bereichen gemeinsam weltweite Verantwortung übernommen haben, in hohem Maß herausgefordert. Hier ist nicht nur ihre praktische Reaktion gefragt; diese muß vielmehr angeleitet sein von einer prinzipiellen sozialethischen Begründung und einer weltkirchlichen Perspektive. Ihr müssen alle Lösungsansätze und politischen Entscheidungen, für die sie optieren, entsprechen. Es gilt, sich folgenreichen Fehlentwicklungen in den Weg zu stellen. Dies kann nur in richtiger Weise geschehen, wenn angemessene normative Kriterien entwickelt werden, die an die tatsächlichen Entwicklungen anzulegen sind. Diese Studie folgt der bewährten Tradition kirchlicher Argumentation auf dem Gebiet der Sozialethik, nämlich die Auseinandersetzung auf der Basis philosophischer Argumente zu suchen, um auch für Nichtchristen verständlich zu bleiben. Sie bleiben offen für vertiefte biblische und theologische Überlegungen, vor allem auch aus den Partnerkirchen, die den Autoren dieser Studie angesichts der religiös-kulturellen Entwicklung in diesen Regionen am Herzen liegen.

5.1       Sozialethische Maßstäbe

Im Zentrum aller Entwicklung und damit auch der Wirtschaft und ihrer politischen Gestaltung müssen immer die Menschen stehen. Diese Prämisse darf keinen anderen Zielen oder ideologischen Interessen geopfert werden. Sie gründet in der Menschenwürde, die allen Menschen unterschiedslos und in gleicher Weise zukommt und die Grundlage der Menschenrechte ist, was nicht nur die bürgerlichen und politischen Rechte (Zivilpakt), sondern auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (Sozialpakt) einschließen muß. In der Logik dieses Ansatzes liegt eine Option für die von diesen Rechten Ausgeschlossenen. Vorrangige Aufmerksamkeit müssen darum jene erhalten, die nicht einmal ihre elementaren Grundbedürfnisse befriedigen können und von besonderen Notlagen betroffen sind. Alle Politik auf nationaler wie internationaler Ebene muß daher armutsorientiert oder, genauer gesagt, armenorientiert sein.

Dies hat ökonomische, sozio-kulturelle und umweltbezogene Konsequenzen. Die verantwortliche Gestaltung einer humanen Ordnung muß sich auf all diesen Feldern bewähren, um allen Menschen eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen und zu sichern. Wirtschaft, Markt, technologischer Fortschritt und Globalisierung sind folglich kein Selbstzweck, sondern haben instrumentellen Charakter. Ein Ökonomismus, der die Regeln wirtschaftlicher Rationalität und des Marktes zum alleinigen Maßstab macht, ist damit unvereinbar. Dies gilt auch für eine Arbeits- und Konsumeinstellung, die nur auf ständig wachsenden persönlichen Wohlstand ausgerichtet ist und die Sozialbindung auch persönlichen Eigentums vergißt. Wirtschaftliches Handeln ist vielmehr immer auch eine kulturell geprägte Tätigkeit. Als solche erfordert sie persönliche wie gesell­schaftliche Investitionen in die Menschen, ihre Fähigkeiten und ihr Lebensumfeld. Das damit entstehende Human- und Sozialkapital ist nicht nur ökonomisch von immer größerer Bedeutung, sondern zugleich Voraussetzung für alte und neue Sozial­tugenden wie Kreativität, Partizipation, Eigeninitiative und Solidarität, ohne welche die globalen Pro­bleme nicht zu bewältigen sind.

Eine menschenwürdige globale Entwicklung muß auf das Gemeinwohl der ganzen Menschheit und die Lebenschancen künftiger Generationen ausgerichtet sein. Dies erfordert, sollen nicht einzelne hoffnungslos überfordert werden, eine gestufte Verantwortlichkeit. Dabei sind individualethische und sozialethische Orientierung, obwohl sie aufeinander bezogen sind, den­noch deutlich zu unterscheiden. Mit beiden hat die Aktivität der kirchlichen Werke zu tun.

Die Werke appellieren einerseits an die individuelle Verantwortung der Menschen in Deutschland und rufen zum Teilen mit denen auf, die erheblich geringere Lebenschancen haben. Dies verlangt auch Änderungen im eigenen Lebensstil, etwa beim Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen, der auch an den Bedürfnissen künftiger Generationen zu bemessen ist. Das Wirken der Werke zielt in dieser Hinsicht auf die Entwicklung einer grundlegenden Wertorientierung der Solidarität mit den Armen in der Welt, die aufgrund ihrer Armut ihre fundamentalen Rechte nicht wahrnehmen können. Kriterien sind aus den Grundbedürfnissen und der Möglichkeit, durch gezielte Hilfe zu ihrer Befriedigung beizutragen, zu entwickeln. Zahlreiche Initiativen einzelner zeigen, daß durch sie Lebenschancen eröffnet werden können. Gleichwohl reichen persönlicher Einsatz und einzelne Hilfeleistungen bei weitem nicht aus, um das Ziel von mehr Gerechtigkeit zu erreichen, zumal sie durch globale Entwicklungen oder auch schon durch politische Veränderungen in einem Land schnell zunichte gemacht werden können. Dennoch behalten sie ihre unerläßliche Bedeutung, weil sie ein wichtiger Ansporn sind, innerhalb der Gesellschaft auch sozialpolitische Verantwortung wahrzunehmen.

Die Hilfe im Einzelfall muß daher ergänzt werden durch eine politische Verantwortung, die sich zum einen auf die Wirksamkeit von Hilfsorganisationen erstreckt, zum anderen auf die Gestaltung politischer und gesetzlicher Rahmenbedingungen gerichtet ist. Diese Aufgaben können im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr in nationalem Alleingang bewältigt werden. Die Lösung der länderübergreifenden sozialen und ökologischen Probleme erfordert vielmehr die Bereitschaft der jeweiligen Länder, in solidarischer Zusammenarbeit Verantwortung für andere auf internationaler Ebene zu übernehmen. Zur konkreten Umsetzung dieser Ziele braucht es eine internationale Ordnungspolitik mit institutionellen Regelungen und Organen, für deren politische Macht noch Formen demokratischer Kontrolle zu suchen sind. Andernfalls bleiben die Armen in den Entwicklungs- und Transformationsländern, aber auch in den Wohlstandsländern auf der Strecke. Wenn es um die Verteilung der mit solchen Reformen verbundenen Lasten geht, sind vor allem diejenigen gefordert, die sich materiell einschränken können, ohne große Einbußen in ihrer Lebensqualität hinnehmen zu müssen. Dazu gehören die meisten Menschen in den reichen Ländern, aber auch die Reichen in den armen Ländern.

Angesichts einer höchst ungleichen globalen Verteilungssituation, die sich noch weiter zu verschärfen droht, bedarf es entschlossener Maßnahmen, um dem Prinzip (intragenerationeller) sozialer Gerechtigkeit wieder mehr Gewicht in der Politik zu verleihen. Zumindest sollte das gerechtigkeitstheoretische Differenzprinzip beachtet werden, das besagt, daß wirtschaftliche und soziale Ungleich­heiten nur inso­weit rechtfertigbar sind, als sie den Ärmsten und Ausge­schlossenen einen größtmöglichen Vorteil bringen. Insofern gewinnen auch die Maßstäbe globaler Chancen- und vor allem Bedürfnisgerechtigkeit immer mehr Bedeutung gegenüber reiner Besitzstands- und Leistungsgerechtigkeit.

Besondere Aufmerksamkeit verlangt das Prinzip der intergenerationellen Gerechtigkeit, das im Kern besagt, daß die ökonomischen und sozialen Probleme der Gegenwart nicht getrennt von der Frage des Erhalts und der Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen gelöst werden dürfen. Die Erkenntnis, daß ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung jeweils nur gesellschaftliche Teilziele sind, die man nicht ungestraft gegeneinander ausspielen darf, liegt dem Konzept der nachhaltigen bzw. dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung (sustainable development) zugrunde, das seit der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro von der internationalen Staatengemeinschaft als verbindliches Leitbild anerkannt ist. Das umweltethische Prinzip, das diesem Ansatz zugrunde liegt, ist die Vernetztheit des Menschen mit seiner natürlichen Umwelt. Es bringt zum Ausdruck, daß der Mensch seiner Verantwortung nur dann gerecht wird, wenn er die Dynamik seiner zivilisatorischen Tätigkeit an die Begrenztheit der natür­lichen Ressourcen und die Tragekapazität der ihn umfassenden Natur anpaßt.

Wenn der Mensch Ausgangspunkt und Ziel aller Entwicklung ist, so verlangt dies eine Entwicklung von unten. Genau dies besagt das Prinzip der Subsidiarität, das den Einzelnen und untergeordnete gesellschaftliche Ebenen (Familie, Kommune, Zivilgesellschaftliche Akteure usw.) vor der Allmacht des Staates und bürokratischem Zentralismus schützt. Umgekehrt verlangt dieses Prinzip aber auch ein Handeln der übergeordneten Ebene, wo es deren Hilfe bedarf. Dies gilt auch für die Gestaltung der globalen Gesellschaft. Daher ist zunächst immer die Solidarität unter den Betroffenen selbst gefragt, d.h. ihre Eigeninitiative und Zusammenarbeit zur Überwindung ihrer Benachteiligung. Ebenso wichtig sind politische Maßnahmen, die solche individuellen und gemeinschaftlichen Initiativen von unten ermöglichen, unterstützen und ergänzen. So sehr es nämlich auf die Menschen selbst ankommt, ohne förderliche Rahmenbedingungen (z.B. Rechtssicherheit) sind ihre Eigenanstrengungen meist zum Scheitern verurteilt oder nicht von Dauer. Im Bedarfsfall, wenn die Solidarität unter den Betroffenen nicht ausreicht, muß die Solidarität der Bessergestellten und Privilegierten mit und für diese Benachteiligten hinzukommen, d.h. von Einzelnen und kleinen Gruppen bis hin zur (Welt-)Gesellschaft.

In einer pluralen Welt bewegt sich jede ethische Reflexion im Spannungsfeld von Universalität und Partikularität. Das Dilemma besteht darin, daß eine partikulare Begründung einerseits zwar konkret, in die jeweiligen kulturellen Kontexte eingebunden und damit für die dort lebenden Menschen gut nachvollziehbar ist, andererseits aber für Menschen anderer Kulturkreise unverständlich und insofern nur bedingt Grundlage für so etwas wie ein Weltethos sein kann. Diese Spannung, die sich in Folge der Globalisierung noch verschärft, läßt sich nur durch einen möglichst breiten interkulturellen Dialog verringern und im Idealfall vielleicht sogar überwinden. Ein solcher Dialog kann nur gelingen, wenn ihn alle Teilnehmer als einen fairen und auf Verständigung zielenden Austausch wahrnehmen, der auf Bevormundung und Manipulation verzichtet. Ethische Argumente zielen nämlich immer auf die begründete Zustimmung aller, die von dem zu beurteilenden Handeln betroffen sind.

Die Teilnehmer an diesem interkulturellen Dialog können auf verschiedenen Wegen versuchen, universale Normen zu finden. Eine Brücke zwischen den verschiedenen ethischen Traditionen läßt sich wahrscheinlich am leichtesten dadurch schlagen, daß man von gemeinsamen mensch­lichen Leiderfahrungen wie etwa Hunger, Armut, Ungerechtigkeit oder Diskriminierung ausgeht. In solchen Erfahrungen gründen nämlich alle partikularen Moralvorstellungen. Im Hinblick auf diese Erfahrungen erschließen sich die Dialogpartner dann gegenseitig ihre kulturellen Deutungen und ihre darin wurzelnden Werte und Normen. Sie werden dabei Gemeinsamkeiten wie Unterschiede entdecken. Aus dem gemeinsamen Verständnis mensch­licher Würde, das so entsteht, versuchen sie zumindest einige ethische Grundkriterien zu gewinnen, die einerseits einen universalen Anspruch erheben, andererseits aber in einer Vielfalt von Kulturen ihre spezifische Ausprägung finden. Ziel solcher Bemühungen ist eine Ethik, in der Einheit und Differenz miteinander verwoben sind. Diese beinhaltet zum einen gemeinsame Normen, deren Deutungen und Begründungen in den verschiedenen Kulturen nicht völlig deckungsgleich sein müssen. Zum anderen beläßt sie jeder Kultur den Freiraum für kontextuell verwurzelte ethische und moralische Überzeugungen, sofern diese nicht im Widerspruch zu den universalen Normen stehen.

5.2       Ethisch verantwortbare Gestaltung der Globalisierung

Der Globalisierungsprozeß bewirkt zwar einen weltweiten Wohlstandszuwachs, führt aber tendenziell zu erheblichen Verteilungsverschiebungen zu Lasten gering qualifizierter Arbeitskräfte in den Industrieländern und ärmerer Bevölkerungsschichten in den Entwicklungs- und Transformationsländern. Außerdem beruhen die Wachstumseffekte teilweise auf einer unzureichenden Einbeziehung der ökologischen Kosten und schaffen damit ein intergenerationelles Verteilungsproblem. Aus der Perspektive der genannten sozialethischen Kriterien sind derartige Auswirkungen der Globalisierung sehr bedenklich und auf Dauer nicht hinnehmbar. Sollte sich bestätigen, daß ganze Regionen und Bevölkerungsgruppen weiterhin und in wachsendem Maß von den Wohlfahrtsgewinnen der Globalisierung ausgeschlossen bleiben und die Lebensgrundlagen künftiger Generationen gefährdet werden, dann könnten auch die mit der Globalisierung einhergehenden Vorteile solche Fehlentwicklungen nicht aufwiegen.

Wenn die Überwindung der Ausgrenzung vorrangiger ethischer Maßstab universaler Verantwortung ist, dann muß es primäres Ziel politischer Steuerung sein, durch ordnungspolitische Rahmenbedingungen soweit wie möglich zu verhindern, daß der Globalisierungsprozeß die Menschen und Generationen in Gewinner und Verlierer spaltet. So wie es im Zeitalter der Nationalökonomien Aufgabe des Staates war (und bleibt), durch Rahmenbedingungen den Markt mit seinen unbestreitbaren Stärken so zu steuern, daß er zum Nutzen aller wirksam werden kann, so bedarf es heute weltweiter Abkommen und Institutionen, um dieses Leitbild der sozialen Marktwirtschaft in eine Globalökonomie einzubringen. Es geht also darum, von vornherein möglichst faire und gerechte Ausgangsbedingungen zu schaffen. Wo es dennoch zu Ungerechtigkeiten kommt, was vermutlich nie restlos zu verhindern sein wird, sind diese durch nach­trägliche und sachgerechte Interventionen ­zu korrigieren. Dies muß vermutlich auch weiterhin hauptsächlich auf nationalstaatlicher Ebene erfolgen.

Die Globalisierung in ihrer gegenwärtigen Form bedarf grundlegender Strukturreformen, wenn sie dem Leit­bild einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen soll. Das Wirtschaftswachstum muß mehr als bisher mit sozialer und ökologischer Entwicklung verbunden werden. Ökonomische Leistungsfähigkeit ist und bleibt eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für soziale Gerechtigkeit, Schutz der Umwelt und kulturelle Vielfalt. Strategien zur Stärkung der wirtschaftlichen Eigeninitiative und Wettbewerbsfähigkeit einerseits und zur Bekämpfung von Armut und Umweltzerstörung andererseits sind kein Widerspruch an sich, sondern können sich gegenseitig ergänzen. Die vorhandenen Spielräume zu einer sozial- und umweltverträglichen Gestaltung der Wirtschaftspolitik sind gezielt zu nutzen, etwa indem man Human- und Sozialkapital als wichtigen Faktor zur Stärkung von Wirtschaftsstandorten bewußt fördert.

Wirtschaftspolitik einerseits und Sozial- und Umweltpolitik andererseits bewegen sich aber auch in einem Spannungsfeld, das manchmal und in bestimmten Bereichen nur durch gezielte politische Eingriffe abgebaut werden kann. Dies gilt auch für das Verhältnis von sozialer und ökologischer Entwicklung. Darum müssen die Bemühungen zum Schutz der Umwelt, bei denen es letztlich um die Menschen der kommenden Generationen geht, ebenso integraler Bestand­teil einer Weltordnungspolitik sein wie die ökonomische und soziale Entwicklung. Die Globalisierung kommt langfristig nur dann allen Menschen und gesell­schaftlichen Gruppen zugute, wenn Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik sich wechselseitig unterstützen.

3.2.3 Handlungsorientierte kritische Bewertung der globalen Verhältnisse

Die globalen Verhältnisse entziehen sich nicht einer kritischen Bewertung sei es unter der Rücksicht des Reiches Gottes, sei es mit der Vernunft, die Gott uns gegeben hat und die in ihren Erkenntnissen vom Glauben befördert und motiviert wird.

Ergebnisse dieser Überlegungen gelten aber nicht nur global, sondern auch regional, national bis in die kleinen Lebenswelten, zumal sie letztlich auf der von Gott geschaffenen Würde des Menschen beruhen. Zuerst aber bedarf es immer der kritischen Analyse er Situation.

Diese kritischen Maßstäbe fordern uns auf, die Dinge nicht so hinzunehmen wie sie sind, sondern im Sinne unserer sozialethischen Bewertung sie zu ändern, wohl wissend, dass die letzte Perfektion nicht erreicht werden kann und wir immer unterwegs sind.

3.3 Schritte auf dem Weg zu einer gottesreichverträglichen Weltkultur (Handeln)

3.3.1 Die Kultur ist ein Gebilde der Menschen

Die Kultur ist das geistige und materielle "Haus", das der Mensch sich baut, um in dieser natur Leben zu können. Das Konzil erläutet diesen Begriff und macht deutlich, dass eine Kultur dann moralisch gerechtfertigt ist, wenn sie der ganzen Menschheit dient. In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (1965) steht:

"53 Unter Kultur im allgemeinen versteht man alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet; wodurch er sich die ganze Welt in Erkenntnis und Arbeit zu unterwerfen sucht; wodurch er das gesellschaftliche Leben in der Familie und in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft im moralischen und institutionellen Fortschritt menschlicher gestaltet; wodurch er endlich seine großen geistigen Erfahrungen und Strebungen im Lauf der Zeit in seinen Werken vergegenständlicht, mitteilt und ihnen Dauer verleiht zum Segen vieler, ja der ganzen Menschheit."

Wir haben die Vision des Gottesreiches, die uns Kriterien gibt, wie die derzeitige Kultur zu bewerten ist. Diese Bewertung fordert zum verändernden Handeln auf. Dies geschieht, wie es Johannes Paul II. sagt durch die Mitarbeit an einer Kultur des Friedens, er spricht auch oft von einer Zivilisation der Liebe.

"Centesimus annus (1991) 51 Auf dieser Ebene liegt der spezifische und entscheidende Beitrag der Kirche für die wahre Kultur. Sie fördert die Qualität jener menschlichen Haltungen, die die Kultur des Friedens den Modellen vorziehen, die den Menschen in der Masse erniedrigen, die Rolle seiner Initiative und seiner Freiheit verkennen und seine Größe in die Taten des Konflikts und des Krieges verlegen."

"Nur wenn eine Kultur der Menschenrechte, die die unterschiedlichen Traditionen achtet, wesentlicher Bestandteil des moralischen Erbes der Menschheit wird, kann man hoffnungsvoll und gelassen in die Zukunft blicken.(Botschaft von Johannes Paul II. zum Weltfriedenstag 1999)"

Es geht um eine Kultur, die auf den Menschenrechten aufbaut, die Bestandteil des Erbes aller Traditionen der Menschheit ist, um eine Kultur der Liebe, wie Johannes Paul II. es immer wieder betont. In der Globalisierungsentwicklung besteht ja die Gefahr, dass die vor allem die nach dem Zweiten Weltkrieg betonte Komponente des Sozialen verloren geht.

Die ethischen Kriterien, wie eine Gesellschaft gemeinsam mit allen Menschen guten Willens umgebaut werden soll, liefern die Maßstäbe für das Handeln. Dabei kann im folgenden dies nicht für alle Ebenen der Kultur geschehen, für die eigentlich die Kriterien einer Kultur des Friedens eingesetzt werden müssen, wir werden uns im folgenden exemplarisch (beispielhaft) auf einige Probleme der weltweiten Kultur beschränken müssen. Dabei ist das Dokument der Bischöflichen Kommission zu Globalisierung hilfreich. Es soll hier vor allem herangezogen werden. Ergänzt wird es um Fragen nach der Gottesreichverträglichkeit der je angesprochenen Situation.

3.3.2 Ethisch verantwortbare Gestaltung der Globalisierung

So wie der Globalisierungsprozess zur Zeit läuft ist er nicht hinreichend gottesreichverträglich, weil er ganze Länder und viele Menschen vor allem in den Entwicklungsländern vom wachsenden Wohlstand ausschließt und eher noch ärmer macht. 1.5 Milliarden Menschen in Armut auf der Welt, das widerspricht der Gerechtigkeit Gottes und seines Einsatzes für die Armen. Auch die Ausbeutung der Schöpfung widerspricht dem Auftrag, sie zu bewahren und zu behüten.

"5.2     Ethisch verantwortbare Gestaltung der Globalisierung

Der Globalisierungsprozeß bewirkt zwar einen weltweiten Wohlstandszuwachs, führt aber tendenziell zu erheblichen Verteilungsverschiebungen zu Lasten gering qualifizierter Arbeitskräfte in den Industrieländern und ärmerer Bevölkerungsschichten in den Entwicklungs- und Transformationsländern. Außerdem beruhen die Wachstumseffekte teilweise auf einer unzureichenden Einbeziehung der ökologischen Kosten und schaffen damit ein intergenerationelles Verteilungsproblem. Aus der Perspektive der genannten sozialethischen Kriterien sind derartige Auswirkungen der Globalisierung sehr bedenklich und auf Dauer nicht hinnehmbar. Sollte sich bestätigen, daß ganze Regionen und Bevölkerungs­gruppen weiterhin und in wachsendem Maß von den Wohlfahrtsgewinnen der Globalisierung ausgeschlossen bleiben und die Lebensgrundlagen künftiger Generationen gefährdet werden, dann könnten auch die mit der Globalisierung einhergehenden Vorteile solche Fehlentwicklungen nicht aufwiegen.

Wenn die Überwindung der Ausgrenzung vorrangiger ethischer Maßstab universaler Verant­wortung ist, dann muß es primäres Ziel politischer Steuerung sein, durch ordnungspolitische Rahmenbedingungen soweit wie möglich zu verhindern, daß der Globalisierungsprozeß die Menschen und Generationen in Gewinner und Verlierer spaltet. So wie es im Zeitalter der Nationalökonomien Aufgabe des Staates war (und bleibt), durch Rahmenbedingungen den Markt mit seinen unbestreitbaren Stärken so zu steuern, daß er zum Nutzen aller wirksam werden kann, so bedarf es heute weltweiter Abkommen und Institutionen, um dieses Leitbild der sozialen Marktwirtschaft in eine Globalökonomie einzubringen. Es geht also darum, von vornherein möglichst faire und gerechte Ausgangsbedingungen zu schaffen. Wo es dennoch zu Ungerechtigkeiten kommt, was vermutlich nie restlos zu verhindern sein wird, sind diese durch nach­trägliche und sachgerechte Interventionen zu korrigieren. Dies muß vermutlich auch weiterhin hauptsächlich auf nationalstaatlicher Ebene erfolgen.

Die Globalisierung in ihrer gegenwärtigen Form bedarf grundlegender Strukturreformen, wenn sie dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen soll. Das Wirtschaftswachstum muß mehr als bisher mit sozialer und ökologischer Entwicklung verbunden werden. Ökonomische Leistungsfähigkeit ist und bleibt eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für soziale Gerechtigkeit, Schutz der Umwelt und kulturelle Vielfalt. Strategien zur Stärkung der wirtschaftlichen Eigeninitiative und Wettbewerbsfähigkeit einerseits und zur Bekämpfung von Armut und Umweltzerstörung andererseits sind kein Widerspruch an sich, sondern können sich gegenseitig ergänzen. Die vorhandenen Spielräume zu einer sozial- und umweltverträglichen Gestaltung der Wirtschaftspolitik sind gezielt zu nutzen, etwa indem man Human- und Sozialkapital als wichtigen Faktor zur Stärkung von Wirtschaftsstandorten bewußt fördert.

Wirtschaftspolitik einerseits und Sozial- und Umweltpolitik anderer­seits bewegen sich aber auch in einem Spannungsfeld, das manchmal und in bestimmten Bereichen nur durch gezielte politische Eingriffe abgebaut werden kann. Dies gilt auch für das Verhältnis von sozialer und ökologischer Entwicklung. Darum müssen die Bemühungen zum Schutz der Umwelt, bei denen es letztlich um die Menschen der kommenden Generationen geht, ebenso integraler Bestandteil einer Weltordnungspolitik sein wie die ökonomische und soziale Entwicklung. Die Globalisierung kommt langfristig nur dann allen Menschen und gesellschaftlichen Gruppen zugute, wenn Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik sich wechselseitig unterstützen."

Zur Durchsetzung seines Willens hier auf der Erde hat Gott seinen Gesalbten (den König, die Regierung) eingesetzt, er soll die Menschen im Sinne des Willens Gottes leiten und sich besonders für Frieden, Gerechtigkeit und das Recht der Bedrängten einsetzen. Dies ist bei der Globalisierung der Wirtschaft und der Zersplitterung staatlicher Macht kaum mehr möglich, die Wirtschaft hat immer weniger soziale Gegensteuerung. Der Frieden ist vor allem durch innerstaatliche Konflikte bedroht, Umweltverschmutzungen sind oft international. Hier sind die Menschen herausgefordert, Steuerinstrumente zu finden und auszubauen, die im Sinne der Vorgaben Gottes lenken. Dabei ist soviel Teilhabe aller erforderlich, wie sinnvoll möglich, es darf nicht einem den kleineren Einheiten entmachtenden Zentralismus das Wort geredet werden. Vieles muss über den Weg der Koordinierung laufen.

"6.1     Politikfelder

Die Ökonomie und die das wirtschaftliche Handeln bestimmenden Werte und Regeln haben sich als die treibenden Kräfte der Globalisierung erwiesen und große, in ihren Folgen noch kaum abschätzbare Umwälzungen ausgelöst. Dabei wird immer offensichtlicher, daß die verschiedenen Globalisierungsprozesse mit ihren ambivalenten Folgewirkungen die Handlungsmöglichkeiten klassischer nationalstaatlicher Politik überfordern. Das heute vorherrschende Steuerungsprinzip des freien Marktes allein erweist sich als unfähig, wirtschaftliche Effizienz, soziale Gerechtigkeit und ökologische Zukunftsfähigkeit auf verträgliche Weise miteinander zu verbinden. Noch weniger ist es imstande, dauerhaften Frieden, demokratische Partizipation und kulturelle Vielfalt zu schaffen bzw. zu sichern, wenn es nicht von einem Konsens in grundlegenden Wertfragen getragen ist. Dazu bedarf es einerseits ordnungspolitischer Maßnahmen, die den marktwirtschaftlichen Wettbewerb in die gewünschte Richtung zu lenken vermögen, andererseits ausgleichender Interventionen, um die Bedürfnis- und Chancengerechtigkeit aller Menschen zu gewährleisten.

Die Globalisierung erfordert heute eine weltweite Strukturpolitik mit dem Ziel einer dauerhaft sozial- und umweltgerechten Entwicklung. Es geht also nicht primär darum, vom Wohlstand etwas an die ärmeren Länder und Menschen abzugeben, sondern eine Weltordnung zu schaffen, die allen Beteiligten faire und halbwegs gleiche Chancen einräumt. Dies erfordert eine Weltordnungspolitik, die entwicklungsförderliche Rahmenbedingungen schafft und der zunehmenden Ausdifferenzierung politischer Handlungsebenen im globalen Maßstab Rechnung trägt. In diesem Zusammenhang wird gegenwärtig ein Ordnungsmodell diskutiert, in dessen Zentrum ein gemeinsamer Politikprozeß geteilter Souveränitäten zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren auf ver­schiedenen Handlungsebenen (lokal, national, regional, inter­national) steht. Ordnungs­politik wie auch gezielte Interventionen auf nationaler wie auf inter­nationaler Ebene müssen sich vor allem auf die folgenden Bereiche beziehen.

6.1.1    Internationale Rechtsordnung und Sicherheitspolitik

Eine globale Steuerung nach dem Subsidiaritätsprinzip wird nur dann erfolgreich sein, wenn sich die Staatengemeinschaft auf eine grundlegende internationale Rechtsordnung mit ent­sprechenden Rechtsprinzipien verständigen kann. Grundlegend dafür ist, daß alle Länder in ihrem eigenen Bereich die Voraussetzung für Rechtssicherheit, die Beachtung der Menschenrechte sowie die Möglichkeit zur politischen Beteiligung der Bevölkerung schaffen. Dazu bedarf es aber auch der Stärkung globaler Rechtsstaatlichkeit mit klaren Gesetzesregeln, Mechanismen zur Konfliktregelung und Sanktionsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang ist es unverzichtbar, Institutionen wie den Internationalen Gerichtshof in Den Haag aufzuwerten und eine verbindliche Anerkennung der Rechtsprechung solcher Einrichtungen zu gewähr­leisten. Neben institutionalisierten, langfristig angelegten Formen der internationalen Zusammenarbeit im Sinne einer präventiven Sicherheitspolitik braucht es auch verbesserte Mechanismen zur kurzfristigen Vermittlung und Schlichtung von Konflikten, um militärische Eskalationen und offene kriegerische Auseinandersetzungen unter allen Umständen zu verhindern.

Die Akzeptanz globaler Rechtsstaatlichkeit und verbindlicher weltweiter Rahmenbedingungen erfordert jedoch auch ein Mindestmaß an gemeinsamen Werten und insbesondere Vermittlungsverfahren für normative Konflikte. Der interkulturelle Dialog über universale Werte als Fundament gemeinsamen Handelns wird nur dann gelingen, wenn man die jeweilige Andersheit anerkennt und wenn die einzelnen Kulturen bereit sind, sich im Fortgang eines dialogischen Prozesses aufeinander einzulassen. Nur so kann man von einer ungleichgewichtigen Lehrgemeinschaft zu einer gleichberechtigten Lerngemeinschaft gelangen. Ein solcher Dialog stellt freilich eine besonders anspruchsvolle Form der Vermittlung im Fall von Konflikten dar, weil es sich dabei nicht nur um einen pragmatischen Kompromiß handelt, sondern man sich für die Wertvorstellungen anderer Kulturkreise öffnen muß.

6.1.2     Eigenverantwortung für Wirtschafts- und Sozialpolitik

Die Hauptverantwortung, durch eine solide Wirtschafts- und Sozialpolitik zur Überwindung von Armut und Unterentwicklung beizutragen, liegt bei den jeweiligen Ländern selbst. Nur sie können letztlich die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Beteiligung an der Weltwirtschaft schaffen. Dazu gehören neben demokratischen Reformen und Rechtssicherheit eine wirtschaft­liche Rahmenordnung, welche die Eigeninitiative der Menschen fördert, sowie eine gute Regierungsführung. Von großer Bedeutung sind, neben der Investition in Sach- und Humankapital, eine gerechte Eigentumsordnung mit wirksamem Schutz und ausgewogener Verteilung von Eigentum und Besitz sowie eine faire und wachstumsfördernde Steuergesetzgebung. Eine Schlüsselrolle haben weiter die Schaffung binnenwirtschaftlicher Stabilität durch die Unabhängigkeit monetärer Instanzen, eine strikte Bankenaufsicht, Inflationsbekämpfung und staatliche Haushaltsdisziplin.

Konstant niedrige Inflationsraten sind ein entscheidender Indikator für ein gesundes makroökonomisches Umfeld. Starke Schwankungen des allgemeinen Preisniveaus erschweren es Produzenten und Konsumenten, relative von absoluten Preisänderungen zu unterscheiden. Nimmt der Informationsgehalt der relativen Preise ab, so besteht die Gefahr einer Fehlverwendung von Ressourcen mit negativen Folgen für Wachstum und Beschäftigung. Länder mit hohen Inflationsraten und Budgetdefiziten sind darum als Standorte für internationales Kapital kaum attraktiv. Eine stabilitätsorientierte Politik ist auch sozialethisch gut zu begründen, denn Inflation ist unsozial, weil sie sich vor allem zu Lasten der Schwächeren und Armen auswirkt. Ökonomisch besser gestellte Personen können dagegen durch die Flucht in Sachwerte oder ins Ausland den negativen Folgen hoher Inflation leichter entgehen. Inflation ist folglich nie ein geeignetes Instrument, um wirtschaftliche und soziale Probleme zu lösen...

Eine zentrale Rolle spielen die Investitionen in Menschen (Nahrung, Gesundheit, Bildung), also die Bildung von Humankapital. Empirische Untersuchungen zeigen eine deutlich positive Korrelation zum Wirtschaftswachstum. So weist etwa das weltweite Gefälle der Pro-Kopf-Einkommen einen klaren Zusammenhang mit den Unterschieden in der Dauer der Schulausbildung auf. Die Investitionen in Humankapital sind in einer Welt, in der einfache Tätigkeiten immer mehr durch Maschinen übernommen werden und modernste Kommunikations- und Informationstechnologien den Arbeitsprozeß durchdringen, mindestens ebenso wichtig wie Investitionen in Sachkapital. Länder, welche diese Aufgabe vernachlässigen, sind als Verlierer der Globalisierung gewissermaßen programmiert.

Wirtschafts- und Sozialpolitik stehen in einem wechselseitigen Zusammenhang. So sind die bereits genannten wirtschaftspolitischen Maßnahmen und eine zukunftsorientierte, breitenwirksame und der jeweiligen Situation angepaßte Technologiepolitik geeignete Instrumente zum Abbau von Armut. Umgekehrt ist eine Sozialpolitik, die durch soziale Sicherung die berufliche Flexibilität erhöht und das Human­kapital fördert, die Grundlage für wirtschaftliche Leistungs und Wettbewerbsfähigkeit und damit für eine erfolgreiche Teilnahme an den Globalisierungs­prozessen. Die Spielräume für eine soziale Gestaltung der Wirtschaftspolitik einerseits und zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit durch soziales Kapital andererseits gilt es darum systematisch zu analysieren und möglichst für eine erfolgreiche Teilnahme an der Weltwirtschaft zu nutzen. All diese Maßnahmen würden zugleich eine von außen (Internationaler Währungsfonds) auferlegte Strukturanpassungspolitik mit ihren problematischen sozialen Folgen weitgehend überflüssig machen.

Wo diese Maßnahmen nicht greifen oder an ihre Grenzen stoßen, bleibt es auf jeden Fall eine primäre Aufgabe der Sozialpolitik, die absolute Armut mit allen Mitteln zu bekämpfen. Andernfalls bleibt die Option für die Armen und Ausgeschlossenen ein reines Lippenbekenntnis. Durch ausgleichende Maßnahmen ist daher sicherzustellen, daß wenigstens die Grundbedürfnisse jener Bevölkerungsgruppen, die zu Verlierern des ökonomischen Globalisierungsprozesses werden, befriedigt werden können. Dies gilt auch im Fall von unvermeidlichen Strukturanpassungen im Rahmen von Umschuldungen.

Auf internationaler Ebene kann Entwicklungshilfe der reichen Länder die Eigenanstrengungen der Entwicklungs- und Transformationsländer nie ersetzen, sie aber sinnvoll ergänzen. Als eine Art von globalem Sozialausgleich kann sie wichtige Impulse geben und bleibt daher unver­zichtbar. Entwicklungshilfe ist allerdings umso erfolgreicher, je mehr sie sich nicht in reinen Transfers erschöpft, sondern einen strukturellen Beitrag zum Entwicklungsprozeß leistet.

6.1.3 Reform der Weltwirtschaftsordnung und des internationalen Finanzsystems

Auch wenn die Chancen eines Landes, von der Globalisierung zu profitieren, zunächst von ihm selbst abhängen, darf nicht übersehen werden, daß die Wirksamkeit nationaler Politikmaßnahmen heute begrenzt ist. Daher bedarf es zusätzlich einer Gestaltung des weltwirtschaftlichen Wettbewerbs, um allen Beteiligten faire und halbwegs gleiche Chancen einzuräumen. Eine entsprechende Ordnung muß vor allem dazu beitragen, daß einzelne Länder nicht ihre Machtposition im internationalen Gefüge zu einseitigen wirtschaftlichen Vorteilen nutzen.

Die gegenwärtige Welthandelsordnung im Rahmen der Welthandelsorganisation hat zu einem erheblichen Abbau von Handelshindernissen beigetragen, was auch vielen Entwicklungs- und Transformationsländern zugute kommt. Die Öffnung der Märkte für Produkte dieser Länder, ihre bevorzugte Behandlung durch Präferenzzölle und ähnliche Regelungen, der Verzicht auf eigene handelsbezogene Subventionen und die Bereitschaft zu Investitionen in ärmeren Regio­nen bleiben aber weiter wichtige und noch keineswegs eingelöste Forderungen. Wie wichtig ent­sprechende Reformen sind, zeigen etwa die negativen Folgen der Agrarpolitik der Euro­päischen Union besonders für arme Entwicklungsländer.

Aber auch die Welthandelsordnung selbst bedarf der Fortentwicklung, wenn sie einen fairen Wettbewerb in der Weltwirtschaft ermöglichen soll. Dazu zählt einerseits ein internationales Wettbewerbsrecht, das die Konzentration wirtschaftlicher Macht durch klare Regeln, eine zuverlässige Kontrolle und effektive Sanktionen verhindert. Andererseits sind Sozial- und Umwelt­standards zu entwickeln bzw. durchzusetzen, wie etwa die bereits ausgehandelten Kern­arbeitsnormen der Internationalen Arbeits­organisation, um zu verhindern, daß die Expansion des Welthandels zu Lasten der Ärmsten und künftiger Generationen geht. Dabei ist freilich darauf zu achten, daß unter diesem Namen kein neuer Protektionismus der Industrieländer gefördert wird, wie die Länder des Südens und Ostens nicht ohne Grund befürchten.

Nicht geringer Handlungsbedarf besteht auch im Hinblick auf eine Reform der Weltfinanzordnung, wie die Turbulenzen auf den Finanzmärkten in Asien, Rußland und Lateinamerika einmal mehr gezeigt haben. Es braucht Regulierungen mit dem Ziel, für eine bessere Risikovorsorge der Finanzinstitutionen (z.B. Kapitaldeckungsvorschriften) zu sorgen, die Berichtspflichten der nationalen Regierungen zu erhöhen sowie in allen Ländern eine funktionsfähige Bankenaufsicht zu errichten. Da die Sprunghaftigkeit der internationalen Finanzmärkte die finanzielle Stabilität und damit die Wachstumschancen von Entwicklungs- und Transformationsländern mit kaum entwickelten Finanzsystemen besonders gefährdet, stellt sich die Frage, ob eine zeitlich befristete Einschränkung des Zuflusses von kurzfristigem Kapital nicht doch eine geeignete Gegenmaßnahme ist. Keineswegs abgeschlossen ist auch die Diskussion um die Einführung einer Devisentransaktionssteuer, mit der die Attraktivität kurzfristiger Währungsspekulationen verringert werden soll.

Ein besonderes Anliegen der Kirchen und vieler anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen an der Schwelle zum nächsten Jahrhundert ist ein groß­zügiger Schuldennachlaß, vor allem für die ärmsten Länder, die sonst kaum eine Zukunfts­perspektive haben. Solch ein Erlaß ist freilich nur dann hilfreich und vertretbar, wenn die Ent­lastung primär den Armen und der breiten Bevölkerung zugute kommt (z.B. durch Gegenwertfonds). Eine Konditionalität mit dieser Zielsetzung ist unerläßlich, nicht zuletzt um einer leichtfertigen Aufnahme von Krediten in Zukunft keinen Vorschub zu leisten. Je größer die Bereitschaft der Schuldnerländer dazu ist und je entschlossener sie notwendige ökonomische und soziale Reformen einleiten, umso großzügiger sollte die Entlastung ausfallen.

Schuldenprobleme sind freilich auch künftig nicht völlig auszuschließen, da selbst bei guter Regierungsführung und größter Vorsicht nie alle Risikofaktoren (Preisverfall bei Exporten, Wechselkursschwankungen, ruinöser Wettbewerb) kalkulierbar sind. Für solche Fälle braucht es ein internationales Insolvenzverfahren mit dem Ziel, den Grundgedanken des Konkurs- und Vergleichsrechtes sowie des Pfändungsschutzes auch in die internationalen Rechtsbeziehungen aufzunehmen. Auf diese Weise könnte man einer unvorsichtigen Kreditvergabe entgegenwirken, im Fall von Zahlungsproblemen schneller und wirksamer als bisher reagieren und so die Wahrscheinlichkeit neuer, lang andauernder Schuldenkrisen verringern.

Auch die Ausbeutung der Schöpfung widerspricht dem Auftrag, sie zu bewahren und zu behüten. Sie ist gleichermaßen ein Eingriff in das Lebensrecht kommender Generationen und ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit. Weil die Umweltverschmutzung meist auch, z.B. in der Frage unserer Atmosphäre international ist, ist damit auch die Solidarität angesprochen, weil dies ein Verstoß gegen die Nächstenliebe ist.

6.1.4    Globale Umweltpolitik

In der Vergangenheit regional auftretende Umweltschäden haben mittlerweile globale Ausmaße angenommen (Treibhauseffekt, Ozonloch) und eine national agierende Umweltpolitik vor allem im Bereich des Klimaschutzes an ihre Grenzen geführt. Als Folge davon ist die Notwendigkeit eines international abgestimmten Verhaltens zur Internalisierung grenz­über­schreitender externer Effekte beständig gewachsen. Allerdings hat sich die Durchsetzung wirkungsvoller internationaler Abkommen aufgrund gegensätzlicher staatlicher Interessen bisher als schwierig erwiesen, wie die aus ökologischer Sicht ernüchternden Diskussionen bei der Umweltkonferenz in Rio und bei den Vertragsstaatenkonferenzen zur Umsetzung der dort beschlossenen Konventionen gezeigt haben.

Eine globale Umweltpolitik, die diese Defizite beseitigen will, ist eine politische Querschnittsaufgabe, die alle Politikfelder einbeziehen und kohärent sein muß. Im Mittelpunkt muß die Schaffung einer sowohl sozial wie ökologisch verträglichen Wirtschafts- und Lebensweise stehen. Dabei müssen vorbeugende Maßnahmen, die Verschwendung von Ressourcen und ökologischen Raubbau vermeiden, Vorrang vor nachträglichen Ausgleichsmaßnahmen haben, was auch ökonomisch sinnvoller ist. Aufgrund ihres hohen Ressourcenverbrauchs und ihrer politisch, wirtschaftlich und soziokulturell dominanten Rolle kommt den reichen Industrienationen wie den Reichen im Süden dabei eine besondere Verantwortung zu. Eine solche Politik entspricht den langfristigen Eigeninteressen der Industrieländer selbst, sie ist aber auch ein Aspekt langfristiger Entwicklungspolitik, denn sie hat weitreichende Auswirkungen auf die künftigen Entwicklungschancen gerade im Süden und im Osten. All dies verlangt vorausschauende und mutige Strukturanpassungen im Norden im Sinn einer Strategie nachhaltiger Entwicklung."

Wir alle tragen Verantwortung für diese Aufgaben. Wir gehören zum angebrochenen Reich Gottes. Das können wir aber in der Regel nicht allein, aber gemeinsam mit anderen kann es schrittweise vorwärts gehen nach dem afrikanischen Sprichwort: Wenn viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, dann kann sich die Welt verändern. Hier geht es vor allem um die Global Players (Globalen Spieler) und ihre Verantwortung, aber sie baut auch auf unserer Einstellung, z.B. wie wir mit den Bedrängten in unserer Umgebung umgehen.

3.3.3 Die Handlungsträger

3.3.3.1 Die Nationalstaaten, die regionalen Zusammenschlüsse und die gesamte Staatengemeinschaft

Der Bericht der von der UN eingesetzten Kommission für Weltordnungspolitik (Global Governance)von 1995 überschreibt ihren Bericht mit dem Titel: "Nachbarn in einer Welt". Dies ist im Grunde schon eine ethische Aussage über die weltweiten Beziehungen. Eine Weltregierung wird nicht vorgeschlagen, dafür ist die Welt noch nicht demokratisch genug. Aber es darf keine Welt ohne ein System oder Regeln geben. Diese Welt wäre chaotisch. Die Herausforderung besteht darin, so der Bericht , " ein Gleichgewicht zu finden, das dem Interesse aller Menschen an einer auf Nachhaltigkeit angelegten Zukunft entspricht, von menschlichen Grundwerten geleitet wird und die weltweite Organisation mit der bestehenden Vielfalt in Einklang bringt". Die Weltgemeinschaft muss neue Werte des Zusammenlebens finden. Es muss ein "globaler Bürgerethos" gefunden werden, das alle Rechte und Pflichten beinhaltet, die von allen, öffentlich wie privat zu beachten sind. Ohne eine solche Rahmensetzung könnte die neue entstehende "globale Zivilgesellschaft" (wird auch Bürgergesellschaft genannt) allerdings orientierungslos und sogar unregierbar werden." Ein solche Ethos könnte die bestehenden internationalen Grundrechte weiter stärken und das moralischen Fundament eines wirksamen Systems der Wertordnung werden. Es darf dabei nicht nur Menschenrechte geben, sondern auch Menschenpflichten, die jedem auflegen für die Durchsetzung des Weltethos einen Beitrag zu leisten. Die Prinzipien müssten schriftlich in einer "globalen Charta der Zivilgesellschaft" verankert werden.

Ohne die Nationalstaaten ist eine Weltordnungspolitik nicht aufzubauen. Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte. Schon in der im Alten Orient kam es u Friedensbündnissen unter gleichberechtigten Königen, die sich Brüder nannten. Der Bundesschluss geschah in Riten mit Tierteilungen, so sollte der zerteilt werden, der den Bundbrach. Gesandte anderer Partner waren unverletzlich. Rom wollte einen Frieden, der auf seiner Herrschaft beruhte. Aus dieser Zeit vor allem stammt der Satz "pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten). Ein System der Partner gab es auch im Mittelalter bis zu den Religionskriegen, aber auch wieder im Westfälischen Frieden 1648, ja sogar gelegentlich mit islamischen Staaten. So entwickelt sich ein Völkerrecht bis hin zum Völkerbund den Vereinten Nationen und den intrantionalen Verträgen. Dazwischen gab es immer wieder nationalistische Ausfälle wie im Faschismus. Eine neue Weltordnung ist nur auf der Basis der Menschenrechte aufzubauen. Sie dürfte auf absehbare Zeit nur über Verträge und regionale Zusammenschlüsse gehen, diese aber müssen konsequent weiter verfolgt werden, damit es einmal zu einer Weltinnenpolitik kommt.

So sind die Nationalstaaten auch weiterhin wichtige Akteure eiern Weltordnung, aber nicht mehr die einzigen. Sie müssen Rechte an übergeordnete Instanzen abgeben. Die globalen (transnationalen) Wirtschaftsorganisationen müssen weiter ausgebaut werden, trotz aller Misserfolge sind sie unersetzlich. Sie müssen deutlich subsidiär arbeiten. Das heißt, den betroffenen Ländern helfen, sich möglichst selbst aus der Not herauszuarbeiten. Sie müssen sich von dem wohl gerechtfertigten Vorwurf befreien können, durch ihre Währungsmaßnahmen die sozialen und Bildungseinrichtungen der betroffenen Länder massiv zu schwächen. Das gilt von der Weltbank, und dem IWF. Auch die WTO bedarf der weiteren Entwicklung. Dazu gehören dann aber im wachsenden Maße Sozialstandards, damit sich nicht ein ungezügelter Kapitalismus weltweit frei entfalten kann. Dies alles muss zusammenwachsen auf eine neue Weltordnung und Weltordnungspolitik (Global Governance) hin, die vom oben genannten Ethos getragen wird. Eine wichtige Aufgabe kommt in dieser Entwicklung den Wirtschaftsregionen zu, diese vor allem müssen gemeinsame Wirtschafts- und Sozialstandards absprechen. Die G7 (G8) - Staaten dürfen nicht zu einer Herrschaft der Reichen werden, sondern auch die sozialen Belange der Menschheit im Auge haben. Sonst werden sie sich noch mehr Gegner schaffen.

3.3.3.2 Die transnationalen Unternehmen und Medienimperien

Die grenzüberschreitenden Unternehmungen führen zu einer Macht, die von Nationalstaaten nicht mehr kontrollierbar ist. Manchmal breiten sich Formen neokapitalistischen Gehabes aus. Es wächst aber auch zugleich das Bewusstsein über den Bereich engagierter Politiker und NRO (Nichtregierungsorganisationen, englisch NGO = Non Government Organisation) Vertreter hinaus, dass es ethische Standards des Welthandels und neben einer politischen und ökonomischen auch eine soziale Stabilität geben muss. Auch der erhebliche Machtzuwachs der transnationalen Konzerne bedarf einer politischen Kontrolle. Transnationale Konzerne sollen ihr Eigeninteresse wahrnehmen, aber immer unter Rücksicht des Interesses der betroffenen Menschen und des Ganzen. Dies bedeutet auch, Regeln einer globalen Finanzpolitik zu entwickeln und zu beachten, den weltweiten Umweltschutz (z.B. die Beschlüsse von Rio, Agenda 21) zu achten und sich den Zielvorgaben in internationalen Abkommen gibt, wie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in den Konventionen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation verpflichtet zu wissen. Dazu gehören Normen wie das Recht auf freie Gewerkschaften, das Verbot von Kinderarbeit, die das Leben und die Entwicklung der Kinder beeinträchtigt und sie nur ausbeutet, sowie Zwangsarbeit und eine Einstellungspolitik, die niemanden wegen seiner Sprache, Hautfarbe und ethnischen Herkunft, seiner Religion, seinem Geschlecht benachteiligt. Es müssen Möglichkeiten entwickelt werden, wie dies wirksam kontrolliert und ggf. sanktioniert werden kann. Nur so wird auf Dauer eine ersprießliche Entwicklung für alle auch für die transnationalen Firmen möglich sein.

Ähnliches gilt von den internationalen Medienkonzerne (Imperien - das Wort sagt, dass sie schon lägst auf ihre Weise herrschen) die grenzüberschreitend wirken und deren Einfluss auf die Politik, vor allem auf Wahlen in machen Ländern immer größer wird. Einerseits müssen sie frei sein von politischen Einflussnahmen, nur so können sie ihre Aufgabe unabhängig wahrnehmen, andererseits bedarf das journalistischen Ethos der Weiterentwicklung auch auf diese Organisationen hin, die Unabhängigkeit, die Achtung der Menschenrechte, der Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit, gleiche Anerkennung von Frauen und Männern. Medien sind unverzichtbar in einer globalen Welt, zu ihrer Aufgabe gehört neben dem Fördern des Bewusstseins, dass alle Menschen zu einer Welt gehören, besonders das Aufdecken von Korruption und Versagen vor allem auch im globalen Handeln.

3.3.3.3 Förderung einer internationalen Zivilgesellschaft

Die zivilgesellschaftlichen Akteure werden immer wichtiger, weil sie für die Anliegen vor allem der Armen und auch der Umwelt Lobbyarbeit betreiben. Dadurch kann nicht mehr einfach ohne öffentliche Kritik in verschlossenen Kammern verhandelt werden. Denn diese Zivilgesellschaftliche Aktivitäten sorgen für die notwendige Öffentlichkeitsarbeit. Da sie nicht auf Wahlen angewiesen sind, können sie auch neue Weg beschreiten und Themen angehen, die politisch eher tabu sind. Hier zu nennen wäre aus der Zeit um den Jahrtausendwechsel die internationale Aktion Erlassjahr 2000, durch viele Aktivitäten, die das Thema der Entschuldung von Entwicklungsländern (siehe 1. Einheit) in die Öffentlichkeit brachten von sich reden machte und auch weiterhin agieren wird. Es ist ein Bündnis von den verschiedensten Aktivitäten, Gruppen und Institutionen < http://www.erlassjahr.de >

Hinzu kommen aber auch die Aktivitäten mit Ziel der Einen Weltarbeit, die vielen Gruppen und Partnerschaften, die auf freiwilliger Basis sich für die Belange der Bedrängten in aller Welt einsetzen. Amnesty International, Greenpeace, Cap Anamur, Dritte-Welt-Läden und viele andere Initiativen könnten hier genannt werden. Ohne ihr Engagement ginge in manchen Krisenregionen nichts mehr und ihr Einsatz und ihre Hilfeleistung sind beeindruckend. Sie setzen sich für die Verlierer der Globalisierung ein in der Regel als Nicht-Profitorganisationen, also Organisationen, die nicht auf Gewinn aus sind.

3.3.3.4 Handlungsmöglichkeiten der Kirche, ihrer Werke und kirchlicher Gruppen

Die katholische Kirche ist von ihrem Wesen her eine globale Einrichtung. Über ihr Netz helfen die Kirchen der reichen Länder auf vielfältige Art und Weise in den armen Ländern. Genannt seien hier MISEREOR <http://www.misereor.de >, ADVENIAT < http://www.adveniat.de > und RENOVABIS < http://www.renovabis.de/ >. Hinzu kommt noch Caritas, in Kooperation mit Caritas Internationalis. In der Motivation sind sie anderen Organisationen vergleichbar. Wer in Not- und Krisengebiete kommt, wird diesen Organisationen immer wieder begegnen. Wenn irgendwo eine Katastrophe größeren Ausmaßes ausbricht, dann sind sie in der Regel bei den ersten, die helfen.

Wichtig ist aber auch der Aufbau echter Partnerschaften. Damit kann es zu einem interkulturellen Geben und Nehmen kommen, zum Dialog unter den Völkern und auch unter den Religionen. Die reichen Völker können auch von den Armen lernen. Partnerschaften von Gruppen und Gemeinden vermitteln aber auch unmittelbare Eindrücke und Verantwortlichkeiten. Hier wie dort muss darauf geachtet werden, dass möglichst die Laien in diesen Prozess eingeschaltet werden oder ihn sogar tragen. Diese Gruppen sowie die Gemeinden und die Kirche selbst müssen Lobby für die Armen machen und ihre Probleme in die Öffentlichkeit der reichen Länder bringen. Wichtig ist auch, dass sie sich für ihren Einsatz, vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit Partnerorganisationen suchen, so wie beim Erlassjahr 2000, denn gemeinsam ist man stärker.

Solche Aktionen haben auch Erfolg, wie z.B. gegen Kinderarbeit, gegen Sextourismus und bei dem Vertrieb von 3. Welt-Waren. Sicher ist da noch nicht die Lösung der Probleme, aber es sind Schritte auf dem richtigen Weg. Immer aber bleibt auch die Notwendigkeit der gezielten Bildungsarbeit, um ein breiteres und vertieftes Bewusstsein für die anstehenden Probleme zu schaffen. Zu einer solchen Vertiefung des Bewussteins hat die gemeinsame Studie von BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz < http://www.bund.de/ > und MISEREOR beigetragen, die in acht Leitbildern einen Weg zu einem zukunftsfähigen Deutschland entwickelte.

Zu beachten ist auch die Möglichkeit ethischer Geldanlagen. Es geht darum möglichst solche Unternehmen und Vermögensverwalter auszusuchen, die die Ziele des Konziliaren Prozesses, Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung achten. Das kann dann unter Umständen einen Verzicht auf höhere Rendite bedeuten.

Aufgabe der Kirche ist aber auch, in guter Ökumene vorzugehen, das läuft in Deutschland vor allem auch zu entsprechenden Äußerungen sehr erfreulich. Mit den anderen christlichen Kirchen muss das Gespräch vor allem über vorhandene Institutionen noch intensiviert werden.

Hier in Deutschland haben wir auch die Chance, nahezu mit allen Weltreligionen ins Gespräch zu kommen. Gerade das Gespräch mit dem Islam stellt eine besondere Herausforderung dar. Kennenlernen ist der erste Schritt, Dialog ist sicher schwieriger, er muss aber geführt werden. So wie wir uns in einer Welt der Globalität an großen Pluralismus gewöhnen müssen, so müssen wir dies auch in unserem Land tun. Pluralismus wird ein Zeichen der Globalität sein, für uns ist das ein Teil der Völkerwallfahrt. Das gilt auch von den Religionen. Wir müssen hier sogar einen Schritt voraus sein.

Auch jede Pfarrgemeinde hat Möglichkeiten, sich mehr auf den Weg zu machen und es geschieht ja schon viel. Ansätze sind Umweltschutz, Eine-Weltgruppen, Partnerschaften, Eine Welt-Läden, Engagierte Verbände mit ihren Welthilfswerken und Bildungsarbeit. Nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit den großen kirchlichen Werken, die ohne die Kollekten aus den Pfarreien kaum lebensfähig wären.

3.4 Worum es geht

Es geht darum wie Johannes Paul II. sagt: "...der Globalisierung des Profits und des Elends eine Globalisierung der Solidarität entgegenzuhalten..." Wer daran glaubt, dass die Mitte der Botschaft Jesu die Predigt vom Reiche Gottes ist, der wird sich für seine Gerechtigkeit für und auf dieser Erde einsetzen. Das Reich will in allen Gegenkräften dieser Welt durch uns sichtbar werden, wir können uns vertrauend darauf einlassen, dass ein solches Wirken das sinnvollste ist, trotz aller Probleme und Rückschläge, weil Gott die Vollendung schenkt.

 

3.5 Fragen zum Kapitel 3

3.5.1 Fragen zu 3.1

1. Was versteht man unter Globalisierung?

 

 

 

 

 

 

2. Nennen Sie drei Gründe der Globalisierung?

 

 

 

 

 

 

3. Nennen Sie drei Folgen der Globalisierung?

 

 

 

 

 

 

4. Wo begegnen Ihnen Fragen, die mit der Globalisierung zu tun haben?

 

 

 

 

 

 


3.5.2 Fragen zu 3.2

1. Mit wem ist das Reich Gottes gekommen aber noch nicht in Vollendung da, begründen Sie Ihre Antwort kurz?

 

 

 

 

 

 

2. Was verstehen Sie unter der Prüfung der "Gottesreichverträglichkeit" und nennen Sie einige Beispiele?

 

 

 

 

 

 

3. Welche ethischen Kriterien halten Sie für besonders wichtig?

 

 

 

 

 

 

 

4. Wie beurteilen Sie in aller Kürze die Situation der Globalität?

 


3.5.3 Fragen zu 3.3

1. Was können Nationalstaaten und die Staatengemeinschaft tun?

 

 

 

 

 

 

2. Was müsste im Bereich transnationaler Unternehmen geschehen?

 

 

 

 

 

 

3. Wie kann eine internationale Zivilgesellschaft gefördert werden?

 

 

 

 

 

 

4. Was könnten Sie in Ihrem Umfeld tun (z.B. in der Pfarrei)?

 

4 Ertrag

Betrachtet man die theoretischen Ansätze der katholischen Soziallehre, so gibt er verschiedene Entwicklungslinien.

Es geht einmal vom naturrechtlich-philosophischen Ansatz, zu biblischen Gedanken bis hin zur Befreiungstheologie bis zu dem Gedankengut des in Jesus angekommen Reiches Gottes. Der naturrechtliche Ansatz selbst basiert auf einer alten Tradition, die bis in die Antike zurückgeht und über Thomas von Aquin, die Naturrechtsdenker der Neuzeit und die Neuscholastiker ab dem Ende des 19. Jahrhunderts auf uns überkommen ist.

Ihr Gedankengut, vor allem die Prinzipien der Personalität, Solidarität und Subsidiarität haben weit über den katholischen Bereich als Veränderungskriterien Bedeutung gewonnen. Sie gehen zusammen mit den modernen Ansätzen der Begründung der allgemeinen Menschenrechte, machen aber klar, dass diese nicht nur individuell gelten, sondern soziale Bedeutung haben. Das wird vor allem in der Idee von der sozialen Gerechtigkeit deutlich.

Diese Gedanken sind inzwischen bei einschlägigen Überlegungen fast zu Allgemeingut geworden. Auch in der evangelischen Sozialethik finden sie sich wieder, weil sie sich biblisch im Kern von der goldenen Regel Jesu her begründen lassen (Matthäus 7:12 Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten.) Diese Regel gibt es in anderer Formulierung auch bei Kant und in anderen Religionen.

Die Befreiungstheologie mit ihrer Option für die Armen macht den Zustand der Ungerechtigkeit deutlich und motiviert zum Handeln auf größere Gerechtigkeit hin, wie sie von Gott gewollt ist. Dadurch entwickelt die Soziallehre eine neue Dynamik auf den Zustand des Reiches Gottes hin, das in Jesus begonnen hat. Hier begegnen sich wieder evangelische und katholische Ansätze.

Wenn es dann um die Frage einer gerechteren Welt in ihrer Globalität geht, dann sind diese Gedanken einer Ethik des Sozialen ein Beitrag zum weltweiten Gespräch über einen Weltethos. Nicht umsonst ist der Bericht der von der UN eingesetzten Kommission für Weltordnungspolitik (Global Governance)von 1995 mit dem Titel: "Nachbarn in einer Welt" überschreiben. Es geht um gute Nachbarschaft und friedvolles miteinander Umgehen. Dass ist eine ethische Frage. Die Weiterentwicklung eines Weltethos ist angefragt. Davon hängt die Zukunft der Menschheit ab.

Als Religion leisten die katholische und die evangelischen Kirchen einen Beitrag über ihre Soziallehre und Sozialethik und der Entwicklung des Weltethos, mit den neu als sozialethischen Veränderungskriterien verstandenen Sozialprinzipien und dem Begriff eiern weltweiten sozialen Gerechtigkeit als Grundlage des Weltfriedens einen wichtigen Gesprächsbeitrag für eine gute Zukunft der Welt im Ganzen und in den Teilen.

 

5 Alphabetische Literaturliste

Adveniat, Die Kirche in der gegenwärtigen Umwandlung Lateinamerikas im Lichte des Konzils, Beschlüsse der II: Generalversammlung Celam, Medellìn 1968, Aachen, Dokumente und Projekte 1968

Beck, Ulrich, Hrsg., Politik der Globalisierung, Frankfurt Main 1998

Beck, Ulrich, Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt Main 1998

Beverly Wildung, Harrison, Die neue Ethik der Frauen. Stuttgart 1991

Boff, Leonardo, Aus dem Tal der Tränen ins Gelobte Land, Rio de Janeiro 1980, Düsseldorf 1984

Boff, Leonardo, Ethik für eine neue Welt, Düsseldorf 2000

Cardenal, Ernesto (aufgezeichnet von E.C.) das Evangelium von Solentiname, Wuppertal 1980

Eigemann, Urs, Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit für die Erde, Die andere Vision vom Leben, Zürich 1998

Feministische Plattform Wirtschaftsethik. Evangelische Akademie Iserlohn. Tagungsprotokolle 97,6. Iserlohn 1997

Frauenforschungsprojekt zur Geschichte der Theologinnen, Neukirchen/Vlyn, 1994

Freire, Paolo, Der Lehrer ist Politiker und Künstler, Neue Texte zu befreiender Bildungsarbeit, (Sammlung verschiedener Aufsätze), Hamburg 1981

Freire, Paolo, Pädagogik der Unterdrückten, Stuttgart/ Berlin 1971

Günter, Andrea, u.a. (Hrsg.), Weiberwirtschaft weiterdenken. Luzern (Exodus) 1998

Gutierrez Merino, Gustavo, Theologie der Befreiung, München 1973

H. Steinkamp, Sozialpastoral, Freiburg 1991

Halkes, Catharina, Gott hat nicht nur starke Söhne, GTB 1985

Hartmann, Günter, Christliche Basisgruppen und ihre befreiende Praxis, Mainz 1980

Hengsbach, Friedhelm, Die andern im Blick, Christliche Gesellschaftsethik in den Zeiten der Globalisierung, Darmstadt 2001

Hillerich, Frank Hg. U.a. Soziale Befreiung der Pastoral, Ein Werkstattbuch der Initiative Sozialpastoral im Bistum Limburg, Limburg 1999

Höffner, Josef, Christliche Gesellschaftslehre, 2. durchgesehene Auflage der Neuausgabe, Kevelaer 2000.

J.B. Metz, Zum Begriff der neuen politischen Theologie 1967-1997, Mainz 1997

Juan Carlos Scanone, Weisheit und Befreiung, Volkstheologie in Lateinamerika, Düsseldorf 1992

Jürgen Moltmann, Gott im Projekt der modernen Welt, Beiträge zur öffentlichen Relevanz der Theologie, Gütersloh 1997

Kaiser, Reinhard, Hrsg. der deutschen Ausgabe (Frankfurt), Global 2000, Bericht an den Präsidenten. 49. Auflage 1984

Klingenbiel, Ruth u.a. Hrsg., Globalisierung aus Frauensicht, Bilanzen und Visionen, Bonn 1998

Küng, Hans, Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft, München 1998

Mette Norbert, Steinkamp Hermann, die Grundprinzipien der Sozialpastoral. Am Beispiel des 'Plano de Pastoral de Conjunto' der Diözese Creatéus (Brasilien) in: Pastoraltheologische Informationen 14 1994 Seite 79-92

Meyers, Diana T. (Hrsg.), Feminist Social Thougth. New York 1997

Meyer-Wilmes, Hedwig, Zwischen lila und lavendel, Regensburg, 1996

Misereor, Land, ein lateinamerikanisches Lesebuch, Aachen 1991

Moltmann-Wendel, Elisabeth, Menschenrechte für die Frau / Frauenbefreiung, München, 1978

Münch, Richard, Globale Dynamik, lokale Lebenswelten. Der schwierige Weg in die Weltgesellschaft, Frankfurt am Main 1998

Nell-Breuning, Oswald, Gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre, Wien, München, Zürich 1980

Phatmater, Josef, Furger, Franz, Hrsg. Katholische Soziallehre in neuen Zusammenhängen, Köln 1985

Scanone, Juan Carlos, Weisheit und Befreiung, Volkstheologie in Lateinamerika

Schlangenbrut, Streitschrift für feministisch und religiös interessierte Frauen, unverschämt lebendig – lateinamerikanische Befreiungstheologie, Nr. 75, 11/2001

Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern, Gütersloh, 1994

Schüssler-Fiorenza, Elisabeth, Zu ihrem Gedächtnis, München / Mainz, 1988

Steinkamp, Hermann, Sozialpastoral, Freiburg 1991

Steinkamp, Hermann, Solidarität und Parteilichkeit, Für eine neue Praxis in Kirche und Gemeinde, Mainz 1994

Tetzlaff, Rainer, Weltkulturen unter Globalisierungsdruck, Bonn 2000

Vogt, Markus, Globale Nachbarschaft, Christliche Sozialethik vor neuen Herausforderungen, München 2000

Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz Hrsg, Die vielen Gesichter der Globalisierung - Perspektiven einer menschengerechten Weltordnung

Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Bonn 1997

Ziegler, Karl-Heinz, Brieskorn, Norbert, Senghaas, Dieter, Waldenfels, Hans, Weltordnungspolitik für das 21. Jahrhundert, Historische Würdigung - Ethische Kriterien - Handlungsoptionen, München 2000

Literaturlisten

Befreiungstheologie:
< http://members.aol.com/befreiungstheo/ >
im Anhang des dortigen ausführlichen Artikels zur Befreiungstheologie unter LITERATURVERZEICHNIS, zuvor eine umfangreiche Darstellung der Befreiungstheologie

Juan Carlos Scanone, Weisheit und Befreiung, Volkstheologie in Lateinamerika, Düsseldorf 1992 Eine ausführlich Literaturlist der deutschsprachigen Werke zum Thema steht bei Scanone in diesem Buch

Feministische Theologie:
Wacker, Marie-Theres, Seminar für Theologische Frauenforschung Uni Münster, auch im Internet:
< http://wwwfb02.uni-muenster.de/fb02/femtheo/bibliographie/theologie/systematische.html>

 
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